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BGB § 516 - Begriff der Schenkung - FD-Logo-500

BGB § 516 - Begriff der Schenkung



BGB § 516 - Begriff der Schenkung

(1) Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.
(2) Ist die Zuwendung ohne den Willen des anderen erfolgt, so kann ihn der Zuwendende unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die Annahme auffordern. Nach dem Ablauf der Frist gilt die Schenkung als angenommen, wenn nicht der andere sie vorher abgelehnt hat. Im Falle der Ablehnung kann die Herausgabe des Zugewendeten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden.






 



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Schenkungsrecht; Begriff der Schenkung; Geschäftsgrundlage einer Immobilienschenkung durch Schwiegereltern.

BGB §§ 313, 516

Wird einer Immobilie (auch) an das Schwiegerkind nicht zu der Nutzung als Ehewohnung, sondern als Anlageobjekt zugewendet, dann ist der dauerhafte Fortbestand der Ehe bei fehlenden Anhaltspunkten in dem Schenkungsvertrag nicht Grundlage des Geschäfts.

OLG Oldenburg, Beschluß vom 14. Oktober 2020 - 11 UF 100/20

Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerseite vom 22.06.2020 gegen den am 26.05.2020 verkündeten Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück (10 F 202/19) wird auf Kosten der Antragstellerseite als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert wird auf bis zu 40.000 € festgesetzt.

Gründe
I. Die ursprüngliche Antragstellerin, Frau A., welche im Jahre 2020 verstorben ist - nachfolgend weiterhin als Antragstellerin bezeichnet -, war die ehemalige Schwiegermutter des Antragsgegners. Mit notariellem Vertrag vom 7. Oktober 2013 des Notars N. übertrug die Antragstellerin dem Antragsgegner und dessen damaliger Frau, der Tochter der Antragstellerin, eine Eigentumswohnung in O. In dem Vertrag heißt es:

» Der Übergeber überträgt und verschenkt die in Ziffer 1. dieser Urkunde aufgeführte Eigentumswohnung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihre Tochter und deren Ehemann, die Übernehmer, und zwar je zur ideellen Hälfte. «

Zudem wurde vereinbart, daß für die Übertragung eine Gegenleistung von 15.000 € zu entrichten ist; der Wert der Eigentumswohnung wurde mit 50.000 € angegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 7. Oktober 2013 verwiesen.

Am 25. Juli 2015 trennten sich der Antragsgegner und seine Ehefrau; die Ehe wurde am 13. September 2017 geschieden. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens schlossen der Antragsgegner und seine damalige Frau einen Vergleich: Es wurde vereinbart, daß die Eigentumswohnung in O. verkauft wird. Die Beteiligten gingen von einem Verkaufserlös von 95.000 € aus, der an die damalige Ehefrau ausgezahlt werden sollte.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2018 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, an sie einen Betrag von 37.600 € zu zahlen, da durch das Scheitern der Ehe die Geschäftsgrundlage der Schenkung weggefallen sei. Vor dem Hintergrund, daß der Schenkungszweck nach Oktober 2013 immerhin noch für etwa 21 Monate erfüllt worden sei, sei ein Abschlag von 6% vorzunehmen, woraus sich eine Forderung von 37.600 € ergebe. Die Antragstellerin hat erstinstanzlich behauptet, Grund für die Schenkung sei gewesen, das eheliche Zusammenleben zwischen ihrer Tochter und dem Antragsgegner als Schwiegerkind zu fördern. Sie sei damals davon ausgegangen, daß die Ehe mindestens bis zum Jahre 2044 Bestand haben werde. Durch die Scheidung habe sich diese Erwartung nicht erfüllt. Bei der Übertragung der Wohnung habe diese einen Wert von 95.000 € gehabt; der in der notariellen Urkunde angegebene Wert sei nur aus Kosteninteresse angegeben worden. Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie 37.600 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab dem 7. August 2018 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat erstinstanzlich behauptet, die Übertragung der Wohnung sei erfolgt, weil die Antragstellerin das Verhältnis zu ihrer Tochter habe wieder verbessern wollen; zudem sei die Wohnung für die Antragstellerin eine finanzielle Belastung geworden: Es hätten umfangreiche Renovierungsmaßnahmen angestanden. Nach der Übernahme der Wohnung sei diese von ihm umfangreich renoviert worden; daher habe sich der Wert der Wohnung von ursprünglich 50.000 € auf 95.000 € erhöht. Der Antragsgegner hat zudem die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Osnabrück hat mit am 26. Mai 2020 verkündeten Beschluß den Antrag zurückgewiesen. Ein Zahlungsanspruch infolge eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB bestehe nicht. Zwar habe es sich vorliegend um eine gemischte Schenkung gehandelt, da der Wert der Wohnung die vereinbarte Gegenleistung von 15.000 € deutlich überschritten habe; jedoch habe die Antragstellerin nicht beweisen können, daß der Fortbestand der Ehe ihrer Tochter mit dem Antragsgegner zur Geschäftsgrundlage der Schenkung geworden sei. Es sei von den Beteiligten nie beabsichtigt worden, die Wohnung als gemeinsame Ehewohnung zu nutzen. Aus dem notariellen Übertragungsvertrag ergäben sich keine Anhaltspunkte, daß die Übertragung der Wohnung der Förderung der Ehe habe dienen sollen. Darüber hinaus habe der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen, daß die Schenkung auch deshalb erfolgt sei, da die Antragstellerin sich mit der Mieterin der Wohnung zerstritten habe, und umfangreiche Renovierungsmaßnahmen angestanden hätten. Im Übrigen sei für einen Zahlungsanspruch neben dem Wegfall der Geschäftsgrundlage auch erforderlich, daß der Antragstellerin das Festhalten an der Schenkung unzumutbar sei; solche Umstände lägen hier jedoch nicht vor.

Hiergegen wenden sich die Antragstellerin bzw. nach ihrem Tode ihre Rechtsnachfolger mit ihrer Beschwerde. Die Antragstellerseite behauptet, daß die Antragstellerin den Antragsgegner nur deshalb beschenkt habe, weil dieser damals mit ihrer Tochter verheiratet gewesen sei. Wäre der Antragstellerin zu dem Zeitpunkt der Schenkung das baldige Scheitern der Ehe bekannt gewesen, hätte sie die Verfügung nicht vorgenommen. Auch wenn ein Einzug der Tochter der Antragstellerin und des Antragsgegners in die geschenkte Eigentumswohnung nie geplant gewesen sei, schließe dies einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht aus: Auch die Schenkung eines Anlageobjekts sei geeignet, die eheliche Lebensgemeinschaft zu fördern. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu der sog. »Schwiegerelternschenkung« könne nicht entnommen werden, daß die Geschäftsgrundlage des Fortbestands der Ehe nur für von den Eheleuten selbstgenutzte Wohnungen gelte. Die Antragstellerseite beantragt, den Beschluß vom 26. Mai 2020 dahingehend abzuändern, daß der Antragsgegner verpflichtet wird, an sie 37.600 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 7. August 2018 zahlen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluß vom 7. September 2020 ausgeführt:

» Der Antrag ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, daß ein vermögensrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 313 Abs. 1 und 3 BGB nicht besteht. Da der gezahlte Kaufpreis dem tatsächlichen Wert der Wohnung nicht entsprach, ist das Amtsgericht zutreffend von einer (gemischten) Schenkung ausgegangen. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Bezug auf die Schenkung liegt jedoch nicht vor. Zwar kann es auch im Rahmen eines Schenkungsvertrages Umstände oder Vorstellungen eines oder beider Vertragspartner geben, auf denen der Geschäftswille aufbaut, und deren schwerwiegende Veränderung eine Anpassung des Vertrages oder gar das Recht eines oder beider Vertragspartner erfordern kann, sich von dem Vertrag zu lösen; allerdings darf hierbei die Rechtsnatur des Schenkungsvertrages nicht aus den Augen verloren werden.

Bei der Prüfung, was im Einzelfall Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrages ist, ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Schenkungsvertrag gerade nicht um einen Austauschvertrag handelt, bei dem Leistung und Gegenleistung im Synallagma stehen; der Schenkungsvertrag ist vielmehr durch eine einseitige unentgeltliche Zuwendung gekennzeichnet, mit welcher der Schenker einen Vermögensgegenstand weggibt, und dem Beschenkten diesen Gegenstand zur freien Verfügung überläßt. Der Beschenkte schuldet gerade keine Gegenleistung (BGHZ 222, 225 = FamRZ 2019, 1595 Tz. 11 bis 16). Eine Rückforderung des Geschenks ist nur möglich, wenn der Beschenkte eine schwere Verfehlung gegenüber dem Schenker oder einem nahen Angehörigen begeht, oder er sich als grob undankbar erweist (§ 530 Abs. 1 BGB). Ein Schenkungsvertrag ist daher stets asymmetrisch. Dies wirkt sich auch auf die für die Geschäftsgrundlage relevanten Vorstellungen der Vertragsparteien aus. Bei der Annahme, daß eine bestimmte Vorstellung die Geschäftsgrundlage der Schenkung bildet, ist daher Zurückhaltung geboten: Nicht jede bei Vertragsschluß vorhandene Vorstellung ist bereits Geschäftsgrundlage des Vertrages (BGHZ 222 aaO).

Für den Fall der sog. Schwiegerelternschenkung hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 18. Juni 2019 (BGHZ 222 aaO Tz. 17, 18) folgendes ausgeführt:

'Anders als bei einer ehe- oder gemeinschaftsbezogenen Zuwendung unter Ehegatten oder Partnern einer Lebensgemeinschaft, mit der der Zuwendende etwas zur (ehelichen) Lebensgemeinschaft beiträgt, und die Erwartung hegt, an dem Vermögenswert selbst weiterhin partizipieren zu können, ist eine Schenkung darauf gerichtet, den Schenker endgültig zu entreichern, und den Beschenkten um den Schenkungsgegenstand zu bereichern, der ihm frei zur Verfügung stehen soll (vgl. BGH FamRZ 2012, 1363 = FuR 2012, 539 Tz. 18; 2014, 1547 Tz. 9). Ist nichts anderes vereinbart, soll der Beschenkte - über die gesetzlichen nachwirkenden Verpflichtungen hinaus - gerade keinen rechtlichen Bindungen unterliegen; insbesondere soll die Schenkung kein Dauerschuldverhältnis begründen, das den Beschenkten dauerhaft an die Vorstellungen bände, die die Bereitschaft des Schenkers zur Abgabe des Schenkungsversprechens bestimmt, oder jedenfalls beeinflußt haben. Der Beschenkte muß daher grundsätzlich - auch bei veränderten Umständen - nicht mit einer Pflicht zur Rückgabe des Geschenks rechnen. …

Insbesondere, wenn der Schenker seine Vorstellungen nicht über eine Auflage oder Zweckabrede zum Vertragsinhalt erhebt, ist für die Schenkung der Wille des Schenkers geradezu konstitutiv, es der Handlungsfreiheit des Beschenkten zu überlassen, wie er mit dem geschenkten Vermögenswert umgeht, und ob und in welchem Umfang er den - ausgesprochen oder unausgesprochen - mit der Schenkung verbundenen Erwartungen des Schenkers Rechnung trägt. Bis zur Grenze des groben Undanks hat danach der Schenker grundsätzlich das 'Risiko' zu tragen, daß die künftige Lebensgestaltung des Beschenkten und sein Umgang mit dem Geschenk nicht den Vorstellungen entsprechen, die er mit dem Schenkungsversprechen verbunden hat. Dies ist gerade die Konsequenz der freigiebigen Zuwendung, der nicht als Gegenleistung die Verpflichtung des Beschenkten gegenübersteht, es dem Beschenkten im Hinblick auf das Geschenk in jeder Hinsicht und auf Dauer 'recht zu machen'. Die Heranziehung des § 313 BGB darf nicht dazu führen, dem Schenkungsvertrag im Wege der Vertragsanpassung rechtliche Verpflichtungen zu unterlegen, die in Widerspruch zu der vereinbarten und für ihn charakteristischen unentgeltlichen Zuwendung stehen und die unbedingte und unwiderrufliche unentgeltliche Zuwendung in eine bedingte oder widerrufliche Übertragung eines Vermögensgegenstands umwandeln. '

Für die Zuwendung von Immobilien durch die Schwiegereltern hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 222 aaO Tz. 19) weiter ausgeführt:

' Danach wird der Zuwendung von Grundeigentum, das vom Beschenkten bewohnt werden soll …, regelmäßig die Vorstellung des Schenkers zugrunde liegen, die Wohnnutzung des Grundstücks werde jedenfalls von einiger Dauer sein. Insbesondere wird eine solche Zuwendung an ein Kind des Schenkers und dessen Partner, die anläßlich der Eheschließung oder sonstigen dauerhaften Verbindung oder in deren Erwartung erfolgt, regelmäßig mit der Vorstellung verbunden sein, das Hausgrundstück werde jedenfalls für einige Dauer von den beschenkten Partnern und gegebenenfalls deren Kindern als gemeinsame Familienwohnung genutzt werden, denn typischerweise ist die beabsichtigte Langfristigkeit der Nutzung ein wesentlicher Beweggrund für die Zuwendung privaten Grundeigentums, und regelmäßig ist ohne weiteres die Annahme gerechtfertigt, der Schenker hätte den Geschäftswillen zur Zuwendung nicht entwickelt, wenn er gewußt hätte, daß die (gemeinsame) Nutzung der Immobilie durch die Beschenkten nur kurzfristig sein werde.'

Wie sich aus den obenstehenden Erwägungen des Bundesgerichtshofes ergibt, ist bei der Ermittlung der rechtlich relevanten Vorstellungen des Schenkers die Nutzungsart der Immobilie durchaus von Relevanz. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung geäußerte Auffassung, wonach es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf die Frage von Eigen- oder Fremdnutzung der Immobilie nicht ankomme, trifft nicht zu. Wendet man die von dem Bundesgerichthof entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, fehlt der vorliegenden Schenkung gerade der erforderliche Gemeinschafts- oder Paarbezug.

Während eine zur Selbstnutzung geschenkte Immobilie mit der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft in direktem Zusammenhang steht, weil sie die Lebens- und Haushaltsführung der Ehegatten unmittelbar betrifft, stellt sich die Situation bei Anlage- und Renditeobjekten anders dar. So muß damit gerechnet werden, daß angelegtes Vermögen in eine andere Anlageart umgeschichtet oder gar verbraucht wird. Anders als bei der Übertragung einer Immobilie zu Wohnzwecken kann der Schenker bei Übertragung sonstigen Vermögens gerade nicht damit rechnen, daß dieses langfristig für die Lebens- und Beziehungsgestaltung der Ehegatten genutzt werden wird. Hinzu kommt vorliegend, daß sich auch im notariellen Vertrag kein Hinweis auf die angebliche Langfristigkeit der Nutzung der Immobilie durch die Eheleute findet. In Ziffer II. des Vertrages heißt es lediglich, daß die Übertragung mit dem Ziel der vorweggenommenen Erbfolge zugunsten der Tochter der Antragstellerin erfolge. Mithin findet die von der Antragstellerin behauptete Zielsetzung im Vertragstext keine Stütze.

Hinzu kommt, daß nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allenfalls aufgrund besonderer, im Einzelfall von dem Tatrichter festzustellender Umstände angenommen werden kann, der Geschäftswille des Schenkers baue auf der Vorstellung einer lebenslang andauernden Beziehung auf. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und der Statistik, daß eine Ehe nicht auf Lebenszeit Bestand hat. Ob und gegebenenfalls wann sich das Risiko einer Trennung verwirklicht, ist für den Schenker wie für jede andere Person regelmäßig nicht vorhersehbar. Die Annahme, daß der Geschäftswille des Schenkers auf der Vorstellung von einer bestimmten oder gar lebenslangen Dauer der Beziehung aufbaut, entspricht daher nicht der Lebenserfahrung (BGHZ 222 aaO Tz. 20). Belegkräftige Indizien dafür, daß die Antragstellerin bei Durchführung der vorliegenden Schenkung auf einen lebenslangen Fortbestand der Beiziehung vertraut hat, hat sie nicht vorgetragen.

Dem Sachvortrag und den gegenbeweislichen Beweisantritten des Antragsgegners, wonach Motive für die Weggabe der Wohnung Mietstreitigkeiten, der hohe Renovierungsbedarf (Schriftsatz vom 16. September 2019) oder die Wiederannäherung nach einem innerfamiliären Streit zwischen ihr und ihrer Tochter (Schriftsatz vom 4. Februar 2020) waren, ist sie nicht substantiiert entgegengetreten. Zwar hatte die Antragstellerin in dem Schriftsatz vom 22. Oktober 2019 vorgetragen, bei der Wohnung habe es sich keineswegs um eine 'unbewohnbare Schrottimmobilie' gehandelt. Dergleichen hat der Antragsgegner jedoch gar nicht behauptet, sondern lediglich von hohem Renovierungsbedarf gesprochen.

Zwar ist bei lebensnaher Auslegung davon auszugehen, daß die Schenkung an den Antragsgegner zumindest auch vor dem Hintergrund erfolgte, daß dieser mit der Tochter der Antragstellerin verheiratet war. Dies allein rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, der Fortbestand der Ehe sei von den Beteiligten zur Geschäftsgrundlage erhoben worden. Soweit die Antragstellerin diese Vorstellung gehabt hat, handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Gerade vor dem Hintergrund der vertraglichen Risikoverteilung bei der Schenkung (BGHZ 222 aaO) hat die Antragstellerin nicht dargetan, daß die Zuwendung mit dem Fortbestand der Ehe stehen und fallen sollte; vielmehr ist auf Seiten der Antragstellerin von einem Motivbündel auszugehen, denn mit der Übertragung der Wohnung hat sich die Antragstellerin zugleich Aufwendungen für die Renovierung der Wohnung oder Streitigkeiten mit den Wohnungsmietern erspart.

Aufgrund der Tatsache, daß eine Eigennutzung der Wohnung durch Kind und Schwiegerkind niemals beabsichtigt war, und aufgrund der mit der Weggabe verbundenen Aufwandsersparnis ist eine kausale Verknüpfung zwischen der Schenkung und dem Fortbestand der Ehe nicht erkennbar. Hierfür spricht auch der Wert des Geschenks. Der Senat hat keinen Zweifel, daß der in der notariellen Urkunde genannte Wert von 50.000 € auch in etwa dem wirklichen Wert der Wohnung entspricht. Bedenkt man, daß für die Wohnung 15.000 € gezahlt wurden, beträgt der Gesamtwert der Schenkung 35.000 €. Da dem Antragsgegner ½-Anteil der Wohnung zugewandt wurde, hat er wirtschaftlich lediglich mit 17.500 € profitiert. Insofern legt auch der Wert des Geschenks eine Verknüpfung mit dem Fortbestand der Ehe nicht nahe.

Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, hat die Antragstellerin auch einen Schenkungswiderruf gemäß § 530 Abs. 1 BGB (sog. grober Undank) nicht schlüssig dargelegt. «

Auch nach erneuter Prüfung und Beratung hält der Senat an seiner in diesem Hinweisbeschluß dargelegten Beurteilung der Sach- und Rechtslage fest.

Der Senat ist auch berechtigt, trotz des zwischenzeitlichen Versterbens der Antragstellerin wie in dem Hinweisbeschluß angekündigt zu entscheiden. Eine Unterbrechung des Verfahrens ist nicht eingetreten. Gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG gelten in Familienstreitsachen, wozu auch das vorliegende Verfahren gehört, die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozeßordnung und die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend. Zwar ist gemäß § 239 ZPO im Falle des Todes einer Partei das Verfahren bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger unterbrochen; dies gilt jedoch gemäß § 246 Abs. 1 ZPO ausdrücklich nicht, wenn der Verstorbene durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war. Diese Regelung rechtfertigt sich dadurch, daß die Vollmacht durch den Tod des Mandanten nicht erlischt, sondern fortbesteht (Stackmann in MünchKomm, ZPO 6. Aufl. § 239 Rdn. 4).

Die Rechte der betroffenen Personen werden dadurch gewahrt, daß der Bevollmächtigte gemäß § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stellen kann. An den Aussetzungsantrag sind strenge Anforderungen zu stellen: In der bloßen Mitteilung an das Gericht, die Partei sei verstorben, und der Rechtsstreit sei daher (nach irriger Annahme des Anwalts) unterbrochen, liegt noch kein Aussetzungsantrag (Stackmann, aaO § 246 Rdn. 12); vielmehr muß unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden, daß eine Aussetzung begehrt wird. Wird der Antrag nicht gestellt, so geht der Rechtsstreit unbeeinflußt von den an sich im Übrigen gegebenen Aussetzungsvoraussetzungen ohne jede besondere Anzeige einfach weiter, und zwar auch dann, wenn die Verfahrensbeteiligten oder das Gericht den Aussetzungsgrund kennen (Stackmann, aaO § 246 Rdn. 13).

Einer Fortsetzung des Verfahrens steht auch nicht der Umstand entgegen, daß die Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei noch unbekannt sind. Ein gerichtliches Verfahren kann auch namens der unbekannten Erben einer bestimmten Person durch einen von dem Erblasser bestellten Verfahrensbevollmächtigten betrieben werden (OVG Münster NJW 1986, 1707). Daß die Erben, wenn ihr Name noch nicht bekannt ist, in dem Rubrum einer verfahrensabschließenden Gerichtsentscheidung nicht aufgeführt werden können, ist unschädlich, und steht der Sachentscheidung nicht entgegen (Stackmann, aaO § 246 Rdn. 13). Vorliegend hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin keinen Aussetzungsantrag gestellt, sondern lediglich eine Verlängerung der Stellungnahmefrist zu dem Hinweisbeschluß beantragt, welche mit Verfügung vom 28. September 2020 gewährt wurde. Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 wurde überdies zu der materiellen Rechtslage weiter vorgetragen, und auch keine weitere Fristverlängerung beantragt. Einer Sachentscheidung des Senats steht deshalb nichts entgegen.

Inhaltlich rechtfertigt das Vorbringen der Antragstellerseite keine abweichende Entscheidung. Die Kritik der Antragstellerseite an der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18. Juni 2019 (BGHZ 222 aaO) vermag nicht zu überzeugen. Wie bereits in dem Hinweisbeschluß ausgeführt, reicht die bloße Annahme von dem Fortbestand der Ehe noch nicht aus, diesen Umstand zur Geschäftsgrundlage zu erheben. Die von dem Gesetzgeber gewollte Risikoverteilung bei der Schenkung darf nicht durch eine extensive Anwendung des § 313 BGB umgangen werden. Soweit die Antragstellerseite pauschal vorträgt, der erhebliche Wert der Immobilie lege eine Verknüpfung des Geschenks mit dem Fortbestand der Ehe nahe, überzeugt dies nicht. Dafür, daß der Wert der Immobilie sich anders darstellt als in der notariellen Urkunde angegeben, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen notariellen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (BGH NJW 2002, 3164). Konkrete einzelfallbezogene Aspekte, die einen höheren Wert der Immobilie nahelegen, wurden nicht vorgetragen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 97 ZPO. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 35 FamGKG.

OLG Oldenburg 2020-10-14 - 11 UF 100/20
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Anmerkungen

1. Die Antragstellerin hatte eine Wohnung im Werte von 50.000 € zu gleichen Teilen auf ihre Tochter und auf ihren Schwiegersohn, den Antragsgegner, gegen Zahlung von 15.000 € übertragen. Zwei Jahre später trennten sich die Ehegatten. Unter Berufung darauf, dass die Schenkung erfolgt sei, um das Zusammenleben der Ehegatten zu fördern, verlangte die Antragstellerin von dem Antragsgegner Zahlung des hälftigen Wertes der Zuwendung abzüglich eines Abschlags, weil die mit der Schenkung verbundene Erwartung jedenfalls eine Zeitlang erfüllt worden sei. Der Antragsgegner tritt dem mit der Behauptung entgegen, Hintergrund für die Übertragung seien Mietstreitigkeiten und der Wunsch nach einer Wiederannäherung zur Tochter gewesen. Das FamG hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass zwar eine gemischte Schenkung vorliege, sich die Vorstellung, dass die Schenkung die Ehe fördern solle, aber weder aus dem Vertrag, noch aus den Umständen ergebe. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg.

Die Annahme einer gemischten Schenkung, deren Geschäftsgrundlage nicht iSv § 313 BGB weggefallen sei, sei zutreffend. Bereits bei der Feststellung der Geschäftsgrundlage sei die Asymmetrie des Schenkungsversprechens zu berücksichtigen, wonach der Begünstigte - bis zu der Grenze des § 530 BGB - in der Verwendung der Zuwendung frei sein solle. Insoweit sei bei der Feststellung von nicht im Wege von Auflagen oder Zweckabreden zum Vertragsinhalt erhobenen Geschäftsgrundlagen Zurückhaltung geboten, um nicht auf diesem Wege eine gerade nicht vorgesehene Verpflichtung des Beschenkten zu schaffen.

Bei der Zuwendung von Immobilien führe zwar die beabsichtigte langfristige Nutzung zu Wohnzwecken im Sinne eines räumlichen Mittelpunktes der Lebensgemeinschaft zu der Annahme einer entsprechenden Geschäftsgrundlage; ein entsprechender Paarbezug fehle der hier gegenständlichen Schenkung indes. Bei der Zuwendung eines Anlageobjekts sei mit kurzfristigen Umschichtungen oder Verwertungen zu rechnen. Der Notarvertrag enthalte ebenfalls keine Hinweise auf eine beabsichtigte langfristige Nutzung. Auch der begrenzte Wert der Zuwendung spreche gegen eine auf eine langfristige Nutzung bezogene Zuwendung. Zwar sei bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass die Zuwendung mit der bestehenden Ehe im Zusammenhang stehe; deren angenommener Fortbestand stelle jedoch nur ein Motiv aus einem Bündel dar, welches die Zuwendung trage.

2. Die Entscheidung beleuchtet Diskrepanzen zwischen der Rechtsprechung zweier Senate des BGH (vgl. Löhnig, NZFam 2019, 827). Die Annahme einer (in diesem Fall gemischten) Schenkung entspricht der ständigen (neueren) Rechtsprechung des XII. Senats (seit BGHZ 184, 190 = FamRZ 2010, 958 = FuR 2010, 467; BGH FamRZ 2012, 273 = FuR 2012, 260; 2015, 393 = FuR 2015, 235). In den entschiedenen Fällen stand für das Rechtsbeschwerdegericht fest, dass auf Seiten des Zuwendenden die für den Empfänger erkennbare Vorstellung Grund für die Zuwendung war, dass die Ehe »Bestand« habe. Nähere Anforderungen hat der BGH insoweit weder für die Feststellung dieser Vorstellungen, noch für die erforderliche erwartete Dauer genannt. Vielfach werden diese Entscheidungen so verstanden, dass der Fortbestand der Ehe regelmässig Geschäftsgrundlage der Zuwendung ist, wenn nicht ausnahmsweise festgestellt werden kann, dass die Zuwendung ohne Rücksicht auf die Ehe dem Schwiegerkind frei verbleiben könne (OLG Bremen NJW 2016, 83).

3. Der X. Senat des BGH hat in jüngster Zeit andere Akzente gesetzt (BGHZ 222, 225 = FamRZ 2019, 1595). Zwar sei der private Erwerb von Immobilien in der Regel auf eine gewisse Dauer angelegt, sodass auch der Zuwendung die Vorstellung einer dauerhaften Nutzung zugrunde liege; diese Vorstellung sei jedoch angesichts der Asymmetrie des Schenkungsversprechens nur mit Zurückhaltung als Geschäftsgrundlage anzusehen. Angesichts der Scheidungszahlen entspreche selbst bei der Zuwendung einer Wohnimmobilie die Annahme einer bestimmten, insbesondere lebenslangen Nutzung nicht der Lebenserfahrung.

4. Tatsächlich dürfte für den Empfänger in aller Regel erkennbar sein, dass Schwiegereltern ohne die Ehe keinen Grund hätten, gerade ihm etwas zu schenken. Die Teilhabe des eigenen Kindes an der Zuwendung im Rahmen der bestehenden Ehe bis zum Tod (oder jedenfalls bis zum völligen Wertverlust der Zuwendung) ist dann Geschäftsgrundlage der Zuwendung.


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