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BGB § 1313 - Aufhebung der Ehe durch richterliche Entscheidung - FD-Logo-500

BGB § 1313 - Aufhebung der Ehe
durch richterliche Entscheidung



BGB § 1313 - Aufhebung durch richterliche Entscheidung

Eine Ehe kann nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag aufgehoben werden. Die Ehe ist mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Die Voraussetzungen, unter denen die Aufhebung begehrt werden kann, ergeben sich aus den folgenden Vorschriften.





 



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Aufhebung der Ehe durch richterliche Entscheidung; Voraussetzungen einer Eheaufhebung; Zurückverweisung bei hilfsweise gestelltem Scheidungsantrag trotz Ausschluß des Versorgungsausgleichs.

BGB § 1313

1. Zu den Voraussetzungen einer Eheaufhebung.
2. Die Sache ist auch dann gemäß § 146 Abs. 1 S. 1 FamFG (analog) an das Amtsgericht zurückzuverweisen, wenn die Scheidungsvoraussetzungen erfüllt sind, der Versorgungsausgleich durch notarielle Vereinbarung ausgeschlossen wurde, und sich keiner der Beteiligten auf die Unwirksamkeit des Ausschlusses berufen hat.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 12. Mai 2021 - 13 UF 23/21

Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die die Eheaufhebung abweisende Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Nauen vom 29.01.2021 (21 F 205/20) wird zurückgewiesen.
2. Auf den mit der Beschwerde gestellten, auf Scheidung der Ehe gerichteten Hilfsantrag der Antragstellerin wird die Sache im Übrigen an das Amtsgericht - Familiengericht - Nauen zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
3. Der Beschwerdewert wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe
I. Die Beteiligten sind seit Juli 2019 miteinander verheiratet; sie haben sich im September 2019 voneinander getrennt. Die Antragstellerin erstrebt die Aufhebung der Ehe, weil der Antragsgegner, mit dem sie seit Februar 2012 partnerschaftlich verbunden war und zusammengelebt hat, sie durch arglistiges Verschweigen seines Drogenproblems und des Umstandes, Jahre zuvor zeitweilig Jugendarrest verbüßt zu haben, zu der Eingehung der Ehe bestimmt habe. Der Eheaufhebungsantrag ist dem Antragsgegner am 13. Dezember 2019 zugestellt worden. Die Antragstellerin hat beantragt, die Ehe der beteiligten Eheleute, geschlossen am … Juli 2019 vor dem Standesbeamten in Charlottenburg von Berlin zu der Heiratsregisternummer E …/2019, aufzuheben; den schriftlich angekündigten, auf Ehescheidung gerichteten Hilfsantrag hat sie in dem von dem Amtsgericht - Familiengericht - Nauen durchgeführten Anhörungstermin nicht gestellt. Der Antragsgegner ist dem Antrag auf Aufhebung der Ehe nicht entgegen getreten; er hat ihm zugestimmt.

Das Amtsgericht hat die Eheleute persönlich angehört, und den gestellten Antrag durch den angefochtenen Beschluß abgewiesen: Die Voraussetzungen für eine Eheaufhebung seien nicht feststellbar. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel weiter; sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie beantragt, die am … Juli 2019 vor dem Standesamt Charlottenburg von Berlin zu Heiratsregisternummer E …/2019 geschlossene Ehe aufzuheben, und hilfsweise, diese Ehe zu scheiden. Der Antragsgegner stimmt den Anträgen zu.

Die Beteiligten haben einen notariell beurkundeten Ehevertrag vom … Juni 2019, mit dem sie unter anderem den Versorgungsausgleich ausgeschlossen haben, zu der Akte gereicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die in dem Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug. Er entscheidet, seiner Ankündigung vom 22. März 2021 folgend, ohne erneute mündliche Verhandlung.

II. Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist wegen des auf Aufhebung der Ehe gerichteten Hauptantrages zurückzuweisen; wegen des in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrages, gerichtet auf Scheidung der Ehe, ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

1. Die Ehe der Beteiligten ist nicht aufzuheben: Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Aufhebungstatbestände des § 1314 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 3 BGB sind nicht gegeben.

a) Tatsächliche Hinweise dafür, daß der Antragsgegner sich bei der Trauung in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befunden haben könnte, haben die Beteiligten nicht mitgeteilt. Der Vortrag, der Antragsgegner habe am Abend des Hochzeitstages Drogen konsumiert, läßt keinen Schluß auf eine Beeinträchtigung seines Geisteszustandes in dem Zeitpunkt der Abgabe des Ja-Wortes zu.

b) Auch der Aufhebungstatbestand des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift kann die Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Eine arglistige Täuschung läßt sich nicht feststellen. Tatsachen, die den Schluß zuließen, der Antragsgegner hätte in der Absicht, die Antragstellerin zu der Eheschließung zu veranlassen, vorsätzlich einen Irrtum bei ihr hervorgerufen oder unterhalten, lassen sich nicht feststellen.

Die Antragstellerin hat keine Umstände vorgetragen, die entsprechende Feststellungen ermöglichen würden. Sie meint, der Antragsgegner habe sie durch das Unterlassen der Offenbarung seines Drogenproblems und seines strafrechtlich relevanten Vorlebens, in dem Bewußtsein dessen getäuscht, daß sie ihn andernfalls nicht ehelichen würde. Sie beruft sich damit auf eine arglistige Täuschung durch das Verschweigen erheblicher Umstände. Das bloße Verschweigen für sich genügt in der Regel nicht; vielmehr muß eine Offenbarungspflicht gegenüber dem anderen Ehegatten bestehen. Eine allgemeine Offenbarungspflicht wird verneint. Ob die Offenbarungspflicht besteht, hängt davon ab, ob es sich um fortwirkende oder in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Umstände handelt. Zu unterscheiden ist auch zwischen Offenbarungspflichten auf Nachfrage und Offenbarungspflichten, die unabhängig davon (»ungefragt«) bestehen (M. Otto in BeckOGK, BGB [Stand: 01.04.2021] § 1314 Rdn. 21). Da die Antragstellerin nicht angegeben hat, den Antragsgegner explizit nach dem Vorliegen eines Drogenproblems und jugendstrafrechtlich geahndeter Verfehlungen gefragt zu haben, kommt es vorliegend darauf an, ob für den Antragsgegner »ungefragte« Offenbarungspflichten bestanden.

aa) Hinsichtlich des Jugendarrestes ist dies zu verneinen. Erhebliche Vorstrafen können eine Offenbarungspflicht begründen (vgl. AmtsG Kulmbach BeckRS 9998, 54440). Daß es sich vorliegend um eine erhebliche Vorstrafe handelt, läßt sich nicht feststellen, auch nicht, daß es sich bei der früheren Verfehlung um einen Sachverhalt gehandelt hat, der noch in Gegenwart und Zukunft fortwirkte. Der Antragsgegner war bei Eingehung der Ehe 28 Jahre alt. Wann er den Jugendarrest verbüßt hat, teilt die Antragstellerin nicht mit. Bei dem Jugendarrest handelt es sich um ein Zuchtmittel des Jugendstrafrechts, das als Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest für eine maximale Dauer von vier Wochen verhängt werden kann (§ 13 JGG). Die Anordnung von Jugendarrest wird in das Erziehungsregister eingetragen (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 BZRG). Eintragungen in dem Erziehungsregister werden regelmäßig entfernt, sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat (§ 63 Abs. 1 BZRG). Die Eintragung dürfte also ca. vier Jahre vor der Eingehung der Ehe getilgt worden sein. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß die der Arrestanordnung zugrunde liegende Verfehlung des Antragsgegners noch bis in die Ehezeit fortgewirkt haben könnte, hat die Antragstellerin nicht dargelegt, und sind auch nicht ersichtlich. Eine diesbezügliche Offenbarungspflicht bestand für den Antragsgegner nicht.

Darüber hinaus lassen sich die subjektiven Elemente der arglistigen Täuschung nicht feststellen. Dem Beteiligtenvortrag ist nicht zu entnehmen, daß es für den Antragsgegner naheliegen mußte, daß dieser Umstand für den Eheschließungsentschluß der Antragstellerin Bedeutung haben könnte.

bb) Hinsichtlich seines »Drogenproblems« kann offenbleiben, ob den Antragsgegner eine explizite Offenbarungspflicht traf, denn es fehlt jedenfalls an der subjektiven Seite einer arglistigen Täuschungshandlung. Das Tatbestandsmerkmal der »Arglist« erfordert Vorsatz (dolus eventualis genügt, allerdings nicht grobe Fahrlässigkeit). Der Täuschende muß sich bewußt sein oder damit rechnen, der Getäuschte werde bei voller Kenntnis der Sachlage von der Eheschließung Abstand nehmen (Wellenhofer in MünchKomm, BGB 8. Aufl. § 1314 Rdn. 23; M. Otto, aaO § 1314 Rdn. 15). Der Täuschungswille muß auf Irrtumserregung oder -aufrechterhaltung und Beeinflussung der Willensentschließung bei dem anderen Teil gerichtet sein; das setzt die Kenntnis der Bedeutung des eigenen Verhaltens bei dem Täuschenden voraus (vgl. BGH NJW-RR 1998, 904, 906). Es kommt also auf die Beurteilung der Situation durch den Täuschenden an. Ist er davon überzeugt, daß seine Angaben für die Entschließung des Erklärenden ohne Bedeutung sind, handelt er nicht arglistig (vgl. Wendtland in BeckOK BGB, 57. Edition [Stand: 01.02.2021] § 123 Rdn. 18).

So liegt der Fall hier. Anhaltspunkte dafür, daß es dem Antragsgegner vor der Eheschließung bewußt gewesen sein könnte, daß die Kenntnis davon, daß er nicht nur dem Alkohol gern zuspricht, sondern auch, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch noch vor der Ehe gelegentlich, und seit Beginn des Jahres 2019 häufiger, Drogen konsumiert, für den Eheschließungsentschluß der Antragstellerin von Bedeutung gewesen wäre, haben die Beteiligten nicht mitgeteilt, und sind auch sonst nicht ersichtlich; vielmehr ist bereits nicht vorgetragen oder erkennbar, daß der Antragsgegner selbst zu einem Zeitpunkt vor der Eheschließung sein Drogenkonsumverhalten als in die Gegenwart und Zukunft wirkende Suchterkrankung, und damit als möglicherweise relevant für die Antragstellerin eingeschätzt hätte.

Seine Angaben in dem Termin vom 12. Januar 2021 sprechen dafür, daß der Antragsgegner vor der Eheschließung der Auffassung war, seinen Drogenkonsum im Griff zu haben. Er hat ausgeführt, Anfang des Jahres 2019 begonnen zu haben, Drogen zu konsumieren, ein- oder zweimal wöchentlich, zumeist am Wochenende. Nach der dreiwöchigen, im Mai 2019 angetretenen Kurbehandlung sei es für die Dauer von ca. vier Wochen, also bis kurz vor der Eheschließung, »relativ gut« gegangen. Dafür, daß er seinem Drogenkonsum selbst keine in die gemeinsame Zukunft weisende Relevanz beigemessen hat, spricht auch, daß sich sein Drogenkonsum in dem Leben der Beteiligten offenbar nicht in einer Weise bemerkbar gemacht hat, daß die Antragstellerin hiervon vor der Eheschließung überhaupt etwas bemerkt haben will. Dafür spricht schließlich auch die allgemeine Erfahrung, daß es für Suchterkrankungen typisch ist, daß sie zunächst von dem Betroffenen unterschätzt werden.

2. a) Die hilfsweise Stellung des Scheidungsantrages in zweiter Instanz ist zulässig (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 533, 263, 264 ZPO). Der Antragsgegner, der dem Hilfsantrag zustimmt, hat damit zugleich auch sein Einverständnis mit der Klageänderung erklärt; sie ist auch sachdienlich. Aufhebungs- und Scheidungsantrag können im Eventualverhältnis miteinander verbunden werden (§ 126 Abs. 3 FamFG, vgl. Weber in BeckOK, aaO § 126 Rdn. 8).

b) Mit Rücksicht darauf, daß die Parteien seit September 2019 und damit länger als ein Jahr voneinander getrennt leben, und der Antragsgegner dem Scheidungsantrag zustimmt, sind die Scheidungsvoraussetzungen gemäß § 1565 Abs. 1 BGB gegenwärtig gegeben.

c) Ungeachtet dessen kann der Senat die Scheidung nicht aussprechen, denn mit der Scheidung ist jedenfalls auch die Folgesache über den Versorgungsausgleich zu regeln (§ 137 FamFG). Der Versorgungsausgleich ist von dem Amtsgericht, das insoweit noch keine Auskünfte der Parteien eingeholt hat, durchzuführen. In entsprechender Anwendung des § 146 Abs. 1 S. 1 FamFG ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Zwar gilt die genannte Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur, wenn in der ersten Instanz ein Scheidungsantrag abgewiesen worden ist; sie ist aber entsprechend anzuwenden, wenn in erster Instanz der Antrag auf Aufhebung der Ehe abgewiesen worden ist, und in der Berufungsinstanz aufgrund einer zulässigen Klageänderung der in der Sache begründete Antrag auf Scheidung der Ehe geltend gemacht wird (vgl. OLG Hamburg FamRZ 1982, 1211; OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1111; OLG Brandenburg [2. FamS] FamRZ 2008, 1534; Weber in Keidel, FamFG 20. Aufl. § 146 Rdn. 4; Weber in BeckOK, aaO § 146 Rdn. 5), denn in diesem Falle tritt erstmals in der Beschwerdeinstanz der Verbund von Scheidungs- und Folgesachen nach § 137 FamFG ein, der für den in erster Instanz anhängigen Verfahrensgegenstand der Eheaufhebung, über den das Familiengericht entschieden hat, nicht galt.

Von der Zurückverweisung kann hier auch nicht deshalb abgesehen werden, weil die Beteiligten den Versorgungsausgleich durch notariellen Ehevertrag ausgeschlossen haben. Von einer Zurückverweisung kann nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Zweck des § 137 FamFG, eine gleichzeitige Entscheidung über den Scheidungsantrag und die zu regelnden Folgesachen zu gewährleisten, und den Parteien für die Folgesachen keine Instanz zu nehmen, nicht erreicht werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn beide Beteiligte einverstanden sind, und der Sachverhalt so vollständig geklärt ist, daß den Beteiligten durch den Verlust der Tatsacheninstanz kein Nachteil entsteht (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 1998, 1528). Daran fehlt es hier, denn über den Versorgungsausgleich ist, ungeachtet eines - im Hinblick auf Wirksamkeit und Ausübungsmöglichkeit zu überprüfenden - ehevertraglich vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs oder sonstiger möglicher Ausschlußgründe, jedenfalls eine Entscheidung zu treffen (§ 224 Abs. 3 FamFG).

Das Amtsgericht wird auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben (Schindler in MünchKomm, FamFG 3. Aufl. § 84 Rdn. 8).

Die Entscheidung zu dem Wert des Beschwerdeverfahrens folgt aus §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1, 43 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 Abs. 2 FamFG).

OLG Brandenburg 2021-05-12 - 13 UF 23/21
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Anmerkungen

Die Beteiligten sind seit Juli 2019 miteinander verheiratet; sie haben sich im September 2019 getrennt. Die Antragstellerin erstrebt die Aufhebung der Ehe, weil der Antragsgegner, mit dem sie seit Februar 2012 partnerschaftlich verbunden war und zusammengelebt hat, sie durch arglistiges Verschweigen seines Drogenproblems und des Umstands, Jahre zuvor zeitweilig Jugendarrest verbüsst zu haben, zu der Eingehung der Ehe bestimmt habe. Der Antragsgegner hat dem Antrag auf Aufhebung der Ehe zugestimmt. Das AmtsG hat den Antrag abgewiesen: Die Voraussetzungen für eine Eheaufhebung seien nicht feststellbar. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin; hilfsweise hat sie erstmals in der Beschwerdeinstanz die Scheidung der Ehe beantragt. Der Antragsgegner hat auch diesen Anträgen zugestimmt. Den Versorgungsausgleich hatten die Beteiligten durch notariell beurkundeten Ehevertrag im Juni 2019 ausgeschlossen.

Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Sache wegen des hilfsweise gestellten Scheidungsantrages an das AmtsG zurückverwiesen. Die Voraussetzungen der Aufhebungstatbestände des § 1314 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 3 BGB seien nicht erfüllt. Tatsächliche Hinweise dafür, dass der Antragsgegner sich bei der Trauung in einem die freie Willensbildung ausschliessenden Zustand befunden haben könnte, hätten die Beteiligten nicht mitgeteilt. Der Vortrag, der Antragsgegner habe am Abend des Hochzeitstages Drogen konsumiert, lasse keinen Schluss auf eine Beeinträchtigung seines Geisteszustandes in dem Zeitpunkt der Abgabe des Ja-Wortes zu. Auch der Aufhebungstatbestand des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB sei nicht erfüllt: Eine nach dieser Norm erforderliche arglistige Täuschung lasse sich nicht feststellen. Da die Antragstellerin nicht angegeben habe, den Antragsgegner explizit nach dem Vorliegen eines Drogenproblems und jugendstrafrechtlich geahndeter Verfehlungen gefragt zu haben, komme es darauf an, ob für den Antragsgegner »ungefragte« Offenbarungspflichten bestanden haben. Hinsichtlich des Jugendarrestes sei dies zu verneinen: Erhebliche Vorstrafen könnten zwar eine Offenbarungspflicht begründen; dass es sich vorliegend um eine erhebliche Vorstrafe handele, lasse sich indes nicht feststellen, auch nicht, dass es sich bei der früheren Verfehlung um einen Sachverhalt gehandelt habe, der noch in Gegenwart und Zukunft fortwirkte.

Hinsichtlich des »Drogenproblems« könne offenbleiben, ob den Antragsgegner eine explizite Offenbarungspflicht getroffen habe, denn es fehle jedenfalls an der subjektiven Seite einer arglistigen Täuschungshandlung. Das Tatbestandsmerkmal der »Arglist« erfordere Vorsatz (dolus eventualis genüge, allerdings nicht grobe Fahrlässigkeit). Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsgegner vor der Eheschliessung bewusst gewesen sein könnte, dass die Kenntnis davon, dass er nicht nur dem Alkohol gern zuspreche, sondern auch, nicht nur in der Vergangenheit, noch vor der Ehe gelegentlich und seit Beginn des Jahres 2019 häufiger Drogen konsumiert habe, für den Eheschliessungsentschluss der Antragstellerin von Bedeutung gewesen wäre, hätten die Beteiligten nicht mitgeteilt, und seien auch sonst nicht ersichtlich.

Wegen der Ehescheidung hat das OLG die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Die Stellung des Scheidungsantrages in zweiter Instanz sei zulässig (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 533, 263, 264 ZPO). Aufhebungs- und Scheidungsantrag könnten im Eventualverhältnis miteinander verbunden werden (§ 126 Abs. 3 FamFG).

Die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 1 BGB seien erfüllt; ungeachtet dessen könne der Senat die Scheidung nicht jedoch aussprechen, denn mit der Scheidung sei jedenfalls auch die Folgesache über den Versorgungsausgleich zu regeln (§ 137 FamFG). Das AmtsG, das insoweit noch keine Auskünfte der Parteien eingeholt habe, habe den Versorgungsausgleich durchzuführen. Von einer Zurückverweisung könne nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Zweck des § 137 FamFG, eine gleichzeitige Entscheidung über den Scheidungsantrag und die zu regelnden Folgesachen zu gewährleisten und den Parteien für die Folgesachen keine Instanz zu nehmen, nicht erreicht werden könne: Dies sei nur dann der Fall, wenn beide Beteiligten einverstanden seien, und der Sachverhalt so vollständig geklärt sei, dass den Beteiligten durch den Verlust der Tatsacheninstanz kein Nachteil entstehe. Daran fehle es hier, denn über den Versorgungsausgleich sei, ungeachtet eines - im Hinblick auf Wirksamkeit und Ausübungsmöglichkeit zu überprüfenden - ehevertraglich vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs oder sonstiger möglicher Ausschlussgründe, jedenfalls eine Entscheidung zu treffen (§ 224 Abs. 3 FamFG).

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