Telefon
0941 / 59 55 00
Telefon

BGB § 1361 - Unterhalt bei Getrenntleben - FD-Logo-500

BGB § 1361 - Unterhalt bei Getrenntleben




BGB § 1361 - Unterhalt bei Getrenntleben

(1) Leben die Ehegatten getrennt, so kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen; für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gilt § 1610a. Ist zwischen den getrennt lebenden Ehegatten ein Scheidungsverfahren rechtshängig, so gehören zum Unterhalt vom Eintritt der Rechtshängigkeit an auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.
(2) Der nicht erwerbstätige Ehegatte kann nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann.
(3) Die Vorschrift des § 1579 Nr. 2 bis 8 über die Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit ist entsprechend anzuwenden.
(4) Der laufende Unterhalt ist durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Die Rente ist monatlich im Voraus zu zahlen. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Laufe des Monats stirbt. § 1360a Abs. 3, 4 und die §§ 1360b, 1605 sind entsprechend anzuwenden.





 



______________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Abänderung eines Trennungsunterhaltstitels; Zurechnung von Einkünften aus Nebentätigkeiten; wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse bei aufgegliedertem Gesamtunterhaltsanspruch; amtswegiges Bezifferungsgebot.

BGB § 1361; FamFG § 238; ZPO §§ 115, 308

1. Die Zurechnung von Einkünften aus Nebentätigkeiten einer Unterhaltspartei beurteilt sich unter Berücksichtigung des Einzelfalles nach Treu und Glauben: Insoweit ist zunächst zu prüfen, ob es sich um Einkünfte aus einer nachhaltig erzielten, dauerhaften und damit zumutbaren, oder aus einer überobligationsmäßigen, jederzeit beendbaren und damit unzumutbaren Tätigkeit handelt. Trifft letzteres zu, ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles in einem zweiten Schritt abzuwägen, ob und wenn ja in welcher Höhe das überobligatorisch erzielte Einkommen für die Unterhaltsberechnung herangezogen wird.
2. Im Rahmen der Bedarfsbemessung beim Ehegattenunterhalt sind Nebeneinkünfte nicht für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse heranzuziehen, wenn sie während des Zusammenlebens nicht zum Familienunterhalt zur Verfügung standen, und der Unterhaltsberechtigte sonst nachehelich besser stünde, als er während der Ehezeit mit dem Unterhaltspflichtigen stand.
3. Für das Erreichen der Wesentlichkeitsschwelle des § 238 Abs. 4 FamFG ist bei bereits in mehrere Unterhaltsbestandteile (hier: Elementar-, Altersvorsorge- und Krankenvorsorgeunterhalt) aufgeteiltem abzuändernden Unterhalt der Veränderungsbetrag bei dem bindend (§ 308 ZPO) geltend gemachten neuen Gesamtunterhaltsanspruch maßgeblich, nicht hingegen bei den einzelnen Unterhaltsbestandteilen.
4. Ist ein Unterhaltsbestandteil entfallen, so sind die verbliebenen Bestandteile wegen des sich aus ihren unterschiedlichen Zweckbindungen herleitenden amtswegigen Bezifferungsgebotes für die verfahrensgegenständliche Zeit neu aufzugliedern und zu tenorieren.
5. Die Kosten der Prozeß-/Verfahrensführung im Sinne des § 115 Abs. 4 ZPO für vorhergehende Instanzen bleiben bei der Vier-Raten-Regelung dieser Bestimmung unberücksichtigt, soweit die Partei/der Beteiligte für vorhergehende Instanzen Prozeßkosten-/Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt erhalten hat.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 11. Februar 2020 - 13 UF 71/15

Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Neuruppin vom 24.02.2015 (53 F 45/14) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19.03.2015 der Abänderungsantrag der Antragstellerin abgewiesen, mit der Maßgabe, daß sich der in dem Ausgangsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Neuruppin vom 17.05.2011 (53 F 158/09) genannte Gesamtunterhalt von 1.137,64 € ab 08/2013 in einen Elementarunterhalt von 916 €, und in einen Krankenvorsorgeunterhalt von 221,64 € aufteilt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
3. Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 3.000 €.
4. Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.

Gründe
I. Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Abänderung eines zugunsten der Antragstellerin lautenden Titels auf Trennungsunterhalt.

Die am 3. Januar 1957 geborene Antragstellerin und der am 7. August 1957 geborene Antragsgegner schlossen am 24. August 1984 die Ehe, sind Eltern eines volljährigen Kindes, und trennten sich am 23. August 2008. Die Scheidung wurde am 12. Juni 2015 rechtskräftig.

Mit Beschluß vom 17. Mai 2011 hat das Amtsgericht Neuruppin (53 F 158/09) den Antragsgegner, ausgehend von einem monatlichen Nettoverdienst von 2.696,83 € bei ihm, und fiktiven Einkünften von 400 € bei der Antragstellerin, verpflichtet, an diese ab Januar 2010 auf der Grundlage eines monatlichen Gesamtunterhaltsanspruchs von 1.137,64 € Trennungsunterhalt zu zahlen, und zwar 783 € Elementar-, 197 € Altersvorsorge- und 157 € Krankenvorsorgeunterhalt.

Die Antragstellerin hat in Ansehung eines gestiegenen Nettoverdienstes bei dem Antragsgegner, ihm zugeflossener Steuererstattungen und berücksichtigungsfähiger Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zunächst unter Beibehaltung eines bei ihr unveränderten fiktiven Einkommens und zuletzt unter alleinigem Ansatz einer Rente von monatlich 740,91 € wegen voller Erwerbsminderung die Heraufsetzung des Gesamtunterhaltsanspruchs ab August 2013 begehrt, wegen weggefallener Krankenversicherungspflicht allerdings nur noch aufgeteilt in Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt. Der Antragsgegner hat den Antrag wegen fehlender Darstellung der Ausgangslage bei Titulierung für unzulässig, und die Voraussetzungen für eine Abänderung im Übrigen für nicht gegeben erachtet.

Mit dem angefochtenen Beschluß und dessen Berichtigungsbeschluß, auf die der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neuruppin dem Antrag teilweise stattgegeben, und auf einen Gesamtunterhalt von 1.279 € monatlich erkannt, davon 1.022 € Elementar- und 257 € Altersvorsorgeunterhalt. Das Einkommen der Antragstellerin hat es auf die Höhe der monatlichen Rentenzahlungen beschränkt; dem gestiegenen Nettoeinkommen des Antragsgegners hat es neben Steuererstattungen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zugerechnet.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsgegner sein erstinstanzliches Abweisungsbegehren uneingeschränkt weiter. Er beanstandet die Einkommensermittlung des Amtsgerichts, das seine Einkünfte aus selbständiger Nebentätigkeit rechtsfehlerhaft angesetzt habe. Er beantragt, in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Neuruppin vom 24. Februar 2015 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluß vom 6. März 2015 den Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Ehegattentrennungsunterhalt zurückzuweisen. Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen; sie verteidigt den angefochtenen Beschluß.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel in dem Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II. Die gemäß §§ 58 ff, 117 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Der nach zweitinstanzlicher Darstellung der Ausgangslage zulässig gewordene Abänderungsantrag ist mangels wesentlicher Veränderung der Verhältnisse unbegründet (§ 238 Abs. 4 FamFG).

Für die Beurteilung, ob sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben, kommt es nicht auf das Ausmaß einzelner veränderter Umstände an, sondern darauf, ob sich die gesamten für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Die Wesentlichkeit einer Änderung wird bejaht, wenn sie in einer nicht unerheblichen Weise zu einer anderen Beurteilung des Bestehens, der Höhe oder der Dauer des Anspruchs führt. Das ist regelmäßig bei Änderungen ab 10% des bisherigen Unterhaltsanspruchs der Fall (vgl. Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG 4. Aufl. § 238 Rdn. 80), wovon die Antragstellerin vorliegend auch selbst ausgeht. Den in der Vergangenheit liegenden Unterhalt ermittelt der Senat mangels Prognosebedarfs mit einjährigen Jahresdurchschnitten (vgl. Senat NZFam 2016, 983; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 1 Rdn. 73).

Im Jahre 2013 betrug das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Antragsgegners nach übereinstimmendem Vortrag 3.061,15 €; für das Jahr 2014 ist von 3.134,33 € auszugehen, nachdem der Antragsgegner dem nach Monaten substantiierten Vorbringen der Antragstellerin nicht mehr qualifiziert entgegen getreten ist. Eine im Jahre 2013 zugeflossene Steuererstattung hat der Antragsgegner mit 4.578 € eingeräumt. Eine darüber hinausgehende Steuererstattung ist für dieses Jahr nicht feststellbar. Für das Jahr 2014 ist entsprechend den Angaben der Antragstellerin in dem Beschwerdeverfahren von dem Zufluß einer Steuererstattung für das Jahr 2013 über 4.829 € auszugehen, nachdem der Antragsgegner dem in der Folgezeit nicht mehr hinreichend entgegen getreten ist. Die Feststellungen des Amtsgerichts zu weiteren abzugsfähigen Ausgaben des Antragsgegners für eine Lebensversicherungsprämie, eine Zuzahlung zur Betriebskrankenkasse und einen Steuerausgleich für Realsplitting im Umfang von insgesamt 163,30 € monatlich sind nicht umstritten.

Der Ansatz weiteren Einkommens aus selbständiger Tätigkeit des Antragsgegners erfolgt, wie dieser zutreffend beanstandet, zu Unrecht. Die Zurechnung von Einkünften aus Nebentätigkeiten beurteilt sich unter Berücksichtigung des Einzelfalles nach Treu und Glauben (vgl. Nr. 1.3 Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg, fortan LL). Insoweit ist zunächst zu prüfen, ob es sich um Einkünfte aus einer nachhaltig erzielten, dauerhaften und damit zumutbaren, oder aus einer überobligationsmäßigen, jederzeit beendbaren und damit unzumutbaren Tätigkeit handelt. Trifft letzteres zu, ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles in einem zweiten Schritt abzuwägen, ob und wenn ja in welcher Höhe das überobligatorisch erzielte Einkommen für die Unterhaltsberechnung herangezogen wird (vgl. Gerhardt in Wendl/Dose, aaO § 1 Rdn. 802 mwN).

Hier erfolgte die selbständige Tätigkeit des Antragsgegners überobligationsmäßig, nämlich als Zusatztätigkeit neben einer Vollzeittätigkeit (vgl. Gerhardt, aaO § 1 Rdn. 801); sie ist vorliegend nicht zu berücksichtigen. Im Rahmen der Bedarfsbemessung beim Ehegattenunterhalt sind Nebeneinkünfte nicht für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse heranzuziehen, wenn sie während des Zusammenlebens nicht zum Familienunterhalt zur Verfügung standen, und der Unterhaltsberechtigte sonst nachehelich besser stünde, als er während der Ehezeit mit dem Unterhaltspflichtigen stand (vgl. Dose in Wendl/Dose, aaO § 1 Rdn. 99 mwN). So liegt es hier, denn der Antragsgegner hat seine selbständige Tätigkeit unwidersprochen erst nach dem Ende des Zusammenlebens aufgenommen.

Auf der Grundlage der berücksichtigungsfähigen Bezüge des Antragsgegners errechnen sich mit dem von dem Amtsgericht angesetzten Einkommen der Antragstellerin, das die Beteiligten unbeanstandet gelassen haben, und gegen dessen Ansatz im Ergebnis auch keinen Bedenken bestehen, in Ansehung des zur Abänderung gestellten Gesamtunterhalts vorläufige Unterhaltsansprüche der Antragstellerin wie folgt:

 

2013

2014

Antragsgegner

 

 

Nettoeinkommen

3.061,15 €

3.134,34 €

+ Steuererstattung

381,50 €

402,48 €

./. Berufsbedingte Aufwendungen

172,13 €

176,84 €

./. Sonstige Aufwendungen

163,30 €

163,30 €

Zwischensumme

3.107,22 €

3.196,68 €

./. Erwerbstätigenbonus

443,89 €

456,67 €

Bereinigtes Netto

2.663,33 €

2.740,01 €

Antragstellerin

 

 

Rentenbezüge

741,00 €

741,00 €

Gesamtbedarf

3.404,33 €

3.481,01 €

Einzelbedarf

1.702,16 €

1.740,50 €

./. Eigeneinkommen

961,16 €

999,50 €

In Ansehung des Altersvorsorgeunterhalts hält es der Senat entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH FamRZ 2010, 1637 = FuR 2010, 630 Tz. 36, 37 mwN) für gerechtfertigt, dreistufig vorzugehen, und den (vorläufigen) Elementarunterhalt (1. Stufe) zu dem Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit und den Vorsorgeunterhalt zu den Versicherungsbeiträgen in Beziehung zu setzen, die im Hinblick auf ein derartiges Erwerbseinkommen zu erreichen wären (2. Stufe), und damit den Unterhaltsberechtigten hinsichtlich der Altersvorsorge so zu behandeln, wie wenn er aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Einkünfte in Höhe des vorläufigen Elementarunterhalts hätte; hierzu bedient sich der Senat der Bremer Tabelle. Zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes berücksichtigt er den von dem Unterhaltsschuldner zu leistenden Vorsorgeunterhalt sodann bei der Ermittlung des endgültigen Elementarunterhaltes (3. Stufe) als Bereinigungsposition.

Gesamtunterhalt mit Altersvorsorge

2013

2014

Vorläufiger Elementarbedarf (1. Stufe)

961,16 €

999,50 €

Zuschlag (Bremer Tabelle) (2. Stufe)

15,00%

15,00%

Bruttobemessungsgrundlage

1.105,34 €

1.149,43 €

Beitragssatz

18,90%

18,90%

Altersvorsorgeunterhalt (AVU) (2. Stufe)

208,91 €

217,24 €

Einkommen Antragsgegner (3. Stufe)

3.107,22 €

3.196,68 €

./. AVU

2.898,31 €

2.979,43 €

./. Erwerbstätigenbonus

2.484,26 €

2.553,80 €

Bereinigtes Netto (3. Stufe)

2.484,26 €

2.553,80 €

Rentenbezüge Antragstellerin

741,00 €

741,00 €

Gesamtbedarf (3. Stufe)

3.225,26 €

3.294,80 €

Einzelbedarf

1.612,63 €

1.647,40 €

gedeckt

-741,00 €

-741,00 €

Endgültiger Elementarbedarf (3. Stufe)

871,63 €

906,40 €

Gesamtunterhalt

1.080,54 €

1.123,64 €

Die Voraussetzung einer von der Antragstellerin beantragten Abänderung des Ausgangstitels lassen sich nicht feststellen. Maßgeblich ist der für den Senat bindend (§ 308 ZPO) geltend gemachte Gesamtunterhaltsanspruch in erhöhtem Umfang, nicht hingegen die Aufteilung in Elementar- und Vorsorgeunterhalt. Der Vorsorgeunterhalt ist Bestandteil eines einheitlichen Unterhaltsanspruchs, der allerdings wegen unterschiedlicher Zweckbindungen nach einer gesonderten Geltendmachung im Beschluß eigens zu beziffern ist (vgl. Senatsbeschluß FamRZ 2019, 793 = FuR 2019, 213 mwN).

Der sich errechnende maßgebliche Gesamtunterhaltsanspruch liegt in beiden Jahren unter dem bereits titulierten Gesamtunterhaltsbetrag, so daß dessen Heraufsetzung zugunsten der Antragstellerin ausscheidet. Das gleiche gilt für das Jahr 2015, da mangels anderslautenden Vorbringens zu den Einkünften der Beteiligten die Werte aus dem Jahre 2014 bis zu der Rechtskraft der Scheidung im Juni 2015 fortgeschrieben werden können.

Der mangels Widerantrages unverändert fortbestehende Gesamtunterhaltsanspruch von 1.137,64 € in dem weiterhin wirksamen Ausgangstitel war nach unstreitigem Wegfall des Krankenvorsorgeunterhalts wegen des sich aus den unterschiedlichen Zweckbindungen herleitenden amtswegigen Bezifferungsgebotes für die verfahrensgegenständliche Zeit in nunmehr korrespondierende Anteile für Elementar- und Altersvorsorge aufzugliedern, zumal insoweit die Veränderungsschwellen des § 238 FamFG jeweils überschritten waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf der fehlenden Erhöhung des insgesamt maßgeblichen und antragsgegenständlichen Gesamtunterhaltsanspruchs (§ 243 FamFG).

Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus §§ 54 Abs 2, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG. Verfahrensgegenständlich war in der Beschwerde der von dem Amtsgericht zuerkannte Erhöhungsbetrag von rund 142 € monatlich.

Anlaß, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.

III. Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren konnte der Antragstellerin mangels hinreichender Hilfsbedürftigkeit nach § 113 Abs. 1 FamFG, §§ 115 Abs. 4, 119 Abs. 1 S 1 ZPO nicht bewilligt werden. Die Antragstellerin hat schon nicht den Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung angegeben; zudem übersteigt die sich aus der nur für die Antragstellerin beiliegenden Berechnung ergebende Monatsrate ganz erheblich ein Viertel der Summe der von ihr in der Beschwerdeinstanz zu tragenden gerichtlichen Kosten und ihrer dortigen Anwaltskosten, insgesamt etwa 840 €. Ihre diesbezüglichen Kosten der ersten Instanz bleiben, da sie insoweit ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt erhalten hat, vorliegend unberücksichtigt (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO 33. Aufl. § 115 Rdn. 100).

Anlaß, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 113 Abs. 1 FamFG, § 574 Abs. 2 und 3 ZPO), besteht nicht.

OLG Brandenburg 2020-02-11 - 13 UF 71/15
Speichern Öffnen bra-2020-02-11-071-15.pdf (78,61 kb)


Anmerkungen

Die Antragstellerin hatte im Abänderungsverfahren die Erhöhung des Trennungsunterhalts verlangt, und sich insoweit auf ein gestiegenes Einkommen des Antragsgegners, insbesondere wegen einer nach dem Ende des Zusammenlebens aufgenommenen Nebentätigkeit, berufen. Der Ausgangstitel umfasste Trennungsunterhalt in Form von Elementar-, Altersvorsorge- und Krankenvorsorgeunterhalt. Da ihre Krankenversicherungspflicht weggefallen war, verlangte die Antragstellerin im Abänderungsverfahren die Heraufsetzung des Unterhaltsanspruchs nur noch aufgeteilt in Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt. Das AmtsG hat dem Antrag teilweise stattgegeben und den Gesamtunterhalt (aufgeteilt in Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt) unter Berücksichtigung des Einkommens aus der Nebentätigkeit etwas erhöht.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hatte Erfolg: Es liege keine wesentliche Veränderung der Verhältnisse vor (§ 238 Abs. 4 FamFG), welche mit der herrschenden Meinung bei Änderungen ab 10% des bisherigen Unterhaltsanspruchs anzunehmen sein.

Das OLG hat sich schwerpunktmässig mit zwei Problemkreisen befasst:
- Berücksichtigung von Einkünften aus Nebentätigkeiten bei der Bedarfsbestimmung beim Ehegattenunterhalt,
- Wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse iSd § 238 Abs. 1 FamFG bei einem aus Elementar-, Altersvorsorge und Krankenvorsorgeunterhalt bestehenden Unterhaltstitel.

1. Der jetzige Gesamtunterhaltsanspruch liege unter dem bereits titulierten Gesamtunterhaltsbetrag, weil das Einkommen des Antragsgegners aus der selbständigen Nebentätigkeit nicht zu berücksichtigen sei. Massgeblich für die Beurteilung einer wesentlichen Veränderung sei dabei der in dem Abänderungsverfahren geltend gemachte Gesamtunterhaltsanspruch, nicht hingegen die Aufteilung in Elementar- und Vorsorgeunterhalt, weil der Vorsorgeunterhalt Bestandteil eines einheitlichen Unterhaltsanspruchs sei (Senat FamRZ 2019, 793 mwN).

Die Zurechnung von Einkünften aus Nebentätigkeiten beurteile sich unter Berücksichtigung des Einzelfalles nach Treu und Glauben (vgl. Ziff. 1.3. Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen OLG); insoweit sei zunächst zu prüfen, ob es sich um Einkünfte aus einer nachhaltigen, dauerhaften und damit zumutbaren oder aus einer überobligationsmässigen, jederzeit beendbaren und damit unzumutbaren Tätigkeit handele. Treffe letzteres zu, sei nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles in einem zweiten Schritt abzuwägen, ob und wenn ja in welcher Höhe das überobligatorisch erzielte Einkommen für die Unterhaltsberechnung herangezogen werde.

Vorliegend sei die selbständige Tätigkeit des Antragsgegners überobligationsmässig, weil sie als Zusatztätigkeit neben einer Vollzeittätigkeit ausgeübt werde, erfolge, und bereits deshalb nicht zu berücksichtigen, weil der Antragsgegner diese Tätigkeit erst nach dem Ende des ehelichen Zusammenlebens aufgenommen habe.

2. Das OLG hat sodann den in dem Ausgangsbeschluss genannten Gesamtunterhalt in Elementarunterhalt von 916 € und 157 € Krankenvorsorgeunterhalt aufgeteilt.
» Bei der Prüfung, ob eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse iSd § 238 Abs. 1 FamFG vorliegt, ist die Veränderung immer zum Gesamtunterhaltsanspruch in Bezug zu setzen, und nicht zu den jeweiligen einzelnen Elementen des Unterhaltsanspruchs. Die verschiedenen Bestandteile des Bedarfs sind keine eigenständigen Unterhaltsansprüche, sondern stellen unselbständige Teile des einheitlichen Gesamtunterhaltsanspruchs dar. «

3. Ob Einkünfte aus Nebentätigkeit im Rahmen der Unterhaltsbemessung anzusetzen sind, ist immer aufgrund einer Prüfung des Einzelfalles zu entscheiden. Allerdings sind solche Einkünfte nur in Ausnahmefällen in der Unterhaltsbemessung anzusetzen, etwa zur Sicherung des Mindestunterhalts in Mangelfällen oder bei hohen gemeinsamen Schulden: Den Unterhaltsschuldner trifft im Regelfall nur die Obliegenheit zu normalem Arbeitsumfang; es steht ihm regelmässig frei, die Nebentätigkeit aufzugeben. Wurde die Nebentätigkeit erst nach der Trennung aufgenommen, kann das Einkommen nicht als bedarfsprägend angesehen werden, weil die Einkünfte aus der Nebentätigkeit während des Zusammenlebens nicht zum Familienunterhalt zur Verfügung standen (sog. Spiegelbildprinzip). Wurden die Einkünfte aus der Nebentätigkeit während des Zusammenlebens zur Vermögensbildung verwendet, standen sie ebenfalls nicht für den Familienunterhalt zur Verfügung (OLG Köln FamRZ 1998, 1427).

4. Wird die Abänderung eines Unterhaltstitels beantragt, sind nicht nur die veränderten Verhältnisse darzulegen, sondern auch sämtliche Umstände, die für die ursprüngliche Verpflichtung zur Unterhaltszahlung ausschlaggebend waren. Der in der Praxis häufig anzutreffende Hinweis, dass Gericht möge zur Ermittlung der Grundlagen der Unterhaltsverpflichtung die Akten aus dem Vorverfahren beiziehen, reicht für einen schlüssigen Vortrag zur Zulässigkeit eines Abänderungsantrages jedenfalls nicht aus.


______________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Unterhaltsforderung in der Insolvenz; Nichtzahlung des Trennungsunterhalts mit bedingtem Vorsatz.

BGB §§ 1361, 1579; InsO § 302

1. Ist der Unterhalt für die Vergangenheit tituliert, begründet dies eine Vermutung dafür, daß der Unterhaltsschuldner zu diesem Zeitpunkt den Bedarf und die Bedürftigkeit der Unterhaltsgläubigerin und seine eigene von dem Gericht bejahte Leistungsfähigkeit kannte, insbesondere dann, wenn der Anspruch aufgrund tatsächlicher Leistungsfähigkeit, und nicht lediglich aufgrund fiktiven Einkommens festgestellt wurde.
2. Die Kenntnis des Unterhaltsschuldners wird durch von diesem erhobene Verwirkungseinwände nicht in Frage gestellt, wenn er nach durchgeführter Beweisaufnahme durch Beschluß des Gerichts darauf hingewiesen wurde, daß die Voraussetzungen einer Verwirkung (aktuell) nicht gegeben seien.
3. Für die Pflichtwidrigkeit bei dem Unterlassen der Unterhaltszahlung genügt das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht alleine nicht; vielmehr müssen zudem Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit des Schuldners gegeben sein.
4. § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO ist nicht als deliktisch oder deliktsähnlich zu qualifizieren, so daß für die Verjährung nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Anspruch aus vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht einen anderen Streitgegenstand hat als der gesetzliche Unterhaltsanspruch.

OLG Hamm, Beschluß vom 20. Februar 2020 - 4 UF 153/19

Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüdenscheid vom 19.07.2019 (5 F 920/17) abgeändert.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt der Antragsteller.

Gründe
I. Die am 15. Juni 1998 geschlossene Ehe der Beteiligten wurde nach ihrer Trennung im Januar 2009 am 25. April 2014 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind die Kinder A. (geboren am 27. Februar 2000) und B. (geboren am 25. Januar 2002) hervorgegangenen. A. lebt in dem Haushalt des Antragstellers, B. in dem Haushalt der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin nahm den Antragsteller in dem Verfahren 5 F 876/09 vor dem Amtsgericht Lüdenscheid im Wege des Stufenantrages auf die Zahlung von Kindes- und Ehegattenunterhalt in Anspruch. Die Beteiligten schlossen am 16. April 2010 vor dem Amtsgericht einen Teilvergleich, in dem sich der Antragsteller unter anderem zur Zahlung des Mindestunterhalts für die Kinder an die Antragsgegnerin ab Mai 2010 verpflichtete. Der Antragsteller wurde im Wege des Teilanerkenntnisurteils vom 16. April 2010 verurteilt, der Antragsgegnerin Auskunft über die Höhe seines Einkommens zu erteilen. In dem weiteren Verlaufe des Verfahrens wurden Sachverständigengutachten zu dem Einkommen beider Beteiligte eingeholt, und wurde eine Beweisaufnahme zu den von dem Antragsteller erhobenen Verwirkungseinwänden durchgeführt.

Der Antragsteller behauptete, die Antragsgegnerin habe im September 2008 trotz intakter Ehe eine intime Beziehung mit dem Zeugen C. angefangen, und unterhalte eine eheähnliche Beziehung zu dem Zeugen D., mit dem sie seit September 2009 zusammenwohne. Das Amtsgericht wies den Antragsteller mit Beschluß vom 11. Februar 2011 darauf hin, daß eine Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 7 BGB nicht bewiesen, und mit Beschluß vom 1. Februar 2013, daß eine Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 2 BGB aktuell nicht anzunehmen sei. Das Verfahren dauerte fünf Jahre.

Mit Beschluß vom 19. Dezember 2014 des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüdenscheid wurde der Antragsgegner unter anderem verpflichtet, an die Antragstellerin Kindesunterhalt für B. in Höhe von 14.565,07 € für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 30. November 2014, sowie in Höhe von 160% des Mindestunterhalts abzüglich hälftigem Kindergeld ab dem 1. Dezember 2014, und Ehegattenunterhalt in Höhe von 56.261,35 € für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 30. Juni 2013 zu zahlen. Für die Zeit danach ging das Amtsgericht von einer Verwirkung des Trennungsunterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Nr. 2 BGB wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft der Antragsgegnerin aus. Auf den Kindesunterhalt wurden im Wege der Zwangsvollstreckung Zahlungen in Höhe von 6.023,41 € geleistet; Zahlungen auf den Trennungsunterhalt wurden nicht erbracht. Die Antragsgegnerin pfändete ab Herbst 2010 den Kindesunterhalt aus dem Teilvergleich vom 16. April 2010.

Am 31. Januar 2017 wurde bei dem Amtsgericht Hagen über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet (100 IN 2/17). Am 6. Februar 2017 meldete die Antragsgegnerin zur Insolvenztabelle unter Ziffer 2. Unterhaltsforderungen in Höhe von insgesamt 100.722,92 € an, die sich wie folgt zusammensetzten: Trennungsunterhalt 56.261,35 €, Unterhalt für A. 19.714,70 €, und Unterhalt für B. 24.461,66 €, sowie Kosten 285,21 €. Dabei gab die Antragsgegnerin an, daß die angemeldete Forderungen von der Restschuldbefreiung gemäß § 302 InsO ausgenommen sein sollen, da die Verbindlichkeiten des Schuldners aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt resultierten, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe. Bei der Eintragung der Forderung in Höhe von 100.437,71 € (Unterhalt ohne Kosten) in der Insolvenztabelle wurde vermerkt, daß die Forderung von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen ist.

Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 4. April 2017 Widerspruch gegen die Eintragung wegen der Höhe und gegen den Grund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung ein. Die Antragsgegnerin korrigierte daraufhin die Anmeldung: Sie reichte für A. eine neue Anmeldung ein, und reduzierte die eigene Anmeldung auf 80.723,01 €, zuzüglich 285,21 € Kosten.

Der Antragsteller war bis zu seiner Kündigung am 10. Juli 2015 bei der E. AG als selbständiger Versicherungsmakler tätig. Er bezog in der Zeit vom 1. Februar 2016 bis zum 30. September 2016 Arbeitslosengeld II, und erzielte ab dem 1. Oktober 2016 Einkommen in Höhe von 1.400 € brutto oder 1.054,47 € netto aus abhängiger Beschäftigung. Seit November 2019 bezieht er Arbeitslosengeld I. Daneben bezieht er - wie bereits zu Zeiten des Beschlusses vom 19. Dezember 2014 - eine Unfallrente in Höhe von aktuell ca. 460 € monatlich nach einem Unfall am 3. Juni 1983.

Der Antragsteller war erstinstanzlich der Ansicht, die Unterhaltsforderung sei nicht nach § 302 Nr. 1 InsO privilegiert, da die Antragsgegnerin zu der Voraussetzung, daß die Forderung auf vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährtem Unterhalt beruhe, nicht ausreichend vorgetragen habe; dazu hat er behauptet, er habe keine weiteren Zahlungen leisten können. Die Antragsgegnerin habe durch die dauerhaften Pfändungen seine selbständige Tätigkeit als Versicherungsmakler zerstört. Ein Verfahren wegen Unterhaltspflichtverletzung gemäß § 170 StGB sei nach § 153 StPO eingestellt worden.

Erstinstanzlich hat der Antragsteller beantragt, seinen Widerspruch im Insolvenzverfahren hinsichtlich der durch den Beschluß des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19. Dezember 2014 titulierte Forderung über 81.008,22 € für begründet zu erklären, daß diese nicht eine Forderung aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt gemäß § 302 InsO darstellt, den er vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe. Hilfsweise hat er die Feststellung beantragt, daß die durch Beschluß des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19. Dezember 2014 titulierte Forderung der Antragsgegnerin gegen ihn, angemeldet in dem Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Hagen, insgesamt 81.008,22 €, nicht aus einer Forderung aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt resultiere, den er vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe.

Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich beantragt, Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen. Sie war erstinstanzlich der Auffassung, den Antragsteller treffe eine sekundäre Darlegungslast, die er nicht erfüllt habe. Seine Leistungsfähigkeit ergebe sich bereits aus dem Beschluß vom 19. Dezember 2014. Sie hat behauptet, der Antragsteller sei bereits während des Verfahrens durch das Gericht darauf hingewiesen worden, daß er in Anbetracht der Verfahrensdauer verpflichtet sei, Rücklagen zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung zu bilden. Der Vorsatz des Antragstellers werde durch das von dem Gericht festgestellte Einkommen indiziert.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Lüdenscheid hat unter Antragszurückweisung im Übrigen festgestellt, daß der zu der Insolvenztabelle angemeldete Ehegattenunterhaltsrückstand (56.261,35 €) keine Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt darstellt, den der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, und daß der Widerspruch des Antragstellers gegen die Eintragung in die Insolvenztabelle insoweit begründet ist.

Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Hauptantrag des Antragstellers unzulässig sei. Der Hilfsantrag hinsichtlich des Trennungsunterhalts sei begründet. Die Antragsgegnerin als Gläubigerin treffe die Darlegungs- und Beweislast für die Forderung nach Grund und Höhe. Die Antragsgegnerin habe jedenfalls den Vorsatz des Antragstellers nicht ausreichend dargelegt. Dieser habe sich während des Unterhaltsverfahrens auf Verwirkung berufen, was gegen ein Bewußtsein der Rechtswidrigkeit und die Annahme eines bedingten Vorsatzes auf Seiten des Antragstellers bei der Nichtzahlung des Trennungsunterhalts spreche. Es fehle jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Antragsteller es für möglich gehalten, und billigend in Kauf genommen habe, daß der Trennungsunterhaltsanspruch entgegen seiner rechtlichen Überzeugung nicht verwirkt sei. Seine Argumentation sei nicht abwegig gewesen, und Gegenstand einer sehr umfangreichen Beweisaufnahme. Eine darüber hinausgehende sekundäre Darlegungslast des Antragstellers für seine Leistungsfähigkeit bestehe nicht. Hinsichtlich des Kindesunterhalts sei der Hauptantrag jedoch unbegründet.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde und begehrt abändernd Antragszurückweisung. Sie ist der Ansicht, ihr Bedarf und ihre Bedürftigkeit sowie die Leistungsfähigkeit des Antragstellers ergäben sich bereits aus dem Beschluß vom 19. Dezember 2014. Aufgrund der objektiven Feststellung der Unterhaltspflicht sowie der Nichtzahlung bestehe regelmäßig bedingter Vorsatz. Für den fehlenden Vorsatz treffe den Antragsteller eine sekundäre Darlegungslast.

Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weist er darauf hin, daß in dem Beschluß vom 19. Dezember 2014 die Feststellung fehle, daß es sich um eine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO handele, so daß bereits aus diesem Grunde die Beschwerde zurückzuweisen sei. Er erhebt den Einwand der Verwirkung.

Der Senat hat die Beteiligten informatorisch angehört, und zu Informationszwecken die Akten des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüdenscheid mit dem Aktenzeichen 85 F 876/09 und des Amtsgerichts Hagen zu dem Aktenzeichen 100 IN 2/17 beigezogen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll und auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II. 1. Die Beschwerde ist zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde.

2. Die Beschwerde ist auch begründet, da der negative Feststellungsantrag des Antragstellers zurückzuweisen ist.

a) Der Feststellungsantrag ist zulässig, da der Antragsteller ein aus § 302 Nr. 1 InsO folgendes rechtliches Interesse an der Feststellung hat. Ebenso wie der Gläubiger ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Feststellung hat, daß seine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, hat der Schuldner ein Interesse an der Feststellung, daß dies nicht der Fall ist. Daß diese Feststellung »alsbald«, also bereits vor der Erteilung der Restschuldbefreiung getroffen wird, liegt typischerweise ebenso im Interesse des Schuldners wie des Gläubigers (BGH FamRZ 2014, 32 = FuR 2014, 301).

Dem steht nicht entgegen, daß in dem Beschluß vom 19. Dezember 2014 nicht aufgenommen wurde, daß es sich um eine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO handelt. Eine Bindungswirkung an einem bestehenden Titel kann bestehen, wenn die Parteien auch den Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in einem Vergleich außer Streit stellen wollten (vgl. BGH MDR 2009, 1299). In dem Beschluß vom 19. Dezember 2014 wurde jedoch gerade keine Aussage zu der Wirkung des § 302 InsO in einem - erst am 31. Januar 2017 eingeleiteten - Insolvenzverfahren getroffen. Dies war nicht Streitgegenstand des mit Beschluß vom 19. Dezember 2014 abgeschlossenen Verfahrens; für diese Frage ist gerade das vorliegende Verfahren vorgesehen.

b) Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Voraussetzung für die Feststellung, daß eine streitgegenständliche Unterhaltsforderung von einer dem Insolvenzschuldner erteilten Restschuldbefreiung nicht berührt wird, ist in Verfahren, die ab dem 1. Juli 2014 beantragt worden sind, gemäß § 302 Abs. 1 InsO, daß es sich um eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung handelt, oder aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat.

aa) Bei dem mit Beschluß des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19. Dezember 2014 titulierten Trennungsunterhalt handelt es sich um rückständigen gesetzlichen Unterhalt für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 30. Juni 2013.

bb) Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers am 31. Januar 2017 eröffnet wurde, ist nach der Neuregelung des § 302 InsO unerheblich, ob der Unterhaltsberechtigte durch die Pflichtverletzung in seinem Lebensbedarf gefährdet ist, oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre; ausreichend ist allein die Nichtzahlung. Der Antragsteller erfüllte die Forderung der Antragsgegnerin auf rückständigen Unterhalt in Höhe von 56.261,35 € nicht.

cc) Der Antragsteller handelte bei der Nichtzahlung des Trennungsunterhalts zumindest mit bedingtem Vorsatz.

Der Schuldner muß zum einen seine gesetzliche Unterhaltspflicht, den Bedarf sowie die Bedürftigkeit des Berechtigten und seine eigene Leistungsfähigkeit kennen; zum anderen muß er die Verletzung der Unterhaltspflicht zumindest billigend in Kauf nehmen. Bei titulierten Ansprüchen steht Vorsatz nicht bindend fest; es kann aber jedenfalls in dem Titulierungszeitraum davon ausgegangen werden, daß der Schuldner in Höhe der titulierten Unterhaltsansprüche leistungsfähig, und der Unterhaltsgläubiger bedürftig gewesen ist, so daß bei Nichterfüllung der Unterhaltsansprüche von Vorsatz ausgegangen werden kann.

Dies gilt allerdings dann nicht zwingend, wenn der Unterhaltsanspruch unter Zugrundelegung fiktiver Einkünfte des Schuldners berechnet worden ist. Den Schuldner trifft in diesem Falle aber die Beweislast für den fehlenden Vorsatz (Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO [82. Lieferung - 10/2019] § 302 Rdn. 9). Ob der Schuldner mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat, erfordert eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. Damit ist eine allgemeine Regel nicht vereinbar, daß ein Schuldner stets Umstände darzulegen habe, die einen Vorsatz ausschließen, sobald objektiv festgestellt ist, daß der Schuldner einen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht erfüllt hat; vielmehr bedarf es regelmäßig zusätzlicher, von dem Gläubiger zu beweisender Indizien, aus denen sich entnehmen läßt, daß sich der Schuldner seiner Unterhaltspflicht oder seinen Handlungspflichten bewußt war. So ist der Schluß auf bedingten Vorsatz regelmäßig möglich, wenn objektiv feststeht, daß der Schuldner seine Unterhaltspflicht verletzt hat, der Unterhaltsanspruch bereits tituliert war, und dem Schuldner aufgrund der Titulierung des Unterhalts seine Zahlungsverpflichtung einschließlich seiner vom Gericht bejahten Leistungsfähigkeit bekannt war, und er gleichwohl der Verpflichtung nicht nachgekommen ist (BGH FamRZ 2016, 1818 = FuR 2016, 409).

Eine vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht liegt nicht schon dann vor, wenn der Pflichtige das Bestehen einer Unterhaltspflicht für möglich hält. An einem bedingten Vorsatz fehlt es, wenn der Pflichtige bei Zweifeln über seine Unterhaltspflicht zunächst lediglich deshalb keinen Unterhalt leistet, weil er eine gerichtliche Entscheidung abwarten möchte. Nur wenn der anwaltlich beratene Pflichtige zu dem sicheren Schluß kommen mußte, daß eine Unterhaltspflicht seinerseits in einer bestimmten Höhe unabweisbar sei, handelte er bei deren (weiterer) Nichterfüllung vorsätzlich. Durch die objektive Feststellung des Bestehens einer Unterhaltsverpflichtung wird der Vorsatz nicht indiziert; vielmehr bedarf es regelmäßig weiterer, von dem Gläubiger zu beweisender Indizien (zum Beispiel einer Titulierung des Unterhaltsanspruchs), aus denen sich entnehmen läßt, daß sich der Schuldner seiner Unterhaltspflicht bewußt war, oder sein mußte (OLG Hamburg FamRZ 2017, 1126).

Der Trennungsunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin wurde mit Beschluß vom 19. Dezember 2014 für die Vergangenheit tituliert, und jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kannte der Antragsteller den Bedarf sowie die Bedürftigkeit der Antragsgegnerin und seine eigene von dem Gericht bejahte Leistungsfähigkeit. Aufgrund der Titulierung stand die Unterhaltspflicht des Antragstellers für die Vergangenheit fest. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Antragsteller keine Zweifel mehr an seiner Verpflichtung hegen, sondern mußte nach der rechtskräftigen Titulierung zu dem Schluß kommen, daß die Unterhaltspflicht unabweisbar ist; auch wurden die Ansprüche aufgrund der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers, und nicht lediglich aufgrund fiktiven Einkommens festgestellt.

Die Vermutung für das Vorliegen des bedingten Vorsatzes aufgrund der objektiven Feststellung des Bestehens einer Unterhaltsverpflichtung und ihrer Titulierung vermochte der Antragsteller nicht zu erschüttern. Der Antragsteller behauptet lediglich pauschal, daß er zu weiteren Unterhaltszahlungen nicht in der Lage gewesen sei; dabei trägt er noch nicht einmal vor, zu welchem Zeitpunkt - vor oder nach der Titulierung - er meint, nicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet oder nicht (mehr) leistungsfähig zu sein. Aufgrund der Feststellungen in dem Beschluß vom 19. Dezember 2014 war er jedenfalls bis zum Ende seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin (30. Juni 2013) bei einem durchschnittlichen für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Jahreseinkommen in Höhe von 75.891,01 € leistungsfähig.

Soweit sich der Antragsteller pauschal darauf beruft, die Antragsgegnerin habe seine Einkommensgrundlage aufgrund der Pfändungen zerstört, hat er diese Pfändungen selbst verursacht, indem er bereits ab Herbst 2010 nicht die in dem Vergleich vom 16. April 2010 übernommene Verpflichtung zur Zahlung von Mindest-Kindesunterhalt an die Antragsgegnerin (vollständig und pünktlich) erfüllte. Die Pfändungen erfolgten bereits vor Erlaß des Beschlusses vom 19. Dezember 2014, und eine dadurch eingetretene Leistungsunfähigkeit hätte der Antragsteller in dem Verfahren des Amtsgerichts Lüdenscheid mit dem Aktenzeichen 5 F 876/09 vortragen können und müssen; nun ist durch den Beschluß vom 19. Dezember 2014 rechtskräftig festgestellt, daß er jedenfalls bis Juni 2013 leistungsfähig zur Zahlung des Trennungsunterhalts war.

Eine Veränderung seiner Leistungsfähigkeit nach Erlaß des Beschlusses vom 19. Dezember 2014 trägt der Antragsteller nicht substantiiert und nachvollziehbar vor: Es fehlt jeder Vortrag, aus welchem Grunde er nicht unmittelbar nach Erlaß des Unterhaltstitels die Forderungen erfüllte. Der Antragsteller hat sein Einkommen für 2012 bis 2014 und auch in der Folgezeit nicht umfassend und substantiiert mitgeteilt.

Dem Antragsteller war seine Pflicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt auch spätestens ab Februar 2013 bewußt. Nach der Aufforderung zur Zahlung von Trennungsunterhalt im April 2009 kannte der Antragsteller grundsätzlich die gegen ihn geltend gemachten Forderungen. Trotz des von ihm zu diesem Zeitpunkt erhobenen Verwirkungseinwands gemäß § 1579 Nr. 7 BGB erklärte ihm sein damaliger Rechtsanwalt, daß die Höhe des Anspruchs zu klären sei. Damit mußte dem Antragsteller bereits zu diesem Zeitpunkt bewußt sein, daß der Trennungsunterhaltsanspruch nicht vollständig entfällt. Darüber hinaus wurde der Antragsteller nach durchgeführter Beweisaufnahme durch das erkennende Gericht mit Beschluß vom 11. Februar 2011 darauf hingewiesen, daß die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht bewiesen seien; zu diesem Zeitpunkt mußte der Antragsteller von seiner Unterhaltspflicht dem Grunde nach ausgehen.

Hinsichtlich des von dem Antragsteller erhobenen Verwirkungseinwands gemäß § 1579 Nr. 2 BGB hat das Familiengericht mit Beschluß vom 1. Februar 2013 nach durchgeführter Beweisaufnahme darauf hingewiesen, daß dieser aktuell nicht gegeben sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt mußte dem Antragsteller bewußt sein, daß seine Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin ernsthaft in Betracht kommt. Dabei ist noch unberücksichtigt geblieben, daß die Rechtsansicht des Antragstellers, das Zusammenleben mit einem neuen Partner führe unmittelbar zu einer Verwirkung des vollständigen Unterhaltsanspruchs, unhaltbar ist. Weiter ist unberücksichtigt geblieben, daß der Antragsteller seine Verpflichtung zur Erteilung einer Auskunft über sein Einkommen zur Berechnung von Kindes- und Trennungsunterhalt im April 2010 anerkannt, und damit zu erkennen gegeben hat, daß auch nach seiner Auffassung ein Unterhaltsanspruch nicht vollständig und bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist, sondern ernsthaft in Betracht kommt.

Spätestens Anfang 2013 hatte der Antragsteller Rücklagen für die auflaufenden Unterhaltsrückstände aus dem laufenden Einkommen zu bilden, oder den ihm zugeflossenen Erlös aus dem Verkauf der gemeinsamen Immobilie in Höhe von 17.418 € zu verwenden.

dd) Neben Vorsatz des Schuldners ist Pflichtwidrigkeit bei dem Unterlassen der Unterhaltszahlung erforderlich. Darunter ist zu verstehen, daß das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht alleine nicht genügt; vielmehr müssen zudem Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und Leistungsfähigkeit des Schuldners gegeben sein. Besteht ein solcher Unterhaltsrückstand, steht gleichzeitig die Pflichtwidrigkeit der Nichterfüllung fest. Abhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen muß dazu festgestellt werden, ob dieser ohne Beeinträchtigung seines eigenen Bedarfs dazu in der Lage ist, den geforderten Unterhalt zu leisten, und der Unterhaltsberechtigte in dem maßgeblichen Zeitraum außerstande war, seinen Bedarf durch eigene Einkünfte zu decken. An die Leistungsfähigkeit von Schuldnern, die wegen ihres wirtschaftlichen Scheiterns später ein Restschuldbefreiungsverfahren durchführen, dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden. § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO, die als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, läßt daher insbesondere solche Unterhaltsforderungen von der Restschuldbefreiung unberührt, die der Schuldner in vorwerfbarer Weise trotz wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht befriedigt hat, weil er aus eigennützigen Motiven seine Finanzmittel anderweitig verwendet hat (Wenzel, aaO § 302 Rdn. 10).

Nach dem Beschluß des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19. Dezember 2014 war die Antragsgegnerin für den titulierten Trennungsunterhalt bedürftig, und der Antragsteller - neben dem titulierten Kindesunterhalt - leistungsfähig. Damit leistete er den Unterhalt pflichtwidrig nicht.

ee) Der Anspruch der Antragsgegnerin auf Eintragung des Unterhaltsanspruchs als eine Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, der vorsätzlich und pflichtwidrig nicht gewährt wurde, ist nicht verjährt.

Auch wenn der Bundesgerichtshof (FamRZ 2016, 972 = FuR 2016, 527) festgestellt hat, daß es sich bei dem Unterhaltsanspruch und deliktischen Anspruch aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht um zwei verschiedene Streitgegenstände, die unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegen können, handelt, ist der Anspruch der Antragsgegnerin nicht verjährt, denn die Entscheidung des Bundesgerichtshofes erging zu der Rechtslage vor der Änderung des § 301 Nr. 1 InsO zum 1. Juli 2014, und ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach § 302 Nr. 1 InsO in der bis zum 30. Juni 2014 geltenden Fassung war Voraussetzung der Eintragung nach § 302 Nr. 1 InsO ein Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung; dieser deliktische Anspruch unterlag der entsprechenden Verjährung. Nach der nun geltenden Fassung des § 302 Nr. 1 InsO kommt es hingegen darauf an, ob der Antragsgegnerin Ansprüche aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt zustehen, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat. Die Erfüllung eines Straftatbestandes ist nicht mehr Voraussetzung. § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO ist damit nicht als deliktisch oder deliktsähnlich zu qualifizieren.

Wenn § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO aber nicht deliktisch oder deliktsähnlich zu qualifizieren ist, dann ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach der Anspruch aus vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht einen anderen Streitgegenstand hat als ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch mit der Folge, daß jeder Anspruch möglicherweise unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegt, nicht einschlägig (KG FamRZ 2020, 275).

Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ist aufgrund der Titulierung mit Beschluß vom 19. Dezember 2014 nicht verjährt.

c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 FamFG, § 91 ZPO.

OLG Hamm 2020-02-20 - 4 UF 153/19
Speichern Öffnen ha-2020-02-20-153-19.pdf (90,17 kb)


______________________________________________________________________________________________

Erwerbsobliegenheit bei der Geltendmachung von Trennungsunterhalt; Leistungsverweigerungsrecht bezüglich der Zugewinnausgleichforderung wegen grober Unbilligkeit.

BGB §§ 1361, 1378, 1381; FamFG § 113

1. Die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder die Ausweitung einer Tätigkeit noch innerhalb des ersten Jahres nach der Trennung kann in der Regel nicht verlangt werden. Mit zunehmender Verfestigung der Trennung, also insbesondere nach Ablauf des Trennungsjahres und Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens gewinnt der Grundsatz der Eigenverantwortung an Bedeutung, nach dem jeder Ehegatte grundsätzlich gehalten ist, seinen Lebensunterhalt soweit möglich mit eigenen Mitteln zu bestreiten, so daß einem bisher nicht (vollzeitig) Berufstätigen grundsätzlich die Aufnahme intensiver Arbeitssuche im Allgemeinen bzw. die Ausweitung seiner Teilzeiterwerbstätigkeit zumutbar ist. In welchem Umfang, und ab welchem Zeitpunkt eine Ausweitung konkret verlangt werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei insbesondere die Betreuungsbedürftigkeit gemeinsamer minderjähriger Kinder der Beteiligten zu berücksichtigen ist. Kommt ein Ehegatte seiner bestehenden Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend nach, sind ihm diejenigen Einkünfte fiktiv anzurechnen, die er bei Aufnahme einer möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit zu verdienen imstande wäre.
2. Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen kann 1¾ Jahre nach der Trennung und ein halbes Jahr nach Rechtshängigkeit der Scheidung grundsätzlich eine (vollschichtige) Erwerbstätigkeit zugemutet werden.
3. Dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten steht das Leistungsverweigerungsrecht aus § 1381 Abs. 1 BGB nur dann zu, wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruchs dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde. Wenn wirtschaftliches Fehlverhalten des ausgleichsberechtigten Ehegatten Anknüpfungspunkt für die grobe Unbilligkeit sein soll, ist stets Verschulden vorauszusetzen.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 6. März 2020 - 9 UF 204/18

Tenor
Der Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Einleitung und Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Cottbus (Zweigstelle Guben) vom 14.09.2018 (230 F 147/16) wird zurückgewiesen.

Gründe
Der Antrag der Antragstellerin zu 1) (im Folgenden nur Antragstellerin) auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe war zurückzuweisen, weil dem beabsichtigten Rechtsmittel die - für eine nach § 61 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde - erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten nicht beigemessen werden können. Im Einzelnen:

I. Die Beteiligten sind seit dem 1. Juli 2016 rechtskräftig geschiedene Eheleute (Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht Cottbus (Zweigstelle Guben) vom 4. Mai 2016 - 230 F 63/15). Sie streiten vorliegend - in dem zweiten Rechtszug - noch um Trennungsunterhalt der Antragstellerin aus der Zeit von Januar bis einschließlich Juni 2016, und einen Zugewinnausgleichsanspruch des Antragsgegners.

Die Beteiligten haben im März 2002 die Ehe geschlossen, aus der die in dem Rubrum als Antragsteller zu 2) und zu 3) angeführten Kinder hervorgegangen sind. Sie haben sich im März 2014 getrennt; der Scheidungsantrag ist dem Antragsgegner am 12. Juni 2015 zugestellt worden. Die Beteiligten waren hälftige Miteigentümer des in G. gelegenen Hausgrundstücks, das der Antragsgegner nach dem Auszug der Antragstellerin und der gemeinsamen Kinder mindestens seit Frühsommer 2015 und bis zu seinem Auszug im Februar 2017 alleine genutzt hat. Das Hausgrundstück haben die Beteiligten mit notariellem Kaufvertrag vom 10. Februar 2017 (UR-Nr. …/2017 der Notarin B. N. mit Amtssitz in F.) zu einem Preise von 50.000 € veräußert.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2016 hat die Antragstellerin den Antragsgegner zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung von monatlich 400 € aufgefordert, was dieser mit näheren Darlegungen abgelehnt hat. Mit weiterem Schreiben vom 22. Januar 2016 hat die Antragstellerin den Antragsgegner wegen Kindes- und Trennungsunterhalt zur Auskunfterteilung über sein Einkommen im Kalenderjahr 2015 aufgefordert. Mit Jugendamtsurkunden vom 16. Februar 2016 verpflichtete sich der Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt für die gemeinsamen Kinder ab Januar 2016 in Höhe von 100% des Mindestunterhalts abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes, befristet jeweils bis zum Eintritt der Volljährigkeit.

Der Antragsgegner ist seit Sommer 2002 bei der S. AG abhängig beschäftigt. Die Antragstellerin war während der Ehe und auch nach der Trennung nicht erwerbstätig; sie erhielt in dem Streitzeitraum zeitweise Leistungen nach dem SGB II auf Darlehensbasis, das durch am 1. April 2016 erfolgte Eintragung einer Sicherungshypothek über 8.675,59 € auf ihrem Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück, die die Antragstellerin zur UR-Nr. …/2016 der Notarin N. mit Amtssitz in F. bestellt hat, besichert worden ist.

Mit dem im Juni 2016 eingereichten Antrag hat die Antragstellerin den Antragsgegner auf der Basis eines durchschnittlichen Nettoeinkommens von 2.061,53 € und eines mit 400 € monatlich bezifferten Wohnvorteils wegen Kindesunterhalts im Umfang von jeweils 115% des Mindestunterhalts abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes (und unter Anrechnung von Zahlungen für die Vergangenheit) und wegen Trennungsunterhalts für die Monate Januar bis einschließlich Juni 2016 im Gesamtumfang von 1.874,70 € (= monatlich 312,45 €) in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, selbst keine Berufsausbildung absolviert, und aufgrund ihrer polnischen Herkunft Schwierigkeiten zu haben, die deutsche Sprache in Wort und Schrift wirklich umfänglich zu verstehen; sie habe sich immer wieder um Arbeit bemüht, aber bis Juni 2017 keinen Erfolg gehabt.

Der Antragsgegner hat die Abweisung der Zahlungsanträge insgesamt beantragt. Er hat - gründend auf die Erwerbseinkünfte in der Zeit von Juli 2015 bis einschließlich Juni 2016, und unter Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen - unzureichende Leistungsfähigkeit schon für den titulierten Kindesunterhalt geltend gemacht. Er errechnet ein durchschnittliches bereinigtes Nettoeinkommen von nur 1.446,41 €. Ein Wohnvorteil sei aufgrund Alters/Ausstattung der Immobilie und des Umstandes, daß er allein die laufenden Kosten trage, überhaupt nicht zuzurechnen, schon gar nicht in Höhe von 400 €. Außerdem betreibe ein Altgläubiger aus einer bei dem Erwerb der Immobilie durch die Beteiligten versehentlich nicht gelöschten Grundschuld die Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück; aus diesem laufenden Verfahren drohten dem Antragsgegner (als Alleinverdiener) erhebliche weitere Kosten. Die Antragstellerin sei in der Lage und deshalb auch verpflichtet, ihren eigenen Lebensunterhalt durch Aufnahme einer Vollzeittätigkeit (als ungelernte Kraft) selbst zu erwirtschaften.

Eingehend am 17. März 2017 hat der Antragsgegner die Antragstellerin im Wege eines Widerantrages auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 6.406,25 € nebst Rechtshängigkeitszinsen in Anspruch genommen; wegen der Einzelheiten der dieser Forderung zugrunde liegenden Ausgleichsbilanz wird auf die Gerichtsakten und auf die zugrunde liegenden wechselseitigen Auskünfte verwiesen. Einem erheblichen Vermögensverlust des Antragsgegners stehe danach ein Zugewinn der Antragstellerin in Höhe von 12.812,49 € gegenüber. Die Antragstellerin hat die Unzulässigkeit des Widerantrages im Unterhaltsverfahren gerügt, und die Abweisung des Zahlungsantrages im Übrigen damit begründet, daß sie kein Vermögen habe, und die - mit Bescheid vom 27. Februar 2017 fällig gestellte - Darlehensverpflichtung gegenüber dem Job-Center zu berücksichtigen sei.

Mit dem am 14. September 2018 verkündeten Beschluß hat das Amtsgericht - Familiengericht - Cottbus den Antragsgegner zu weitergehenden Kindesunterhaltszahlungen für den Antragsteller zu 3) (291 € in dem hier interessierenden Zeitraum 01 bis 06/2016, Basis 110% des Mindestunterhalts) und zur Zahlung von Trennungsunterhalt an die Antragstellerin in dem Gesamtumfang von 564,54 € für Januar bis Juni 2016 verpflichtet. Auf den Widerantrag des Antragsgegners hat das Amtsgericht die Antragstellerin zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 6.406,25 € nebst Zinsen verpflichtet.

Das Amtsgericht ermittelt mit näherer Darlegung für den 12-Monatszeitraum Juli 2015 bis Juni 2016 und unter Zusetzung der für 2014 vereinnahmten Steuererstattung ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Antragsgegners von 1.867,50 €. Dieses sei um pauschale berufsbedingte Aufwendungen sowie Vorsorgebeiträge für die Renten- und Unfallversicherung auf 1.769,54 € zu bereinigen. Den objektiven Mietwert des Hausgrundstücks hat das Amtsgericht mit 4 € netto kalt geschätzt, also bei rund 100 qm Wohnfläche mit 400 € in Ansatz gebracht. Der - nach Ablauf des Trennungsjahres gesteigert erwerbsverpflichteten - Antragsgegnerin sei auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohnes ein fiktives Erwerbseinkommen von 1.150 € netto zuzurechnen; daraus ergebe sich ein monatlicher Trennungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin von 94,09 €.

Zum Zugewinnausgleich sei grundsätzlich von den - unstreitigen - Einsatzbeträgen auszugehen. Korrekturbedarf ergebe sich ausschließlich hinsichtlich des Ergebnisses des Hausverkaufs. Der Antragsgegner habe jedenfalls keinen Zugewinn erzielt. Auf Seiten der Antragsgegnerin ergebe sich rechnerisch ein Zugewinn von 12.841,08 €, so daß sie eigentlich zur Zahlung von 6.420,54 € verpflichtet sei. Da der Zahlungsantrag sich nur auf 6.406,25 € belaufe, sei sie antragsgemäß zu verpflichten.

Gegen diese Entscheidung beabsichtigt die Antragstellerin, Beschwerde einzulegen, soweit der Trennungsunterhalt und der Zugewinnausgleich betroffen sind. Sie möchte insoweit an ihren erstinstanzlichen Zahlungs- bzw. Abweisungsanträgen festhalten. Sie rügt die Zurechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens nach 14 Jahren Ehe in Hausfrauenrolle. Sie habe sich um Arbeit bemüht, aber keine gefunden, was auch an ihrer (besonderen Erwerbs-)Biografie liege. Auch jetzt noch habe sie nur Arbeit auf der Basis geringfügiger Beschäftigung finden können. Vor der Ehescheidung komme die Zurechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens nicht in Betracht. Es sei unbillig, den leistungsfähigen Antragsgegner (weitestgehend) von seiner Unterhaltsverpflichtung freizustellen, während sie selbst ohne Unterhaltszahlungen in wirtschaftliche Not geraten sei.

Die Antragstellerin sei tatsächlich zur Zahlung des Zugewinnausgleichs auch nicht in der Lage. Sie selbst habe aus dem Hausverkauf nur 8.995,02 € erhalten, die sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts habe einsetzen müssen. Sie könne mit ihrem Verdienst schon die Miete nicht aufbringen; zwischenzeitlich seien - nach der Scheidung - Beitragsrückstände in der Krankenversicherung von rund 3.500 € aufgelaufen. Sie habe aus der Ehe faktisch nichts mitgenommen. Außerdem habe der Antragsgegner im Zusammenhang mit den Grundstückskaufverträgen - und zwar sowohl bei dem Erwerb 2009 wie auch bei dem Verkauf 2017 - durch sein Verhalten einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schaden verursacht. Bei der gegebenen Sachlage sei der Zugewinnausgleich grob unbillig; ihr stehe ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB zu.

Der Antragsgegner hat von der Möglichkeit zur Stellungnahme in dem Verfahrenskostenhilfe-Prüfungsverfahren keinen Gebrauch gemacht.

II. Dem beabsichtigten Rechtsmittel der Antragstellerin können die für eine nach § 61 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten nicht beigemessen werden, so daß ihr Verfahrenskostenhilfegesuch insgesamt zurückzuweisen war (§ 113 Abs. 1 FamFG iVm §§ 114 Abs. 1, 119 Abs. 1 S. 1 ZPO).

A. Anspruch der Antragstellerin auf Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 1.874,70 € für die Zeit von Januar bis einschließlich Juni 2016 aus § 1361 Abs. 1 BGB

Nach Lage der Akten steht der Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus § 1361 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar bis einschließlich Juni 2016 in Höhe von insgesamt tatsächlich 592,20 € (statt der von dem Amtsgericht zuerkannten 564,54 €) zu.

1. Einkommen des Antragsgegners
Auszugehen ist - unter anteiliger Berücksichtigung von Auslösen, Verpflegungszuschüssen, Fahrtkostenerstattungen u.ä. nach näherer Maßgabe der zutreffenden und auch nicht beanstandeten Ausführungen des Amtsgerichts - von einem Nettojahres-Erwerbseinkommen von 21.565,48 € = monatsdurchschnittlich 1.797,12 €; hinzuzuzusetzen ist die vereinnahmte Steuererstattung (für 2014) mit insgesamt 844,51 € (monatsdurchschnittlich 70,38 €). Abzusetzen sind - wie das Amtsgericht zu Recht anführt - die Vorsorgeaufwendungen für Renten- und Unfallversicherung mit insgesamt 126,76 €, die der Senat allerdings methodisch (wie die sonstigen Sozialversicherungsbeiträge auch) vor Berechnung der berufsbedingten Aufwendungen in die Einkommensermittlung einstellt. Die pauschalen berufsbedingten Aufwendungen sind also erst aus der Zwischensumme von 1.740,74 € zu errechnen (= 87,04 €) und abzuziehen. Es bleibt dann ein bereinigtes Nettoerwerbseinkommen von 1.653,70 € (das Amtsgericht wäre - mit der dortigen Methodik des Abzugs berufsbedingter Aufwendungen vor den Vorsorgeaufwendungen und vor allem ohne den versehentlichen Rechenfehler - auf nur 1.647,36 € gekommen).

Daneben ist der Wohnvorteil mit den von dem Amtsgericht geschätzten 400 € (= objektiver Kaltmietwert) anzusetzen. Das erste Trennungsjahr war im Januar 2016 lange abgelaufen; Rechtshängigkeit der Scheidung trat bereits am 12. Juni 2015 ein. Der Ansatz des vollen Kaltmietwertes in dem Streitzeitraum ist nicht zu beanstanden. Ferner sind die Barunterhaltsverpflichtungen des Antragsgegners gegenüber den gemeinsamen - seinerzeit noch minderjährigen - Kindern zu berücksichtigen.

Für den Antragsteller zu 3) sind die 110% des Mindestunterhalts in Ansatz zu bringen, die das Amtsgericht seiner - insoweit nicht angefochtenen - Entscheidung für den hier in Rede stehenden Streitzeitraum zugrunde gelegt hat (= 400 € monatlich). Das gilt allerdings - entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts - tatsächlich nicht auch für die Antragstellerin zu 2), die ihre (weitergehenden) Unterhaltsansprüche nach Eintritt der Volljährigkeit im März 2017 nicht weiter verfolgt, sondern insoweit Hauptsacheerledigung erklärt hat. Die zuvor auch für sie geforderten 110% des Mindestunterhalts sind also nicht tituliert worden; es gibt auch keinerlei belastbare Hinweise darauf, daß der Antragsgegner für den Streitzeitraum für/an die Antragstellerin zu 2) tatsächlich 400 € monatlich gezahlt hätte. Richtigerweise ist deshalb mit dem - zuvor durch Jugendamtsurkunde - titulierten Mindestunterhalt (= 355 € monatlich) zu rechnen. An (vorrangigen) Unterhaltsansprüchen sind deshalb für die gemeinsamen Kinder der Beteiligten insgesamt 755 € in die Bedarfsermittlung einzustellen.

Auf Seiten des Antragstellers ergibt sich also aus dem bereinigten Nettoerwerbseinkommen von 1.653,70 € zuzüglich des Wohnvorteils von 400 € abzüglich des Kindesunterhalts von insgesamt 755 € und unter Wahrung des eheangemessenen Selbstbehalts von 1.200 € ein für Unterhaltszwecke der Antragstellerin noch einzusetzendes Einkommen von lediglich 98,70 €.

Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Antragsgegners für die hier in Rede stehenden Ansprüche der Antragstellerin auf Trennungsunterhalt ist nach alledem - schon ohne Rücksicht auf die umstrittene Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange der Antragstellerin eigene Erwerbseinkünfte fiktiv zuzurechnen sind - von vornherein auf 98,70 € monatlich beschränkt.

2. Einkommen der Antragstellerin
Die Antragstellerin hatte in dem Streitzeitraum tatsächlich keine (unterhaltsrechtlich relevanten) Einkünfte. Der Streit der Beteiligten konzentriert sich auf die Fragen von ob, und hilfsweise Höhe eines fiktiven Erwerbseinkommens, das die Antragstellerin weiterhin grundsätzlich verneint. Damit kann sie keinen Erfolg haben.

Richtig ist allein, daß ein Ehegatte, der während der Ehe und zu dem Zeitpunkt der Trennung nicht berufstätig war, anders als bei dem nachehelichen Unterhalt gemäß § 1573 Abs. 1 BGB nicht ohne weiteres auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden kann. Nach § 1361 Abs. 2 BGB, der eine Schutzfunktion zugunsten des nicht erwerbstätigen Ehegatten hat, kann dem bei Trennung nicht berufstätigen Ehegatten nur dann angesonnen werden, seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten, erwartet werden kann. Aus dem Normzweck dieser Vorschrift ergibt sich weiter, daß der unterhaltsberechtigte Ehegatte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer Zumutbarkeitsabwägung sukzessive zur wirtschaftlichen Selbständigkeit hin geführt werden soll; daher wird man im Regelfall vor Ablauf des Trennungsjahres von dem haushaltführenden Ehegatten noch keine Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erwarten können.

Der zeitliche Beginn einer Erwerbsobliegenheit ist allerdings nach den Umständen des Einzelfalles festzulegen. Sofern aufgrund einer Abwägung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit bejaht wird, kann auch dem bisher nicht erwerbstätigen Ehegatten nach der Trennung eine gesteigerte Eigenverantwortung dafür auferlegt werden, seinen Unterhaltsbedarf durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise selbst zu verdienen. Die Anforderungen hinsichtlich einer Erwerbsobliegenheit sind für den Trennungsunterhalt also zunächst großzügiger - und später nie strenger -, als sie für den nachehelichen Unterhalt bestimmt sind, denn die gegenüber dem nachehelichen Unterhalt - dort gilt § 1569 BGB - deutlich schwächere Erwerbsobliegenheit will die bestehenden Verhältnisse schützen, damit die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erschwert wird. Deswegen kann die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder die Ausweitung einer Tätigkeit noch innerhalb des ersten Jahres nach der Trennung (»Schonfrist«) in der Regel nicht verlangt werden.

Im Hinblick auf den Sinn der Trennungszeit und die sich langsam abschwächenden Folgen der ehelichen Lebensgemeinschaft ist aber auch die Dauer der Trennung zu berücksichtigen. Mit zunehmender Verfestigung der Trennung, also insbesondere nach Ablauf des Trennungsjahres und Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens gewinnt der Grundsatz der Eigenverantwortung an Bedeutung, nach dem jeder Ehegatte grundsätzlich gehalten ist, seinen Lebensunterhalt soweit möglich mit eigenen Mitteln zu bestreiten, so daß einem bisher nicht (vollzeitig) Berufstätigen grundsätzlich die Aufnahme intensiver Arbeitssuche im Allgemeinen, bzw. die Ausweitung seiner Teilzeiterwerbstätigkeit zumutbar ist. In welchem Umfange, und ab welchem Zeitpunkt eine Ausweitung konkret verlangt werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei insbesondere die Betreuungsbedürftigkeit gemeinsamer minderjähriger Kinder der Beteiligten zu berücksichtigen ist. Kommt ein Ehegatte seiner bestehenden Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend nach, sind ihm diejenigen Einkünfte fiktiv anzurechnen, die er bei Aufnahme einer möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit zu verdienen imstande wäre (vgl. BGH FamRZ 2012, 1201; OLG Koblenz, Beschluß vom 6. Juli 2017 - 9 UF 108/17 - juris; OLG Hamm FamRZ 2018, 678; OLG Saarbrücken NZFam 2020, 87).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe in dem Streitzeitraum überhaupt keine Erwerbsverpflichtung gehabt. Die Trennung der Beteiligten ist im März 2014 erfolgt; das von der Antragstellerin selbst eingeleitete Scheidungsverfahren war seit Mitte Juni 2015 rechtshängig. Die Kinder waren in dem Streitzeitraum bereits 16/17 Jahre alt, also ersichtlich nicht in einer Weise betreuungsbedürftig, die die Aufnahme einer - vollschichtigen - Erwerbstätigkeit hindern würde. Zwar hat die Antragstellerin in der im März 2002 geschlossenen Ehe nach Lage der Akten nie gearbeitet, war also knapp 14 Jahre zu Hause; darin liegt aber gerade in dem hier vorliegenden Fall eher enger wirtschaftlicher Verhältnisse (zum verfügbaren Einkommen des tatsächlich allein verdienenden Antragsgegners oberhalb des eheangemessenen Selbstbehalts) kein Grund, der Antragstellerin auch 1¾ Jahre nach der Trennung und ein halbes Jahr nach der Rechtshängigkeit der also bereits absehbaren Scheidung keine (vollschichtige) Erwerbstätigkeit zuzumuten. Die Antragstellerin war im Januar 2016 selbst (erst) 41 Jahre alt. Die unterhaltsrechtliche Erwerbsverpflichtung besteht bis zu der Regelaltersgrenze, also ohnehin noch sehr lange fort. Es gibt auch keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen der erwerbsfähigen Antragstellerin.

Die Antragstellerin mußte also jedenfalls nach der Rechtshängigkeit der Scheidung die gebotenen intensiven Bemühungen um Erlangung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit aufnehmen. Diese Bemühungen hätten auch unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage in und um G. bis spätestens zum Januar 2016 Erfolg haben können; gegenteilige Schlüsse lassen die pauschalen Hinweise der Antragstellerin auf die fehlende Berufsausbildung und anhaltende sprachliche Schwierigkeiten nicht zu. In dem hier tatsächlich nur in Betracht kommenden Bereich von Helfertätigkeiten wird eine besondere sprachliche Eloquenz üblicherweise nicht erwartet. Es hätte der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Antragstellerin oblegen, zu ihren entsprechenden Erwerbsbemühungen und deren Erfolglosigkeit in dem Unterhaltszeitraum substantiiert vorzutragen, was zu keiner Zeit geschehen ist.

Wenn das Amtsgericht der Antragstellerin danach ein Erwerbseinkommen auf der Basis einer vollschichtigen Arbeit nach dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn fiktiv zurechnet, ist das nicht zu beanstanden. Der Senat errechnet daraus (nach dem Programm Stotax) bei 170 Stunden/Monat x 8,50 € allerdings einen Bruttolohn von 1.445 €. Bei Steuerklasse II (alleinerziehend) und 1,0 Kinderfreibeträgen ergibt sich daraus ein Nettolohn von 1.108,43 €, der um pauschale berufsbedingte Aufwendungen (= 55,42 €) zu bereinigen ist. Es errechnet sich mithin ein fiktives bereinigtes Nettoerwerbseinkommen von 1.053,01 €. Für die Bedarfsermittlung ist zudem das Erwerbstätigensiebtel (= 150,43 €) abzusetzen. In die Bedarfsberechnung ist nach alledem ein fiktives einzusetzendes Einkommen der Antragstellerin von 902,58 € einzustellen.

3. Unterhaltsbedarf der Antragstellerin und Leistungsfähigkeit des Antragsgegners
In die Bedarfsermittlung ist das bereinigte Erwerbseinkommen des Antragsgegners (1.653,70 €) abzüglich des Kindesunterhalts (755 €) einzustellen, das gleichfalls um den Erwerbstätigenbonus (= 128,39 €) auf dann noch 770,31 € zu kürzen ist. Unter weiterer Berücksichtigung des Wohnvorteils errechnen sich in die Bedarfsermittlung einzustellende Einkünfte des Antragsgegners von insgesamt 1.170,31 €. Aus den danach zur Verfügung stehenden (teilweise fiktiven) Gesamteinkünften von (902,58 € + 1.170,31 € =) 2.072,89 € folgt ein Unterhaltsbedarf der Antragstellerin von 1.036,45 €, den die Antragstellerin aus eigenen (fiktiven) Einkünften von 902,58 € decken kann.

Rechnerisch ergibt sich danach ein ungedeckter Unterhaltsbedarf der Antragstellerin von 133,87 €, den der Antragsgegner allerdings aus seinen einzusetzenden Einkünften (1.298,70 €) ohne Beeinträchtigung des eigenen eheangemessenen Selbstbehalts nicht decken kann. Seine Leistungsfähigkeit beschränkt sich daher auf 98,70 € monatlich, für den gesamten Streitzeitraum des ersten Halbjahres 2016 also auf insgesamt 592,20 €.

Die wegen des Trennungsunterhalts beabsichtigte Beschwerde hätte also nur in sehr geringem Umfang, nämlich in Höhe von insgesamt 27,66 €, Erfolg.

B. Anspruch des Antragsgegners auf Zahlung von 6.406,25 € aus § 1378 Abs. 1 BGB

1. Rechnerischer Zugewinnausgleichsanspruch
Nach § 1378 Abs. 1 BGB steht einem Ehegatten die Hälfte des Überschusses als Ausgleichsforderung zu, soweit der Zugewinn des einen Ehegatten denjenigen des anderen übersteigt. Der Stichtag für das Anfangsvermögen ist der Eintritt des Güterstandes (§ 1376 Abs. 1 BGB), hier der Tag der Eheschließung im März 2002. Stichtag für das Endvermögen ist gemäß § 1384 BGB der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages, hier der 12. Juni 2015.

Das Amtsgericht hat nach Lage der Akten zutreffend und von der Antragstellerin auch nicht beanstandet festgestellt, daß der Antragsgegner in der Ehe keinen Zugewinn erzielt hat, weil sein Endvermögen deutlich hinter dem (indexierten) Anfangsvermögen zurückbleibt.

Anders liegt die Sache auf Seiten der Antragstellerin, die bei Eheschließung unstreitig keinerlei (auch kein negatives) Anfangsvermögen hatte. Zu dem Endvermögensstichtag am 12. Juni 2015 verfügte die Antragstellerin unstreitig über Aktiva in Form eines Girokontoguthabens von 301,37 € und eines Mietkautionsguthabens von 595 € sowie des hälftigen Hausgrundstücks, dessen Wert das Amtsgericht mit 17.528,59 € in die Zugewinnausgleichsbilanz eingestellt hat. Das Amtsgericht ist dabei von dem vereinbarten Verkaufspreis von 50.000 € (den die Beteiligten stillschweigend übereinstimmend mit dem Grundstückswert zum Endvermögensstichtag gleichsetzen) ausgegangen, der allerdings teilweise zu der Ablösung der noch bestehenden Grundschuld eingesetzt werden mußte. Diesen Ablösebetrag hat das Amtsgericht nach Lage der Akten plausibel und von keinem der Beteiligten tauglich/substanziell in Zweifel gezogen aus dem vereinbarten Kaufpreis von 50.000 € abzüglich der unstreitig an die beiden Beteiligten geflossenen Zahlungen von insgesamt 26.381,58 € abzüglich der aus dem Kaufpreis ferner abzulösenden Sicherungshypothek zugunsten des Landkreises S. von 8.675,59 € hergeleitet, und demzufolge mit 14.942,83 € beziffert. Im Saldo ergibt sich daraus zutreffend ein zu dem Endvermögensstichtag bei der Antragstellerin einzusetzendes Immobilienvermögen von (50.000 € abzüglich Belastung mit Grundschuld in Höhe von noch 14.942,83 € = 35.057,17 € x ½ =) 17.528,59 €.

Die erst im April 2016 eingetragene, auf dem Miteigentumsanteil der Antragstellerin lastende Sicherungshypothek über 8.675,59 € war bei der streng stichtagsbezogen (auf den 12. Juni 2015) zu erstellenden Ausgleichsbilanz nicht zu berücksichtigen.

Diesem Aktivvermögen von insgesamt 18.424,96 € stehen allerdings nach Lage der Akten nicht lediglich die von dem Amtsgericht eingestellten Passiva in dem Gesamtumfang von 5.583,88 € gegenüber: Aus der stichtagsbezogen zum 12. Juni 2015 erteilten Mitteilung des Landkreises S. vom 27. Juli 2016 über den Darlehensstand der Antragstellerin ergibt sich nämlich, daß neben dem (von dem Amtsgericht berücksichtigten) Darlehen aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in dem Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 12. Juni 2015 im Umfang von 2.553,65 € auch Darlehen für die Mietkaution von 595 € und für die Anschaffung diverser Möbel und Hausratsgegenstände von weiteren 521 € gewährt worden waren. Die Passiva auf Seiten der Antragstellerin sind damit insgesamt auf 6.699,88 € zu beziffern.

Das - zugleich ihren Zugewinn darstellende - Endvermögen der Antragstellerin beläuft sich nach Aktenlage mithin auf tatsächlich nur (18.424,96 € ./. 6.699,88 € =) 11.725,08 €. Die Antragstellerin schuldet somit dem Antragsgegner nach § 1378 Abs. 1 BGB einen Zugewinnausgleich von »nur« 5.862,54 € (statt der von dem Amtsgericht zuerkannten 6.406,25 €).

2. Leistungsverweigerung der Antragstellerin wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1381 BGB
Die Antragstellerin kann sich nicht (auch nur teilweise) mit Erfolg auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen grober Unbilligkeit berufen.

Nach § 1381 Abs. 1 BGB kann der Schuldner die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Die Vorschrift ermöglicht in besonders gelagerten Einzelfällen eine Korrektur von Ergebnissen, die sich aus der schematischen Anwendung der Vorschriften zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs ergeben können; nicht ausreichend ist allerdings, daß sich die Unbilligkeit allein aus dem von dem Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität festgelegten pauschalisierenden und schematischen Berechnungssystem ergibt. Dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten steht das Leistungsverweigerungsrecht aus § 1381 Abs. 1 BGB nur dann zu, wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der von dem Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 2018, 1415 = FuR 2018, 537 Tz. 37 mwN). Soweit wirtschaftliches Fehlverhalten des ausgleichsberechtigten Ehegatten Anknüpfungspunkt für die grobe Unbilligkeit sein soll, ist stets Verschulden vorauszusetzen (BGH FamRZ 1992, 787 = EzFamR BGB § 1381 Nr. 1 = BGHF 8, 177; Brudermüller in Palandt, BGB 79. Aufl. § 1381 Rdn. 5).

In dem Streitfall fehlen hinreichend belastbare Anknüpfungstatsachen für eine grobe Unbilligkeit der sich aus § 1378 Abs. 1 BGB ergebenden Zahlungsverpflichtung der Antragstellerin.

Eine schuldhafte Unterhaltspflichtverletzung des Antragsgegners über längere Zeit iSv § 1381 Abs. 2 BGB liegt nicht vor. Der Antragsteller war bis zu der Trennung der Beteiligten nach zwölf Jahren Ehe Alleinverdiener, und hat zudem ausschließlich aus seinem bei der Eheschließung vorhandenen Vermögen die gemeinschaftliche Immobilie finanziert. (Erst) im Januar 2016 auf Unterhalt in Anspruch genommen, hat der Antragsgegner zugunsten der Kinder, für die er zuvor seit Juli 2015 jeweils 250 €, und ab November 2015 jeweils 334 € gezahlt hatte, den Mindestunterhalt titulieren lassen (und auch gezahlt). Die Zurückweisung des weitergehenden Anspruchs der Antragstellerin und der Kinder hat er mit Leistungsunfähigkeit begründet, was nicht nur, aber ganz entscheidend auf der Frage der Zurechnung eines umstrittenen Wohnvorteils beruhte, und legitim war. Der weitergehende Unterhaltsanspruch der Kinder (bzw. allein des Antragstellers zu 3)) und vor allem derjenige der Antragstellerin ergibt sich ausschließlich unter Berücksichtigung des zuzurechnenden Wohnvorteils der zwar beiden gleichermaßen gehörenden, aber ausschließlich aus Mitteln des Antragsgegners finanzierten Hausgrundstücks. Der letztlich aufgelaufene Unterhaltsanspruch der Antragstellerin für das allein in Rede stehende erste Halbjahr 2016 erreicht insgesamt nicht einmal 600 €; von einer gröblichen schuldhaften Verletzung der Unterhaltspflicht kann danach keine Rede sein.

Auch ansonsten, insbesondere im Zusammenhang mit den Erwerbs-/Veräußerungsgeschäften bezüglich des Hausgrundstücks der Beteiligten, finden sich keine tragfähigen und zureichenden Anhaltspunkte für ein schuldhaftes wirtschaftliches Fehlverhalten zu Lasten der Antragstellerin.

Der Grundstückserwerb (ohne Sicherung der Löschung der eingetragenen Grundschuld) war ganz sicher ausgesprochen ungünstig; auch die nachträgliche Herabsetzung des vereinbarten Kaufpreises nur um den Nennbetrag der Grundschuld (ohne die enormen aufgelaufenen Zinsen) war nicht geschickt. An all dem war aber die Antragstellerin nicht weniger beteiligt als der Antragsgegner. Die Antragstellerin mag - (auch) sprachlich bedingt - vielleicht noch weniger versiert gewesen sein als der Antragsgegner, dem allerdings nach Aktenlage auch kein besonderes überlegenes Wissen in Grundstücksgeschäften zugeschrieben werden kann. Beide Beteiligten waren da ersichtlich blauäugig, haben aus den schlechten Erfahrungen nichts gelernt, und waren vielleicht/wohl auch bei den Beurkundungen schlecht beraten. Ein schuldhaft pflichtwidriges Fehlverhalten des Antragsgegners iSv § 1381 BGB läßt sich damit nicht begründen, zumal dieser das Ganze unbestritten allein finanziert, und dadurch letztlich - anders als die Antragstellerin - einen erheblichen Vermögensverlust erlitten hat.

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die erheblichen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des (in Verantwortung beider Beteiligter ungesichert vereinbarten) Kaufpreisanspruchs gegen den Erwerber nach Aktenlage ganz wesentlich dem Antragsgegner anzulasten sind, weil dieser eigenmächtig dem Erwerber vor Kaufpreiszahlung den Besitz an dem Hausgrundstück eingeräumt, und dadurch ein Druckmittel aus der Hand gegeben hat. Es ist aber nicht ansatzweise vorgetragen oder sonst zu erkennen, daß daraus der Antragstellerin - jenseits eines reinen Verzögerungseffekts - ein meßbarer wirtschaftlicher Schaden entstanden wäre. Nach Aktenlage sind den Beteiligten zwischenzeitlich diejenigen Zahlungen zugeflossen, die nach Ablösung der grundbuchlichen Belastungen aus dem Verkaufspreis als Reinerlös zu erwarten waren; dann aber ist davon auszugehen, daß die verzögerte Bezahlung des Kaufpreises durch den Erwerber auf Seiten der Antragstellerin ohne vermögensrechtliche Auswirkung geblieben ist. In diesem Falle kann an das Fehlverhalten des Antragsgegners in diesem Zusammenhang kein Leistungsverweigerungsrecht geknüpft werden.

Es bleibt festzuhalten, daß die Antragstellerin - anders als der Antragsgegner - in der Ehe einen erheblichen, zum Endvermögensstichtag auch real vorhandenen Vermögenszuwachs zu verzeichnen hatte. Die weitere beiderseitige Vermögensentwicklung zwischen Bewertungsstichtag (§ 1384 BGB - 12. Juni 2015) und Entstehung der Ausgleichsforderung (§ 1378 Abs. 3 S. 1 BGB - 1. Juli 2016) vermag schon grundsätzlich keine grobe Unbilligkeit nach § 1381 BGB zu begründen. Die tatsächlich schwierige wirtschaftliche Situation der Antragstellerin - trotz des Vermögenszuwachses durch die Ehe - begründet sich in dem Streitfall weniger in Pflichtversäumnissen des Antragsgegners, als vielmehr in der Verletzung der eigenen Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin.

C. Gesamtergebnis
Insgesamt ist danach festzustellen, daß die amtsgerichtliche Entscheidung hinsichtlich des Trennungsunterhalts nur im Umfang von insgesamt 27,66 €, und hinsichtlich des Zugewinnausgleichs nur im Umfang von 543,71 €, in Summe also in Höhe von 571,37 €, mit hinreichender Aussicht auf Erfolg angefochten werden könnte. Damit aber wäre der nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdewert von mehr als 600 € nicht erreicht. Kann aber mit derart eingeschränkten Erfolgsaussichten von vornherein kein zulässiges Rechtsmittel geführt werden, kann Verfahrenskostenhilfe für das (beabsichtigte) Beschwerdeverfahren insgesamt nicht bewilligt werden (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO 33. Aufl. § 119 Rdn. 18; Dürbeck/Gottschalk, Prozeß- und Verfahrenskostenhilfe 8. Aufl. Rdn. 517 mit Rechtsprechungsnachweisen).

OLG Brandenburg 2020-03-06 - 9 UF 204/18
Speichern Öffnen bra-2020-03-06-204-18.pdf (110,52 kb)


_____________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung von rückständigem Trennungsunterhalt.

BGB §§ 1361, 1567, 1577

1. Getrenntleben im Sinne von § 1361 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 1567 Abs. 1 BGB liegt dann vor, wenn zwischen den Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft besteht, ein Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt, und die häusliche Gemeinschaft erkennbar nicht wieder herstellen will. Von einem Getrenntleben kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn die Ehegatten - beide noch in der Ehewohnung lebend - keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen. Das Nichtbestehen oder die Aufhebung eines gemeinsamen Haushalts sind allerdings keine zwingende Voraussetzung für das Getrenntleben der Ehegatten; wesentlich ist vielmehr der eindeutig erklärte Trennungswille.
2. Einen in dem Zeitpunkt der Trennung längere Zeit nicht erwerbstätig gewesenen Ehegatten trifft in dem ersten Trennungsjahr in der Regel keine Erwerbsobliegenheit.
3. Die Unzumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten kann sich daraus ergeben, daß er an einer manisch-depressiven Psychose leidet.
4. Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. An die Verwertung des Vermögensstammes vor der Scheidung sind noch höhere Anforderungen zu stellen als beim nachehelichen Unterhalt; insbesondere bei einer lange andauernden Ehe und einer noch nicht langen Trennungszeit wird eine Verwertungspflicht nahezu stets ausscheiden.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 4. August 2020 - 9 UF 39/20

Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 04.02.2020 (in Gestalt der Teilrücknahme vom 12.05.2020) wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Eberswalde vom 09.12.2019 (3 F 262/18) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum vom 01.06.2018 bis einschließlich 16.10.2019 in Höhe von 9.609,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 364,75 € seit dem 01.06.2018, aus weiteren jeweils monatlich 634,75 € seit dem 01.07.2018, seit dem 01.08.2018, seit dem 01.09.2018, seit dem 01.10.2018, seit dem 01.11.2018, seit dem 01.12.2018, seit dem 01.01.2019 und seit dem 01.02.2019, aus weiteren jeweils monatlich 483,72 € seit dem 01.03.2019, seit dem 01.04.2019, seit dem 01.05.2019 und seit dem 01.06.2019, aus weiteren monatlich 634,75 € seit dem 01.07.2019, seit dem 01.08.2019, seit dem 01.09.2019, und aus weiteren 327,61 € seit dem 01.10.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz trägt der Antragsgegner.
3. Der Beschwerdewert beträgt zunächst 7.617 €, und seit dem 13.05.2020 noch 874,12 €.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
I. Die seit dem Jahre 1988 miteinander verheirateten Ehegatten streiten noch um die Zahlung von rückständigen Trennungsunterhalt für die Zeit von Juni 2018 bis zum 16. Oktober 2019; seit dem 17. Oktober 2019 sind sie rechtskräftig geschieden. Unstreitig ist, daß der Antragsgegner spätestens zum 1. Oktober 2018 aus der vormals ehelichen Wohnung, die den Ehegatten gemeinsam gehörte, ausgezogen ist; zumindest bis zu diesem Zeitpunkt hat er die Darlehensraten für die Wohnung in Höhe von rund 220 € monatlich alleine gezahlt.

Die am 8. Oktober 1956 geborene Antragstellerin war während der Ehe zunächst erwerbstätig. Nachfolgend bezog sie bis einschließlich Mai 2018 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (ALG I); anschließend erzielte sie kein eigenes Einkommen mehr. Der Antragsgegner befand sich bis einschließlich Februar 2019 im Vorruhestand, seither im Altersruhestand; zudem hat er aus einer Nebenerwerbstätigkeit Einkünfte erzielt.

Mit handschriftlichem Schreiben vom 30. Mai 2018 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt in Höhe von monatlich 600 € ab dem 1. Juni 2018 auf. Am Folgetag, den 2. Juni 2018, regelten die Beteiligte in schriftlicher Weise ihre Vermögensverhältnisse; auf die zu den Akten gereichten handschriftlichen Vereinbarungen wird verwiesen. Im Übrigen wird auf den unstreitigen Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat behauptet, spätestens seit Juni 2018 habe man innerhalb der vormals ehelichen Wohnung getrennt gelebt. Sie hat - nach mehrmaligem Wechsel ihrer Anträge - erstinstanzlich zuletzt beantragt (vgl. den Tatbestand des angefochtenen Beschlusses), den Antragsgegner zu verpflichten, an sie einen rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum von Juni 2018 bis einschließlich Oktober 2019 in Höhe von insgesamt 10.790,95 € (bei monatlichen Betrag von 634,75 €) zuzüglich 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den jeweiligen monatlichen Betrag zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat behauptet, eine Trennung der Beteiligten sei nicht bereits im Juni 2018, letztendlich frühestens mit seinem Auszug aus der vormals ehelichen Wohnung erfolgt. Die Antragsgegnerin müsse sich einen Erwerbsobliegenheitsverstoß entgegenhalten lassen, da sie in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Hinsichtlich der Vereinbarungen der Beteiligten aus Juni 2018 führt er an, es habe ihm an der entsprechenden Ernsthaftigkeit gemangelt, da mit derartigen Trennungs- und Scheidungsabsichten die Antragstellerin bereits jahrelang angesichts bei ihr vorherrschender Psychosen auf ihn zugekommen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht - Familiengericht - Eberswalde den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin Trennungsunterhalt für die Zeit vom 1. Juni 2018 bis einschließlich 16. Oktober 2019 in Höhe von insgesamt 10.483,61 € nebst gestaffelten Zinsen zu zahlen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit welcher dieser in Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die vollständige Abweisung des Trennungsunterhaltsanspruchs begehrt. Der Antragsgegner hat ursprünglich beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt zurückzuweisen; zuletzt hat er noch beantragt (vgl. den Schriftsatz vom 12. Mai 2020), den angefochtenen Beschluß insoweit aufzuheben, als daß in diesem ein über den Betrag in Höhe von 9.609,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 364,75 € seit dem 1. Juni 2018, aus weiteren jeweils monatlich 634,75 € seit dem 1. Juli 2018, seit dem 1. August 2018, seit dem 1. September 2018, seit dem 1. Oktober 2018, seit dem 1. November 2018, seit dem 1. Dezember 2018, seit dem 1. Januar 2019 und seit dem 1. Februar 2019, aus weiteren jeweils monatlich 483,72 € seit dem 1. März 2019, seit dem 1. April 2019, seit dem 1. Mai 2019 und seit dem 1. Juni 2019, aus weiteren monatlich 634,75 € seit dem 1. Juli 2019, seit dem 1. August 2019, seit dem 1. September 2019, und aus weiteren 327,61 € seit dem 1. Oktober 2019 hinausgehender Betrag der Antragstellerin zugesprochen worden ist.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen; auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Über ihre als Notanwältin mit Senatsbeschluß vom 27. April 2020 bestellte Verfahrensbevollmächtigte hat sie zudem mehrfach die Erklärung der Beschwerderücknahme durch den Antragsgegner gefordert.

II. Die gemäß §§ 58 ff FamFG statthafte und zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat, soweit er diese nach erfolgter Rücknahme seiner Beschwerde noch aufrechterhalten hat (vgl. dazu die Senatsverfügung vom 22. Juni 2020, zu welcher sich die Beteiligten auch nicht mehr inhaltlich eingelassen haben), Erfolg; sie ist insoweit begründet. Das Amtsgericht hat im Wesentlichen zutreffend einen Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung von rückständigem Trennungsunterhalt gemäß § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB bejaht; insoweit ist allein hinsichtlich der konkreten Höhe des rückständigen Anspruchs eine Korrektur geboten, die dem nunmehr verbliebenen Beschwerdeantrag entspricht.

1. Zeitpunkt der Trennung

Es bestehen keine Bedenken an einer Trennung der Beteiligten zum Juni 2018. Getrenntleben im Sinne von § 1361 Abs. 1 S. 1 iVm § 1567 Abs. 1 BGB ist dann gegeben, wenn zwischen den Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft besteht, ein Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt, und die häusliche Gemeinschaft erkennbar nicht herstellen will (BGHZ 210, 124 = FamRZ 2016, 1142 = FuR 2016, 472). Von einem Getrenntleben kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn die Ehegatten - beide noch in der Ehewohnung lebend - keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen (Ehinger in Ehinger/Rasch/Schwonberg/Siede, Handbuch Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 5.8.). Das Nichtbestehen oder die Aufhebung eines gemeinsamen Haushalts sind allerdings keine zwingende Voraussetzung für das Getrenntleben der Ehegatten; wesentlich ist vielmehr der eindeutig erklärte Trennungswille (vgl. auch Viefhues in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB 9. Aufl. § 1361 [Stand: 15.04.2020] Rdn. 16).

Sämtlicher vorgelegter Schriftwechsel läßt zweifelsfrei eine Trennungsabsicht der Antragstellerin ab Juni 2018 und eine chronologische Fortentwicklung dieser Trennung erkennen; dies folgt bereits daraus, daß sie selbst mit Schreiben vom 30. Mai 2018 den Antragsgegner auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen hat, und bereits wenige Tage später mit anwaltlichem Schriftsatz vom 6. Juni 2018 diesen weiterverfolgte. Erst recht folgt dies aus dem Umstand, daß sodann mit der Antragsschrift vom 26. Juni 2018 der Trennungsunterhaltsanspruch durch die Antragstellerin gerichtlich verfolgt wurde.
Auch die übrigen Schreiben der Antragstellerin bzw. die Vereinbarungen der Beteiligten zum Beispiel vom 2. Juni 2018, lassen jeweils erkennen, daß zumindest die Antragstellerin einseitig, eher aber beide Ehegatten ihren Willen zu der Abkehr von der Ehe bekundet haben. Ebenso spricht für die mindestens einseitige Abkehr der Antragstellerin von der Ehe der Umstand, daß nachfolgend die Antragstellerin die Herbeiführung einer entsprechenden notariellen Vereinbarung über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung versucht hat. Mindestens liegt daher eine einseitige Abkehr der Antragstellerin von der Ehe vor. Dann ist es hinsichtlich der Trennung der Beteiligten im Juni 2018 unschädlich, daß in Teilbereichen nach der Behauptung des Antragsgegners noch gemeinsam gewirtschaftet wurde. Dies ist auch nicht unüblich angesichts des Umstandes, daß die Beteiligten unstreitig noch für einige weitere Monate in der ehelichen Wohnung weiter gelebt haben.

2. Verstoß gegen Erwerbsobliegenheit

Der Antragstellerin ist kein Erwerbsobliegenheitsverstoß anzulasten, und daher auch kein fiktives Einkommen zuzurechnen. Zu Recht hat das Amtsgericht unter Beachtung der Vorschrift des § 1361 Abs. 2 BGB ausgeführt, daß in dem vorliegenden Fall die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von der Antragstellerin nicht erwartet werden konnte. Nach dieser Vorschrift kann der nicht erwerbstätige Ehegatte nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann.

a) Trennungsjahr

Einen in dem Zeitpunkt der Trennung längere Zeit nicht erwerbstätig gewesenen Ehegatten trifft im ersten Trennungsjahr in der Regel keine Erwerbsobliegenheit (allgemeine Ansicht, zum Beispiel OLG Hamm FamRZ 2018, 678). So auch hier; daher käme eine Erwerbsobliegenheit frühestens für die Zeit ab Juni 2019 mit Ablauf des Trennungsjahres in Betracht.

b) Individuelle Verhältnisse

Aber auch für die folgenden rund 4,5 Monate bis zu der Rechtskraft der Scheidung besteht keine Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin; der Umfang der regelmäßig erforderlichen Erwerbstätigkeit und eventuelle Abweichungen davon bestimmen sich vielmehr nach den individuellen Verhältnissen des jeweils betroffenen Ehegatten (Viefhues, aaO Rdn. 759). Vorliegend spricht gegen eine (unmittelbar nach Ablauf des Trennungsjahres einsetzende) Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin, daß die Ehe bei Trennung bereits rund 20 Jahre bestand, die Antragstellerin bereits vor der Trennung längere Zeit nicht arbeitete, zu dem Zeitpunkt der Trennung bereits über 61,5 Jahre alt war, und daher auch in realer Hinsicht die Aussicht auf Erlangung einer Arbeitsstelle deutlich unrealistisch erschien. In diesem Kontext ist zudem zu beachten, daß die Antragstellerin sich seit dem 1. November 2019 im Altersruhestand befindet. Die Phase nach Beendigung des ALG I-Bezugs bis hin zu dem Eintritt in den Altersruhestand stellt sich daher als bloße Übergangsphase dar, die auch von ihrer Länge her keine Erwerbsobliegenheit hervorruft.

c) Vermeintlich krankhafter Zustand

Erst recht folgt die Unzumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit daraus, daß nach der Behauptung des Antragsgegners die Antragstellerin an einer manisch-depressiven Psychose leidet (wobei sich die Beteiligten mit derartigen Vorwürfen wechselseitig überziehen). Wäre dies der Fall, wären eventuelle Verpflichtungen der Antragstellerin auf den Einsatz eigener Arbeitskraft (bzw. eigenen Stammvermögens) angesichts des gesundheitlichen Zustandes sowie des unmittelbar nach der Trennung einsetzenden, hier streitgegenständlichen Trennungsunterhaltszeitraums nicht angezeigt. Letztendlich kommt es hierauf aber nicht streitentscheidend an.

3. Vermögensstamm

Zutreffend hat das Amtsgericht auch ausgeführt, daß die Antragstellerin nicht zum Einsatz von Vermögen bzw. des Vermögensstammes gehalten war. Der Berechtigte braucht den Stamm des Vermögens nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (§ 1577 Abs. 3 BGB). Diese für den nachehelichen Unterhalt geltende Vorschrift kann allerdings lediglich die äußerste Grenze, bis zu der dem unterhaltsberechtigten Ehegatten im Falle des Getrenntlebens der Einsatz seines Vermögensstammes allenfalls angesonnen werden darf, bilden; an die Verwertung des Vermögensstammes vor der Scheidung sind vielmehr noch höhere Anforderungen zu stellen, als bei dem nachehelichen Unterhalt (BGH FamRZ 2012, 514 = FuR 2012, 374; OLG Saarbrücken FamRZ 2020, 422). Insbesondere bei einer lang andauernden Ehe und einer noch nicht langen Trennungszeit wird eine Verwertungspflicht nahezu stets ausscheiden (vgl. auch Viefhues, aaO Rdn. 311 ff), wobei eine 1,5 Jahre andauernde Trennung noch nicht lange in diesem Sinne ist (OLG Saarbrücken FamRZ 2020, 422).
Nach Maßgabe dessen scheidet eine Pflicht der Antragstellerin zum Einsatz eines Stammvermögens hier angesichts der langen Ehedauer und der noch nicht langen Trennungszeit von vornherein aus.

Nur vorsorglich wird deshalb ergänzend darauf hingewiesen, daß eine Verwertung auch im Übrigen nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen geboten wäre, deren Voraussetzungen im Einzelnen durch den hierdurch Begünstigten - den Unterhaltspflichtigen - darzulegen sind. Dabei kommt es auch wesentlich auf die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen an (vgl. auch Viefhues, aaO Rdn. 311 ff), über welche hier nur wenig bekannt ist. Ebenso wenig können deshalb vermeintlich eigenmächtig vorgenommene, zu Lasten des Antragsgegners wirkende Vermögensverschiebungen der Antragstellerin hier von Bedeutung sein: Diese könnten allenfalls eventuelle Ausgleichsansprüche des Antragsgegners gegen die Antragstellerin hervorrufen, nicht aber Grundlage einer Einsatzpflicht für das Stammvermögen sein.
Insgesamt kann für die Frage einer Erwerbsobliegenheitsverletzung und des Einsatzes von Stammvermögen auf die zutreffenden, dies verneinenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.

4. Einkünfte des Antragsgegners

a) Unstreitige Einkünfte

Soweit der Antragsgegner mit der Beschwerde lediglich die Zurechnung von eigenen, vermeintlich unstreitigen Einkünften in Höhe von 1.714,75 € für die Zeit bis einschließlich Februar 2019 begehrt, geht dies fehl. Zwar befindet sich dieser Betrag tatsächlich innerhalb der ursprünglichen Antragsschrift der Antragstellerin; bereits dieser Betrag beruhte jedoch darauf, daß die Antragstellerin insoweit als Abzugspositionen von den Einkünften des Antragsgegners solche Position anerkannte, die im Grundsatz unterhaltsrechtlich in aller Regel nicht bereinigungsfähig sind (insbesondere die genannten Medien). Im Übrigen hat die Antragstellerin nachfolgend auch die Abzugsfähigkeit der Positionen in Abrede gestellt, und ausdrücklich die volle Zurechnung der von dem Antragsteller - insoweit tatsächlich auch unstreitig - erzielten Einkünfte aus Vorruhestandsbezügen und Erwerbseinkommen begehrt; selbst eventuelle berufsbedingte Aufwendungen hat sie ausdrücklich sodann nicht mehr anerkennen wollen (vgl. insbesondere den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 24. Juni 2019).

b) Darlehensrate

Im Übrigen ist dem Begehren des Antragsgegners auch nicht darin zu folgen, daß er den Abzug der von ihm gezahlten Darlehensraten auf die eheliche Wohnung geltend machen kann. Zum einen ist bereits unklar, ob der Antragsgegner nur bis zu seinem Auszug oder auch darüber hinaus diese Raten beglichen hat; eine Zahlung nach September 2018 würde jedenfalls dem Inhalt der entsprechenden Vereinbarung der Beteiligten vom 2. Juni 2018, nach welcher die Antragstellerin diese Raten ab dem Auszug übernehmen sollte, widersprechen. Zum anderen widerspricht der Abzugsfähigkeit der Inhalt der Vereinbarung der Beteiligten vom 2. Juni 2018 (zu der Wirksamkeit der Vereinbarung vgl. weiter unten), innerhalb welcher die Frage einer Abzugsfähigkeit und ein damit verbundener Ausgleich der Ratenzahlungen bei dem Unterhalt keine Rolle gespielt hat. Im Übrigen läge es - so denn gemäß den Behauptungen des Antragsgegners die Beteiligten noch bis September 2018 gemeinsam gewirtschaftet hätten - nahe, daß dann nach dem Grundsatz »der eine zahlt dies, der andere das« keine wechselseitige Ausgleichspflicht bestand. Zuletzt käme eine Berücksichtigung der Darlehensraten grundsätzlich allein im Rahmen einer Wohnwertberechnung in Betracht, die hier von keiner Seite vorgenommen worden ist, und die im Übrigen ebenso dem Inhalt der Vereinbarung der Beteiligten vom 2. Juni 2018 widerspricht.

c) berufsbedingte Aufwendungen

Zu folgen ist dem Antragsgegner aber darin, daß das Amtsgericht ihm zu Unrecht keine berufsbedingten pauschalierten Aufwendungen anerkannt hat. Für seine Einkünfte aus der Nebenerwerbstätigkeit sind ihm nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Ziff. 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg) pauschalierte berufsbedingte Aufwendungen, die auch nicht bereits zuvor bei der Ermittlung seiner Netto-Nebenerwerbseinkünfte abgezogen wurden, anzuerkennen. Gründe, davon abzuweichen, sind derzeit nicht erkennbar.

5. Unterhaltshöhe

Nach alledem ergibt sich für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin zunächst folgendes Einkommen des Antragsgegners:

 

ab Juni 2018

ab März 2019

1. Nichterwerbseinkünfte

 

 

Vorruhestandsbezüge

1.800,00 €

--- €

Altersrente

--- €

1.422,25 €

2. Erwerbseinkünfte

 

 

Nebenerwerbseinkommen (netto)

433,35 €

433,80 €

./. 5% von dem Erwerbseinkommen

21,67 €

21,69 €

ergibt

411,68 €

412,11 €

./. 1/7tel von dem Erwerbseinkommen

58,81 €

58,87 €

=

352,87 €

353,24 €

3. Unterhalt

 

 

unterhaltsrechtliches Einkommen

2.152,87 €

1.775,49 €

Hälfte = Bedarf = Unterhalt

1.076,44 €

887,74 €

4. Leistungsfähigkeit

 

 

bereinigtes Einkommen ohne Erwerbstätigensiebtel

2.211,68 €

1.834,36 €

Selbstbehalt

1.200,00 €

1.200,00 €

Leistungsfähigkeit

1.011,68 €

634,36 €

6. Verzug

Im Weiteren ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin von dem Antragsgegner den ermittelten (monatlichen) Unterhaltsbetrag nur insoweit verlangen kann, wie er dessen Inverzugsetzung entspricht (§§ 286 Abs. 1, 1613 Abs. 1 BGB). Dabei ist zu beachten, daß sie in dem laufenden Verfahren den Unterhaltsanspruch mehrfach verändert hat. Hiermit ist, soweit eine Reduzierung erfolgt ist, zugleich eine entsprechende Rücknahme der Inverzugsetzung verbunden, die einen höheren Unterhalt für die Zukunft bzw. bis zu dem Zeitpunkt, ab welchem erneut ein höherer Unterhalt in verzugsbegründender Wirkung verlangt wird, ausschließt, denn nach § 1613 Abs. 1 BGB kann für die Vergangenheit Unterhalt nur von der Zeit an gefordert werden, zu welcher der Verpflichtete in Verzug gekommen, oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Zu der Inverzugsetzung gehört grundsätzlich eine Mahnung nach Eintritt der Fälligkeit (§ 284 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch wenn im Allgemeinen eine Mahnung wegen laufenden Unterhalts nicht monatlich wiederholt zu werden braucht, können von einer zurückgenommenen Mahnung keinerlei Rechtswirkungen für künftigen Unterhalt ausgehen. Eine (teilweise) Rücknahme der Mahnung ist aber in der (teilweisen) Rücknahme des Unterhaltsantrages zu sehen (BGH FamRZ 1983, 352, 354 = BGHF 3, 825; Siebert in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 6 Rdn. 141).

Ihren ursprünglichen Antrag von monatlich 634,75 € aus der Antragsschrift hat die Antragstellerin in dem Schriftsatz vom 4. Juni 2019 teilweise ermäßigt (so für Juni 2018 sowie für die Zeit ab März 2019); mit weiterem Schriftsatz vom 24. Juni 2019 hat sie sodann erneut und durchgängig 634,75 € monatlich begehrt. Diesen Unterhalt kann sie daher erst wieder ab Juli 2019 weiter verfolgen. Dies ergibt entsprechend der nachfolgenden Tabelle insgesamt folgendes:

Anträge

26.06.2018

04.06.2019

24.06.2019

Verzug

Juni 2018

634,75 €

364,75 €

634,75 €

364,75 €

Juli 2018

634,75 €

674,75 €

634,75 €

634,75 €

August 2018

634,75 €

674,75 €

634,75 €

634,75 €

September 2018

634,75 €

674,75 €

634,75 €

634,75 €

Oktober 2018

634,75 €

674,75 €

634,75 €

634,75 €

November 2018

634,75 €

674,75 €

634,75 €

634,75 €

Dezember 2018

634,75 €

674,75 €

634,75 €

634,75 €

Januar 2019

634,75 €

674,75 €

634,75 €

634,75 €

Februar 2019

634,75 €

674,75 €

634,75 €

634,75 €

März 2019

634,75 €

483,72 €

634,75 €

483,72 €

April 2019

634,75 €

483,72 €

634,75 €

483,72 €

Mai 2019

634,75 €

483,72 €

634,75 €

483,72 €

Juni 2019

634,75 €

483,72 €

634,75 €

483,72 €

Juli 2019

 

 

634,75 €

634,75 €

August 2019

 

 

634,75 €

634,75 €

September 2019

 

 

634,75 €

634,75 €

Oktober 2019

 

 

634,75 €

327,61 €

Summe

 

 

 

9.609,49 €

7. (Hilfs-)Aufrechnung

Soweit der Antragsgegner Aufrechnungspositionen gemäß §§ 387 ff BGB verfolgt hat, hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, infolge der Vereinbarung der Beteiligten vom 2. Juni 2018 habe er auf einen derartigen Einwand wirksam verzichtet.
Die vorgelegte Vereinbarung läßt erkennen, daß sich die Beteiligten insoweit möglichst umfassend auseinandersetzen wollten, und in vermögensrechtlicher Hinsicht alleine noch der Versorgungsausgleich, der eheliche und der nacheheliche Unterhalt offen gestellt waren. Insbesondere der Passus »Damit sind alle Ansprüche von J. V. abgegolten« läßt zweifelsfrei erkennen, daß insoweit (zumindest vermögensrechtliche) Ausgleichsansprüche des Antragsgegners - so diese bis zu diesem Zeitpunkt entstanden waren - nicht mehr bestehen sollten. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit der Antragstellerin Vermögensverschiebungen vor diesem Zeitpunkt vorzuwerfen sind, da daraus eventuell resultierende Ansprüche des Antragsgegners unstreitig zu dem Zeitpunkt des Abschlusses der schriftlichen Vereinbarung der Beteiligten bereits bekannt waren.
Wirksamkeitsbedenken iSv § 138 Abs. 1 BGB sind weder erkennbar, noch durch den Antragsgegner im Einzelnen dargetan. Soweit sich der Antragsgegner darauf berufen hat, es habe von seiner Seite an der Ernstlichkeit für den Abschluß einer solchen Erklärung gemangelt, trägt dies nicht: Ein solcher geheimer Vorbehalt ist angesichts § 116 S. 1 BGB erkennbar unerheblich.

Aus alledem folgt ein Anspruch auf rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum vom 1. Juni 2018 bis einschließlich 16. Oktober 2019 in Höhe von insgesamt 9.609,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 364,75 € seit dem 1. Juni 2018, aus weiteren jeweils monatlich 634,75 € seit dem 1. Juli 2018, seit dem 1. August 2018, seit dem 1. September 2018, seit dem 1. Oktober 2018, seit dem 1. November 2018, seit dem 1. Dezember 2018, seit dem 1. Januar 2019 und seit dem 1. Februar 2019, aus weiteren jeweils monatlich 483,72 € seit dem 1. März 2019, seit dem 1. April 2019, seit dem 1. Mai 2019 und seit dem 1. Juni 2019, aus weiteren monatlich 634,75 € seit dem 1. Juli 2019, seit dem 1. August 2019, seit dem 1. September 2019, und aus weiteren 327,61 € seit dem 1.10.2019.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 117 Abs. 2 S. 1, 243 FamFG, §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 516 Abs. 3 ZPO, §§ 40, 51 FamGKG. Für die Geringfügigkeit des Obsiegens des Antragsgegners wird erneut auf die Senatsverfügung vom 12. Mai 2020 Bezug genommen.

Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

OLG Brandenburg 2020-08-04 - 9 UF 39/20
Speichern Öffnen bra-2020-08-04-039-20.pdf (100,06 kb)


________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; isolierte Geltendmachung eines der güterrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten dienenden Auskunftsanspruchs in einem Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt; keine Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung.

BGB §§ 1361, 1379, 1605; FamFG § 113; ZPO §§ § 114, 260

Die isolierte Geltendmachung eines der güterrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten dienenden Auskunftsanspruchs in einem Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt im Wege der Anspruchshäufung (§ 113 Abs. 1 FamFG, § 260 ZPO) stellt keine mutwillige Rechtsverfolgung im Sinne der § 113 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO dar.

OLG Hamm, Beschluß vom 15. April 2020 - 2 WF 44/20

Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 18.02.2020 wird der am 10.02.2020 erlassene Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund (115 F 1315/19) aufgehoben.
2. Das Amtsgericht - Familiengericht - Dortmund wird angewiesen, die beantragte Verfahrenskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit zu versagen.
3. Die Gerichtsgebühr nach Nr. 1912 FamGKG-KV wird nicht erhoben.

Gründe
I. Das Amtsgericht - Familiengericht - Dortmund hat der Antragstellerin für ihren zuerst gestellten Antrag auf Zahlung von rückständigem und laufendem Trennungsunterhalt für die Zeit ab August 2018 mit Beschlüssen vom 2. Mai 2019 und vom 31. Juli 2019 Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A. aus F. bewilligt. Mit der angefochtenen Entscheidung hat es ihren am 2. September 2019 gestellten weitergehenden Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die von ihr von dem Antragsgegner begehrte Auskunft über den Stand seiner Renten- und seiner Lebensversicherung bei der B. Versicherung wegen Mutwilligkeit (§ 113 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG, § 114 ZPO) zurückgewiesen. Die Antragstellerin hatte hierzu vorgetragen, daß sie die Auskunft benötige, um ihren Anspruch auf Zugewinn richtig berechnen zu können.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es könne offenbleiben, ob ein Auskunftsanspruch der Antragstellerin gemäß § 1379 BGB bestehe; jedenfalls sei es mutwillig, den auf Zahlung von Zugewinnausgleich gerichteten Auskunftsanspruch in dem Trennungsunterhaltsverfahren geltend zu machen, weil sich die Auskunft unter keinem Gesichtspunkt auf die Höhe des begehrten Trennungsunterhalts auswirken könne. Es handele sich daher bei dem Auskunftsanspruch um eine nicht notwendige Rechtsverfolgung, die in einem isolierten Verfahren geltend gemacht werden müsse.

II. Die gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG, § 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit das Familiengericht den Antrag auf Zahlung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit zurückgewiesen hat. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das Amtsgericht.

1. Das Familiengericht hätte die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für den Antrag auf Auskunfterteilung nicht unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit verweigern dürfen. Eine Rechtsverfolgung ist nur dann mutwillig, wenn ein verständiger, nicht verfahrenskostenhilfebedürftiger Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. Senatsbeschluß FamRZ 2014, 959; Schultzky in Zöller, ZPO 33. Aufl. § 114 Rdn. 44 mwN). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der um Verfahrenskostenhilfe nachsuchende Beteiligte von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen verfolgt, der für ihn der kostspieligere ist, oder wenn er Rechte verfolgt, deren prozessuale Durchsetzung nicht erforderlich ist (vgl. Schultzky, aaO Rdn. 45, 47). Nach diesem Maßstab stellt sich die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs im Zusammenhang mit der beabsichtigten Geltendmachung eines Zugewinnausgleichsanspruchs in dem Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt nicht als mutwillig iSd § 113 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO dar.

Zwar ist die von der Antragstellerin begehrte Auskunft über den Stand der beiden Versicherungen des Antragsgegners bei der B. Versicherung zu der prozessualen Durchsetzung ihres Anspruchs auf Trennungsunterhalt nicht erforderlich; er steht insbesondere nicht in dem Verhältnis eines Stufenantrages zu dem mit dem Antrag auf Zahlung von Trennungsunterhalt verfolgten Leistungsantrag, denn er dient nicht der Bestimmung des Leistungsanspruchs der Antragstellerin zum Trennungsunterhalt. Er ist aber auch nicht als Stufenantrag zum Zwecke der Bezifferung des Trennungsunterhaltsanspruchs in das Verfahren eingeführt worden, sondern als eigenständiger - von dem Erfolg des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von Trennungsunterhalt unabhängiger - Verfahrensgegenstand. Die Zulässigkeit seiner Geltendmachung in dem Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt folgt aus § 113 Abs. 1 FamFG, § 260 ZPO. Danach können mehrere Ansprüche gegen denselben Antragsgegner in einem Verfahren verbunden werden, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen; Voraussetzung ist lediglich, daß für sämtliche Ansprüche dieselbe Prozeßgericht zuständig, und dieselbe Prozeß- bzw. Verfahrensart zulässig ist, und daß kein Verbindungsverbot besteht.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Sowohl der Anspruch auf Trennungsunterhalt als auch der Anspruch auf Auskunfterteilung zum Zwecke der Bezifferung des Zugewinnausgleichs sind gemäß § 111 Nrn. 8, 9 FamFG Familienstreitsachen, die in familiengerichtlichen Verfahren vor dem Familiengericht zu verhandeln sind. Auf die Frage des Sachzusammenhangs, insbesondere darauf, ob sich die begehrte Auskunft auf den Anspruch auf Trennungsunterhalt auswirken kann, kommt es für die Zulässigkeit der Anspruchshäufung nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 260 ZPO nicht an. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der von der Antragstellerin geltend gemachte Auskunftsanspruch zur Durchsetzung ihrer Rechte (hier: ihres Anspruchs auf Zugewinnausgleich) nicht erforderlich ist, nachdem der Antragsgegner die außergerichtlich mit Schreiben vom 1. August 2019 verlangte Auskunft nicht erteilt hat.

Letztlich entstehen durch die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs im Wege der Antragshäufig in dem Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt auch keine zusätzlichen Kosten, die der Durchsetzung des Anspruchs der Antragstellerin in dem vorliegenden Verfahren entgegenstehen könnten.

Soweit das Familiengericht die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs in dem vorliegenden Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt nicht als sachdienlich ansieht, weil sie einer beschleunigten Erledigung der Regelung des Trennungsunterhalts entgegensteht, und zur Unübersichtlichkeit des Verfahrensstoffes beiträgt, bleibt es ihm unbenommen, den mit dem Auskunftsanspruch in das Verfahren eingeführten Verfahrensgegenstand gemäß § 113 Abs. 1 FamFG, § 145 Abs. 1 S. 1 ZPO durch nicht selbständig anfechtbaren Beschluß von dem Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt abzutrennen, und in einem gesonderten Verfahren zu verhandeln und zu entscheiden. Das führt jedoch nicht dazu, die Verfolgung der mit der güterrechtlichen Auseinandersetzung verbundenen Rechte durch die Antragstellerin in dem vorliegenden Verfahren auf Trennungsunterhalt als mutwillig anzusehen, und ihr deswegen die begehrte Verfahrenskostenhilfe zu versagen.

2. Die Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigt sich daraus, daß die Sache nicht entscheidungsreif ist. Das Familiengericht hat die Ablehnung der begehrten Verfahrenskostenhilfe alleine auf die von ihm angenommene Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung gestützt. Die von dem Familiengericht vorzunehmende Prüfung der Erfolgsaussichten, die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO ebenfalls Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist, ist bislang noch nicht erfolgt.

Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nach § 113 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG, § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlaßt.

OLG Hamm 2020-04-15 - 2 WF 44/20
Speichern Öffnen ha-2020-04-15-044-20.pdf (57,19 kb)


Anmerkungen

Im Rahmen eines laufenden Verfahrens wegen Trennungsunterhalts hatte die Antragstellerin VKH für einen zusätzlichen Antrag auf zugewinnrechtliche Auskunft gemäss § 1379 BGB zum Zeitpunkt der Trennung beantragt. Das Amtsgericht hat die nachgesuchte VKH wegen Mutwilligkeit zurückgewiesen: Die Auskunft könne sich unter keinem Gesichtspunkt auf den begehrten Trennungsunterhalt auswirken; daher müsse der Auskunftsanspruch in einem isolierten Verfahren geltend gemacht werden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hatte Erfolg.

Zwar sei die Auskunft zum Zugewinn zur prozessualen Durchsetzung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt nicht erforderlich; insbesondere liege kein Stufenantrag vor. Die Zulässigkeit des eigenständigen Auskunftsanspruchs bestimme sich aber aus § 113 Abs. 1 FamFG und § 260 ZPO: Danach können mehrere Ansprüche gegen denselben Antragsgegner in einem Verfahren verbunden werden, selbst wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen. Voraussetzung sei lediglich, dass für sämtliche Ansprüche dasselbe Prozessgericht zuständig, und die gewählte Prozess- bzw. Verfahrensart zulässig seien. Schliesslich dürfe kein Verbindungsverbot bestehen. Der Anspruch auf Auskunfterteilung sei ebenso wie der Anspruch auf Trennungsunterhalt eine Familienstreitsache, die vor demselben Familiengericht zu verhandeln sei. Auf die Frage des Sachzusammenhangs komme es im Rahmen der Zulässigkeit der Anspruchshäufung nicht an. Zwar verzögere der Auskunftsanspruch die Entscheidung zum Trennungsunterhalt, und der Verfahrensstoff werde unter Umständen auch unübersichtlich; das Familiengericht habe dann aber immer noch gemäss § 145 Abs. 1 S. 1 ZPO das Recht, durch einen nicht selbständig anfechtbaren Beschluss die beiden Ansprüche voneinander zu trennen.


_____________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Bemessung des Trennungsunterhalts; tatsächliche Vermutung der vollständigen Verwendung eines Familieneinkommens bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrages für den Lebensbedarf; Entkräftung dieser Vermutung; Darlegungs- und Beweislast des Unterhalt begehrenden Ehegatten für die Entkräftung dieser Vermutung.

BGB §§ 1361, 1578

Die tatsächliche Vermutung, daß ein Familieneinkommen bis zu der Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrages vollständig für den Lebensbedarf verwendet worden ist (vgl. BGH FamRZ 2018, 260 = FuR 2018, 208; 2020, 21 = FuR 2020, 38), kann von dem Unterhaltspflichtigen entkräftet werden. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Unterhaltspflichtige.

OLG Hamm, Beschluß vom 23. April 2020 - 2 UF 152/19

Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 07.06.2019 verkündete Schlußbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Dülmen (6 F 120/18) abgeändert, und wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegner wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge der Antragstellerin - verpflichtet, an sie für den Monat April 2018 rückständigen Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von 144,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.05.2018 zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Antragstellerin zu 90%, und der Antragsgegner zu 10%. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 41.602,67 € festgesetzt.

Gründe
A. Die beteiligten Ehegatten streiten um Ansprüche der Antragstellerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt für die Zeit ab März 2018.

Die im Oktober 1967 geborene Antragstellerin und der im April 1972 geborene Antragsgegner sind am 24. September 2004 vor dem Standesamt E. die Ehe miteinander eingegangen; zuvor hatten sie unter dem 20. August 2004 vor dem Notar I. in E. einen Ehevertrag geschlossen, und darin den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft dahingehend modifiziert, daß in einem Zugewinnausgleichsverfahren das in dem Ehevertrag näher bezeichnete Immobilieneigentum und Kapitalguthaben weder bei der Ermittlung des Anfangs-, noch des Endvermögens berücksichtigt werden soll. Aus der Ehe ist die im Februar 2006 geborene gemeinsame Tochter O. L. hervorgegangen. Am 19. November 2016 trennten sich die Beteiligten durch Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung. Der Antragsgegner verblieb in der zu Ehezeiten gemeinsam bewohnten Immobilie, einem freistehenden Einfamilienhaus mit Doppelgarage in E., welches in seinem Alleineigentum steht.

Die Antragstellerin ist ausgebildete Kommunikationswirtin, und seit dem 1. Juni 2009 in ihrem erlernten Beruf bei der Firma F. beschäftigt. Zum 1. Januar 2018 hat sie ihre Arbeitszeit bei der Firma F. von 130 Stunden auf 169 Stunden, und damit auf eine tarifliche Vollzeitbeschäftigung aufgestockt. In dem Zeitraum von Januar bis April 2018 erzielte die Antragstellerin ein Grundgehalt in Höhe von 3.411,84 € brutto, und ab Mai 2018 ein solches in Höhe von 3.454,84 € brutto. Zusätzlich erhielt sie mit der Gehaltszahlung im Monat Mai ein Urlaubsgeld von 398,70 €, im April 2018 eine Einmalzahlung (Tariflohnerhöhung) von 500 € brutto, und im Oktober Weihnachtsgeld in Höhe von 95% des laufenden Tarifgehalts; darüber hinaus bezog sie in einzelnen Monaten Prämien für besondere Leistungen, die erfolgsabhängig sind, und auf die kein Rechtsanspruch besteht. Im Jahre 2018 mußte sie eine Steuernachzahlung in Höhe von 2.526,95 € für das Steuerjahr 2017 leisten; von dem Antragsteller erhielt sie im Rahmen des begrenzten Realsplittings eine Ausgleichszahlung in Höhe von 4.275 €. Für eine Zahnzusatzversicherung wendet die Antragstellerin monatlich einen Betrag in Höhe von 16,48 € auf. Auf dieser Grundlage gehen die Beteiligten für das Jahr 2018 übereinstimmend von einem durchschnittlichen Erwerbseinkommen der Antragstellerin in Höhe von 2.301,71 € netto im Monat aus. Darüber hinaus erzielt sie Einkünfte aus der Vermietung einer in ihrem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung in C., welche von den Beteiligten mit 296,75 € im Monat zugrunde gelegt werden.

Der Antragsgegner ist kaufmännischer Angestellter, und seit dem 1. Januar 2004 bei der Fa. M. BV & Co. KG in T. beschäftigt. Er erzielte in dem Zeitraum von Mai 2017 bis April 2018 unstreitig ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 7.378,08 € netto, zuzüglich eines geldwerten Vorteils für die Privatnutzung eines Firmenwagens in Höhe von 475 €. Zusätzlich zu seinem monatlichen Gehalt erhält er mit der Gehaltsabrechnung für März eines jeden Jahres eine Tantieme ausgezahlt. Im Jahre 2018 wendete er für eine Erwerbsunfähigkeitszusatzversicherung monatlich einen Betrag von 5,68 € auf (N. Lebensversicherung AG Vertragsnummer …01); zudem zahlte er 48,57 € im Monat in eine Kapitallebensversicherung ein (N. Lebensversicherung AG Vertragsnummer …02). Ebenso wie die Antragstellerin hat der Antragsgegner zusätzliche Einnahmen aus der Vermietung einer in seinem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung in J., die von den Beteiligten übereinstimmend mit 39,57 € im Monat beziffert werden. Im Jahre 2018 erhielt der Antragsgegner durch die Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings für den Veranlagungszeitraum 2017 eine Steuererstattung in Höhe von 12.609,75 €. Im Hinblick auf die von ihm bewohnte Immobilie K. Weg in E. (Wohnfläche ca. 160 bis 170 qm, Grundstücksgröße 900 qm, Sackgassenendlage) gehen die Beteiligten übereinstimmend von einem Wohnwertvorteil in Höhe von 800 € aus.

Im Zuge des nach der Trennung von den Beteiligten geführten Schriftverkehrs ließ die Antragstellerin mit Schreiben der zuvor von ihr beauftragten Rechtsanwältin P. vom 25. Januar 2017 ihren Unterhaltsbedarf - auf der Grundlage einer konkreten Bedarfsermittlung - mit zunächst 3.076 € im Monat beziffern. Hinsichtlich der Einzelheiten der Bedarfsbemessung wird auf die in dem genannten Schriftsatz enthaltene tabellarische Aufstellung Bezug genommen. Zum Trennungsunterhalt trafen die Beteiligten auf der Basis dieser konkreten Bedarfsermittlung eine bis zu dem Ablauf des Trennungsjahres befristete Unterhaltsvereinbarung, der zufolge der Antragsgegner laufenden Trennungsunterhalt in Höhe von 1.150 € im Monat an die Antragstellerin zu zahlen hatte. Entsprechend der getroffenen Unterhaltsvereinbarung leistete der Antragsgegner monatlichen Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von 1.150 € an die Antragstellerin. Nach Ablauf des Trennungsjahres reduzierte er die Unterhaltszahlungen zunächst auf 650 € im Monat, und zahlte diesen Betrag bis einschließlich März 2018. Für April 2018 leistete er noch Trennungsunterhalt in Höhe von 433,33 €; danach stellte er die Unterhaltszahlungen an die Antragstellerin ein. Für die gemeinsame Tochter O., die seit Januar 2018 ihren Lebensmittelpunkt im Einvernehmen beider Beteiligter in dem Haushalt der Antragstellerin hat, zahlt der Antragsgegner Kindesunterhalt nach der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle.

Mit außergerichtlichem Schreiben vom 15. September 2017 teilten die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners Folgendes mit:

» Wir teilen mit, daß Frau R. R., die bisher von Frau Rechtsanwältin P. vertreten worden ist, nunmehr von uns vertreten wird. Nach den hier vorliegenden Unterlagen besteht derzeit kein Regelungsbedarf; wir teilen dies daher lediglich im Hinblick auf einen etwaigen Scheidungsantrag oder weitere aus Ihrer Sicht zu regelnden Fragen mit, so daß Sie uns als Bevollmächtigte unmittelbar benennen können. Das Mandat bei der Kollegin P. ist beendet. «

Im Oktober 2017 leitete der Antragsgegner das Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Dülmen (6 F 279/17) ein; sein Scheidungsantrag vom 19. Oktober 2017, in dem die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin als Bevollmächtigte bezeichnet waren, wurde diesen am 4. Dezember 2017 zugestellt. Nachdem sich die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zwischenzeitlich auch wegen Kindesunterhaltsansprüchen an den Antragsgegner gewandt hatten, zeigten diese mit an den Antragsgegner persönlich gerichtetem Schreiben vom 22. März 2018 die Vertretung der Antragstellerin in der Trennungsunterhaltsangelegenheit an, und forderten den Antragsgegner zum Zwecke der Neuberechnung und Geltendmachung von Trennungsunterhalt unter Fristsetzung bis zum 11. April 2018 zur Auskunfterteilung auf. Weiter heißt es in dem außergerichtlichen Schreiben wie folgt:

» Sollten sie geltend machen wollen, daß angesichts der Höhe ihrer Einkünfte eine konkrete Bedarfsbemessung erfolgen muß, bitten wir diesbezüglich um ausdrückliche Erklärung und Bestätigung, daß der Unterhalt gegebenenfalls nach dem konkreten Bedarf zu bemessen ist. Für diesen Fall machen wir namens und kraft Vollmacht unserer Mandantin einen Unterhaltsanspruch beginnend mit dem Monat März 2018 in Höhe von 1.500 € zur Zahlung geltend, auf den selbstverständlich die geleisteten Zahlungen im Monat März anzurechnen sind. Fortlaufend ist der Unterhalt zu einer Höhe von 1.500 € geschuldet. Eine konkrete Berechnung, die gegebenenfalls auch weitergehende Unterhaltsansprüche umfaßt, behalten wir uns vor. … «

Mit E-Mail vom 26. März 2018 wies der Antragsgegner persönlich, ebenso wie zuvor in der Kindesunterhaltssache, das Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 22. März 2018 »wieder aufgrund fehlender Originalvollmacht« zurück, und beanstandete, bislang keinerlei Vollmacht erhalten, und auch keine anderweitige Kenntnis von der Beauftragung der jetzigen Bevollmächtigten in Unterhaltsangelegenheiten erlangt zu haben; zugleich berief er sich darauf, daß eine konkrete Bedarfsermittlung zu erfolgen habe, und keine Gründe für ein Abweichen von dieser Berechnungsmethode ersichtlich seien. Für den Fall der Bezifferung konkreter Mehrforderungen behielt er sich eine kurzfristige Stellungnahme nach eigener anwaltlicher Beratung vor. Dem Auskunftsersuchen der Antragstellerin kam er nicht nach.

Mit am 28. Mai 2018 dem Antragsgegner zugestellter Antragsschrift vom 21. Mai 2018 leitete die Antragstellerin daraufhin das vorliegende Unterhaltsverfahren ein. Im Wege des Stufenantrages hat sie den Antragsgegner zunächst auf Auskunfterteilung sowie auf Belegvorlage in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2018 hat dieser den Anspruch auf Auskunfterteilung und Belegvorlage unter Protest gegen die Kostenlast im Wesentlichen anerkannt. Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Dülmen daraufhin unter dem 27. Juli 2018 einen Teilanerkenntnisbeschluß erlassen, und den Antragsgegner verpflichtet,

1. der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit für die Zeit von Mai 2017 bis einschließlich April 2018, sowie seine weiteren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und die von ihm in Anspruch genommenen geldwerten Vorteile im Kalenderjahr 2017 durch eine systematische, verständliche und lückenlose Aufstellung der Einkünfte nebst einer Aufstellung der geleisteten Steuerzahlungen einschließlich etwaiger Nachzahlungen und Steuervorauszahlungen,

2. die Auskunft über die Einkünfte zu belegen, gegebenenfalls durch Vorlage von Gehaltsmitteilungen für die Monate Mai 2017 bis April 2018 und des letzten Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr 2017, soweit dieser vorliegt, der zugrunde liegenden Einkommensteuererklärung und deren Anlagen, insbesondere der Anlagen N, KSO und V.

Nach Auskunfterteilung durch den Antragsgegner hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2018 den von ihr geltend gemachten Ehegattentrennungsunterhaltsanspruch nach der Einkommensquote beziffert, und die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, an sie beginnend mit dem Monat Mai 2018 laufenden monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 3.049 € (2.345 € Elementar- zuzüglich 704 € Altersvorsorgeunterhalt), sowie für die Monate März und April 2018 rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 5.014,67 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen. Wegen der Einzelheiten der Unterhaltsberechnung wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 12. Oktober 2018 und die dazugehörige Berechnung in der Anlage BGM 8 Bezug genommen.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 20. November 2018 den für die Zeit ab Mai 2018 geltend gemachten Trennungsunterhaltsanspruch - auf der Basis einer konkreten und den ursprünglich von der Antragstellerin mit 3.076 € bezifferten Bedarf zugrunde legenden Unterhaltsberechnung - in Höhe eines monatlichen Gesamtunterhalts von 580 € unter Protest gegen die Kostenlast anerkannt, welcher sich nach der Berechnung des Antragsgegners aus einem Elementarunterhalt in Höhe von 479 € und aus einem Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 101 € zusammensetzt. Dem darüber hinausgehenden Unterhaltsbegehren der Antragstellerin ist er ebenso entgegengetreten wie der Forderung von rückständigem Trennungsunterhalt für die Monate März und April 2018.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Familiengericht am 15. Januar 2019 einen weiteren Teilanerkenntnisbeschluß erlassen und den Antragsgegner verpflichtet, beginnend mit dem Monat Mai 2018 an die Antragstellerin monatlichen Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von 580 € (479 € Elementar- und 101 € Altersvorsorgeunterhalt) zu zahlen, fällig jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Monats auf dem Konto der Antragstellerin eingehend, und von da an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Hinsichtlich der nicht durch das Teilanerkenntnis des Antragsgegners erledigten Trennungsunterhaltsansprüche hat die Antragstellerin das Verfahren fortgeführt; dabei haben die Beteiligten allein um die Berechnungsmethode und die sich insoweit stellende Frage gestritten, ob die Antragstellerin Trennungsunterhalt nach der Einkommensquote verlangen kann, oder sich auf eine konkrete Bedarfsberechnung verweisen lassen muß. Über die beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte und Ausgaben hat dagegen kein Streit bestanden.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. November 2017 (FamRZ 2018, 260 = FuR 2018, 208) die Auffassung vertreten, nach Auslaufen der einvernehmlich getroffenen Regelung zum Trennungsunterhalt ihren Unterhaltsbedarf nach der Quotenmethode bemessen zu können. Der Bundesgerichtshof habe in der genannten Entscheidung die Grenze für den vollständigen Verbrauch der Einkünfte zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs auf das Zweifache der höchsten Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle erhöht. Bis zu diesem Betrag sei es zulässig, den Unterhaltsbedarf ohne Nachweis der konkreten Einkommensverwendung zu bemessen. Unter Berücksichtigung der Wertungen des Bundesgerichtshofes könne ein Herabsetzen der im Regelfall erst bei einem Nettoeinkommen von 11.000 € bzw. einem Elementarunterhalt von 4.715 € bis 5.000 € erreichten Sättigungsgrenze nur dann in Betracht kommen, wenn in dem jeweiligen Einzelfall besondere Umstände vorlägen, welche konkret gegen den vollständigen Verbrauch sprächen. Solche Umstände, die vorliegend eine Ausnahme von dem Regelfall rechtfertigen würden, habe der Antragsgegner nicht dargetan, und ließen sich insbesondere nicht mit regional unterschiedlichen Lebenshaltungskosten begründen.

Im Hinblick auf den für die Monate März und April 2018 geltenden gemachte Unterhaltsnachforderung hat die Antragstellerin die hierfür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen des § 1613 BGB für gegeben erachtet, und den Standpunkt vertreten, daß die Zurückweisung des vorgerichtlichen Auskunftsverlangens ihrer jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 22. März 2018 durch den Antragsgegner zu Unrecht erfolgt sei, weil bei diesem keine vernünftigen Zweifel an der Bevollmächtigung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin hätten aufkommen können. Auf deren Schreiben vom 15. September 2017, mit denen der Antragsgegner über die Beendigung des Mandats der Rechtsanwältin P. informiert worden sei, habe er - unstreitig - keine Einwände erhoben. Eine zeitgleiche Beratung durch ihre früheren und ihre jetzigen Bevollmächtigten sei nicht erfolgt. In dem Scheidungsverfahren und in der Folgesache Versorgungsausgleich sei das Mandatsverhältnis ebenfalls - unstreitig - beachtet worden. Nachdem der Antragsgegner nach Ablauf des Trennungsjahres die Unterhaltsbeträge einseitig gekürzt, und ab Mai 2018 die Zahlung von Trennungsunterhalt gänzlich eingestellt habe, habe sie davon ausgehen müssen, daß eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche notwendig sei.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. den Antragsgegner zu verpflichten, beginnend mit dem Monat Mai 2018 an sie monatlichen Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von (2.345 € Elementar- zuzüglich 704 € Altersvorsorgeunterhalt =) 3.049 € abzüglich bereits durch Teilanerkenntnisbeschluß vom 15. Januar 2019 tituliertem Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von (479 € Elementarunterhalt zuzüglich 101 € Altersvorsorgeunterhalt =) 580 € zu zahlen, fällig jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Monats auf ihrem Konto eingehend, und von da an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, an sie für die Monate März und April 2018 rückständigen Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von 5.014,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, daß seinerseits Unterhalt nur nach konkretem Bedarf geschuldet sei. Die Antragstellerin sei auch unter Berücksichtigung der von ihr sinnentstellend zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. November 2017 (FamRZ 2018, 260 = FuR 2018, 208) nicht berechtigt, Quotenunterhalt zu beanspruchen. Nach dieser Entscheidung sei gerade nicht im Sinne einer tatsächlichen Vermutung stets davon auszugehen, daß ein Familieneinkommen bis zu der Höhe des doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommens vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden sei. Der Bundesgerichtshof sehe eine solche, im Einzelfall zu treffende Entscheidung bis zu einem Familiengesamteinkommen von derzeit 11.000 € nur nicht als rechtsbeschwerderechtlich zu beanstanden an. Einer solchen Annahme habe jedoch stets eine tatrichterliche Würdigung im Einzelfall vorauszugehen, bis zu welcher Einkommenshöhe eine Unterhaltsbedarfsermittlung nach der Quotenberechnung angemessen sei; diese müsse sich maßgeblich auch nach den regionalen Gegebenheiten richten, da objektiv nachweisbar - wie der Antragsgegner unter Hinweis auf einen Städtevergleich näher ausgeführt hat (Schriftsatz vom 20. November 2018) - innerhalb des Bundesgebietes sehr unterschiedlich hohe Lebenshaltungskosten bestünden.

So erscheine auf der Basis der für Dülmen anzusetzenden Lebenshaltungskosten die Annahme ausgeschlossen, zwei Personen würden für ihren Lebensunterhalt im Monat stets 11.000 € ausgeben. Die Lebenshaltungskosten in E. seien mit denen in S. vergleichbar, die nach veröffentlichten Studien (»FinanceScout 24«) bei 81.641 € im Jahr lägen, und damit um 38,15% geringer seien als in Metropolen wie München. Demzufolge sei die Ermittlung des ehelichen Unterhaltsbedarfs im Wege der Quotenberechnung in dem hiesigen Gerichts- bzw. Wohnbezirk nur bis zu einem Gesamteinkommen von 6.803,42 € angemessen; der maximal anzunehmende Unterhaltsbedarf belaufe sich damit auf rund 3.000 € für eine Person.

Überdies hat der Antragsgegner die von der Antragstellerin in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. November 2017 (FamRZ 2018, 260 = FuR 2018, 208) in Anspruch genommene tatsächliche Vermutung, das monatliche Familiengesamteinkommen sei in Höhe von 11.000 € von den beteiligten Ehegatten verlebt worden, durch die tatsächlichen Lebensverhältnisse in der Ehe und die zuvor von der Antragstellerin vorgerichtlich angestellte konkrete Bedarfsermittlung für widerlegt erachtet. Der von der Antragstellerin in dem anwaltlichen Schreiben ihrer früheren Bevollmächtigten vom 25. Januar 2017 ermittelte konkrete Bedarf in Höhe von 3.076 € belege, daß zum einen die pauschale Unterstellung monatlicher Lebenshaltungskosten in E. von 4.714 € für eine Person (3/7 von 11.000 €) selbst bei sehr guten Einkommensverhältnissen völlig unangemessen sei, und zum anderen auch nicht den tatsächlichen Lebensverhältnissen in der Ehe entsprochen habe. Ausgehend von einem konkreten Bedarf von 3.076 € und einem eigenen bereinigten Einkommen der Antragstellerin von insgesamt 2.597,71 € ergebe sich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von insgesamt (Elementarunterhalt 479 € und Altersvorsorgeunterhalt 101 € =) 580 € im Monat.

Das vorgerichtliche Aufforderungsschreiben vom 22. März 2018 der Gegenseite habe er wegen fehlender Originalvollmacht zu Recht zurückgewiesen, weshalb das Auskunftsverlangen nicht die Wirkung des § 1613 Abs. 1 BGB entfalte, und von der Antragstellerin Trennungsunterhalt nicht rückwirkend für die Monate März und April 2018 verlangt werden könne. Bei dem Auskunftsverlangen handele es sich um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf die § 174 BGB Anwendung finde. Er habe keinerlei Kenntnis von der Vertretung der Antragstellerin durch ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten in der Unterhaltsangelegenheit gehabt. Anlaß zu der Annahme, nicht zahlungsbereit zu sein, habe er mit seiner E-Mail vom 26. März 2018 nicht gegeben.

Vorsorglich hat der Antragsgegner seine Rechtsverteidigung gegen etwaige, über den von ihm anerkannten Betrag hinausgehende Trennungsunterhaltsansprüche auf den Einwand der Verwirkung gestützt, und hierzu behauptet, die Antragstellerin sei - wie ihm erst nach der Trennung bekannt geworden sei - unter Verletzung der ehelichen Solidarität und Treuepflicht eine außereheliche Beziehung mit dem Zeugen Herrn H. eingegangen, welche nach seinem jetzigen Kenntnisstand mindestens von September 2015 bis Mai 2016 angedauert habe. Die Antragstellerin hat den Verwirkungseinwand unter näheren Ausführungen (Schriftsatz vom 28. Dezember 2019) zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit dem angefochtenen Schlußbeschluß hat das Familiengericht einen über den mit Teilanerkenntnisbeschluß vom 15. Januar 2019 für den Unterhaltszeitraum ab Mai 2018 titulierten Trennungsunterhalt in Höhe von 580 € im Monat hinausgehenden Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gemäß § 1361 Abs. 1 BGB ebenso verneint, wie einen Anspruch auf Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Antragstellerin nach der vorliegend anzustellenden konkreten Bedarfsbemessung nicht bedürftig sei, weil sie ihren Unterhaltsbedarf durch ihre eigenen Einkünfte und den bereits titulierten Trennungsunterhalt decken könne. Zwar habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. November 2017 (aaO) die tatsächliche Vermutung aufgestellt, daß ein Familieneinkommen bis zu 11.000 € vollständig für den Lebensunterhalt verbraucht werde, um mit dieser Beweiserleichterung eine praktikable Bewältigung des Massenphänomens Unterhalt zu ermöglichen. Alle tatsächlichen Vermutungen ließen aber den Gegenbeweis zu, und führten auch nicht zu einer Beweislastumkehr entsprechend § 292 ZPO; vielmehr reiche es aus, wenn der Beweisgegner dartue, daß in dem konkreten Fall die ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen, untypischen Verlaufs gegeben sei.

In dem Streitfall lägen solche anderweitigen Anhaltspunkte vor. Die Antragstellerin habe vorgerichtlich mit Schreiben vom 25. Januar 2017 ihren Gesamtbedarf mit 3.076 € beziffert und im einzelnen aufgeführt. Nach ihrer eigenen Darstellung habe ihr Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen damit weniger als 5.500 €, und der Lebensbedarf der Familie also weniger als 11.000 € betragen. Des Weiteren ergäben sich aus dem Scheidungsverfahren Anhaltspunkte dafür, daß ein Großteil des Familieneinkommens während der Ehezeit zur Vermögensbildung und Altersvorsorge verwendet worden sei. So habe der Antragsgegner erklärt, daß die auf der Immobilie K. Weg in E. lastenden Darlehensverpflichtungen spätestens seit dem Jahre 2013 vollständig getilgt gewesen seien. Die Antragstellerin habe zum Ehebeginn am 24. September 2004 Darlehensverpflichtungen in Höhe von 304.542,89 € errechnet, die zum Endstichtag nicht mehr valutiert hätten. Weiter habe der Antragsgegner nach eigener Erklärung am 17. Oktober 2016 und vom 21. Oktober 2016 insgesamt 140.000 € an seine Eltern gezahlt, als Ersatz für die von seinen Eltern getragenen Erbbauzinsen, und die von ihnen aufgewendeten Erhaltungskosten bezüglich der Immobilie B. Weg in E. Darüber hinaus habe er am 13. Oktober 2016 einen Betrag von 40.000 € in eine Unternehmensbeteiligung investiert, und zwei private Altersversorgungen mit einem ehezeitlichen Rückkaufswert von 16.649,49 € und von 17.629,61 € bei der U. Versicherung gebildet. Außerdem habe die Antragstellerin geltend gemacht, der Antragsgegner habe zum Ende der Ehe ein um 191.344,47 € geringeres Vermögen gehabt als zum Trennungszeitpunkt am 19. November 2016. Bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts sei danach tatrichterlich festzustellen, daß ein Familieneinkommen von 11.000 € nicht zur Lebenshaltung verbraucht worden sei, weshalb vorliegend ein Rückgriff auf die tatsächliche Vermutung zu der bloßen Erleichterung der tatrichterlichen Feststellung nicht mehr notwendig sei. Zudem lägen in dem zu entscheidenden Fall bereits die Voraussetzungen für die von dem Bundesgerichtshofes aufgestellte tatsächliche Vermutung nicht vor, weil diese nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes nur bei einem monatlichen Familieneinkommen bis zu 11.000 € greife, vorliegend aber das Familieneinkommen insgesamt 11.931,42 € betrage.

Ungeachtet dessen erscheine es auch unbillig, entgegen der früheren Erklärung der Antragstellerin zu monatlichen Lebenshaltungskosten von 3.076 € die tatsächliche Vermutung zu ihren Gunsten eingreifen zu lassen, und von einem Bedarf in Höhe von (3/7 von 11.000 € =) 4.714 € auszugehen. Den von ihr mit 3.076 € bezifferten Bedarf könne die Antragstellerin in Höhe von 2.598,46 € selbst decken, so daß ein Restbedarf von 477,54 € verbleibe, und über den anerkannten Elementarunterhalt von 479 € sowie den anerkannten Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 101 € kein weitergehender Anspruch gegeben sei. Darüber hinaus hat das Familiengericht einen rückwirkenden Unterhaltsanspruch der Antragstellerin für die Monate März und April 2018 mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB verneint, und angenommen, das vorgerichtliche Aufforderungsschreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22. März 2018 sei mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde gemäß § 174 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam gewesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den am 7. Juni 2019 erlassenen Beschluß Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - ihre erstinstanzlichen Anträge auf Zahlung eines quotalen Trennungsunterhalts weiterverfolgt.

Das Familiengericht habe zunächst zu Unrecht angenommen, daß die von dem Bundesgerichtshof aufgestellte tatsächliche Vermutung nur bei einem monatlichen Familieneinkommen bis zu 11.000 € eingreife, und bereits deshalb in dem vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei. Der Bundesgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 30. November 2011 (FamRZ 2012, 947) zugelassen, daß der Unterhaltsberechtigte seinen Elementarunterhaltsbedarf auch in diesen Fällen nach der Quote bemessen dürfe, sofern er Quotenunterhalt nicht aus einem Einkommen oberhalb von 11.000 € begehre. Entgegen der Annahme des Familiengerichts habe der Antragsgegner die nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. November 2017 (aaO) damit auch vorliegend geltende tatsächliche Vermutung nicht widerlegt. Den insoweit gänzlich fehlenden Vortrag des Antragsgegners habe es - von Amts wegen - schlicht durch vermeintlich eigene Erkenntnisse aus einem anderen Verfahren ersetzt. Der Antragsgegner habe in dem vorliegenden Verfahren noch nicht einmal behauptet, daß und in welcher Form während der Ehezeit Teile des Familieneinkommens für die Vermögensbildung aufgewendet worden seien.

Unabhängig davon werde durch die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß die Vermutung, daß ein Familieneinkommen von bis zu 11.000 € vollständig zur Lebenshaltung verbraucht worden sei, nicht widerlegt. Zu Ehezeiten (zum »21.12.2015«/»31.12.2015«) habe der Antragsgegner bereits über ein liquides Vermögen in Wertpapieren von 101.837,65 €, von Bankguthaben in Höhe von 89.828,93 € und weiteren Depotwerten (D. Bank) von 58.383,40 €, insgesamt also über ca. 250.000 €, verfügt. In diesem Vermögen seien nicht unerhebliche Werte enthalten gewesen, die er in die Ehe eingebracht habe, und die sich entsprechend entwickelt hätten bzw. umgeschichtet worden seien. Die Einlage in Höhe von 40.000 € in eine Kapitalbeteiligung sei ebenso wie die von dem Antragsgegner vorgenommenen Zahlungen an dessen Eltern in Höhe von insgesamt 140.000 € offenkundig aus einer Umschichtung des schon Ende 2015 vorhandenen Vermögens erfolgt. Zudem habe er selbst erhebliche Barabhebungen und Auszahlungen vor und nach der Trennung im Zugewinnausgleichsverfahren immer wieder mit laufenden Ausgaben für die Lebenshaltung begründet. Soweit das Familiengericht auf die bis in das Jahr 2013 vorgenommenen Tilgung von Hausverbindlichkeiten abgestellt habe, könnten diese zeitlich gesehen schon nicht als Vermögensbildung von dem zu verteilenden Einkommen abgesetzt werden. Das Oberlandesgericht Köln habe zu der früheren Sättigungsgrenze entschieden, daß auf die in den letzten drei Jahren vor der Trennung betriebene Vermögensbildung abzustellen sei (Verweis auf OLG Köln FuR 2017, 40). Da die Beteiligten die Immobilie K. Weg in E. selbst bewohnt hätten, wären diese Zahlungen außerdem auch für den Wohnbedarf verbraucht worden.

Weiter sei das Familiengericht rechtsirrig davon ausgegangen, daß einer Quotenberechnung die frühere, von der Antragstellerin selbst vorgenommene konkrete Bedarfsbemessung entgegenstehe. Die Berechnung des Unterhalts nach dem konkreten Bedarf könne nicht mit dem tatsächlich während der Ehezeit zur Lebenshaltung verbrauchten Einkommen gleichgesetzt werden; dies folge schon daraus, daß der Unterhaltsgläubiger bei der konkreten Bedarfsberechnung erheblichen Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten unterworfen sei, da regelmäßig während der Ehe kein Haushaltsbuch geführt werde, und er demnach nur solche Positionen seiner Berechnung zugrunde legen könne, die tatsächlich nachvollzogen werden könnten. Die anderweitige Auffassung des Familiengerichts stehe zudem im Widerspruch zu der Auslegung des Urteils des Bundesgerichtshofes durch das erkennende Oberlandesgericht (Verweis auf OLG Hamm, Beschluß vom 12. Oktober 2018 - 3 UF 87/18 - juris). Der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm habe es weder für unbillig erachtet, daß die Unterhaltsberechtigte zunächst einen geringeren Unterhaltsbetrag konkret ermittelt, und später dann den höheren Quotenunterhalt begehrt hatte, noch habe der Senat aus dieser Tatsache den Schluß gezogen, daß die tatsächliche Vermutung des Verbrauchs des Familieneinkommens durch die zuvor angestellte Berechnung widerlegt worden sei.

Schließlich hält die Antragstellerin auch in der Beschwerdeinstanz an ihrer Auffassung fest, daß der Antragsgegner rückständigen Unterhalt für die Monate März und April 2018 schulde. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts sei § 174 BGB auf das Auskunftsverlangen nicht anwendbar. Sie beantragt sinngemäß, den Beschluß des Familiengerichts vom 7. Juni 2019 abzuändern, und

1. den Antragsgegner zu verpflichten, über den Teilanerkenntnisbeschluß vom 15. Januar 2019 hinaus, mit dem er zur Zahlung von (479 € Elementarunterhalt zuzüglich 101 € Altersvorsorgeunterhalt =) 580 € Gesamtunterhalt nebst Zinsen verpflichtet worden ist, beginnend mit dem Monat Mai 2018 an sie weiteren Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von (1.866 € Elementar- zuzüglich 603 € Altersvorsorgeunterhalt =) 2.469 € zu zahlen, fällig jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Monats auf ihrem Konto eingehend, und von da an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, an sie für die Monate März und April 2018 rückständigen Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von 5.014,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen. Er verteidigt das erstinstanzliche Entscheidungsergebnis, und hält unter Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens an seiner Auffassung fest, daß die Antragstellerin vorliegend keinen Quotenunterhalt beanspruchen könne.

Das Familiengericht habe allerdings im Rahmen der nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. November 2017 (aaO) zuallererst gebotenen, von ihm indes rechtsfehlerhaft unterlassenen tatrichterlichen Einzelfallwürdigung dazu kommen müssen, daß schon nach den erstinstanzlich dargelegten Lebenshaltungskosten in E. bzw. im Münsterland der vollständige Verbrauch eines monatlichen Familieneinkommens von bis zu 11.000 € für den Lebensunterhalt zweier Ehegatten sicher nicht als Regel angenommen werden könne. Bezogen auf die Wohn- und Lebensverhältnisse der Beteiligten könne allenfalls bis zu einem Betrag von 6.800 € von einer vollständigen Einkommensausgabe für den allgemeinen Lebensunterhalt ausgegangen werden. Selbst wenn im Anschluß an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes der Einfachheit halber ein vollständiger Verbrauch eines ehelichen Gesamteinkommens von bis zu 11.000 € als Regelfall zu unterstellen sei, werde die von der Antragstellerin angeführte Vermutung durch die ernsthafte Möglichkeit eines dem Anscheinsbeweis entgegenstehenden Sachverhalts vorliegend in vielfacher Hinsicht erschüttert. Tatsächlich sei sogar der Gegenbeweis als geführt anzusehen, weil die anderweitigen Lebensverhältnisse bereits unstreitig seien. Dies ergebe sich zunächst aus dem von der Antragstellerin selbst ermittelten konkreten Bedarf in Höhe von etwa 3.100 €, welcher die tatsächlichen Ausgaben der Beteiligten für den laufenden Lebensunterhalt widerspiegele.

Zudem hätten die Beteiligten für die Dauer des ehelichen Zusammenlebens ein Haushaltsbuch über sämtliche einmaligen und laufenden Ausgaben Monat für Monat durchgängig gemeinsam und penibel per Excel-Tabelle geführt. Dies sei in der Weise erfolgt, daß die Antragstellerin zunächst sämtliche von ihr getätigten Ausgaben in eine Excel-Datei fortlaufend anhand der durchgängig gesammelten Kassenbelege eingegeben habe. Diese Tabellenlisten habe der Antragsgegner monatlich in eine Gesamttabelle übernommen, in welche er seine eigenen Ausgaben und die der Antragstellerin zusammengeführt habe. So seien für jeden Monat in der Zeit von Januar 2005 bis einschließlich Dezember 2015 die gesamten Ausgaben der Beteiligten verläßlich dokumentiert worden. Danach hätten sich die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben der Beteiligten zu der Deckung des Lebensbedarfs exklusive der Lebenshaltungskosten für die gemeinsame Tochter, sowie Zins- und Tilgungsleistungen für die Eheimmobilie im Jahre 2013 auf 5.096 €, im Jahre 2014 auf 6.131 €, und im Jahre 2015 auf 4.693 € belaufen. Die Beteiligten hätten nachweislich zur Deckung ihres laufenden Lebensunterhalts zu keiner Zeit einen Betrag von 11.000 € ausgegeben. Die Ergebnisse der Monatslisten seien in Jahrestabellen übernommen worden, in welchen für jeden Kalendermonat die Ein- und Ausgaben buchhalterisch ausgewiesen seien. Den Jahresaufstellungen für die Jahre 2005 bis 2015 ließen sich sämtliche Einnahmen und Ausgaben sowie auch die angesparten bzw. zur Vermögensbildung verwendeten Beträge entnehmen; die Ergebnisse der Jahrestabellen habe er wiederum in einer weiteren Gesamtliste zusammengefaßt.

Entsprechend den Ausführungen des Familiengerichts und den in der Entscheidung benannten Umständen aus dem parallel geführten Scheidungsverbundverfahren (AmtsG Dülmen - 6 F 279/17), die der Antragsgegner in zweiter Instanz ausdrücklich zum Gegenstand seines Vortrags macht, werde die tatsächliche Vermutung auch durch das zu Ehezeiten angesparte Vermögen widerlegt. Während der Ehe sei - unstreitig - der auf dem früheren, in seinem Alleineigentum stehenden Familienheim lastende Finanzierungskredit, der zum Ehebeginn noch in Höhe von 304.542,89 € valutiert habe, vollständig abgelöst worden. Nach den seinerseits in der Folgesache Zugewinn ergänzend erteilten Auskünften habe er während der Ehezeit auf zwei private Altersvorsorgeverträge insgesamt 34.279 € eingezahlt, 40.000 € in eine Unternehmensbeteiligung investiert, und kurz vor der Trennung 140.000 € aus seinem Vermögen an seine Eltern gezahlt. Schon diese Beträge summierten sich auf etwa 519.000 €, und ergäben bezogen auf die 12-jährige Ehezeit bis zu der Trennung einen jährlichen Sparbetrag von 43.235,16 € bzw. einen monatlichen Sparbetrag von 3.602,92 €. Darüber hinaus sei auch der von der Antragstellerin zur Finanzierung ihrer Eigentumswohnung in C. aufgenommene Immobilienkredit während der Ehe durch Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 88.499 € vollständig zurückgeführt worden, woraus sich ein weiterer Sparanteil von 7.374,92 € jährlich bzw. 615,57 € monatlich ergebe; außerdem habe er bezogen auf den Trennungstag bereits nach seiner Auskunft einen Zugewinn von 27.567 € erzielt, welcher einer Jahressparquote von 2.297 € bzw. einer Monatssparquote von 191,43 € entspreche. Auch die spiegelbildliche Sicht auf die zur Vermögensbildung verwendeten Einkommensanteile lasse daher eine maximale monatliche Ausgabe für den gemeinsamen Lebensbedarf von 6.500 € zu. Die tatsächlichen Ausgaben seien sogar niedriger gewesen.

Als uneingeschränkt zutreffend verteidigt der Antragsgegner die angefochtene Entscheidung, soweit das Familiengericht einen Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts für die Monate März und April 2018 abgelehnt hat. Schließlich hält er in zweiter Instanz den von ihm erhobenen Verwirkungseinwand aufrecht.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Beschwerdevorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten des Amtsgerichts Dülmen (6 F 279/17) waren beigezogen.

B. Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.

I. Das Amtsgericht hat das Unterhaltsbegehren der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht abschlägig beschieden, soweit diese Trennungsunterhalt gemäß § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB nach der Einkommensquote verlangt, und der Höhe nach einen - über den mit Teilanerkenntnisbeschluß vom 15. Januar 2019 titulierten Trennungsunterhalt hinausgehenden - weiteren Unterhaltsanspruch in Höhe von 2.469 € im Monat geltend gemacht hat. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine von dem angefochtenen Beschluß abweichende, der Antragstellerin günstigere Entscheidung zu tragen.

1. Der Antragstellerin steht für den Unterhaltszeitraum ab Mai 2018 kein Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt in einer den anerkannten monatlichen Unterhaltsbetrag von 580 € übersteigenden Höhe zu. Der Unterhaltsanspruch ist mit Blick auf die erheblich über dem Durchschnitt liegenden Einkommensverhältnisse der beteiligten Ehegatten nach dem konkreten Bedarf zu bemessen, und unter Abzug des Eigeneinkommens der Antragstellerin festzusetzen. Sofern die Antragstellerin in Anlehnung an die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu einer quotalen Unterhaltsbedarfsbemessung auch bei gehobenen Einkommen (vgl. Beschlüsse vom 15. November 2017 - FamRZ 2018, 260 = FuR 2018, 208, und vom 25. September 2019 - FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38) von der in dem Trennungsjahr vorgenommenen konkreten Bedarfsermittlung abrücken möchte, und ihren Trennungsunterhaltsanspruch nunmehr mit dem für sie deutlich günstigeren Quotenbedarf begründet, dringt sie hiermit nicht durch.

a) Nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt sich das Maß des eheangemessenen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen, insbesondere den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eheleute. Die Lebensverhältnisse werden - wie bei dem nachehelichen Unterhalt - im Wesentlichen bestimmt durch das in der Ehe zur Deckung des Lebensbedarfs verfügbare Einkommen der Eheleute (vgl. BGH FamRZ 1983, 676 = BGHF 3, 974; 2007, 793 = FuR 2007, 276 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 27; 2008, 968 = FuR 2008, 297 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 67). Der Unterhalt wird dementsprechend in der Praxis bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen in den weitaus meisten Fällen nach einer Quote des Gesamteinkommens der Ehegatten bemessen. Bei dieser Methode wird im Sinne einer tatsächlichen Vermutung angenommen, daß im Wesentlichen das gesamte Einkommen für den Lebensunterhalt verwendet wird. Dieses wird daher bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach dem Halbteilungsgrundsatz (für Einkommen aus Erwerbstätigkeit modifiziert um einen Erwerbsanreiz) auf beide Ehegatten verteilt.

Bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen ist allerdings die Annahme, daß das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt; vielmehr ist in diesen Fällen regelmäßig davon auszugehen, daß ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt (vgl. beispielhaft Urteile vom 4. Juli 2007 - FamRZ 2007, 1532 = FuR 2007, 484 = EzFamR BGB § 1361 Nr. 51, und vom 30. November 2011 - FamRZ 2012, 945). Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muß der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist. Dieser Darlegungslast für seinen Unterhaltsbedarf kann der Unterhaltsberechtigte dadurch genügen, daß er den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) konkret vorträgt und beziffert (vgl. zu der konkreten Bedarfsermittlung BGH FamRZ 2011, 192 = FuR 2011, 162; 2012, 947). Sofern er gleichwohl Unterhalt nach der Einkommensquote beansprucht, muß er mangels tatsächlicher Vermutung für den vollständigen Verbrauch der Einkünfte zu Konsumzwecken tatsächlich vortragen, und im Bestreitensfall in vollem Umfange beweisen, daß und in welchem Umfang die hohen Einkünfte zur Deckung der ehelichen Lebensverhältnisse tatsächlich verwendet worden sind (vgl. BGH FamRZ 2010, 1637 = FuR 2010, 630).

Bis zu welcher Einkommenshöhe die Vermutung eines vollständigen Verbrauchs des Familieneinkommens für den Lebensunterhalt zugunsten des Unterhaltsberechtigten streitet, ist in der Vergangenheit von den Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilt worden. Während teilweise die Grenze des Quotenhöchstbedarfs ab einem gemeinsamen bereinigten Einkommen oberhalb der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle gezogen wurde (so OLG Oldenburg und OLG Bremen, jeweils Ziff. 15.3 der Leitlinien), oder eine quotale Berechnung bis zu einem Unterhaltsbedarf von lediglich 2.500 € angenommen wurde (so OLG Thüringen Ziff. 15.3 der Leitlinien), haben andere Obergerichte eine Obergrenze für die Bedarfsbemessung nach der Einkommensquote erst bei einem Unterhaltsbedarf von über 5.000 € bzw. ab einem Einkommen in Höhe des Doppelten der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle gesetzt (so OLGe Koblenz, Köln und Dresden, jeweils Ziff. 15.3. der Leitlinien). Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm [Stand: 01.01.2018] sahen in Ziffer 15.3 vor, daß bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Regel eine konkrete Bedarfsberechnung erforderlich ist.

Der Bundesgerichtshof hat diese Frage mit seiner von der Antragstellerin maßgeblich in Bezug genommenen Entscheidung vom 15. November 2017 (aaO) nunmehr dahin entschieden, daß es aus rechtsbeschwerderechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, wenn die Tatgerichte zur praktikablen Bewältigung des Massenphänomens Unterhalt von einer tatsächlichen Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens ausgehen, soweit dieses das Doppelte des höchsten Einkommensbetrags der Düsseldorfer Tabelle, mithin einen Betrag von 11.000 € [Stand: Düsseldorfer Tabelle ab 2018] nicht übersteigt. Bis zu dieser Grenze hat der Bundesgerichtshof eine Bedarfsbemessung nach der Einkommensquote ausdrücklich für zulässig erachtet und ausgeführt, daß der Unterhaltsbedarf in einem solchen Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden kann.

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 25. September 2019 (FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38) fortgeführt und weiter konkretisiert. In diesem auf Leistung gerichteten Verfahren hat er die Obergrenze für eine pauschale Quotenbedarfsbemessung nach der Einkommensquote bei einem Bedarf in Höhe der Quote aus dem Doppelten des höchsten Einkommenssatzes der Düsseldorfer Tabelle - unter Berücksichtigung des Anreizsiebtels bei Erwerbseinkommen - gezogen, mithin bei einem Bedarf in Höhe von rund (3/7 x 11.000 € =) 4.714 €. Weiter hat er klargestellt, daß ein über dem Doppelten des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle liegendes Familieneinkommen die tatsächliche Vermutung für den vollständigen Verbrauch des bis zu der Grenze reichenden Familieneinkommens nicht entfallen läßt. In diesem Bereich hat der Bundesgerichtshof den Bedarf des Unterhaltsberechtigten auch dann als schlüssig dargelegt erachtet, wenn dieser nichts zu der konkreten Verwendung des Familieneinkommens vorträgt (vgl. BGH FamRZ 2020, 21-27 = FuR 2020, 38; Viefhues, jurisPR-FamR 5/2020 Anm. 3). Als Familieneinkommen hat er dabei das Einkommen definiert, das für den ehelichen Lebensbedarf der beiden Ehegatten zur Verfügung steht, und damit unterhaltsrelevant ist, mit Ausnahme des nicht hierzu gehörigen Erwerbsanreizes.

In Anlehnung an die dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes legen die Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm [Stand: 01.01.2020] in Ziffer 15.3. nunmehr fest, daß von besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Regel bei einem Familieneinkommen in Höhe von 11.000 € ausgegangen werden kann, wobei die Einkünfte vorab um vorrangigen Kindesunterhalt, sonstige eheprägende Unterhaltsverpflichtungen, berufsbedingte Aufwendungen und etwaige weitere berücksichtigungsfähige Positionen, nicht aber einen Erwerbsbonus zu bereinigen sind.

b) Nach diesen Maßgaben ist es der Antragstellerin zwar im Ausgangspunkt rechtlich unbenommen, ihren Unterhaltsbedarf in dem vorliegenden Verfahren - in Abweichung von dem ihrerseits zuvor ermittelten konkreten Bedarf in Höhe von 3.076 € - auf der Basis des deutlich höheren Quotenbedarfs (4.614,01 € = quotaler Bedarf für den Elementarunterhalt laut Unterhaltsberechnung Anlage BGM 8) zu fordern; auch streitet zu ihren Gunsten zunächst die von dem Bundesgerichtshof zur Bedarfsermittlung bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen aufgestellte tatsächliche Verbrauchsvermutung. Gleichwohl erweist sich der von der Antragstellerin im Wege der Quotenberechnung geltend gemachte Trennungsunterhaltsanspruch als unbegründet, weil die Vermutung durch die besonderen Umstände des Streitfalles erschüttert wird, und die Antragstellerin weder dargelegt, noch unter Beweis gestellt hat, daß während der Ehe ein Familieneinkommen entsprechend dem von ihr angemeldeten quotalen Bedarf tatsächlich für Konsumzwecke verwendet worden ist.

aa) In dem Streitfall bedarf es zunächst keiner vertiefenden Ausführungen des Senats, daß die über dem Durchschnitt liegenden Familieneinkünfte der Beteiligten in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Obergrenze für eine Bedarfsbemessung nach der Einkommensquote übersteigen, und sich in einem Bereich bewegen, in denen der Unterhaltsbedarf für gewöhnlich konkret zu ermitteln ist. Hiervon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.

Im Jahre 2018 sind auf Seiten des Antragsgegners ein bereinigtes Erwerbseinkommen von durchschnittlich (Nettoeinkommen 7.378,08 € ./. geldwerter Vorteil Firmenwagen 475 € + anteilige Steuererstattung 1.050,81 € ./. anteilige Steuerausgleichszahlung 356,25 € ./. Versicherungsbeiträge 5,68 € und 48,57 € ./. Kindesunterhalt 651 € =) 7.842,39 € netto, Mieteinkünfte in Höhe von 39,57 € netto, und der von den Beteiligten übereinstimmend mit 800 € zugrunde gelegte Wohnwert der von ihm bewohnten Immobilie in E. zu berücksichtigen. Die Antragstellerin hat im Jahre 2018 unstreitig ein unterhaltsrelevantes Erwerbseinkommen von 2.301,71 € netto (Nettoeinkommen 2.172,52 € ./. anteilige Steuernachzahlung 210,58 € + anteilige Steuerausgleichszahlung 356,25 € ./. Zahnzusatzversicherung 16,48 €) und Mieteinkünfte in Höhe von 296,75 € netto im Monat erzielt. In der Summe ergeben sich für das Jahr 2018 unterhaltsrelevante Familieneinkünfte in Höhe von 11.280,42 €.

Für das Jahr 2019 ist die Einkommensgrenze des höchstmöglichen Quotenunterhalts deutlich überschritten, weil das Erwerbseinkommen des Antragstellers in diesem Jahr aufgrund einer von ihm im März 2019 empfangenen Sonderzahlung seines Arbeitgebers in Höhe von 203.732,25 € brutto (vgl. Entgeltabrechnung vom 21. März 2019) gegenüber den Vorjahren erheblich angestiegen ist. Anhand der vorgelegten Gehaltsmitteilungen des Antragsgegners errechnet sich allein unter Zugrundelegung der darin ausgewiesenen Auszahlungsbeträge (172.985,98 € : 12 = 14.415,50 €) zuzüglich des von den Beteiligten für die private Nutzung eines Firmenfahrzeugs angesetzten geldwerten Vorteils (475 €) sowie einer im Jahre 2019 von ihm erhaltenen Steuererstattung in Höhe von 5.485 € ein monatliches Erwerbseinkommen des Antragsgegners in Höhe von rund 15.348 € netto. Nach Abzug von Versicherungsprämien (Nr. 01 5,68 € und Nr. 03 48,57 €) und Kindesunterhalt und Addition von Wohnwert (800 €) und Mieteinkünften (39,57 €) ergeben sich für den Antragsgegner unterhaltsrelevante Einkünfte in Höhe von durchschnittlich rund 15.470 €. Hinzu kommen bereinigte Einkünfte der Antragstellerin in Höhe von rund 3.000 € (durchschnittliches Erwerbseinkommen netto 2.720,26 € ./. Kosten für Zahnzusatzversicherung 16,48 € + Mieteinkünfte 296,75 €), so daß für das Jahr 2019 von einem verfügbaren Familieneinkommen von insgesamt rund 18.400 € auszugehen ist. Daß sich die Einkommensverhältnisse im Jahre 2020 grundlegend anders darstellen als zu Ehezeiten, und sich unterhalb der maßgeblichen Grenze von 11.000 € bewegen, ist weder von einem der Beteiligten dargetan, noch sonst ersichtlich.

bb) Entgegen der Annahme des Amtsgerichts führt der Umstand, daß die verfügbaren Familieneinkünfte der beteiligten Ehegatten über der für einen Quotenunterhalt relevanten Grenze liegen, allerdings nicht dazu, daß der Antragstellerin eine Unterhaltsberechnung nach der Einkommensquote und eine Inanspruchnahme der von dem Bundesgerichtshof konstatierten tatsächlichen Verbrauchsvermutung von vornherein zu verwehren wäre. Nach den dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen hat der Unterhaltsberechtigte in einem solchen Fall vielmehr die Wahl, ob er seinen Bedarf konkret vorträgt, oder nach der Einkommensquote bemißt. Sofern er die Quotenmethode wählt, kann er indes die Verbrauchsvermutung nur insoweit für sich in Anspruch nehmen, und auf eine Darlegung der konkreten Einkommensverwendung verzichten, als der von ihm aus der Einkommensquote ermittelte Bedarf die relative Sättigungsgrenze nicht übersteigt (vgl. BGH FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38). Vorliegend liegt der von der Antragstellerin zu der Berechnung ihres Elementarunterhalts angemeldete Quotenbedarf mit 4.614,01 € noch unterhalb der 3/7-Quote aus 11.000 € (4.714 €).

cc) Die Antragstellerin kann die von ihr maßgeblich angeführte Verbrauchsvermutung aber deshalb nicht mit Erfolg zu ihren Gunsten reklamieren, weil diese in dem Streitfall zu der sicheren Überzeugung des Senats durch besondere Umstände entkräftet wird. Bei der gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 286 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Gesamtbetrachtung läßt sich damit gerade nicht feststellen, daß die Beteiligten ein verfügbares Familieneinkommen in Höhe von rund 11.000 € im Monat für den Lebensunterhalt verbraucht hätten.

Das Amtsgericht hat, auch wenn es bei der weiteren Prüfung nicht ohne vorherigen Hinweis Erkenntnisse aus einem Parallelverfahren hätte verwerten dürfen, zu Recht angenommen, daß dem Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit offensteht, die tatsächliche Verbrauchsvermutung zu erschüttern. Hierfür ist von dem Unterhaltspflichtigen nicht der volle Beweis des Gegenteils zu erbringen, denn auf tatsächliche Vermutungen, die nicht auf gesetzlicher Anordnung, sondern auf allgemeinen Erfahrungssätzen beruhen, findet § 292 ZPO keine Anwendung (vgl. Greger in Zöller, ZPO 33. Aufl. § 292 Rdn. 1). Tatsächlichen Vermutungen wird lediglich eine Bedeutung bei der Beweiswürdigung in dem Sinne zugemessen, als sie einen Anscheins- oder Indizienbeweis für die behauptete Tatsache begründen können (vgl. beispielhaft BGH NJW 2010, 363 mwN). An der Beweis- und Darlegungslast des Beweispflichtigen ändert sich hingegen nichts (vgl. Greger, aaO Vorbem. zu § 284 Rdn. 33 mwN). Dabei wird der Anschein bereits durch den Nachweis der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entkräftet (vgl. Greger, aaO Vorbem. zu § 284 Rdn. 29 mwN).

Dies zugrunde legend ist der Beschwerde zunächst zuzugestehen, daß der Antragsgegner in erster Instanz zu den bedarfsprägenden Lebensverhältnissen in der Ehe keinen Vortrag gehalten hat, und der Vermutung im Wesentlichen unter allgemeinem Hinweis auf regional unterschiedliche Lebenshaltungskosten innerhalb des Bundesgebietes entgegengetreten ist. Die diesbezüglich von ihm vertretene und in zweiter Instanz wiederholte Auffassung, die Instanzgerichte hätten im Rahmen ihres tatrichterlichen Ermessens die relative Sättigungsgrenze und die darauf bezogene Verbrauchsvermutung zunächst den regionalen Lebenshaltungskosten anzupassen, findet in den maßgeblichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 15. November 2017 (FamRZ 2018, 260 = FuR 2018, 208) und vom 25. September 2019 (FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38) indes keine hinreichende Stütze. Diesen läßt sich nichts dafür entnehmen, daß die von dem Bundesgerichtshof konstatierte Obergrenze für eine Quotenbedarfsbemessung ohne Darlegung zur konkreten Einkommensverwendung nur unter Beachtung der regionalen Lebenshaltungskosten Geltung beanspruchen soll und darf. Die davon zu trennende Frage, ob und inwieweit sich räumlich unterschiedliche Lebenshaltungskosten im Einzelfall auf die Höhe der relativen Sättigungsgrenze auswirken können, bedarf vorliegend indes keiner abschließenden Entscheidung, denn der Antragsgegner hat jedenfalls in zweiter Instanz - unter detaillierter Darlegung der ehelichen Lebensverhältnisse und der in der Ehe betriebenen Vermögensbildung - besondere Umstände dargetan, die in der Gesamtschau die tatsächliche Verbrauchsvermutung vollständig entkräften.

(1) In der Beschwerdeinstanz hat der Antragsgegner mit Recht darauf verwiesen, daß die von der Antragstellerin ursprünglich vorgenommene konkrete Bedarfsermittlung und der von ihr mit einem Betrag von insgesamt 3.076 € bezifferte Elementarbedarf bereits eindeutig gegen die Annahme spricht, die beteiligten Ehegatten hätten während der Ehe ein verfügbares Gesamteinkommen von 11.000 € im Monat verlebt. Die Antragstellerin hat mit Schreiben ihrer früheren Verfahrensbevollmächtigten vom 25. Januar 2017 ihren Unterhaltsbedarf mittels einer ausführlichen Auflistung der einzelnen Bedarfspositionen konkret dargelegt. Die tabellarische Aufstellung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, weist neben den Kosten für den allgemeinen Lebensbedarf (Wohnen mit Nebenkosten, Haushalt und Hygiene) Aufwendungen für folgende Lebensbereiche aus: Telefon, Rundfunkgebühren und Zeitung, Putzhilfe, Versicherungen (unter anderem Hausratsversicherung, Krankenzusatzversicherung, private Haftpflichtversicherungen), ungedeckte Krankheitskosten, Aufwendungen im Rahmen gesetzlicher Verpflichtungen, Auto (Kfz-Versicherung und -steuer, Inspektion/Reifenwechsel, Benzin, Stellplatz, Rücklage für Neuanschaffung), Freizeitaktivitäten/kultureller Bedarf, Friseur, Kosmetik, Fußpflege, Kleidung und Urlaub. Die Auflistung, die von der Antragstellerin zu der Bemessung ihres Unterhaltsbedarfs erstellt worden ist, beinhaltet damit eine umfassende Zusammenstellung der von ihr benötigten Lebenshaltungskosten, und entspricht den Anforderungen, die an eine konkrete Bedarfsermittlung zu stellen sind (vgl. hierzu BGH FamRZ 2012, 514 = FuR 2012, 374; OLG Hamm FamRB 2016, 379).

Daß die von ihr gefertigte Aufstellung, welche von den Beteiligten zu der Bemessung des Elementarbedarfs für das Trennungsjahr zugrunde gelegt worden ist, unvollständig oder unrichtig ist, hat die Antragstellerin nicht dargelegt. Sofern sie allgemein die Auffassung vertreten hat, der konkrete Bedarf könne nicht mit dem tatsächlich zur Lebenshaltung verbrauchten Einkommen gleichgesetzt werden, da regelmäßig während der Ehe kein Haushaltsbuch geführt werde, und der Unterhaltsberechtigte deshalb erheblichen Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten unterworfen sei, verfangen ihre Ausführungen nicht. Unabhängig davon, daß sie nichts dazu vorgetragen hat, welche Bedarfspositionen sie in welcher ungefähren Größenordnung angeblich nicht habe angemessen berücksichtigen können, haben die Beteiligten vorliegend ein Haushaltsbuch geführt, und die Antragstellerin hat an der monatlichen Erfassung der von ihr getätigten Ausgaben für den Lebensunterhalt der Familie mitgewirkt (s. dazu unter (2)). Daß und weshalb sie auf dieser Basis ihren konkreten Bedarf nicht hat entsprechend beziffern können, erschließt sich nicht; eine aktualisierte oder abweichende Bedarfsermittlung hat sie in dem vorliegenden Verfahren auch nicht hilfsweise vorgelegt. Aus der von ihr vorgelegten Entscheidung des 3. Senats für Familiensachen des erkennenden Oberlandesgerichts vom 12. Oktober 2018 (3 UF 87/18 - juris) kann sie schon deshalb nichts zu ihren Gunsten herleiten, weil sich dem mitgeteilten Sachverhalt bereits nicht entnehmen läßt, daß in dem dortigen Verfahren von dem Unterhaltspflichtigen ebenfalls die tatsächliche Verbrauchsmutung angegriffen worden ist.

Da eine konkrete Bedarfsermittlung die Lebenshaltungskosten abbildet, welche zu der Aufrechterhaltung des ehelichen Lebensstandards erforderlich sind, spiegelt die Auflistung vom 25. Januar 2017 mit einem darin angegebenen Elementarbedarf von 3.076 € deutlich niedrigere Lebenshaltungskosten wider, als die Antragstellerin nunmehr im Wege der Einkommensquote verlangt. Der von ihr angemeldete Quotenbedarf von (6/7 des eigenen Erwerbseinkommens 1.972,89 € + Mieteinkünfte 296,75 € + ungedeckter Elementarbedarf 2.344,37 € =) 4.614,01 € übersteigt den konkreten Bedarf um einen Betrag von 1.538,01 €, mithin um ca. 50%. Zu dieser beträchtlichen Differenz, die sich nicht mit dem pauschalen Hinweis auf Darlegungsschwierigkeiten bei der konkreten Bedarfsermittlung erklären läßt, hat die Antragstellerin nichts dargetan. Der von ihr zuvor selbst ermittelte konkrete Bedarf steht der vollständigen Verbrauchsvermutung entgegen, und ist umgekehrt ein starkes Indiz dafür, daß sie ihrerseits zu Ehezeiten monatlich gerade keinen Betrag in Höhe des Quotenbedarfs ausgegeben und verlebt hat.

(2) Weiter erschüttert wird die tatsächliche Verbrauchsvermutung auch durch das von den Beteiligten während der Ehe geführte Haushaltsbuch.

Die beteiligten Ehegatten haben in der Zeit von Januar 2004 bis einschließlich Dezember 2015 als dem der Trennung vorausgegangenen Jahr, über die Einnahmen und Ausgaben der Familie mit großer Genauigkeit einen Haushaltsplan per Excel-Tabelle geführt, wie er in der Praxis der vorkommenden Unterhaltsstreitigkeiten selten anzutreffend ist. Dabei hat jeder Ehegatte - wie der Antragsgegner unter Vorlage der Monatslisten für den Zeitraum von Januar 2010 bis einschließlich Dezember 2015 dargelegt und in seiner Beschwerdeerwiderung im Einzelnen erläutert hat - anhand der gesammelten Belege die von ihm getätigten Ausgaben für die Lebenshaltung in eine Excel-Tabelle eingetragen, in welcher für jeden Monat die festen laufenden Kosten (Telefon, Haushaltshilfe, Zeitung, sonstige Abonnements, Immobilien usw.) sowie die Ausgaben für den allgemeinen Lebensunterhalt, und diese wiederum geordnet nach einzelnen Ausgabenpositionen (unter anderem Verpflegung, Auto, Kleidung, Friseur, »Y« = Ausgaben für die gemeinsame Tochter, Urlaub usw.) erfaßt worden sind. Die Monatslisten sind anschließend von dem Antragsgegner zu Jahrestabellen zusammengefaßt worden, in denen - dezidiert aufgeschlüsselt nach den einzelnen Positionen - die monatlichen Ausgaben für den Lebensunterhalt der Familie, die laufenden Beiträge für Versicherungen, unregelmäßige Ausgaben für Urlaube, Geschenke, Spenden usw. sowie auch die Aufwendungen für die Immobilien der Beteiligten und deren Finanzierung ausgewiesen sind, und quasi buchhalterisch den monatlichen Einkünften der Familie gegenübergestellt werden.

Die anliegend für die Jahre 2004 bis 2015 vorgelegten Jahreslisten bilden sonach die Lebenshaltungskosten der Familie sowie unter anderem auch die Aufwendungen der Beteiligten für die von ihnen gehaltenen Immobilien und deren Finanzierung ab. Aus den Ergebnissen der Jahreslisten hat der Antragsgegner eine Gesamtübersicht für den Zeitraum von 2004 bis Ende 2015 erstellt, und darin die jährlichen Ausgaben nach vermögensbildenden Aufwendungen für die Immobilien und nach Aufwendungen für die gemeinsame Tochter sowie für den Lebensunterhalt der beteiligten Ehegatten getrennt dargestellt. Danach haben die Lebenshaltungskosten der Beteiligten in dem genannten Zeitraum durchschnittlich 4.467 € betragen. Selbst wenn - entsprechend dem Einwand der Antragstellerin - Wohnkosten in Höhe von ca. 1.900 € für die Anmietung eines entsprechenden Wohnobjekts einschließlich Nebenkosten hinzugerechnet würden, ergäben sich deutlich unterhalb des vermuteten Verbrauchs liegende durchschnittliche Lebenshaltungskosten der Beteiligten in Höhe von rund 6.400 € monatlich.

Die Antragstellerin ist den detaillierten Ausführungen des Antragsgegners zu dem während der Ehe geführten Kassenbuch schon nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Zunächst hat sie selbst bestätigt, daß sie im Hinblick auf das von ihr für den Lebensunterhalt bereitzustellende Eigeneinkommen dem Antragsgegner die Verwendung von Einzelbeträgen habe darlegen müssen. Sofern sie im Weiteren die Validität der zu der Akte gereichten Ein- und Ausgabenaufstellungen bezweifelt, und die Unvollständigkeit der darin erfaßten Ausgaben gerügt hat, ist sie jedweden konkreten Tatsachenvortrags dafür schuldig geblieben, daß, weshalb und in welcher Größenordnung die Kassenbuchaufzeichnungen den ehelichen Bedarf angeblich nicht zutreffend widerspiegeln. Zu den vorgelegten Aufstellungen und den darin ausgewiesenen Beträgen hat sie sich inhaltlich nicht erklärt. Ihr lediglich allgemein erhobener Einwand, die Auflistungen stellten nur die Ausgaben zum Zwecke der »Grundversorgung« dar, nicht dagegen auch Nebenausgaben in Urlauben und die Verwendung von Barmitteln, ist damit nicht im Ansatz greifbar und nachvollziehbar. Einen Gegenvortrag zu den nach ihrem Dafürhalten getätigten Konsumausgaben hat die Antragstellerin nicht gehalten.

Da der während der Ehe geführte Lebensstandard Gegenstand ihrer eigenen unmittelbaren Wahrnehmung gewesen ist, durfte sie sich jedoch auf ein pauschales Bestreiten der Kassenbuchaufzeichnungen und der darin enthaltenen dezidierten Ausgabenaufstellungen nicht beschränken. Auch dem übrigen Vorbringen der Antragstellerin sind keine Umstände zu entnehmen, die auf die sachliche Unrichtigkeit der Kassenbuchaufzeichnungen oder darauf hinweisen, der Antragsgegner könnte die Monats- und Jahreslisten möglicherweise manipuliert haben. Soweit sie Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Ein- und Ausgabenaufstellungen unter Hinweis auf das Auskunftsverhalten des Antragsgegners in der Folgesache Zugewinn erhoben hat, enthalten ihre Ausführungen wiederum keinen sachlichen Angriff gegen die Richtigkeit des Kassenbuchs. Daß die von dem Antragsgegner in dem zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung vorgenommenen Barabhebungen nicht eheprägend gewesen sind, ergibt sich bereits aus deren Beanstandung von der Antragstellerin als »illoyale Vermögensverfügungen«. Ungeachtet dessen muß sich die Beschwerde darauf verweisen lassen, daß die aus den Kassenbuchaufzeichnungen ersichtlichen Lebenshaltungskosten in der Größenordnung zu dem von der Antragstellerin im Trennungsjahr angemeldeten konkreten Bedarf passen. Die Vermutung, die beteiligten Ehegatten hätten monatlich einen Betrag in Höhe des Doppelten des Höchstsatzes der Düsseldorfer Tabelle zum Lebensunterhalt verbraucht, wird damit durch das während der Ehe minutiös geführte Kassenbuch entkräftet.

(3) Hinzu kommt, daß die Beteiligten während der Ehe durch die vollständige Entschuldung zweier Immobilien in erheblichem Umfang Vermögensbildung betrieben haben. Die Beteiligten haben unstreitig während der Ehe zum einen die auf der Eheimmobilie in E. lastenden Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 304.542,89 € und ein für die Eigentumswohnung der Antragstellerin bestehendes Immobiliendarlehen in Höhe von 88.499 € in vollem Umfange abgelöst. Darüber hinaus hat der Antragsgegner Anfang 2016 - ebenfalls unstreitig - auf zwei private Altersvorsorgeverträge bei der U2 Einzahlungen in Höhe von insgesamt 34.279 € vorgenommen (vgl. AmtsG Dülmen - 6 F 279/17), im Oktober 2016 einen Betrag in Höhe von insgesamt 140.000 € an seine Eltern überwiesen (vgl. AmtsG Dülmen - 6 F 279/17), und in demselben Monat einen Betrag von 40.000 € in eine Unternehmensbeteiligung investiert (vgl. AmtsG Dülmen - 6 F 279/17). Im Zugewinnausgleichsverfahren stehen weitere illoyale Vermögensverfügungen im Raum. Die genannten Aufwendungen in einer Gesamthöhe von rund 607.000 € sprechen eindeutig dafür, daß zu Ehezeiten erhebliche Vermögenswerte gebildet und Gelder angespart worden sind. Nach dem insoweit unbestrittenen Vorbringen des Antragsgegners haben die Beteiligten in der Zeit von 2004 bis 2015 über durchschnittliche Gesamteinkünfte in Höhe von 9.610 € im Monat verfügt. In den Jahren 2017 und 2018 beliefen sich die Gesamteinkünfte der Beteiligten auf rund 11.000 € im Monat. Auch unter Berücksichtigung dieser besonders günstigen Einkommensverhältnisse der Beteiligten hätten indes Tilgungsleistungen und Investitionen in vorbezifferter Höhe nicht vorgenommen werden können, wenn die Ehegatten monatlich auch nur annähernd einen Betrag in Höhe des Doppelten des höchsten Einkommenssatzes der Düsseldorfer Tabelle zu Konsumzwecken ausgegeben hätten.

Anderes hat auch die Antragstellerin nicht dargelegt. Soweit sie pauschal geltend gemacht hat, der Antragsgegner habe »nicht unerhebliche Werte« in die Ehe eingebracht, hat sie ihre Behauptung nicht weiter konkretisiert, und sich zu der von ihm vorgelegten Aufstellung über sein Anfangsvermögen in Höhe von 23.982 € bzw. 33.382 € einschließlich des durch den Ehevertrag vom Zugewinn ausgenommenen Kapitalvermögens nicht erklärt. Den Ausführungen des Antragsgegners in der Beschwerdeerwiderung zu den einzelnen vermögensbildenden Maßnahmen ist sie in dem Schriftsatz vom 24. Februar 2020 nicht weiter entgegengetreten. Im Zugewinnausgleichsverfahren hat sie die Auskunftsstufe bereits unter dem 17. Mai 2019 für erledigt erklärt. Soweit sie sich auf Umschichtungen des bereits im Jahre 2015 vorhandenen Vermögens berufen hat, erweist sich ihr Vorbringen im Hinblick auf die zur Entscheidung stehende Frage der Erschütterung der Verbrauchsvermutung als unerheblich. Aus diesem Grunde bleibt auch ihr Verweis auf den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 26. November 2015 (NZFam 2016, 994) und die daraus von ihr hergeleitete zeitliche Schranke bei der Berücksichtigung von Aufwendungen zur Vermögensbildung unbehelflich. Die Entscheidung ist deutlich vor den maßgeblichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 15. November 2017 (FamRZ 2018, 260 = FuR 2018, 208) und vom 25. September 2019 (FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38) ergangen, und befaßt sich damit, ob und inwieweit im Einzelfall bei der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Gesamteinkommens einer Vermögensbildung Rechnung getragen werden kann. Den Begriff des für die Methode der Bedarfsbemessung maßgebenden verfügbaren Familieneinkommens hat der Bundesgerichtshof indes in seiner Entscheidung vom 25. September 2019 (FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38) definiert, und dabei nicht auf nur eine zeitanteilige Berücksichtigungsfähigkeit von vermögensbildenden Maßnahmen abgestellt.

In der Gesamtschau dieser spiegelbildlich ineinandergreifenden Umstände hält der Senat die tatsächliche Verbrauchsvermutung in dem Streitfall nicht nur für erschüttert, sondern auch für widerlegt (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 286 Abs. 1 ZPO).

c) Jenseits des Vermutungstatbestandes hat die Antragstellerin die Voraussetzungen eines Trennungsunterhaltsanspruchs nach der Einkommensquote nicht dargetan. Sie hat zu der konkreten Verwendung des verfügbaren Familieneinkommens nichts vorgetragen, und auch nicht dargelegt, daß die Beteiligten während der Ehe einen Betrag in Höhe des von ihr geltend gemachten Quotenbedarfs für den Lebensunterhalt verbraucht haben.

d) Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin aus § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB bemißt sich damit nach ihrem konkreten Bedarf. Heranzuziehen ist insoweit die von ihr für das Trennungsjahr mit Schreiben ihrer früheren Bevollmächtigten vom 25. Januar 2017 vorgenommene konkrete Bedarfsermittlung. Die Antragstellerin hat in dem vorliegenden Verfahren weder geltend gemacht, daß sich der von ihr in Höhe von 3.076 € angemeldete Elementarbedarf zwischenzeitlich geändert hätte, noch hat sie ihren konkreten Bedarf sonst abweichend beziffert.

Unter Zugrundelegung eines konkreten Bedarfs von 3.076 € ergibt sich für den Unterhaltszeitraum ab Mai 2018 kein über den von dem Antragsgegner anerkannten Unterhaltsbetrag von monatlich 580 € hinausgehender Trennungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin; zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst auf die Bedarfsberechnung in dem angefochtenen Beschluß Bezug, die mit der Beschwerde nicht angegriffen wird. Das Amtsgericht hat unter Abzug der eigenen Einkünfte der Antragstellerin in Höhe von insgesamt 2.598,46 € zutreffend einen ungedeckten Elementarbedarf in Höhe 477,54 € ermittelt; bei der Unterhaltsberechnung nach den tatsächlichen Lebensverhältnissen ist das Erwerbseinkommen des Unterhaltsberechtigten in vollem Umfange und nicht gekürzt um einen Erwerbsbonus auf den konkreten Bedarf anzurechnen (vgl. BGH FamRZ 2011, 192 = FuR 2011, 162). Ebenso wie der Unterhalt nach der Einkommensquote betrifft auch der konkret ermittelte Bedarf nur den Elementarunterhalt, so daß ein ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens gemäß § 1361 Abs. 1 S. 2 BGB geschuldeter Bedarf für die Altersvorsorge zusätzlich zu berücksichtigen ist (vgl. BGH FamRZ 2012, 945).

Dabei ist der Elementarunterhalt zu dem Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit und der Vorsorgeunterhalt zu den Versicherungsbeiträgen in Beziehung zu setzen, die im Hinblick auf ein derartiges Erwerbseinkommen zu zahlen wären. Damit wird der Berechtigte hinsichtlich der Altersvorsorge so behandelt, wie wenn er aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Einkünfte in Höhe des ihm an sich zustehenden Elementarunterhalts hätte (vgl. BGH FamRZ 1999, 372, 373 f = FuR 1999, 165 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 50 = BGHF 11, 589; 2010, 1637 = FuR 2010, 630). Das gilt unabhängig davon, ob der Elementarunterhalt als Quotenunterhalt oder aufgrund einer konkreten Bedarfsbemessung ermittelt wird. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze errechnet sich aus dem verbleibenden Elementarbedarf von 477,54 € nach der Bremer Tabelle zunächst ein fiktiver altersversicherungsrechtlicher Bruttolohn von (477,54 € + [477,54 € x 13%] = 539,62 €), und mittels des seit dem 1. Januar 2018 geltenden Beitragssatzes für die Rentenversicherung von 18,6% ein Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 100,37 €.

In der Summe ergibt sich danach zugunsten der Antragstellerin für den Zeitraum ab Mai 2018 ein das Teilanerkenntnis des Antragsgegners nicht übersteigender monatlicher Trennungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 578 € gerundet.

2. Für den Monat März 2018 steht der Antragstellerin ein Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt nicht zu. Der Anspruch ist durch die von dem Antragsgegner für diesen Monat geleistete Unterhaltszahlung erfüllt.

3. Auf die Beschwerde der Antragstellerin unterliegt der angefochtene Beschluß lediglich insoweit der Abänderung, als das Amtsgericht die für April 2018 geltende gemachte Unterhaltsnachforderung zurückgewiesen hat. Der Antragstellerin steht für diesen Monat gemäß § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt zu.

a) Entgegen der Annahme des Amtsgerichts sind vorliegend die Voraussetzungen der §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3, 1613 Abs. 1 S. 1 BGB für die Geltendmachung von Trennungsunterhalt für die Vergangenheit gegeben. Zwar ist der Unterhaltsanspruch erst mit der am 28. Mai 2018 an den Antragsgegner bewirkten Zustellung des Stufenantrages rechtshängig geworden (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO). Die Antragstellerin hat mit vorgerichtlichem Schreiben ihrer jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 22. März 2018 den Antragsgegner jedoch rechtswirksam zum Zwecke der Geltendmachung von Trennungsunterhalt zur Auskunfterteilung aufgefordert. Auch wenn mit Blick auf die analog anzuwendende Bestimmung des § 174 BGB dem Auskunftsbegehren durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich eine Vollmachtsurkunde im Original beizufügen ist (vgl. hierzu Siebert in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 6 Rdn. 107; Sauer, FamRZ 2010, 617), durfte der Antragsgegner vorliegend das anwaltlich gestellte Auskunftsverlangen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht allein mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückweisen.

Die jetzigen Bevollmächtigten der Antragstellerin hatten sich bereits mit Schreiben vom 15. September 2017 an die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gewandt, die Vertretung der Antragstellerin angezeigt, und mitgeteilt, daß das Mandat bei der zuvor tätigen Rechtsanwältin beendet sei. Die Vertretungsanzeige ist verbunden mit der Aufforderung erfolgt, die jetzigen Rechtsanwälte der Antragstellerin im Hinblick auf einen etwaigen Scheidungsantrag oder »weitere« aus ihrer Sicht zu regelnde Fragen unmittelbar als Bevollmächtigte zu benennen. Das Schreiben vom 15. September 2017 ist als umfassende Vertretungsanzeige zu werten, und zwanglos dahin zu verstehen, daß die von der früheren Rechtsanwältin der Antragstellerin bearbeiteten Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Trennung der Beteiligten nunmehr von den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten fortgeführt werden. Eine Vollmachterteilung ist von Seiten des Antragsgegners daraufhin nicht angezweifelt worden, obwohl dem genannten Schreiben ebenfalls keine Originalvollmacht beigefügt gewesen ist; vielmehr haben seine Verfahrensbevollmächtigten im Oktober 2017 bei der Einleitung des Scheidungsverfahrens in dem Rubrum des Scheidungsantrages die jetzigen Rechtsanwälte der Antragstellerin als Bevollmächtigte aufgeführt, und auch in der Folgesache Versorgungsausgleich mit diesen korrespondiert. Darüber hinaus haben sich die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin in der Kindesunterhaltsangelegenheit an den Antragsgegner gewandt. Unter diesen Umständen erscheint die Zurückweisung des Auskunftsverlangens durch den Antragsgegner in der vorliegenden Unterhaltsangelegenheit als Ausübung einer formalen Rechtsposition, nicht aber berechtigten Zweifeln an der Bevollmächtigung der bereits mehrfach für die Antragstellerin tätig gewordenen Bevollmächtigten geschuldet.

b) Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ist schließlich auch nicht gemäß § 1579 Nr. 7 BGB verwirkt. Hierfür kann dahinstehen, ob die Antragstellerin tatsächlich das von dem Antragsgegner behauptete außereheliche Verhältnis unterhalten hat, und ob ein etwaiger Verstoß gegen die eheliche Treupflicht rechtlich als offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten zu werten wäre, welches allein die Anwendung der Härteklausel rechtfertigen könnte: Der Antragsgegner kann den Verwirkungseinwand nämlich schon deshalb nicht mit Erfolg zu seinen Gunsten reklamieren, weil er trotz Kenntnis des von ihm behaupteten Verwirkungsgrundes während des gesamten Trennungsjahres Unterhalt an die Antragstellerin gezahlt, und auch in dem vorliegenden Verfahren den Unterhaltsanspruch teilweise anerkannt hat (vgl. hierzu ausführlich Siebert, aaO § 4 Rdn. 1241). Damit hat der Antragsgegner durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gegeben, daß die Unterhaltszahlung für ihn trotz des angeblich ehewidrigen Verhaltens der Antragstellerin keine grobe Unbilligkeit darstellt. Darauf, daß die Unterhaltszahlungen seinerseits mit Blick auf das seit Januar 2018 bei der Antragstellerin lebende Kind erfolgt sind, hat er sich nicht berufen.

c) Ausgehend von einem Unterhaltsanspruch in Höhe von 578 € im Monat (Elementarunterhalt 478 € und Altersvorsorgeunterhalt 100 €) ergibt sich zugunsten der Antragstellerin für den Monat April 2018 abzüglich der von dem Antragsgegner geleisteten Unterhaltszahlung in Höhe von 433,33 € ein noch zur Zahlung verbleibender Trennungsunterhalt von insgesamt 144,67 €.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

C. Die Entscheidung hinsichtlich der in erster Instanz angefallenen Kosten beruht auf § 243 FamFG, und berücksichtigt, daß der Antragsgegner durch sein vorgerichtliches Verhalten Veranlassung zur Erhebung des Stufenantrages gegeben hat (§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FamFG). Die Kostenentscheidung bezüglich der in zweiter Instanz entstandenen Kosten folgt ebenfalls aus § 243 FamFG, und orientiert sich daran, daß die Antragstellerin mit ihrem Unterhaltsbegehren im Wesentlichen unterlegen gewesen ist (§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FamFG).

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 40 Abs. 1 und 2, 51 Abs. 2 FamGKG.

D. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG liegen nicht vor. Die Rechtssache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine tatsächliche Vermutung erschüttert ist, ist in der Rechtsprechung geklärt, und vorliegend in tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu beantworten.

OLG Hamm 2020-04-23 - 2 UF 152/19
Speichern Öffnen ha-2020-04-23-152-19.pdf (190,68 kb)


Anmerkungen

Die beteiligten Ehegatten hatten um die Frage gestritten, ob die Antragstellerin Trennungsunterhalt nach der Einkommensquote verlangen kann, oder ob sie sich auf eine konkrete Bedarfsbemessung verweisen lassen muss.

Die Antragstellerin bezifferte ihren Unterhaltsbedarf nach der Trennung auf Grundlage einer konkreten Bedarfsbemessung aussergerichtlich auf 3.076 €. Auf Basis dieser konkreten Bedarfsbemessung trafen die Beteiligten eine bis zu dem Ablauf des Trennungsjahres befristete Unterhaltsvereinbarung, nach der der Antragsgegner zunächst Trennungsunterhalt in Höhe von 1.150 € monatlich bezahlte. Nachdem der Antragsgegner die Zahlungen nach Ablauf des Trennungsjahres zunächst reduziert und dann eingestellt hatte, berechnete die Antragstellerin ihren Trennungsunterhaltsanspruch in dem gerichtlichen Verfahren nach der Quotenmethode, und begehrte 3.049 € monatlichen Trennungsunterhalt (2.345 € Elementarunterhalt + 704 € Altersvorsorgeunterhalt). Auf Seiten des Antragsgegners war unstreitig ein unterhaltrelevantes monatliches Nettoeinkommen von rund 8.682 € im Jahre 2018 und von 15.470 € im Jahre 2019 zu berücksichtigen. Die Antragstellerin verfügte über ein unterhaltsrelevantes Einkommen von rund 2.598 € im Jahre 2018, und rund 3.000 € im Jahre 2019.

Das FamG hat aufgrund Anerkenntnis des Antragsgegners in Höhe von 580 € einen Teilanerkenntnisbeschluss erlassen, und in dem Schlussbeschluss einen über den titulierten Unterhaltsanspruch hinausgehenden Trennungsunterhaltsanspruch verneint, weil die Antragstellerin nach nicht bedürftig sei: Sie könne ihren vorgerichtlich bezifferten konkreten Bedarf von 3.076 € durch ihre eigenen Einkünfte und den im Wege des Teilanerkenntnisbeschlusses titulierten Trennungsunterhalt decken.

Das OLG hat die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Schlussbeschluss zurückgewiesen: Der Unterhaltsanspruch sei mit Blick auf die erheblich über dem Durchschnitt liegenden Einkommensverhältnisse konkret zu bemessen, und unter Abzug des Eigeneinkommens festzusetzen. Soweit die Antragstellerin von der im Trennungsjahr vorgenommenen konkreten Bedarfsbemessung abrücken wolle, dringe sie hiermit nicht durch. Der BGH habe die Obergrenze für eine pauschale Quotenbedarfsbemessung nach der Einkommensquote bei einem Bedarf in Höhe der Quote aus dem Doppelten des höchsten Einkommenssatzes der Düsseldorfer Tabelle gezogen, mithin bei einem Bedarf von rund (3/7 x 11.000 € =) 4.714 € (BGHZ 223, 203 = FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38); bis zu diesem Betrag erachte der BGH den Bedarf des Unterhaltsberechtigten auch dann als schlüssig dargelegt, wenn dieser nichts zu der konkreten Verwendung des Familieneinkommens vortrage.

Nach dieser Massgabe sei es der Antragstellerin zwar im Ausgangspunkt unbenommen, ihren Unterhaltsbedarf in dem vorliegenden Verfahren in Abweichung des ihrerseits zuvor ermittelten konkreten Bedarfs auf der Basis des deutlich höheren Quotenbedarfs (4.6014,01 € für den Elementarunterhalt) zu fordern, wobei es keine Rolle spiele, dass die Familieneinkünfte der Beteiligten die Obergrenze für eine Bedarfsbemessung nach Einkommensquote übersteigen, und sich unstreitig in einem Bereich bewegten, in denen der Unterhaltsbedarf für gewöhnlich konkret zu ermitteln sei, denn nach der Rechtsprechung des BGH habe der Unterhaltsberechtigte in einem solchen Fall die Wahl, ob er seinen Bedarf konkret vortrage, oder ihn nach einer Einkommensquote bemesse. Sofern er die Quotenmethode wähle, könne er die Verbrauchsvermutung nur insoweit für sich in Anspruch nehmen und auf die Darlegung der konkreten Einkommensverwendung verzichten, als der von ihm aus der Einkommensquote ermittelte Bedarf die relative Sättigungsgrenze nicht übersteige. Vorliegend liege der von der Antragstellerin zur Berechnung ihres Elementarunterhalts angemeldete Quotenbedarf mit 4.614,01 € noch unterhalb der 3/7-Quote aus 11.000 € (4.714 €).

Allerdings könne die Antragstellerin die Verbrauchsvermutung bis zu einem Bedarf von 4.714 € hier nicht mit Erfolg für sich reklamieren, weil diese durch folgende besondere Umstände entkräftet werde:

- Der Antragsgegner könne zunächst mit Recht darauf verweisen, dass die von der Antragstellerin ursprünglich vorgenommene konkrete Bedarfsermittlung und der von ihr ermittelte Elementarbedarf von insgesamt 3.076 € bereits eindeutig gegen die Annahme sprechen, die beteiligten Ehegatten hätten während der Ehe ein Gesamteinkommen von 11.000 € verlebt,
- Weiter werde die tatsächliche Verbrauchsvermutung auch durch das von den Beteiligten während der Ehe geführte Haushaltsbuch erschüttert: Die Ehegatten hätten von 2004 bis 2015 mit grosser Genauigkeit einen Haushaltsplan per Excel-Tabelle geführt, wie er in der Praxis der vorkommenden Unterhaltsstreitigkeiten selten anzutreffen sei. Danach hätten die die Lebenshaltungskosten der Beteiligten in dem genannten Zeitraum 4.467 € betragen. Die Vermutung, die Ehegatten hätten monatlich einen Betrag in Höhe des Doppelten des Höchstsatzes der Düsseldorfer Tabelle zum Lebensunterhalt verbraucht, sei durch das während der Ehe minutiös geführte Kassenbuch entkräftet,
- Hinzu komme, dass die Beteiligten durch die vollständige Entschuldung zweier Immobilien in erheblichem Umfang Vermögensbildung betrieben hätten.
- In der Gesamtschau dieser Umstände sei die tatsächliche Verbrauchsvermutung nicht nur erschüttert, sondern sogar widerlegt (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 286 Abs. 1 ZPO). Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin bemesse sich daher nach ihrem konkreten Bedarf, den sie vorprozessual auf 3.076 € beziffert habe. Unter Anrechnung der eigenen Einkünfte der Antragstellerin ergebe sich kein über den anerkannten Unterhaltsanspruch von monatlich 580 € hinausgehender Anspruch der Antragstellerin.

Diese Entscheidung betrifft die in der Praxis häufig vorkommende Abgrenzung zwischen der konkreten Bedarfsbemessung und dem Ehegattenunterhalt nach der Quotenmethode bei sehr guten Einkommensverhältnissen.

Der BGH hat bei einem Familieneinkommen bis zu der Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags (derzeit 11.000 €) eine tatsächliche Vermutung für eine vollständige Ausgabe des Einkommens zu Konsumzwecken angenommen (BGHZ 217, 24 = FamRZ 2018, 260 = FuR 2018, 208 mwN). In seiner Entscheidung vom 25.09.2019 hat der BGH diese Rechtsprechung bestätigt, und sie dahin gehend konkretisiert, dass bis zu einer Höhe von 4.714 € (3/7 x 11.000 €) Unterhalt ohne Darlegung zur konkreten Verwendung des Familieneinkommens verlangt werden kann (BGHZ 223, 203 = FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38).

In dem von dem OLG Hamm entschiedenen Fall bestand die Besonderheit darin, dass es dem Antragsgegner gelungen ist, die Vermutung des vollständigen Verbrauchs des Einkommens bis zu einem Familieneinkommen von 11.000 € zu entkräften. Die Entkräftung dieser Vermutung dürfte allerdings im unterhaltsrechtlichen Alltag in der Regel nicht so leicht fallen wie in diesem Fall: Die Ehegatten hatten in einer Excel-Tabelle über Jahre hinweg ihre Ausgaben minutiös aufgelistet; so konnte der Antragsgegner nachweisen, dass die Lebenshaltungskosten während der Ehe weit unter monatlich 11.000 € lagen. Ausserdem kam hier noch die Besonderheit hinzu, dass die Antragstellerin vor dem familiengerichtlichen Verfahren ihren Bedarf im Wege der konkreten Bedarfsbemessung auf »nur« auf 3.076 € beziffert hatte. Damit hatte die Antragstellerin die Vermutung des vollständigen Verbrauchs des Familieneinkommens bis zu einem Betrag von 11.000 € selbst widerlegt.

Es dürfte viele Haushalte geben, die auch bei guten Einkommensverhältnissen keine 11.000 € im Monat ausschliesslich zu Konsumzwecken ausgeben. Wenn es gelingt, die tatsächliche Vermutung, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf verwendet worden ist, zu entkräften, ist der Unterhaltsgläubiger zu der für ihn in der Regel ungünstigen konkreten Bedarfsbemessung gezwungen.


______________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen verfestigter Lebensgemeinschaft des Unterhalt begehrenden Ehegatten.

BGB §§ 1361, 1579; HUP Art. 2; EuUnthVO

1. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kann angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluß auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Es kommt darauf an, ob die Partner ihre Lebensgemeinschaft so aufeinander eingestellt haben, daß sie wechselseitig füreinander einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren, und damit das Zusammenleben ähnlich gestalten wie Ehegatten. § 1579 Nr. 2 BGB knüpft an rein objektive Gegebenheiten an, und ist keine Sanktion für vorwerfbares Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten.
2. Entscheidend ist darauf abzustellen, daß der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte sich durch eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, daß er diese nicht mehr benötigt.
3. Vor dem Ablauf einer gewissen Mindestdauer wird sich in der Regel nicht verläßlich beurteilen lassen, ob die Partner nur »probeweise« zusammenleben, oder ob sie auf Dauer in einer gefestigten Gemeinschaft leben. Je fester allerdings die Verbindung nach außen in Erscheinung tritt, umso kürzer wird die erforderliche Zeitspanne anzunehmen sein.
4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes können die Voraussetzungen für die Anwendung von § 1579 Nr. 2 BGB erst nach einer Dauer von regelmäßig zwei bis drei Jahren angenommen werden können. Die Zeitspanne kann kürzer sein, wenn aufgrund besonderer Umstände schon früher auf eine hinreichende Verfestigung geschlossen werden kann, insbesondere bei einer bereits umgesetzten gemeinsamen Lebensplanung, etwa in Form von gemeinsamen erheblichen Investitionen.
5. Bei einer Beziehung, die nicht überwiegend durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung etwa dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten, und Feiertage und Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen.
6. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des jeweiligen Härtegrundes nach § 1579 Nr. 2 bis 8 BGB sowie für alle Umstände, die die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme als grob unbillig erscheinen lassen, trägt der Unterhaltspflichtige; zulässig kann dabei auch die Beobachtung durch einen Detektiv, und die Verwertung der in dieser Weise gewonnenen Erkenntnisse in dem Verfahren sein.
7. Gemeinsame Reisen lassen schon grundsätzlich noch keinen hinreichend tragfähigen Schluß auf eine (verfestigte) Lebenspartnerschaft zu.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 22. Juni 2020 - 9 UF 254/19

Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Eberswalde vom 22.10.2019 (3 F 393/18) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 5.655,25 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Trennungsunterhalt für die Zeit vom 1. April 2018 an und fortlaufend.

Die im Jahre 1981 geborene Antragstellerin und der im Jahre 1968 geborene Antragsgegner haben im April 2011 in der Republik Moldau die - kinderlos gebliebene - Ehe geschlossen. Die Beteiligten leben seit September 2017 durch den Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung voneinander getrennt. Die Antragstellerin ist Kassiererin/Verkäuferin, und war in der Ehe sporadisch erwerbstätig; seit September 2016 arbeitet sie mit 80 Stunden/Monat, seit September 2018 und anhaltend bis heute mit 120 Stunden/Monat. Ihr Verdienst betrug zuletzt 1.116,45 € netto. Im Jahre 2018 hat sie eine Steuerrückerstattung von 991 € erhalten. Der Antragsgegner ist im Auswärtigen Amt beschäftigt, und hat zuletzt monatsdurchschnittlich 2.699,37 € netto verdient. Er wendet 273,65 € monatlich für seine Kranken- und Pflegeversicherung auf. Er ist Vater zweier Kinder, für die er monatlichen Kindesunterhalt von 588 € zahlt. Er ist Alleineigentümer der selbstgenutzten und nicht (mehr) kreditbelasteten Ehewohnung in S. mit einer Wohnfläche von 120 qm, deren objektiver Wohnwert unstreitig mit 6 €/qm netto kalt = 720 € zu bemessen ist.

Im April 2018 hat die Antragstellerin den Antragsgegner zur Auskunfterteilung und Unterhaltszahlung aufgefordert. Für die Zeit von April bis einschließlich Oktober 2018 hat der Antragsgegner monatlich 106,25 € Trennungsunterhalt gezahlt. Mit ihrem im Oktober 2018 eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin den Antragsgegner für die Zeit von April bis einschließlich August 2018 wegen Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts von 719 € (nebst Zinsen und unter Anrechnung der erfolgten Zahlungen), und für die Zeit ab September 2018 von monatlich 624 € gerichtlich in Anspruch genommen.

Der Antragsgegner hat Antragsabweisung insgesamt beantragt. Für die in Moldawien geschlossene Ehe könne Trennungsunterhalt nur nach moldawischem Recht verlangt werden; jedenfalls seien die hypothetischen Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten der Antragstellerin in ihrer alten Heimat zugrunde zu legen. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit der beruflichen Fortbildung in Deutschland oder zu der Rückkehr nach Moldawien nicht genutzt. Er wendet ein, die Antragstellerin habe keine Bemühungen um eine Deckung ihres Lebensbedarfs aus eigener Kraft dargelegt. Der Antragsgegner hat ferner eine vollständige Versagung des Unterhaltsanspruchs wegen verfestigter Lebenspartnerschaft reklamiert. Er hat behauptet, die Antragstellerin sei aus der Ehe ausgebrochen, und habe sich einem neuen Lebenspartner, D. R., zugewandt, mit dem sie zwar offiziell keine Wohnung teile, der bei ihr aber ein- und ausgehe, und mit dem sie im April und im Juni 2018 gemeinsam verreist sei. Er verweist hierzu auf Fotos auf dem facebook-Profil der Antragstellerin, und bezieht sich ferner auf Ermittlungsergebnisse des von ihm beauftragten Detektivbüros J., die jedenfalls seit mehreren Wochen/Monaten ein Zusammenleben bestätigten.

Hierzu behauptet die Antragstellerin, sie habe sich wegen zunehmender häuslicher Gewalt von dem Antragsgegner getrennt, und keine neue Lebensgemeinschaft begründet, die auch gar nicht substantiiert vorgetragen sei.

Mit Beschluß vom 22. Oktober 2019 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Eberswalde den Antragsgegner unter Abweisung des weitergehenden Antrages zur Zahlung eines rückständigen Trennungsunterhalts für April bis einschließlich August 2018 von 1.043,75 € nebst Zinsen, sowie eines laufenden Trennungsunterhalts von monatlich 402 € ab September 2018 (abzüglich geleisteter Zahlungen von 106,25 € für September und Oktober 2018 und insoweit nebst Zinsen) verpflichtet. Im Rahmen der Unterhaltsberechnung ist das Amtsgericht von den tatsächlich erzielten Einkünften der Ehegatten ausgegangen, und hat den Wohnvorteil des Antragsgegners im ersten Trennungsjahr, also bis einschließlich August 2018, mit lediglich 350 € angesetzt. Eine Beschränkung oder Versagung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 2 BGB komme nicht in Betracht: Bei nicht zusammen lebenden Partnern sei von einer verfestigten Lebensgemeinschaft regelmäßig erst nach fünf Jahren, bei gemeinsam lebenden Partnern bei einer Dauer von zwei bis drei Jahren auszugehen. Diese Voraussetzungen lägen nach dem eigenen Vorbringen des Antragsgegners noch nicht vor, ebenso wenig wie andere besondere Gründe (wirtschaftliche Verflechtung o.ä.), die auf eine frühere Verfestigung schließen ließen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er weiterhin die vollständige Abweisung der Zahlungsanträge erstrebt. Er wiederholt und vertieft hierzu sein Vorbringen zu einer bereits verfestigten Lebenspartnerschaft der Antragstellerin mit D. R., der Trennungsgrund gewesen sei; ergänzend hierzu legt er nunmehr den nicht datierten Detektivbericht zu dem Auftrag vom 12. September 2019 vor. Er rügt ferner, daß das Amtsgericht seinen Einwendungen gegen die Anwendbarkeit deutschen Rechts überhaupt keine Beachtung geschenkt habe. Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Der Senat hat ohne erneute mündliche Verhandlung nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG entschieden, nachdem er - den Erfordernissen des § 117 Abs. 3 FamFG folgend - diese Verfahrensweise mit Schreiben vom 19. Mai 2020 angekündigt, und die Beteiligten und hier insbesondere den Antragsgegner mit näheren Hinweisen zu der Sach- und Rechtslage auf die Unbegründetheit des/seines Rechtsmittels hingewiesen hatte.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 117 Abs. 1 FamFG iVm § 520 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO), mithin zulässig. In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

1. Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen festzustellende - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich vorliegend aus Art. 3 a) und b) der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008 (ABl EG Nr. L 7 vom 10. Januar 2009, S. 1 - im folgenden: EuUnthVO), weil beide Beteiligte (wohl bereits seit September 2014) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Für die in der EuUnthVO enthaltenen Vorschriften zur internationalen Gerichtszuständigkeit kommt es nicht darauf an, ob die Beteiligten die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates besitzen (vgl. BGH FamRZ 2020, 918 = FuR 2020, 472 mwN). Es kann deshalb dahinstehen, wie sich die Bezüge der Ehe-(schließung) und der Antragstellerin, die allerdings nach Angaben des Antragsgegners inzwischen auch deutsche Staatsangehörige geworden ist, zu der Republik Moldau heute konkret darstellen mögen; sie stehen der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 3 lit. a) und b) EuUnthVO jedenfalls nicht entgegen.

Die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Trennungsunterhaltsanspruch ergibt sich - anknüpfend an den gewöhnlichen Aufenthalt der berechtigten Antragstellerin - aus Art. 15 EuUnthVO iVm Art. 3 Abs. 1 des Haager Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (ABl EG Nr. L 331 vom 16. Dezember 2009, S. 19 - im folgenden: Haager Unterhaltsprotokoll [HUP]). Wegen der in Art. 2 HUP angeordneten Allseitigkeit kommt es aus deutscher Sicht weder darauf an, ob der Fall Bezüge zu einem weiteren Vertragsstaat aufweist, noch darauf, daß das Haager Unterhaltsprotokoll in der Republik Moldau nicht gilt (Recherchestand des Senats vom 19. Juni 2020 bei dem Bundesamt für Justiz mit Link auf die Homepage der Haager Konferenz).

Aus der von dem Antragsgegner für seine Auffassung der Anwendbarkeit moldawischen Unterhaltsrechts in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16. Januar 2013 (FamRZ 2013, 534 = FuR 2013, 271 [393]) ergibt sich im übrigen nichts anderes: Auch dort hat der Bundesgerichtshof deutsches Recht angewendet, und lediglich im Rahmen der Subsumtion unter § 1578b BGB Ausführungen gemacht, die an die (dort: ukrainische) Herkunft der unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehefrau anknüpfen, allerdings keinerlei sachlichen Bezug zu dem hier streitigen Trennungsunterhaltsanspruch haben.

2. Die von dem Familiengericht ermittelten Ansprüche der Antragstellerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt gemäß § 1361 Abs. 1 BGB seit April 2018 sind dem Grunde und der Höhe nach in dem Beschwerderechtszug von keinem der Beteiligten angegriffen oder sonst in Frage gestellt worden, so daß weder die Grundlagen der Berechnung, noch die Berechnung selbst Gegenstand der Überprüfung durch den Beschwerdesenat sind. Soweit dagegen mit der Beschwerde das Fehlen einer konkreten Bedarfsbemessung seitens der Antragstellerin gerügt wird (vgl. die Beschwerdebegründung vom 22. Januar 2020), geht dies an der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung - die dem Unterhaltsberechtigtem stets eine quotale Bedarfsermittlung gestattet (BGH FamRZ 2020, 21 = FuR 2020, 38) - vorbei.

3. Eine Beschränkung oder gar vollständige Versagung des Trennungsunterhaltsanspruchs der Antragstellerin wegen grober Unbilligkeit aufgrund neuer verfestigter Lebensgemeinschaft nach § 1361 Abs. 3 iVm § 1579 Nr. 2 BGB kommt auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens des Antragsgegners in dem Verfahren zweiter Instanz (noch) nicht in Betracht.

a) Eine verfestigte Lebensgemeinschaft iSv § 1579 Nr. 2 BGB kann angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims, oder die Dauer der Verbindung den Schluß auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Es kommt darauf an, ob die Partner ihre Lebensgemeinschaft so aufeinander eingestellt haben, daß sie wechselseitig füreinander einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren, und damit das Zusammenleben ähnlich gestalten wie Ehegatten (Brudermüller in Palandt, BGB 78. Aufl. § 1579 Rdn. 11). Entscheidend ist darauf abzustellen, daß der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte sich durch eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, daß er diese nicht mehr benötigt (BGH FamRZ 2011, 1498 = FuR 2011, 639 Tz. 27; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 4 Rdn. 1269). Die Vorschrift knüpft an rein objektive Gegebenheiten an, und ist keine Sanktion für vorwerfbares Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten.

Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer wird sich in der Regel nicht verläßlich beurteilen lassen, ob die Partner nur »probeweise« zusammenleben, oder ob sie auf Dauer in einer gefestigten Gemeinschaft leben. Je fester allerdings die Verbindung nach außen in Erscheinung tritt, umso kürzer wird die erforderliche Zeitspanne anzunehmen sein. Der Bundesgerichtshof hat es gebilligt, daß die Voraussetzungen für die Anwendung von § 1579 Nr. 2 BGB erst nach einer Dauer von regelmäßig zwei bis drei Jahren angenommen werden können. Die Zeitspanne kann kürzer sein, wenn aufgrund besonderer Umstände schon früher auf eine hinreichende Verfestigung geschlossen werden kann, insbesondere bei einer bereits umgesetzten gemeinsamen Lebensplanung, zum Beispiel in Form von gemeinsamen erheblichen Investitionen (BGH aaO, Brudermüller, aaO § 1579 Rdn. 12). Bei einer Beziehung, die nicht überwiegend durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung etwa dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten, und Feiertage und Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen (OLG Karlsruhe FamRZ 2020, 93).

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des jeweiligen Härtegrundes nach § 1579 Nrn. 2 bis 8 BGB sowie für alle Umstände, die die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme als grob unbillig erscheinen lassen, trägt der Unterhaltspflichtige; zulässig kann dabei auch die Beobachtung durch einen Detektiv, und die Verwertung der in dieser Weise gewonnenen Erkenntnisse in dem Verfahren sein (BGH FamRZ 2013, 1387 = FuR 2013, 583; Wendl/Dose, aaO § 4 Rdn. 1214).

b) In dem konkreten Fall bietet das Vorbringen des Antragsgegners keine hinreichend tragfähigen Anknüpfungstatsachen dafür, daß die Antragstellerin die eheliche Lebensgemeinschaft durch eine bis heute hinreichend verfestigte Lebenspartnerschaft in dem vorbeschriebenen Sinne ersetzt hat.

Die - nicht unter Beweis gestellte - Behauptung des Antragsgegners, die Antragstellerin sei im Frühherbst 2017 einseitig aus der - aus seiner Sicht offenbar intakten, jedenfalls nicht gescheiterten - Ehe ausgebrochen, und habe sich D. R. zugewandt, der auch der Grund für die Trennung gewesen sei, ist entgegen der Darstellung des Antragsgegners in seinem jüngsten Schriftsatz vom 25. Mai 2020 nicht unbestritten geblieben; die Antragstellerin hatte vielmehr bereits in ihren Schriftsätzen vom 13. Mai 2019 und vom 4. Juni 2019 ausgeführt, sie habe sich »aufgrund qualitativ und quantitativ zunehmender häuslicher Gewalt, die auch Polizeieinsätze zur Folge hatten« von dem Antragsgegner getrennt; »ein anderer Mann hatte mit den Umständen und der Trennung und der Motivation der Antragstellerin, sich von dem Antragsgegner zu trennen, nichts zu tun«. Es kann danach gerade nicht festgestellt werden, daß ein/der neue/r Partner der Antragstellerin Trennungsgrund gewesen ist. Die Argumentation des Antragsgegners fußt deshalb schlicht auf einer unzutreffenden Prämisse.

Unbestritten sind eine gemeinsame Städtereise der Antragstellerin mit D. R. nach A. im April 2018 und ein gemeinsamer Urlaub in B. im Juni 2018, also mehr als ein halbes Jahr nach der Trennung. Gemeinsame Reisen lassen jedoch schon grundsätzlich noch keinen hinreichend tragfähigen Schluß auf eine (verfestigte) Lebenspartnerschaft zu; kaum anderes gilt für die von dem Antragsgegner in dem Schriftsatz vom 3. Mai 2019 in Bezug genommenen Fotos, die die Antragstellerin von sich und diesem Mann auf facebook eingestellt hat. Diese zeigen zwar auch eine für eine bloße Bekanntschaft oder Freundschaft eher nicht zu erwartende, sehr vertraut und innig wirkende Umarmung, die sich allerdings zeitlich nicht einordnen, also jedenfalls nicht sicher vor Mai 2019 datieren lassen.

Auch die von dem von dem Antragsgegner beauftragten Detektivbüro in dem täglichen Beobachtungszeitraum vom 13. bis zum 21. September 2019 gewonnenen und unbestritten gebliebenen Erkenntnisse bieten keinerlei tragfähige Hinweise auf eine seit entsprechend langer Zeit bestehende, und inzwischen verfestigte Lebenspartnerschaft der Antragstellerin.

Am 19. September 2019 hat danach die Antragstellerin auf Klingeln des Detektivs die Wohnungstür geöffnet. Weitere Personen konnten in der Wohnung nicht festgestellt werden; ebenso wenig war Herrenkonfektion festzustellen; lediglich ein Paar dunkelbraune Herrensportschuhe haben vor der Wohnungstür gestanden. In der Umgebung des Hauses habe an den meisten Tagen des Beobachtungszeitraums allerdings ein auf »den R. mit der Anschrift …« zugelassener Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … gestanden. Am 20. September 2019 gegen 17.30 Uhr hat der Detektiv R. beobachtet, wie er den Hund der Antragstellerin in einem Waldstück ausführte; zu diesem Zeitpunkt standen vor der Wohnungstür der Antragstellerin hausschuhähnliche Latschen. Dem Detektiv ist an diesem Tag ferner durch einen - nicht namhaft gemachten - Mitbewohner des Mietshauses, in dem die Antragstellerin lebt, bekannt geworden, »daß R. schon seit einiger Zeit, genauer gesagt, seit Wochen, bei der B. in deren Wohnung wohnt«.

Selbst wenn man unterstellt, daß der in dem vorzitierten Detektivbericht gerade nicht namhaft gemachte »R.« der Herr D. R. ist, in deren Begleitung die Antragstellerin im Jahre 2018 verreist ist, hat der Detektiv entgegen der Darstellung des Antragsgegners in dem Schriftsatz vom 24. September 2019 aus eigener Beobachtung nicht festgestellt, daß dieser »regelmäßig« mit dem Hund der Antragstellerin geht, die »regelmäßig« vor der Wohnungstür der Antragstellerin stehenden braunen Sportschuhe »offensichtlich« diesem Mann gehören, und die Antragstellerin mit dem Herrn D. R. »eine intensive und dauerhafte Lebensbeziehung führt«. Der Detektiv selbst hat R. überhaupt nur einmal in einem örtlichen und sachlichen Zusammenhang zu der Antragstellerin wahrgenommen, nämlich am 20. September 2019 bei dem Ausführen deren Hundes; gemeinsam beobachtet hat er beide überhaupt nicht. Ein nicht tragfähig begründeter pauschaler Hinweis eines nicht namentlich benannten Hausbewohners auf ein seit mehreren Wochen oder Monaten anhaltendes gemeinsames Wohnen des R. in der Wohnung der Antragstellerin, das der Detektiv aus eigener Wahrnehmung gerade nicht bestätigen konnte, entbehrt schon für sich betrachtet einer hinreichenden Substanz.

Bestenfalls kann aus diesen im einzelnen tatsächlich unbestritten gebliebenen, aber insgesamt eher dürftigen Indizien abgeleitet werden, daß die Antragstellerin und D. R. seit Frühjahr 2018 eine jedenfalls freundschaftlich geprägte Beziehung pflegen, die sich intensiviert, und im Sommer 2019 dazu geführt hat, daß man gemeinsam wohnt, wobei nicht einmal auszuschließen ist, daß D. R. nicht weiterhin einen Wohnsitz in M. unterhält. Das trägt aber nach den vorstehenden Grundsätzen noch nicht die Feststellung einer inzwischen soweit verfestigten Lebenspartnerschaft, daß der Anspruch auf Trennungsunterhalt bereits jetzt herabzusetzen oder gar insgesamt zu versagen wäre.

Besondere Umstände des Streitfalles, die abweichend von dem Regelfall eine Mindestdauer von mindestens zwei bis drei Jahren entbehrlich erscheinen ließen, liegen nicht vor: Es gibt keinerlei tragfähige Hinweise auf ein seit längerem festzustellendes Auftreten als Paar in der Öffentlichkeit oder die Begründung erheblicher gemeinsamer finanzieller Verpflichtungen, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Antragstellerin lebe in einer hinreichend gefestigten, auf gegenseitiger Unterstützung gründenden, und von einem Einstehen füreinander geprägten eheähnlich gestalteten Lebenspartnerschaft.

Auch aus der von dem Antragsgegner angeführten »Entscheidung« des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. November 2016 (NJW 2017, 963), die im übrigen lediglich ein Hinweisbeschluß war, ergibt sich keineswegs, daß die »höchstrichterliche« Rechtsprechung nunmehr davon ausgeht, daß bereits im Zusammenhang mit dem Zusammenziehen mit einem neuen Partner der Trennungsunterhaltsanspruch beendet wird. Der dortige Fall war dadurch gekennzeichnet, daß unstreitig eine einjährige Liebesbeziehung bestanden hat, die durch Teilnahme an verschiedenen Familienfeierlichkeiten nach außen getragen wurde, in der der neue Partner ersichtlich die Rolle eines Ersatzvaters für das vorhandene Kind einnahm, und hier auch an Jugendamtsgesprächen beteiligt war, und die dann rund zwölf Monate später - nach Renovierungen in dem Hause des neuen Partners - in einen Einzug der Unterhaltsberechtigten und ihres Sohnes mündete. In diesem Fall hat das Oberlandesgericht Oldenburg tatsächlich bereits mit dem Einzug eine Versagung des Trennungsunterhaltsanspruchs angenommen. Die Unterschiede zu dem Streitfall sind offensichtlich. Die weitere pauschale Bezugnahme des Antragsgegners auf die Entscheidung des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 29. Juli 2008 (OLGR Brandenburg 2009, 211) erschließt sich schon deshalb nicht, weil sich diese Entscheidung überhaupt nicht zu § 1579 Nr. 2 BGB verhält.

4. Der Senat hat zur Kenntnis genommen, daß der Antragsgegner der Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 68 Abs. 3 FamFG »entschieden widersprochen« hat, sieht aber auch aufgrund des weiteren Vorbringens in dem Schriftsatz vom 25. Mai 2020 nicht, welche zusätzlichen Erkenntnisse aus einer erneuten mündlichen Anhörung der Beteiligten sollten gewonnen werden können. Das Amtsgericht hat am 9. April 2019 und am 22. Oktober 2019 mündlich verhandelt, und im übrigen wiederholt Hinweise zu der Sach- und Rechtslage erteilt. Beide Beteiligten und hier insbesondere auch der Antragsgegner hatten demnach über beide Instanzen hinweg ausreichend Gelegenheit, zuletzt auf den erschöpfenden Hinweis des Senats vom 19. Mai 2020, zu den rechtlich relevanten Fragen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 40 Abs. 1 S. 1, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor

OLG Brandenburg 2020-06-22 - 9 UF 254/19
Speichern Öffnen bra-2020-06-22-254-19.pdf (91,38 kb)


Anmerkungen

Das AmtsG hatte den Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet. Eine Beschränkung oder Versagung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 2 BGB komme nicht in Betracht: Bei nicht zusammen lebenden Partnern sei von einer verfestigten Lebensgemeinschaft regelmässig erst nach fünf Jahren, bei gemeinsam lebenden Partnern bei einer Dauer von zwei bis drei Jahren auszugehen. Diese Voraussetzungen lägen nach dem eigenen Vorbringen des Antragsgegners noch nicht vor, ebenso wenig wie andere besondere Gründe (wirtschaftliche Verflechtung oder ähnliches), die auf eine frühere Verfestigung schliessen liessen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hatte keinen Erfolg.

Eine verfestigte Lebensgemeinschaft iSv § 1579 Nr. 2 BGB kann angenommen werden, wenn objektive, nach aussen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, grössere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Es kommt darauf an, ob die Partner ihre Lebensgemeinschaft so aufeinander eingestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren und damit das Zusammenleben ähnlich gestalten wie Ehegatten. Entscheidend ist darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte sich durch eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt.

Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer wird sich in der Regel nicht verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur »probeweise« zusammenleben oder ob sie auf Dauer in einer gefestigten Gemeinschaft leben. Je fester allerdings die Verbindung nach aussen in Erscheinung tritt, umso kürzer wird die erforderliche Zeitspanne anzunehmen sein. Der BGH hat es gebilligt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von § 1579 Nr. 2 BGB erst nach einer Dauer von regelmässig zwei bis drei Jahren angenommen werden können. Die Zeitspanne kann kürzer sein, wenn aufgrund besonderer Umstände schon früher auf eine hinreichende Verfestigung geschlossen werden kann, insbesondere bei einer bereits umgesetzten gemeinsamen Lebensplanung, etwa in Form von gemeinsamen erheblichen Investitionen. Bei einer Beziehung, die nicht überwiegend durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung etwa dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten und Feiertage und Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen (zu der erforderlichen Dauer der Beziehung ohne Haushaltsgemeinschaft s. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2020, 93).

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen sowie für alle Umstände, die die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme als grob unbillig erscheinen lassen, trägt der Unterhaltspflichtige.

Ebenso wenig wie gemeinsame Reisen schon grundsätzlich noch keinen hinreichend tragfähigen Schluss auf eine (verfestigte) Lebenspartnerschaft zulassen, bildeten vorliegend Fotos, die die Ehefrau und einen anderen Mann auf Facebook eingestellt hat, eine verlässliche Entscheidungsgrundlage: Auch wenn diese zwar auch eine für eine blosse Bekanntschaft oder Freundschaft eher nicht zu erwartende sehr vertraut und innig wirkende Umarmung zeigten, müssten sie sich auch zeitlich entsprechend einordnen lassen, damit die notwendigen Rückschlüsse gezogen werden können (s. auch Krekeler, FuR 2016, 135; Herberger, FuR 2018, 182). Die - auch heimlich zulässigen (BGH FamRZ 2013, 1387 = FuR 2013, 583) - Feststellungen eines Detektivs zeitigen meist schon angesichts der von der Rechtsprechung geforderten Dauer der Beziehung selten den gewünschten Erfolg.


_______________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Unterhaltsanspruch einer in einem Pflegeheim lebenden Ehefrau; Zulässigkeit einer Erweiterung der Beschwerde in Familienstreitsachen.

BGB §§ 1361, 1577; FamFG §§ 113, 117; ZPO §§ 263 ff, 287, 533

1. In Familienstreitsachen richtet sich die Zulässigkeit einer Erweiterung der Beschwerde mangels eines Verweises auf § 533 ZPO in § 117 FamFG nach den allgemeinen Vorschriften für die erste Instanz (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 263 ff ZPO). Die Erweiterung des Beschwerdeantrages ist daher auch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist zulässig, soweit sich die Erweiterung auf bereits in der Rechtsmittelbegründungsschrift enthaltene Gründe stützt.
2. Die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne des § 1361 BGB werden auch durch krankheits- und pflegebedingte Kosten für betreutes Wohnen oder die Unterbringung in einem Pflegeheim geprägt.
3. Für die Bedarfsbemessung und die Berechnung von Trennungsunterhalt sind die »gegenwärtigen« wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten in dem Zeitraum, für den Trennungsunterhalt verlangt wird, maßgeblich.
4. Einem Unterhaltsberechtigten ist die Entscheidung über die Form seines Lebens in einem Pflegeheim oder aber in einer Wohnung mit einem ambulanten Pflegedienst als seine persönliche Entscheidung grundsätzlich zuzubilligen und von dem getrennt lebenden Unterhaltsverpflichteten zu respektieren; angesichts beengter finanzieller Lebensverhältnisse von Eheleuten kann die Inanspruchnahme eines Zweibettzimmers jedoch zumutbar sein.

OLG Koblenz, Beschluß vom 24. August 2020 - 13 UF 275/20

Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 09.04.2020 (62 F 328/19) in den Ziffern 1. und 2. seines Tenors teilweise abgeändert, und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegner wird unter Abweisung des weitergehenden, nicht übereinstimmend für erledigt erklärten Antrages der Antragstellerin verpflichtet, an diese ab September 2020 Trennungsunterhalt in Höhe von 421 € monatlich, jeweils bis zum Dritten eines jeden Monats im Voraus, zu zahlen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.188 € festgesetzt.
4. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin A. zu den Bedingungen eines in dem Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz ansässigen Rechtsanwalts ohne Zahlungsbestimmung gewährt.

Gründe
I. Die Beteiligten sind seit Juli 2010 getrennt lebende Ehegatten.

Die Antragstellerin lebt seit Sommer 2014 in einem Pflegeheim in Z. Für die Unterbringung und Pflege der Antragstellerin in einem Einzelzimmer in diesem Heim sind monatliche Kosten in Höhe von insgesamt 3.571,31 € zuzüglich einer Inkontinenzpauschale von 2,68 € aufzuwenden. Die im Jahre 1939 geborene Antragstellerin bezieht Renteneinkünfte von insgesamt 1.235,32 € netto; von der Pflegekasse erhält sie zur Deckung der Heimkosten monatlich einen Betrag in Höhe von 1.402,88 € mit der Folge, daß ein ungedeckter Zahlbetrag von 935,79 € verbleibt.

Der im Jahre 1938 geborene Antragsgegner bezieht eine Rente in Höhe von monatlich 2.343,11 € netto; nach Abzug seiner Krankenkassen- und Pflegeversicherungsprämien verbleiben ihm monatlich 1.938,14 €. Er bewohnt das in dem hälftigen Miteigentum der Beteiligten stehende Garten-/Ferienhaus in A., dessen Mietwert im Rahmen eines durch die Antragstellerin privat in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens mit monatlich 198 € bewertet worden ist. Er zahlt seit Januar 2015 monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 447 €.

Die Antragstellerin hat die Zahlung von laufendem Trennungsunterhalt ab November 2019 in Höhe von monatlich 938,14 €, sowie von rückständigem Trennungsunterhalt für die Monate September und Oktober 2019 von insgesamt 982,28 € verlangt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß sie einen besonderen Bedarf in Form der oben genannten Heim- und Pflegekosten zuzüglich eines Taschengeldes von 25 €/monatlich habe, und der Antragsgegner bei Berücksichtigung des eheangemessenen Selbstbehalts zur Zahlung des begehrten Unterhalts leistungsfähig sei.

Der Antragsgegner hat Antragszurückweisung beantragt, als Trennungsunterhalt von mehr als 351 € monatlich verlangt wird, denn nach dem Halbteilungsgrundsatz schulde er nicht mehr; außerdem bestehe für die Antragstellerin noch ein Wohnrecht an der Wohnung der Tochter. Insoweit könne die Antragstellerin den notariellen Schenkungsvertrag noch widerrufen, um ihren Bedarf zu finanzieren. Auch habe die Antragstellerin wertvollen Schmuck von mehreren 1.000 €, den sie zu der Deckung ihres Bedarfs verwerten müsse.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Neuenahr-Ahrweiler hat den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet, und den Anspruch auf Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 938,14 € auf § 1361 BGB gestützt. Der Bedarf der Antragstellerin bestehe in den konkreten Heim- und Pflegekosten zuzüglich Taschengeld. Die Antragstellerin sei nicht in der Lage, diese Kosten alleine zu tragen. Nach Berücksichtigung ihrer Rente und der Zahlung der Pflegekasse verbleibe ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 960,79 €, der bis zu der Höhe seines Selbstbehalts von 1.200 € von dem Antragsgegner zu decken sei, denn dessen Nettoeinkommen von 1.938,14 € sei ein Wohnwert von 200 € hinzuzurechnen. Nach Abzug von 1.200 € verblieben sodann noch 938,14 € zur Zahlung an Trennungsunterhalt für die Antragstellerin.

Mit der gegen diesen Beschluß gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsgegner die Aufhebung des familiengerichtlichen Beschlusses insoweit, als er zur Zahlung von laufendem Trennungsunterhalt von mehr als monatlich 421 € sowie zur Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts verpflichtet worden ist. Das Familiengericht habe zu Unrecht den zu der Berechnung von Trennungsunterhalt geltenden Halbteilungsgrundsatz nicht beachtet. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27. April 2016 (BGHZ 210, 124 = FamRZ 2016, 1142 = FuR 2016, 472) passe auf den vorliegenden Fall nicht, da es in dem dort zur Entscheidung stehenden Sachverhalt um Familienunterhalt während bestehender Ehe gegangen sei, und nicht um Trennungsunterhalt.

Zudem sei ihm zu Unrecht ein Wohnwert von 200 € zugerechnet worden. Der Privatgutachter habe zum einen die Wohnfläche falsch berechnet: Statt der angegebenen 66 qm weise das Haus nur 56 qm auf; außerdem sei als Miete lediglich ein qm-Preis von 2 € anzusetzen, da das Haus weder einen Wasseranschluß habe, noch über eine Zentralheizung verfüge, vielmehr mit einem Holzofen beheizt würde. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, daß sich die Antragstellerin zu keiner Zeit an den verbrauchsunabhängigen Kosten von insgesamt 80,70 €/monatlich beteiligt habe, und er diese allein trage. Weiterhin habe die Antragstellerin bei ihrer Trennung darauf bestanden, daß er die Ehewohnung verlasse, dafür aber dann in das Ferienhaus in A. ziehen könne. Auch vor diesem Hintergrund sei ihm ein Wohnwert nicht zuzurechnen. Ebenfalls einkommensmindernd wirke sich die notwendige Haltung eines Pkw aus.

Darüber hinaus liege der ungedeckte Bedarf der Antragstellerin auch keinesfalls bei 938,14 €, denn die Antragstellerin mache Ansprüche im Hinblick auf die Unterbringung in einem Einzelzimmer geltend, könne jedoch angesichts der beengten finanziellen Mittel lediglich die Unterbringung in einem Zweibettzimmer als existenznotwendigen Bedarf geltend machen. Die Kosten hierfür könne sie aus dem Pflegegeld und ihrer Rente zahlen. Darüber hinaus habe die Antragstellerin ein Wohnrecht an der Wohnung ihrer Tochter, welche mit einer begehbaren Dusche ausgestattet sei, und sie könne, da sie im Rollstuhl sitzend nur Pflegestufe 3 habe, auch dort mit Pflegepersonal deutlich günstiger wohnen.

Schließlich habe die Antragstellerin ebenfalls (Gold-)Schmuck im Wert von etwa 20.000 €, den sie zur Deckung ihres Bedarfs verwerten müsse. Soweit sie einwendet, diesen habe sie ihrer Tochter geschenkt, müsse Letztere ihr den Schmuck zurückgeben, weil er, der Antragsgegner, der Schenkung nicht zugestimmt habe, aber ebenfalls Miteigentümer des Schmucks sei, denn der Schmuck sei zur Vermögensbildung von ihnen beiden angeschafft worden. Bei Zugrundelegung seines Einkommens in Höhe von 2.050,14 € (bei Anrechnung von 112 € als Wohnwert) und 1.235,32 € auf Seiten der Antragstellerin errechne sich ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 407,41 €. Der Unterhaltsantrag sei folglich abzuweisen, als er den Betrag 421 €/monatlich übersteige - dies ist der Umfang, in welchem der Senat der Beschwerde Erfolgsaussichten beigemessen hat.

Die Antragstellerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, und nimmt Bezug auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der im Falle der Pflegebedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten ein besonderer und existenznotwendiger Unterhaltsbedarf in Form der Heimkosten bestehe, welcher nicht auf einen hälftigen Anteil an dem ehelichen Einkommen beschränkt werden könne. Eine Unterbringung in einem Zweibettzimmer sei unter Hinweis auf § 20 Abs. 3 S. 2 WTG NRW nicht möglich, da die Unterbringung in Einbettzimmern die Regel sei, und Zweibettzimmer nur in Ausnahmefällen - bei Unterbringung von Ehegatten - angeboten würden. Das Heim, in dem sie lebe, sei kostengünstig, jedoch nur mit Einzelzimmern ausgestattet. Die von dem Antragsgegner angesprochene Wohnung sei nicht behindertengerecht, und das Haus verfüge auch nicht über einen Aufzug. Aufgrund von Depression und damit einhergehenden psychosomatischen Störungen sei sie überdies nicht in der Lage, dort mit Hilfe einer ambulanten Pflege zu leben. Den Schmuck habe sie schon vor Jahren an ihre Tochter verschenkt als Ausgleich dafür, daß diese bislang seit Sommer 2014 die ungedeckten Heimkosten getragen, und ihr Mittel für Kleidungserwerb, Unternehmungen etc. zur Verfügung gestellt habe. Auch habe der Schmuck keinen Wert von 20.000 € aufgewiesen, und stehe nicht im Miteigentum beider Beteiligter.

In dem Senatstermin am 4. August 2020 haben die Beteiligten den Rechtsstreit bis einschließlich August 2020 in Höhe von dem Antragsgegner weiterhin gezahlten Trennungsunterhalts von monatlich 447 € übereinstimmend für erledigt erklärt.

II. Die nach §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 9. April 2020 hat auch in der Sache Erfolg.

1. Soweit der Beschwerdeantrag des Antragsgegners unbestimmt gewesen sein sollte, führt dies nicht zu der Unzulässigkeit seines Rechtsmittels, denn dessen Umfang ergab sich auf jeden Fall in ausreichender Weise aus der Beschwerdebegründung (BGH FamRZ 2015, 1009 = FuR 2015, 407). Ebenso zulässig ist die nach der Ankündigung des Senats, in welchem Umfang dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe gewährt werden kann, in dem Termin am 4. August 2020 vorgenommene Erweiterung der Beschwerde. Mangels eines Verweises auf § 533 ZPO in § 117 FamFG gelten diesbezüglich die allgemeinen Vorschriften für die erste Instanz, mithin § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 263 ff ZPO. Hintergrund ist, daß die Beschwerdeinstanz in allen Familiensachen grundsätzlich volle zweite Tatsacheninstanz ist (§§ 65 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 1, 115 FamFG). Vorbehaltlich der Einschränkung des § 145 Abs. 1 S. 1 FamFG in Ehesachen ist daher auch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eine Erweiterung des Beschwerdeantrages zulässig, soweit sich die Erweiterung auf bereits in der Rechtsmittelbegründungsschrift enthaltene Gründe stützt (BGH FamRZ 2015, 1009 = FuR 2015, 407). Das war hier der Fall.

In der Sache hat das Familiengericht zwar zu Recht einen Trennungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner nach § 1361 BGB für gegeben erachtet; dieser besteht aber lediglich in Höhe von 421 € monatlich.

2. Das Familiengericht hat den von der Antragstellerin geltend gemachten Betrag von 960,79 € als konkreten Bedarf behandelt, und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Familienunterhalt (BGHZ 210, 124 = FamRZ 2016, 1142 = FuR 2016, 472) den grundsätzlich bei der Berechnung des Trennungsunterhalts geltenden Halbteilungsgrundsatz nicht angewendet, sondern die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners zur Zahlung des konkreten Bedarfs unter Berücksichtigung des eheangemessenen Selbstbehalts von 1.200 € mit 938,14 € bemessen.

a) Der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten richtet sich gemäß § 1361 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen; diese werden aber nicht nur durch die jeweiligen Einkommen der Eheleute, sondern auch und insbesondere durch krankheits- und pflegebedingte Kosten einschließlich der Kosten für betreutes Wohnen oder die Unterbringung in einem Pflegeheim geprägt (OLG Hamm FamRZ 2018, 167 ff). Die Kosten einer erforderlichen Heimunterbringung können damit den Unterhaltsbedarf des getrennt lebenden Ehegatten konkret bestimmen (OLG Koblenz FamRZ 1998, 1513). Die Antragstellerin hat zwar vor der Trennung im Jahre 2010 noch nicht in einem Pflegeheim gelebt; der Umzug in das Pflegeheim erfolgte erst vier Jahre später im Sommer 2014. Die Antragstellerin war jedoch zu dem Zeitpunkt der Trennung - selbst nach dem Vortrag des Antragsgegners - in Form von Depressionen psychisch erkrankt, und hat unter Betreuung gestanden.

Maßgeblich für die Bedarfsbemessung und für die Berechnung des Trennungsunterhalts sind die »gegenwärtigen« wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten in dem Zeitraum, für den Trennungsunterhalt verlangt wird. Abzustellen ist auf die aktuellen Einkommensverhältnisse, an deren Entwicklung die Eheleute bis zur Scheidung gemeinschaftlich teilhaben (BGH FamRZ 1994, 87 f = EzFamR BGB § 1361 Nr. 30 = BGHF 8, 1236). Da das Eheband während der Trennung weiterbesteht, fließen grundsätzlich alle in dieser Zeit eintretenden positiven und negativen wirtschaftlichen und persönlichen Entwicklungen der Ehegatten in die ehelichen Lebensverhältnisse ein, es sei denn, sie beruhen auf Veränderungen nach der Trennung, die auf einer unerwarteten und von dem Normalfall erheblich abweichenden Entwicklung beruhen (OLG Hamm FamRZ 2018, 167 ff).

Die Frage, ob hier der konkrete Bedarf der Heimunterbringung immerhin erst vier Jahre nach der Trennung unerwartet war, und damit bei der Berechnung des Trennungsunterhalts nicht mehr zu berücksichtigen ist, oder aber, ob aufgrund der bereits bestehenden psychischen Erkrankung in Form einer Depression bei der Trennung absehbar war, daß eine Heimunterbringung erforderlich werden würde, und insoweit keine unerwartete Entwicklung gegeben wäre mit der Folge, daß vorliegend der konkrete Bedarf durch die notwendigen Heimkosten bestimmt wäre, kann letztendlich dahinstehen, denn der ungedeckte konkrete Bedarf der Antragstellerin besteht - wie der Antragsgegner zu Recht einwendet - nicht in der geltend gemachten Höhe; er bleibt vielmehr im Ergebnis hinter dem Quotenunterhalt nach dem Halbteilungsgrundsatz zurück.

b) Die Antragstellerin legt ihren konkreten Bedarf mit den Heimkosten abzüglich der Rentenzahlungen sowie der Leistungen der Pflegekasse dar, mit der Folge, daß 935,79 € an ungedeckten Heimkosten verbleiben, zuzüglich 25 € für ihre persönlichen Bedürfnisse, also insgesamt 960,79 €.

c) Soweit der Antragsgegner einwendet, daß die Antragstellerin noch in der Wohnung, für die sie ein Wohnrecht habe, mit einem ambulanten Pflegedienst leben könne, hätte dies nicht zwingend zur Folge, daß der Bedarf der Antragstellerin geringer wäre, denn im Falle der Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst würde die Pflegekasse auch weit weniger zahlen; vor allem aber ist der Antragstellerin die Entscheidung über die Form ihres Lebens in einem Pflegeheim oder aber in einer Wohnung mit einem ambulanten Pflegedienst als ihre persönliche Entscheidung grundsätzlich zuzubilligen, und von dem getrennt lebenden Antragsgegner zu respektieren. Vor diesem Hintergrund können die strittigen Punkte, ob das Haus über einen Aufzug verfügt, und ob die Wohnung eine behindertengerechte Dusche hat, offenbleiben.

d) Bei den konkret geltend gemachten Heimkosten der Antragstellerin aber sind - wie der Antragsgegner zu Recht einwendet - Kosten für die Unterbringung in einem Einzelzimmer berücksichtigt.

Dahinstehen kann hier, ob im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von Heimkosten diese stets nur in Höhe eines lebensnotwendigen Bedarfs in Form einer Unterbringung in einem Zweibettzimmer anzuerkennen sind (für die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit auch von Kosten eines Einbettzimmers vgl. OLG Saarbrücken FamRZ 2004, 1193), denn jedenfalls vorliegend dringt der Antragsgegner mit seinem Einwand durch. Er hat sich darauf berufen, daß im Falle der Unterbringung in einem Zweibettzimmer der in der Rechnung des Pflegeheims aufgeführte Investitionszuschlag für das Einzelzimmer in Höhe von 699,05 €/monatlich entfallen würde; auch hat er in der mündlichen Verhandlung Pflegeheime sowohl in Z. als auch im Umkreis von bis zu 70 bis 80 km Entfernung benannt, die über eine preiswertere Unterbringung in einem Zweibettzimmer verfügen. Der Einwand der Antragstellerin, das Heim, in dem sie lebe, verfüge nur über Einzelzimmer, und ohnehin sei nach § 20 Abs. 3 WTG NRW eine Unterbringung in einem Einzelzimmer die Regel, und Doppelzimmer würden nur in Ausnahmefällen - zum Beispiel bei Ehegatten - angeboten, verfängt hier nicht, denn angesichts der beengten finanziellen Lebensverhältnisse der Eheleute und vor allem der bescheidenen Wohnverhältnisse des Antragsgegners ist der Antragstellerin in dem hier zu entscheidenden konkreten Fall die Inanspruchnahme eines Zweibettzimmers zuzumuten. Dies gilt auch angesichts des Umstands, daß sie hierzu wohl das Heim wechseln müßte.

Trotz des von dem Senat in der Terminsverfügung erfolgten Hinweises, daß der Einwand der erforderlichen Wahl eines günstigeren Doppelzimmers in einem Alten-/Pflegeheim erheblich sein könnte, hat die Antragstellerin weder dargetan, daß sie sich seinerzeit im Jahre 2014 um eine Unterbringung in einem Zweibettzimmer bemüht hat, noch, daß sie in der Folgezeit solche Bemühungen unternommen hat; ganz im Gegenteil hat sie in dem Senatstermin am 4. August 2020 ausgeführt, weder in ein Zweibettzimmer, noch in ein Heim etwas weiter weg von Z., zum Beispiel in das etwa 60 km entfernte Bergheim, zu ziehen. In diesem Zusammenhang kann sich die Antragstellerin auch nicht auf § 20 Abs. 3 WTG NRW berufen, denn dieser besagt nur, daß den Bewohnern auf Wunsch ein Einzelzimmer zur Verfügung zu stellen ist, nicht aber, daß eine Unterbringung nur in einem Einzelzimmer zulässig ist; vielmehr bestimmt § 20 Abs. 4 WTG NRW, daß Zimmer für mehr als zwei Nutzer unzulässig sind, eine Unterbringung in einem Zweibettzimmer also sehr wohl möglich ist.

Ob die Investitionskosten für das Einzelzimmer in Höhe von 699,05 € die tatsächlichen Mehrkosten gegenüber der Unterbringung in einem Zweibettzimmer darstellen, oder aber ob auch für ein Zweibettzimmer Investitionskosten anfallen, und wenn ja, in welcher Höhe, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Antragstellerin trotz des vorgenannten Hinweises des Senats ebenfalls nicht vorgetragen. Allein mit dem Einwand, daß ihr Heim ein kostengünstiges Heim sei, und gar nicht feststehe, daß in anderen Heimen, sollten sie über Zweibettzimmer verfügen, diese preiswerter seien, genügt die Antragstellerin ihrer Darlegungspflicht nicht. Dies hat vorliegend zur Folge, daß davon auszugehen ist, daß bei Unterbringung in einem Zweibettzimmer lediglich Heimkosten von 2.874,94 € anfallen würden. Abzüglich der Rente und der Leistung der Pflegekasse verblieben dann ungedeckte Heimkosten in Höhe von nur 236,74 € zuzüglich 25 € für die Grundbedürfnisse der Antragstellerin (Taschengeld). Insgesamt beliefe sich der ungedeckte konkrete Bedarf damit lediglich auf 261,74 €.

3. Nach dem für die Berechnung des Trennungsunterhalts grundsätzlich geltenden Halbteilungsgrundsatz hat die Antragstellerin demgegenüber einen Anspruch auf Zahlung von monatlich gerundet ([2.078,14 € + 1.235,32 € =] 3.313,46 € : 2 = [1.656,73 € ./. 1.235,32 €] =) 421 €. Da dieser Betrag ihren gemäß den vorstehenden Ausführungen hier zugrunde zu legenden ungedeckten konkreten Bedarf übersteigt, ist der Antragsgegner verpflichtet, den nach dem Halbteilungsgrundsatz geschuldeten Trennungsunterhaltsbetrag von monatlich 421 € zu zahlen. In der Vergangenheit hat der Antragsgegner jeweils 447 € monatlich gezahlt, und die Beteiligten haben das Verfahren in dieser Höhe übereinstimmend für erledigt erklärt.

4. Das bei dem Antragsgegner zugrunde zu legende Einkommen setzt sich aus seinen Renteneinkünften in Höhe von 2.343,11 € netto, von denen nach Minderung um die Krankenkassen- und Pflegeversicherungsprämien noch einen Betrag in Höhe von 1.938,14 € verbleibt, sowie dem Wohnwert für das in A. gelegene Garten-/Ferienhaus, welches der Antragsgegner dauerhaft bewohnt, zusammen. Das seitens der Antragstellerin in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten weist für das vorgenannte Objekt einen qm-Preis von 3 €, und bei einer von dem Sachverständigen zugrunde gelegten Wohnfläche von 66 qm einen Wohnwert von 198 € aus. Der Antragsgegner hat zum einen unbestritten eingewandt, daß das Haus nur eine Wohnfläche von 56 qm aufweise. Außerdem sei der qm-Preis von 3 € aufgrund der fehlenden Zentralheizung und des fehlenden Wasseranschlusses überhöht; es sei allenfalls ein qm-Preis von 2 € angemessen, und damit ein Wohnwert von höchstens 112 € anzusetzen.

Nach dem Mietpreisspiegel für A. ist für die Miete von Wohnungen in den letzten Jahren von einem durchschnittlichen qm-Preis von 5,01 € bis 5,65 € auszugehen. Damit berücksichtigt die Sachverständigen-Annahme von 3 € pro qm bereits die einfache Bauweise sowie die fehlende Zentralheizung des Hauses. Bezüglich des fehlenden Wasseranschlusses, den der Gutachter in seinem Gutachten fälschlicherweise als vorhanden unterstellt hat, ist nochmals ein Abzug von 0,50 € pro qm gerechtfertigt, so daß im Wege einer Schätzung nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 287 ZPO von einem qm-Preis von 2,50 € auszugehen ist. Bei Zugrundelegung von 56 qm ist folglich ein Wohnwert von 140 € zu berücksichtigen.

Der weitere Einwand des Antragsgegners, es seien noch verbrauchsunabhängige Betriebskosten für das Ferienhaus in Höhe von monatlich 40,35 € (1/2 von 80,70 €) abzuziehen, die er jahrelang alleine beglichen habe, greift hingegen nicht durch, denn die von dem Hauseigentümer zu tragenden verbrauchsunabhängigen Kosten können grundsätzlich nur dann von seinem Wohnvorteil abgezogen werden, wenn es sich bei ihnen um nicht umlagefähige Betriebskosten iSv § 556 Abs. 1 BGB handelt (BGH FamRZ 2009, 1300 = FuR 2009, 567 Tz. 29 ff). Letzteres ist vorliegend jedoch nicht der Fall bzw. nicht dargelegt, weshalb sich das Gesamteinkommen des Antragsgegners auf (1.938,14 € + 140 € =) 2.078,14 € beläuft. Die Kosten für die Unterhaltung des Pkw hat der Antragsgegner demgegenüber als allgemeine Lebenshaltung aus seinem Selbstbehalt zu begleichen.

5. Die Antragstellerin kann und muß ihren Unterhaltsbedarf nicht entsprechend dem Einwand des Antragsgegners durch den Verkauf ihres Schmucks oder aber die Verwertung des ihr eingeräumten Wohnrechts entsprechend § 1577 Abs. 3 BGB selbst decken. Zum einen geht es vorliegend um Ansprüche auf Zahlung von Trennungsunterhalt, auch wenn die Trennung schon einige Jahre zurückliegt; dies hat zur Folge, daß die Voraussetzungen für die Pflicht zur Verwertung des Vermögensstammes regelmäßig strenger sind als beim nachehelichen Unterhalt (Senat FamRZ 2017, 108 mit Verweis auf BGH FamRZ 1985, 360 = EzFamR BGB § 1361 Nr. 10 = BGHF 4, 771; 2012, 514, 517 = FuR 2012, 374). Zudem sieht der notarielle Vertrag über die Einräumung des lebenslangen Wohnrechts an der der Tochter übertragenen Wohnung in Bergheim keinen Anspruch auf Entschädigung für den Fall der Nichtausübung des Wohnrechts vor, und es ist auch nicht auf Dritte übertragbar und dementsprechend nicht verwertbar.

Den Schmuck kann die Antragstellerin nicht verwerten, da sie nicht mehr im Besitz desselben ist. Die Antragstellerin hat den Schmuck ihrer Tochter geschenkt. Der Einwand des Antragsgegners, die Übertragung sei unwirksam, da er als Miteigentümer nicht zugestimmt habe, kann nicht überzeugen. Der Antragsgegner selbst hat zunächst vorgetragen, daß es Schmuck der Antragstellerin sei; erst in einem späteren Schriftsatz hat er geltend gemacht, sie hätten den Schmuck als »Wertsicherung« während der Ehe gemeinsam angeschafft. Darüber hinaus ist der Vortrag zu dem angeblichen Wert von mehreren tausend Euro bis hin zu 20.000 € unsubstantiiert, und soweit der Antragsgegner tatsächlich Miteigentümer sein sollte, auch nur zur Hälfte der Antragstellerin zuzurechnen, und damit zumindest als sog. »Notgroschen« nicht zu berücksichtigen.

6. Die Beschwerde hat demnach vollumfänglich Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 243, 113 Abs. 1 FamFG, § 91a Abs. 1, 93 ZPO.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes richtet sich nach §§ 40, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.

7. Der Antragstellerin ist gemäß § 113 Abs. 1 FamFG, §§ 114 f, 119 Abs. 1 S. 2, 121 Abs. 3 ZPO notwendige Verfahrenskostenhilfe zu gewähren.

Hinweis
Diesem Beschluß ist der Senatsbeschluß vom 22. Juni 2020 (FamRZ 2020, 1936 = FuR 2021, 272) zu dem Antrag des Antragsgegners wegen Aufhebung der sofortigen Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung des Familiengerichts vorangegangen.

OLG Koblenz 2020-08-24 - 13 UF 275/20
Speichern Öffnen ko-2020-08-24-0275-20-01.pdf (93,51 kb)


Anmerkungen

Die seit dem Jahre 2010 getrennt lebende Ehefrau ist in ein Einzelzimmer im Pflegeheim gezogen, und verlangt von ihrem Ehemann Trennungsunterhalt, den sie in Höhe der Heimkosten abzüglich ihrer Rente und der Zahlungen der Pflegekasse als konkreten Bedarf geltend macht. Der Ehemann hat sich auf den Halbteilungsgrundsatz berufen. Das FamG hat entschieden, er müsse den Bedarf der Ehefrau bis zur Höhe seines Selbstbehalts decken. Das OLG hat auf die Beschwerde des Ehemannes diesen Beschluss teilweise abgeändert (Reduzierung des geschuldeten Trennungsunterhalts) und insgesamt neu gefasst.

Der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten wird nicht nur durch die jeweiligen Einkommen der Eheleute geprägt, sondern kann auch durch krankheits- und pflegebedingte Kosten einschliesslich der konkret angefallenen Kosten für betreutes Wohnen oder die erforderliche Unterbringung in einem Pflegeheim bestimmt werden. Zwar ist die Entscheidung der Ehefrau, in ein Pflegeheim zu ziehen, statt in ihrer Wohnung mit einem ambulanten Pflegedienst zu verbleiben, grundsätzlich zu billigen, und von dem getrennt lebenden Unterhaltsschuldner zu respektieren; allerdings kann die Ehefrau angesichts der beengten finanziellen Lebensverhältnisse nicht die Kosten eines Einbettzimmers beanspruchen.

Für die Bedarfsbemessung und die Bemessung des Trennungsunterhalts sei auf die »gegenwärtigen« wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten in dem Zeitraum abzustellen, für den Trennungsunterhalt verlangt wird. Da das Eheband während der Trennung weiterbesteht, beeinflussten grundsätzlich alle in dieser Zeit eintretenden positiven und negativen wirtschaftlichen und persönlichen Entwicklungen der Ehegatten in die ehelichen Lebensverhältnisse, es sei denn, sie beruhten auf Veränderungen nach der Trennung, die auf einer unerwarteten und von dem Normalfall erheblich abweichenden Entwicklung zurückzuführen seien. Allerdings bestehe der ungedeckte konkrete Bedarf der Ehefrau nicht in der geltend gemachten Höhe, sondern bleibe im Ergebnis hinter dem Quotenunterhalt nach dem Halbteilungsgrundsatz zurück. Das OLG hat sodann auf der Basis der beiderseitigen Einkünfte der Ehegatten unter Anwendung des für die Berechnung des Trennungsunterhalts grundsätzlich geltenden Halbteilungsgrundsatzes einen Anspruch auf Zahlung von monatlich gerundet 421 € errechnet.

Hinweise
1. Zu der Bemessung des Ehegattenunterhalts in Sonderfällen: Heimaufenthalt (BGH FamRZ 2016, 1142 = FuR 2016, 472; OLG Celle FamRZ 2016, 825); Unterbringung in einer Gehörlosenwohngruppe (OLG Düsseldorf FamRZ 2018, 103 = FuR 2017, 684); Einrichtung des betreuten Wohnens (OLG Hamm FuR 2018, 98).

2. Beim Ehegattenunterhalt gilt generell zum Schutze des Unterhaltspflichtigen der Halbteilungsgrundsatz. Beim Renteneinkommen der beteiligten Ehegatten wird - anders als bei Einkommen aus Erwerbstätigkeit - kein Erwerbstätigenbonus abgezogen.

3. Die umfangreiche Entscheidung enthält auch Ausführungen zu der Wohnwertbemessung bei einem Ferienhaus, zu der Obliegenheit der Ehefrau, ihren Schmuck zu verwerten, und zu den erforderlichen Darlegungen für den Ansatz der Kosten eines Einbettzimmers im Pflegeheim.


______________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Verwirkung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt bei Eingehung einer neuen, verfestigten Lebenspartnerschaft.

BGB §§ 1361, 1361a, 1579, 1605; FamFG §§ 113, 127

1. Eine Auskunftsverpflichtung besteht dann nicht, wenn feststeht, daß die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Unterhaltsanspruch endgültig verwirkt ist.
2. Wenn beide Eheleute nach der Trennung einer neue, verfestigte Lebenspartnerschaft eingehen, ist jedenfalls bei der Dauer von sieben bis acht Jahren der Anspruch auf Trennungsunterhalt verwirkt. Bei einer derart langen Trennung lebt der Anspruch grundsätzlich auch nicht wieder auf, wenn die neue Lebenspartnerschaft scheitert; etwas anderes gilt nur, wenn besondere Umstände vorliegen.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 23. Oktober 2020 - 9 WF 249/20

Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 05.10.2020 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Cottbus vom 31.08.2020 (230 F 82/20) wird zurückgewiesen.

Gründe
Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg; sie ist unbegründet. Das Amtsgericht - Familiengericht - Cottbus hat mit zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung vom 31. August 2020 der Antragstellerin die begehrte Verfahrenskostenhilfe für ihren Stufenantrag (Auskunft und Zahlung von Trennungsunterhalt gemäß §§ 1361a Abs. 4 S. 4, 1605 BGB) versagt. Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, daß hier eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Nr. 8 BGB (iVm § 1361 Abs. 3 BGB) vorliegt, und daher bereits die Erfolgsaussichten für den geltend gemachten Auskunftsanspruch zu verneinen sind.

1. Eine Auskunftsverpflichtung besteht dann nicht, wenn feststeht, daß die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann (BGH FamRZ 1982, 996, 997 = BGHF 3, 398; 1994, 1169, 1170 = EzFamR BGB § 1580 Nr. 6 = BGHF 9, 448; 2018, 260 = FuR 2018, 208).

Zwar kann die Verwirkungsregelung des § 1579 BGB einem Auskunftsanspruch grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, weil in der Regel nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Ergebnis der Auskunft für die umfassende Interessenabwägung nach § 1579 BGB zu berücksichtigen ist (vgl. bereits BGH FamRZ 1983, 456, 457 = BGHF 3, 905); vorliegend ist aber unter keinem realistisch denkbaren Fall noch ein Unterhaltsanspruch gegeben, da dieser endgültig verwirkt ist. Das Ergebnis einer zu erteilenden Auskunft kann diese Bewertung daher nicht - jedenfalls nicht unter Beachtung realistischer Erwartungen - beeinflussen.

2. Zunächst bestehen keine Bedenken, daß nach der Trennung der Beteiligten im Jahre 2009 eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs eingesetzt hat. Unstreitig haben sich beide Beteiligte im Anschluß an ihre Trennung - die Antragstellerin jedenfalls noch im Jahre 2009 - einer neuen, verfestigten Lebenspartnerschaft zugewandt. Die Antragstellerin selbst hat diese auch langjährig aufrechterhalten, und offenbar erst im Jahre 2020 aufgegeben. Damit ist - so man für die notwendige Verfestigung eine Zeitdauer von etwa zwei bis drei Jahren ansetzt (OLG Frankfurt NJW 2019, 3314) - jedenfalls über sieben bis acht Jahre hinweg eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Nr. 2 BGB festzustellen.

3. Mit Beendigung dieser Lebensgemeinschaft im Jahre 2020 lebte der verwirkte Unterhaltsanspruch nicht mehr auf. Zwar ist es grundsätzlich möglich, daß ein einmal versagt oder beschränkter Unterhaltsanspruch nach Fortfall des Härtegrundes wiederauflebt; bei der dafür gebotenen umfassenden Prüfung ist aber besonders zu berücksichtigen, wie lange der Verwirkungstatbestand angedauert hat (BGH FamRZ 2011, 1498, 1501 = FuR 2011, 639). Zudem wird regelmäßig allein bei Berücksichtigung von Schutzinteressen gemeinsamer Kindern ein Wiederaufleben eines Betreuungsunterhaltsanspruchs in Betracht zu ziehen sein, wohingegen für andere Unterhaltstatbestände nur sehr ausnahmsweise ein Wiederaufleben angenommen werden kann (vgl. erneut BGH aaO).

Soweit erkennbar, kommt für die Antragstellerin allein ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB, jedenfalls aber nicht ein Betreuungsunterhaltsanspruch in Betracht. Angesichts des Umstandes, daß der entsprechende Unterhaltsanspruch nach der Trennung nie geltend gemacht wurde, und mindestens etwa sieben bis acht Jahre lang verwirkt war, scheidet auch unter Beachtung dessen, daß die Ehe bis zu ihrer Trennung etwa 17 Jahre angedauert hat, ein Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs nach allen bislang bekannten Umständen aus. Beide Beteiligte haben sich komplett wirtschaftlich verselbständigt; die Antragstellerin ist zudem selbstständig tätig, und verfügt über Grundvermögen. Besondere Umstände, die dazu führen könnten, daß sehr ausnahmsweise ein Wiederaufleben noch in Betracht zu ziehen wäre, sind weder anhand der Aktenlage, noch aus dem Vortrag der Antragstellerin erkennbar.

OLG Brandenburg 2020-10-23 - 9 WF 249/29
Speichern Öffnen bra-2020-10-23-249-20.pdf (50,07 kb)


Anmerkungen

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Die Ehefrau lebte nach der Trennung zwischen 2009 und 2020 in einer festen Beziehung und machte keinen Trennungsunterhalt geltend. Nach Scheitern der neuen Beziehung forderte sie ihren Ehemann erstmalig im Jahre 2020 zur Zahlung von Trennungsunterhalt auf, und verlangte in diesem Zusammenhang Auskunft über seine Einkommensverhältnisse. Nachdem der Ehemann die Auskunft verweigert hatte, beantragte sie für den Stufenantrag auf Auskunft und Unterhalt VKH, die von dem AmtsG versagt wurde: Dem Unterhaltsanspruch stehe der Verwirkungstatbestand durch die zuvor über Jahre gelebte verfestigte Beziehung entgegen. Die diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg.

Ein Auskunftsanspruch als solcher könne grundsätzlich nicht von der Verwirkungsregelung des § 1579 BGB betroffen sein; die Prüfung der Verwirkung erfordere eine Interessenabwägung, die erst im Rahmen der Prüfung der Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Unterhalt vorgenommen werden könne. Dies erfolge in der Regel, nachdem der Unterhaltsanspruch an sich nach Erteilung der Auskunft dem Grunde und der Höhe nach ermittelt wurde.

Bei einer verfestigten Beziehung von über acht Jahren sei der Verwirkungstatbestand endgültig eingetreten (s. auch OLG Frankfurt NZFam 2019, 1013). Mangels eines Unterhaltsanspruchs könne die Auskunft als solche unter keinem Aspekt das Entstehen des Anspruchs auf Unterhalt beeinflussen, weil der Auskunftsanspruch von dem Unterhaltsanspruch abgeleitet wird. Entsprechend seien die Erfolgsaussichten des Stufenantrages schon vor der Auskunfterteilung zu verneinen; auf die Interessenabwägung komme es nicht mehr an (BGH FamRZ 1982, 996; 1994, 1169 = FuR 1994, 308; 2018, 260 = FuR 2018, 208).

Hinweis
Leitsätze der Entscheidung BGHZ 190, 251 = FamRZ 2011, 1498 = FuR 2011, 639:

1. Zweck der gesetzlichen Neuregelung in § 1579 Nr. 2 BGB ist es, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Entscheidend ist deswegen darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt. Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle.

2. Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder versagter nachehelicher Unterhaltsanspruch kann grundsätzlich wiederaufleben, wobei es einer umfassenden Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf. Bei Beendigung der verfestigten Lebensgemeinschaft lebt ein versagter Unterhaltsanspruch regelmässig im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf. Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur dann, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität geschuldet ist, das im Ausnahmefall eine weitergehende nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann.


______________________________________________________________________________________________

Familienunterhalt; Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Anspruch auf Wirtschaftsgeld für die Vergangenheit; familienrechtlicher Ausgleichsanspruch.

BGB §§ 1353, 1356, 1360, 1360a, 1360b, 1361

1. Die Zahlung von Wirtschaftsgeld kann nach der Trennung nicht mehr für davor liegende Zeiträume verlangt werden: Das Wirtschaftsgeld wird nur treuhänderisch zur zweckgebundenen Verwendung für die Familie überlassen. Da es nach der Trennung nicht mehr für den Bedarf der Familie treuhänderisch verwendet werden kann, erlischt der Anspruch nach der Trennung der Ehegatten.
2. Ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch kommt in Betracht, wenn ein Ehegatte unfreiwillig höhere Zahlungen für den Familienunterhalt geleistet hat, als seiner anteilmäßigen Haftung entspricht.
3. Bei § 1360b BGB, der auch für den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch anzuwenden ist, handelt es sich um eine widerlegbare Vermutung.



______________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Stufenantrag auf Zahlung von Trennungsunterhalt; Verpflichtung zur Auskunfterteilung; Unzulässigkeit einer Beschwerde wegen Nichterreichen des Beschwerdewertes.

BGB §§ 1361, 1605; FamFG §§ 61, 113; ZPO § 97

Der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunfterteilung im Rahmen eines Stufenverfahrens richtet sich nicht nach dem beabsichtigten Leistungsanspruch, sondern nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Somit ist - abgesehen von dem Falle eines besonderen Geheimhaltungsinteresses - auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert.
2. Zu der Bewertung des von dem Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Aufwands an Zeit und Kosten für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft ist grundsätzlich auf diejenigen Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozeß erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufliche Leistung erbringt, noch einen Verdienstausfall erleidet.

OLG Düsseldorf, Beschluß vom 16. November 2020 - 7 UF 128/20

Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Neuss vom 16.07.2020 (45 F 8/19) wird als unzulässig verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
3. Der Beschwerdewert wird auf bis 500 € festgesetzt.
4. Dem Antragsgegner wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. zur Abwehr der Beschwerde ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Gründe
I. Die Beteiligten nehmen sich wechselseitig im Wege des Stufenantrages auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch. Die Antragstellerin, die die chinesische Staatsangehörigkeit besitzt, und der Antragsgegner, der deutscher Staatsangehöriger ist, schlossen am 20. Oktober 2014 die Ehe. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Antragstellerin hat aus früherer Ehe zwei Kinder. Die Beteiligten trennten sich im August 2018. Das Scheidungsverfahren ist bei dem Amtsgericht Neuss rechtshängig.

Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Zahlung von Trennungsunterhalt ab Oktober 2018. In der Auskunftsstufe hat sie zuletzt beantragt, dem Antragsgegner aufzugeben,

1. Auskunft über seine Einkommensverhältnisse durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses seiner Gesamteinkünfte der Monate Dezember 2017 bis einschließlich November 2019 zu erteilen,

2. vollständige Belege über seine nichtselbständige Tätigkeit seit Januar 2018 einschließlich November 2019 sowie über seine selbstständige Tätigkeit für die Jahre 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 vorzulegen,

3. für die Jahre 2016, 2017 und 2018 die von dem chinesischen Finanzamt ausgestellten Jahressteuerbescheide des Unternehmens sowie die zugrundeliegenden Bilanzen/GuV in beglaubigter deutscher Übersetzung vorzulegen,

4. Auskunft über seine weiteren Einkünfte wie aus Unternehmensbeteiligungen, Nebentätigkeiten, Mieten oder Zinsen aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 zu erteilen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Mit der Antragstellerin laut Empfangsbekenntnis ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 26. März 2019 zugestellten Schriftsatz vom 19. März 2019 hat er in der Auskunftsstufe widerantragend beantragt, der Antragstellerin aufzugeben, ihm Auskunft zu erteilen über ihre Einkünfte für die Zeit vom 1. April 2016 bis zum 31. März 2019 durch eine systematische, verständliche und lückenlose schriftliche Zusammenstellung nebst einer Aufstellung der geleisteten Steuerzahlungen einschließlich etwaiger Nachzahlungen, Steuervorauszahlungen und etwaig erhaltener Steuererstattungen, sowie über ihr Vermögen durch ein Bestandsverzeichnis zu dem Tage der Zustellung dieses Auskunftsantrages (Rechtshängigkeit), sowie die Auskunft zu belegen durch Vorlage von Originalurkunden, die nach der vorstehenden Auskunfterteilung notfalls näher bezeichnet werden, insbesondere

1. zu den Auskünften aus selbständiger Tätigkeit unter Vorlage

a) der Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzerläuterungen für die Jahre 2016, 2017 und 2018,

b) der zugrundeliegenden Summen- und Saldenlisten für die Jahre 2016, 2017 und 2018,

c) eines vollständigen Auszuges über die Sachkonten, Bewirtungskosten, Reisekosten, Raummieten, Löhne und Gehälter für die Jahre 2016, 2017 und 2018,

d) der Steuerbescheide und Steuererklärungen nebst sämtlicher Anlagen für die Jahre 2016, 2017 und 2018,

2. zu den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit einschließlich aller einmaligen Leistungen und Spesen durch Vorlage

a) aller monatlichen Gehaltsabrechnungen für die Zeit vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2019,

b) aller Spesenabrechnungen,

c) der Arbeitsverträge zwischen der Antragstellerin und ihrer Darlehensgeber,

d) des Steuerbescheides für das Jahr 2018,

e) der Steuererklärungen für das Jahr 2018 mit den Anlagen V (Vermietung und Verpachtung) und KSO (Kapitaleinkünfte),

3. zu den Einkünften aus Krankengeld oder sonstigen Leistungen aus Anlaß krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sowie Arbeitslosen- und Insolvenzgeld unter Vorlage der Leistungsbescheide und Zahlungsbelege,

4. zu den Einkünften aus Kapitalvermögen unter Vorlage von Bankbescheinigungen und Kontoauszügen,

5. zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unter Vorlage der Mietverträge und eventuell nachfolgender Mieterhöhungsvereinbarungen.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Widerantrag zurückzuweisen.

Durch Teilbeschluß vom 16. Juli 2020 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neuss den Antragsgegner verpflichtet (Ziff. I. 1. bis 4. der Beschlußformel):

1. Auskunft über seine Einkommensverhältnisse durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses seiner Gesamteinkünfte der Monate Dezember 2017 bis einschließlich November 2019 zu erteilen,

2. vollständige Belege über seine nichtselbständige Tätigkeit seit Januar 2018 bis einschließlich November 2019 sowie über seine selbständige Tätigkeit für die Jahre 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 vorzulegen,

3. für die Jahre 2016, 2017 und 2018 die von dem chinesischen Finanzamt ausgestellten Jahressteuerbescheide des Unternehmens sowie die zugrundeliegenden Bilanzen/GuV in beglaubigter deutscher Übersetzung vorzulegen,

4. Auskunft über seine weiteren Einkünfte wie aus Unternehmensbeteiligungen, Nebentätigkeiten, Mieten oder Zinsen aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 zu erteilen.

Auf den Widerantrag des Antragsgegners hat das Amtsgericht die Antragstellerin verpflichtet (Ziff. II. 1. a) bis e) der Beschlußformel):

Auskunft zu erteilen über ihre Einkünfte in der Zeit vom 1. April 2016 bis zum 31. März 2019 durch eine systematische, verständliche und lückenlose schriftliche Zusammenstellung nebst einer Aufstellung der geleisteten Steuerzahlungen einschließlich etwaiger Nachzahlungen, Steuervorauszahlungen und etwaig erhaltener Steuererstattungen, sowie über ihr Vermögen durch ein Bestandsverzeichnis zum 26. März 2019, sowie die Auskunft zu belegen durch Vorlage von Originalurkunden, die nach der vorstehenden Auskunfterteilung notfalls näher bezeichnet werden, insbesondere

a) zu den Auskünften aus selbständiger Tätigkeit unter Vorlage

aa) der Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzerläuterungen für die Jahre 2016, 2017 und 2018,

bb) der zugrundeliegenden Summen- und Saldenlisten für die Jahre 2016, 2017 und 2018,

cc) eines vollständigen Auszuges über die Sachkonten, Bewirtungskosten, Reisekosten, Raummieten, Löhne und Gehälter für die Jahre 2016, 2017 und 2018,

dd) der Steuerbescheide und Steuererklärungen nebst sämtlicher Anlagen für die Jahre 2016, 2017 und 2018,

b) zu den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit einschließlich aller einmaliger Leistungen und Spesen durch Vorlage

aa) aller monatlichen Gehaltsabrechnungen für die Zeit vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2019,

bb) aller Spesenabrechnungen,

cc) der Arbeitsverträge zwischen ihr und ihren Darlehensgebern,

dd) des Steuerbescheides für das Jahr 2018,

ee) der Steuererklärungen für das Jahr 2018 mit den Anlagen V (Vermietung und Verpachtung) und KSO (Kapitaleinkünfte),

c) zu den Einkünften aus Krankengeld oder sonstigen Leistungen aus Anlaß krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sowie Arbeitslosen- und Insolvenzgeld unter Vorlage der Leistungsbescheide und Zahlungsbelege,

d) zu den Einkünfte aus Kapitalvermögen unter Vorlage von Bankbescheinigungen und Kontoauszügen,

e) zu der Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unter Vorlage der Mietverträge und eventuell nachfolgender Mieterhöhungsvereinbarungen.

Zu dem Widerantrag hat das Amtsgericht ausgeführt, der Auskunftsanspruch des Antragsgegners folge entsprechend dem Auskunftsbegehren der Antragstellerin aus §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1605 BGB. Die Antragstellerin habe die geforderte Auskunft bislang nicht erteilt.

Gegen den ihr laut Empfangsbekenntnis am 17. Juli 2020 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin mit am 14. August 2020 bei dem Amtsgericht eingegangen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, und das Rechtsmittel mit an das Amtsgericht gerichtetem Schriftsatz vom 21. August 2020, eingegangen bei dem Amtsgericht an demselben Tage, begründet. Mit Verfügung vom 21. September 2020 hat das Amtsgericht die Akten an das Oberlandesgericht übersandt, wo sie am 22. September 2020 eingegangen sind.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin teilweise gegen den Ausspruch zu dem Widerantrag. Sie habe dem Antragsgegner bereits mitgeteilt, daß sie in dem Zeitraum, für den der Antragsgegner Auskunft begehre, keine Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit bezogen habe. Die Vorlage von Originalurkunden sei nicht geschuldet. Sie sei nicht verpflichtet, an den Antragsgegner Trennungsunterhalt zu zahlen. Summen- und Saldenlisten für die Jahre 2016 bis 2018 könne sie nicht vorlegen; gleiches gelte für Auszüge über Sachkonten pp. Hinsichtlich der Vorlage von Steuerbescheiden sei zu berücksichtigen, daß für die Veranlagungsjahre 2016 bis 2018 vor dem Amtsgericht Neuss ein Verfahren rechtshängig ist, in dem die Zusammenveranlagung für die Jahre 2016, 2017 und 2018 verfahrensgegenständlich sei. Hinsichtlich des in China vorhandenen Vermögens bestehe keine Auskunftspflicht. Zwecks Darstellung von in China befindlichem Vermögen müsse sie nach China reisen, was aktuell wegen der Corona-Pandemie nicht möglich bzw. nicht zumutbar sei. Das Amtsgericht habe den Wert auf 5.000 € festgesetzt; der Beschwerdewert sei erreicht.

Die Antragstellerin beantragt, ihr in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Neuss vom 16. Juli 2020 auf den Widerantrag des Antragsgegners aufzugeben,

dem Antragsgegner Auskunft über sämtliche Einkunftsarten für den Zeitraum vom 1. April 2016 bis zum 31. März 2019 durch eine systematische, verständliche und lückenlose schriftliche Zusammenstellung nebst einer Aufstellung der geleisteten Steuerzahlungen einschließlich etwaiger Nachzahlungen, Steuervorauszahlungen und etwaig erhaltener Steuererstattungen sowie über den Bestand ihres Vermögens ohne chinesischen Vermögensanteil durch ein Verzeichnis zum Stichtag der Zustellung der Unterhaltsantragsschrift zu erteilen, und diese Auskunft zu belegen, insbesondere:

1. zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit unter Vorlage

a) der Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzerläuterungen für die Jahre 2016, 2017 und 2018, soweit vorhanden,

2. zu den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit einschließlich aller einmaligen Leistungen und Spesen durch Vorlage

a) der monatlichen Gehaltsabrechnungen für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2019,

b) aller Spesenabrechnungen soweit erfolgt,

3. zu den Einkünften aus Krankengeld und sonstigen Leistungen aus Anlaß krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sowie Arbeitslosengeld und Insolvenzgeld unter Vorlage der Leistungsbescheide und Zahlungsbelege soweit erfolgt,

4. zu den Einkünfte aus Kapitalvermögen unter Vorlage von Bankbescheinigungen oder Kontoauszügen,

5. zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unter Vorlage der Mietverträge und eventueller nachfolgender Mieterhöhungsvereinbarungen soweit vorliegend.

Hilfsweise beantragt sie, ihr aufzugeben, daß ein Verzeichnis des chinesischen Vermögensanteils mit der Einschränkung erst erstellt wird, wenn keinerlei pandemiebedingten Einschränkungen in dem Reiseverkehr zwischen Deutschland und der Volksrepublik China bestehen, und sie die Kosten für die Reise tragen kann.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig: Der erforderliche Beschwerdewert werde nicht erreicht. Die Antragstellerin könne die Auskünfte selbst fertigen, und benötige keine fachliche Unterstützung. Der Aufwand sei mit höchstens 120 € zu bemessen. Die Beschwerde sei auch nicht begründet. Ein Anspruch auf Unterhalt sei nicht verwirkt.

Durch Verfügung vom 23. September 2020, der Antragstellerin zugestellt am 23. September 2020, hat der Senat darauf hingewiesen, daß die Beschwerdebegründung erst mit den Akten am 22. September 2020, und damit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist. Ferner hat der Senat darauf hingewiesen, daß Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen, da der Beschwerdewert 600 € nicht übersteige.

Die Antragstellerin beantragt die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist. Es sei zu erwarten gewesen, daß die Akten vor dem Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 17. September 2020 im ordentlichen Geschäftsgang von dem Amtsgericht an das Oberlandesgericht weitergeleitet worden wären; die verzögerte Aktenübersendung sei ihr nicht anzulasten.

Zu dem Wert der Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, sie müsse zur Fertigung der Auskunft über ihr in China gelegenes Vermögen nach China reisen, was Flugkosten von rund 1.500 € und quarantänebedingte Hotelkosten von 2.000 € verursache. Für die Erstellung eines Verzeichnisses ihres in China vorhandenen Vermögens und dessen Bewertung müßten gegebenenfalls Antiquitätenhändler/Kunsthändler oder auch Sachverständige beigezogen werden; dies und die Übersetzung von eventuellen Gutachten in die deutsche Sprache werde erhebliche Kosten auslösen. Insgesamt sei schon für die Erstellung eines Verzeichnisses der Vermögenswerte in China mit Kosten zwischen 5.000 € und 10.000 € zu rechnen.

II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht zulässig. Es kann dahinstehen, ob der Antragstellerin gemäß § 117 Abs. 5 FamFG, §§ 233, 234 Abs. 1 S. 2 ZPO Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu bewilligen ist. Der Senat geht allerdings davon aus, daß die bereits am 21. August 2020 zwar entgegen § 117 Abs. 1 S. 2 FamFG bei dem Amtsgericht eingegangene Beschwerdebegründung bei Weiterleitung im ordnungsgemäßem Geschäftsgang bis zu dem Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 17. September 2020 bei dem zuständigen Oberlandesgericht eingegangen wäre, so daß sich ein etwaiges Verschulden der Antragstellerin oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht auswirkt (vgl. zur Obliegenheit zur Weiterleitung einer Rechtsmittelbegründung im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Gericht Weber in Keidel, FamFG 20. Aufl. § 117 Rdn. 69 mwN).

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteigt. Die Antragstellerin greift den Teilbeschluß nur hinsichtlich des Ausspruchs zu dem Widerantrag teilweise an, und zwar soweit sie zur Auskunft über den Stand ihres Vermögens in China verpflichtet wurde, soweit ihr die Vorlage von Originalurkunden aufgegeben wurde, zur Vorlage hinsichtlich des Ausspruchs unter II. 1. a), aa) mit dem Zusatz: soweit vorhanden, hinsichtlich des Ausspruchs unter II. 1. a), bb), cc) und dd) insgesamt, hinsichtlich des Ausspruchs zu II. 1. b), bb) und II. 1. c), jeweils mit dem Zusatz soweit erfolgt, und hinsichtlich des Ausspruchs zu II. 1. e) mit dem Zusatz soweit vorliegend.

Durch die von ihr angegriffene Auskunfts- und Belegverpflichtung wird die Antragstellerin nicht in einem 600 € übersteigenden Umfange beschwert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung hat, richtet sich der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunfterteilung nicht nach den - mit dem Auskunftsanspruch vorbereiteten - beabsichtigten Leistungsanspruch, sondern nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses, auf das sich die Antragstellerin auch nicht beruft, ist dafür auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. BGH FamRZ 2019, 1440 = FuR 2019, 598; 2020, 1574 = FuR 2020, 664; 2020, 1572 = FuR 2020, 663, jeweils mwN).

Dieser Aufwand an Zeit und Kosten übersteigt vorliegend 600 € nicht. Zu der Bewertung des von dem Auskunftspflichtigen (hier: der Antragstellerin) aufzuwendenden Aufwands an Zeit und Kosten für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich auf diejenigen Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozeß erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufliche Leistung erbringt, noch einen Verdienstausfall erleidet. Davon ist vorliegend mangels abweichender Anhaltspunkte auszugehen, gemäß § 20 JVEG daher von einem Stundensatz von 3,50 €.

Für die Erteilung der Auskunft hinsichtlich des in China befindlichen Vermögens ist auch bei großzügiger Schätzung kein Zeitaufwand von mehr als zehn Stunden anzusetzen. Warum die Antragstellerin zur Erstellung eines Verzeichnisses ihres in China befindlichen Vermögens nach China reisen muß, erschließt sich nicht. Über die bloße Behauptung der Antragstellerin, sie müsse auch im Hinblick auf mögliche andere Vermögenswerte nach China reisen, erläutert sie die Notwendigkeit einer Reise nach China nicht. Noch mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2019 trug sie vor, daß sie über kein Vermögen mehr verfügt; ferner behauptet sie mit der Beschwerdebegründung, sie besitze kein Vermögen, um von dem Vermögensstamm leben zu können. Auf der Grundlage dieses Vortrags der Antragstellerin kann davon ausgegangen werden, daß ihr in China vorhandenes Vermögen überschaubar ist, und seine Darstellung keines besonderen Aufwands bedarf. Mangels näherer Darlegung ist ferner davon auszugehen, daß die Antragstellerin auch von Deutschland aus Auskunft über ihr in China befindliches Vermögen erteilen kann. Daß es der Hinzuziehung sachkundiger Dritter bedarf, deren Kosten nur berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig entstehen, trägt die Antragstellerin nicht substantiiert vor. Eine Wertermittlung bzw. Kurzgutachten sind nach dem amtsgerichtlichen Beschluß nicht geschuldet.

Hinsichtlich der von der Antragstellerin geltend gemachten Übersetzungskosten fehlt es an dem Ansatz zu der Bemessung solcher Kosten (vgl. zu der Bewertung von Übersetzungskosten BGH FamRZ 2020, 1108 = FuR 2020, 474). Nach dem Ausspruch des Amtsgerichts sind im Übrigen Originalurkunden, die keiner Übersetzung bedürfen, vorzulegen. Die Notwendigkeit der Übersetzung von Unterlagen, die nicht näher bezeichnet werden, erschließt sich nicht. Die Vorlage von Originalurkunden erfordert keinen besonderen Kostenaufwand; gleiches gilt für die mit der Beschwerdebegründung geltend gemachten Einschränkungen »soweit erfolgt«, »soweit vorliegend« und »soweit vorhanden«. Die Antragstellerin ist schon nach dem Beschluß gehalten, nur existente Unterlagen vorzulegen.

Daß das Amtsgericht den Verfahrenswert vor der am 26. März 2019 zugestellten Widerantragsschrift vorläufig mit 5.000 € festgesetzt hat, führt nicht zu der Zulässigkeit der Beschwerde. Unabhängig davon, daß das Amtsgericht den Wert nach § 14 FamGKG nur vorläufig festgesetzt hat, und der Senat bei Bemessung der Beschwer nicht an eine Wertfestsetzung des Amtsgerichts gebunden ist, hat das Amtsgericht nicht das Abwehrinteresse der Antragstellerin seiner Wertfestsetzung zugrunde gelegt, sondern den Wert des noch nicht bezifferten Leistungsantrages, den es mangels näherer Angaben mit dem Auffangwert nach § 42 Abs. 3 FamGKG bemessen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 FamFG, § 97 Abs. 1 ZPO.

OLG Düsseldorf 2020-11-16 - 7 UF 128/20
Speichern Öffnen due-2020-11-16-128-20.pdf (80,75 kb)


Anmerkungen

Die Beteiligten hatten sich wechselseitig im Wege des Stufenantrages auf Auskunft und auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch genommen. Die Antragstellerin, chinesische Staatsangehörige, und der Antragsgegner, deutscher Staatsangehöriger, heirateten im Jahre 2014, und trennten sich im August 2018. Das AmtsG hat den Antragsgegner durch Teilbeschluss zur Auskunft und Belegvorlage verpflichtet, und auf den Widerantrag des Antragsgegners ebenso die Antragstellerin. Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und zu deren Wert vorgetragen, sie müsse zur Fertigung der Auskunft über ihr in China gelegenes Vermögen nach China reisen, was Flugkosten von rund 1.500 € und quarantänebedingte Hotelkosten von 2.000 € verursache. Für die Erstellung eines Verzeichnisses ihres in China vorhandenen Vermögens und dessen Bewertung müssten gegebenenfalls Antiquitätenhändler/Kunsthändler oder auch Sachverständige beigezogen werden. Dies und die Übersetzung von eventuellen Gutachten in die deutsche Sprache werde erhebliche Kosten auslösen; insgesamt sei schon für die Erstellung eines Verzeichnisses der Vermögenswerte in China mit Kosten zwischen 5.000 € und 10.000 € zu rechnen.

Das OLG hat die Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig erachtet, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige: Durch die von ihr angegriffene Auskunfts- und Belegverpflichtung werde die Antragstellerin nicht in einem 600 € übersteigenden Umfange beschwert.

» Nach ständiger Rechtsprechung des BGH richtet sich der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunfterteilung nicht nach den - mit dem Auskunftsanspruch vorbereiteten - beabsichtigten Leistungsanspruch, sondern nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist dafür auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. BGH FamRZ 2019, 1440 = FuR 2019, 598; 2020, 1574 = FuR 2020, 664; 2020, 1572 = FuR 2020, 663, jeweils mwN). «

Dieser Aufwand an Zeit und Kosten übersteige vorliegend 600 € nicht. Zu der Bewertung des von dem Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Aufwands an Zeit und Kosten für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft sei nach ständiger Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auf diejenigen Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufliche Leistung erbringt, noch einen Verdienstausfall erleidet. Davon sei auch vorliegend mangels abweichender Anhaltspunkte auszugehen: Gemäss § 20 JVEG von einem Stundensatz von 3,50 €. Für die Erteilung der Auskunft hinsichtlich des in China befindlichen Vermögens sei auch bei grosszügiger Schätzung kein Zeitaufwand von mehr als zehn Stunden anzusetzen.

Warum die Antragstellerin zur Erstellung eines Verzeichnisses ihres in China befindlichen Vermögens nach China reisen müsse, erschliesse sich nicht. Sie erläutere die Notwendigkeit einer Reise nach China nicht, obwohl sie im Verfahren vorgetragen habe, sie besitze kein Vermögen, um von dem Vermögensstamm leben zu können. Auf Grundlage dieses Vortrages kann davon ausgegangen werden, dass das in China vorhandene Vermögen überschaubar ist, und seine Darstellung keines besonderen Aufwands bedarf. Im übrigen ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin auch von Deutschland aus Auskunft über ihr in China befindliches Vermögen erteilen kann. Die Antragstellerin trage auch nicht substantiiert vor, dass es der Hinzuziehung sachkundiger Dritter bedürfe, deren Kosten nur dann berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig entstehen; Wertermittlung bzw. Kurzgutachten seien nach dem amtsgerichtlichen Beschluss nicht geschuldet.

Hinsichtlich der von der Antragstellerin geltend gemachten Übersetzungskosten fehle es am Ansatz zu der Bemessung solcher Kosten (zur Bewertung von Übersetzungskosten s. BGH FamRZ 2020, 1108 = FuR 2020, 474). Nach dem Ausspruch des AmtsG seien Original-Urkunden, die keiner Übersetzung bedürfen, vorzulegen; die Notwendigkeit der Übersetzung von Unterlagen, die nicht näher bezeichnet werden, erschliesse sich nicht. Die Vorlage von Original-Urkunden erfordere keinen besonderen Kostenaufwand; gleiches gelte für die geltend gemachten Einschränkungen »soweit erfolgt«, »soweit vorliegend« und »soweit vorhanden«: Die Antragstellerin sei schon nach dem Beschluss gehalten, nur existente Unterlagen vorzulegen.

» Dass das AmtsG den Verfahrenswert vor der am 26.03.2019 zugestellten Widerantragsschrift vorläufig mit 5.000 € festgesetzt hat, führt nicht zu der Zulässigkeit der Beschwerde. Unabhängig davon, dass das AmtsG den Wert nach § 14 FamGKG nur vorläufig festgesetzt hat, und der Senat bei Bemessung der Beschwer nicht an eine Wertfestsetzung des AmtsG gebunden ist, hat das AmtsG nicht das Abwehrinteresse der Antragstellerin seiner Wertfestsetzung zugrunde gelegt, sondern den Wert des noch nicht bezifferten Leistungsantrages, den es mangels näherer Angaben mit dem Auffangwert nach § 42 Abs. 3 FamGKG bemessen hat. «


______________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Obliegenheit zur Geltendmachung des begrenzten Realsplittings; Rüge verspäteten Vortrags im Beschwerdeverfahren; Kfz-Kredit und Erwerbstätigenbonus.

BGB § 1361; EStG § 10

1. Die Obliegenheit zur Geltendmachung des begrenzten Realsplittings trifft den Unterhaltsschuldner nur insoweit, als er den Unterhaltsanspruch anerkannt hat, oder soweit dieser rechtskräftig feststeht, oder soweit er den Unterhaltsanspruch freiwillig erfüllt.
2. Eine Partei ist mit als verspätet gerügtem Vortrag im Beschwerdeverfahren nicht ausgeschlossen, weil § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO in Familienstreitsachen mangels entsprechenden Verweises in § 117 FamFG keine Anwendung findet, und weil das Rechtsmittel der Beschwerde in Familienstreitsachen insgesamt als volle unbeschränkte Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, auf die gemäß § 68 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über das Verfahren in erster Instanz unter Geltung des Beibringungsgrundsatzes anzuwenden sind.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 6. Januar 2021 - 13 UF 104/15

Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Senftenberg vom 23.04.2015 (31 F 320/14) abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 504 € zu zahlen. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
2. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin ist ihres Anschlußrechtsmittels verlustig.
4. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Antragstellerin. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen zu 12% der Antragsgegner, und zu 88% die Antragstellerin.
5. Der Beschwerdewert wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe
I. Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt an seine seit dem 9. Juli 2015 von ihm geschiedene Ehefrau, von der er bereits seit Februar 2013 getrennt lebt. Die Antragstellerin, die ausgebildete Erzieherin ist, versorgt in ihrem Haushalt ihre im Jahre 1998 geborene Tochter C. aus einer anderen Beziehung. Der Antragsgegner hat ebenfalls aus einer anderen Beziehung die im Jahre 2001 geborene Tochter S., die nicht in seinem Haushalt lebt. Während die Antragstellerin in der Ehe und auch nach der Trennung in Teilzeit arbeitete, war der Antragsgegner vollschichtig tätig. Im August 2013 wechselte er von Steuerklasse III in die Steuerklasse I.

Der Antragsgegner, der von März 2013 bis Juni 2013 monatlich 250 € an die Antragstellerin zahlte, wurde von dieser am 14. Mai 2013 zur Auskunft über sein Einkommen aufgefordert. Unter Berufung auf Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit einer Vollzeitbeschäftigung hat die Antragstellerin nach Erteilung der Auskunft und im Übrigen auf eine ihrer Ansicht nach geschlossene Vereinbarung über die Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts über 250 € gestützt, einen Unterhaltsteilbetrag in Höhe von 250 € geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Antragsgegner zahle nicht mehr als 334 € Unterhalt an seine Tochter. Sie hat zuletzt beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie monatlichen Trennungsunterhalt ab Oktober 2014 in Höhe von 250 € zu zahlen, sowie rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum Juni 2013 bis zum 30. September 2014 in Höhe von 4.000 €.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat im Hinblick auf die Tilgung verschiedener Verbindlichkeiten, die eheprägend seien, sowie wegen einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter in Höhe von 398 € Leistungsunfähigkeit eingewandt.

Mit dem angefochtenen Beschluß, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Senftenberg den Antragsgegner zur Zahlung laufenden Trennungsunterhalts ab April 2015 in Höhe von 62 € und eines Rückstands in Höhe von 3.792 € für den Zeitraum Juli 2013 bis März 2015 verpflichtet, und darüber hinausgehende Ansprüche verneint. Den zuerkannten Betrag hat es für das Jahr 2014 insgesamt und für das Jahr 2013, ausgehend von einem tatsächlich erzielten Nettoeinkommen des Antragsgegners bis Juli 2013 und eines von August 2013 bis Dezember 2013 bei Steuerklasse III erzielbaren Einkommens ermittelt; dabei hat es neben einer Unterhaltspflicht in Höhe des Tabellenbetrages für die Tochter S. einkommensmindernd einzig einen von dem Antragsgegner nachgewiesenen Kfz-Kredit berücksichtigt, und bei der Berechnung des Bedarfs der Antragstellerin einkommensmindernd eine Unterhaltspflicht in Höhe des Tabellenbetrages für die Tochter C. Ab Februar 2014 hat das Amtsgericht wegen des infolge Steuerklassenwechsels geringeren Einkommens des Antragsgegners und nach Zurechnung eines aus zumutbarer Vollschichttätigkeit erzielbaren fiktiven Einkommens der Antragstellerin volle Leistungsfähigkeit des Antragsgegners verneint. Schließlich sei ein Anspruch für Juni 2013 durch Erfüllung erloschen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsgegner unter Vorlage weiterer Nachweise über von ihm getilgte Verbindlichkeiten sein erstinstanzliches Abweisungsbegehren weiter. Das Amtsgericht habe zu Unrecht den Steuerklassenwechsel erst im Jahre 2014, eine zu niedrige Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter S., sowie die Unterhaltsverpflichtung der Antragstellerin gegenüber ihrer Tochter C. berücksichtigt. Er beantragt sinngemäß, unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Senftenberg vom 23. April 2015 die Anträge der Antragstellerin abzuweisen.

Die Anschlußbeschwerde führende Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält die Vorlage von Belegen zum Nachweis weiterer Verbindlichkeiten durch den Antragsgegner für verspätet. Ihre Anschlußbeschwerde, gerichtet auf Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Senftenberg vom 23. April 2015 dergestalt, daß der laufende Trennungsunterhalt in Höhe von 62 € monatlich nur von April 2015 bis einschließlich 9. Juli 2015 geschuldet wird, hat sie mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2020 zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz in dem Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers hat überwiegend Erfolg.

Die Antragstellerin hat aus § 1361 BGB gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Trennungsunterhalt nur für den Zeitraum Juli 2013 bis Dezember 2013, und dies wegen verminderter Leistungsfähigkeit auch nur in geringerer Höhe, als von dem Amtsgericht angenommen. Im Januar 2014 war der Antragsgegner nicht leistungsfähig. Ab Februar 2014 hatte die Antragstellerin bereits keinen Unterhaltsbedarf.

Juli 2013 bis Dezember 2013

Zu Recht hat das Amtsgericht den Steuerklassenwechsel des Antragsgegners erst ab Januar 2014 berücksichtigt. Zwar ist bei der Ermittlung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich von den tatsächlich erzielten Einkünften auszugehen; anders liegt der Fall aber, wenn erreichbare Steuervorteile entgegen einer insoweit bestehenden Obliegenheit nicht in Anspruch genommen worden sind (BGH FamRZ 2007, 793 = FuR 2007, 276 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 27). Der Wechsel der Steuerklasse war erst ab dem Jahre 2014 verpflichtend, so daß die Unterhaltsberechnung auf der Grundlage der Einkünfte vor dem Steuerklassenwechsel zu erfolgen hat. Da die Antragstellerin zu dem Einkommen über einen Zeitraum von zwölf Monaten vor diesem nur unvollständig vorgetragen, nämlich zu dem Einkommen im Mai 2013 keine Angaben gemacht, und auch keine Gehaltsbescheinigung zu den Akten gereicht hat, erfolgt die Berechnung auf der Basis des Zeitraums Mai 2012 bis April 2013. Aus den insoweit vollständigen Nachweisen ergibt sich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Antragsgegners von 2.395 €, wovon in Ansehung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber seiner Tochter S. monatlich 377 € in Abzug zu bringen sind, so daß sich ein Betrag von 2.018 € ergibt.

Weiterhin in Abzug zu bringen sind für den Unterhalt in dem Zeitraum Juli bis Dezember 2013 ehebedingte Verbindlichkeiten in Höhe von 714 €, die der Antragsteller bedient. Hierzu gehören neben dem Kredit bei der B. Bank in Höhe von 362 € weitere, nunmehr in dem Beschwerdeverfahren nachgewiesene Verbindlichkeiten für die Finanzierung der Hochzeit mit 223 €, sowie monatlich 69 € für eine Berufsunfähigkeitsversicherung, 50 € für die BU-Rente plus und 10 € für die Familienversicherung.

Die von der Antragstellerin insoweit in dem Beschwerdeverfahren einzig noch gerügte Verspätung ist nicht gegeben, denn eine Zurückweisung als verspätet würde gemäß § 115 FamFG eine Verzögerung des Verfahrens durch seine Berücksichtigung voraussetzen, die in Bezug auf das Beschwerdeverfahren nicht vorliegt. Der Antragsgegner ist mit seinem als verspätet gerügten Vortrag auch nicht nach Maßgabe von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil die Bestimmung in Familienstreitsachen mangels entsprechenden Verweises in § 117 FamFG bereits keine Anwendung findet (vgl. Keidel/Weber, FamFG 20. Aufl. § 113 Rdn. 10), und das Rechtsmittel der Beschwerde in Familienstreitsachen insgesamt als volle unbeschränkte Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, auf die gemäß § 68 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über das Verfahren in erster Instanz unter Geltung des Beibringungsgrundsatzes Anwendung finden (BeckOKFamFG/Weber, [Stand: 01.10.2020] § 117 FamFG Rdn. 5).

Schließlich sind auf Seiten des Antragsgegners 5% berufsbedingte Aufwendungen, die sich auf gerundet 120 € belaufen, einkommensmindernd zu berücksichtigen. Diese kann der Antragsgegner neben dem Kfz-Kredit geltend machen. Die Antragstellerin verkennt hier, daß der Antragsgegner den Kfz-Kredit nicht als berufsbedingte Aufwendung geltend gemacht hat, sondern als ehebedingte Verbindlichkeit. Eine Schätzung der berufsbedingten Aufwendungen begegnet grundsätzlich und hier im Hinblick auf von dem Antragsgegner angeführte Kosten für Arbeitskleidung keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit sich die Antragstellerin auf mangelnde Abzugsfähigkeit wegen beengter Einkommensverhältnisse beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie selbst für sich einen entsprechenden Abzug bei ebenfalls geringem Einkommen in Anspruch nimmt.

Nach Abzug der Verbindlichkeiten in Höhe von 714 € und berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 120 € verbleibt ein Einkommen in Höhe von 1.184 €. Bei einem Selbstbehalt von 1.100 € ist der Antragsgegner nur in Höhe von 84 € leistungsfähig.

Entgegen der Würdigung des Antragsgegners besteht jedenfalls in dieser Höhe ein Bedarf der Antragstellerin, und zwar auch dann, wenn bei der Berechnung des Bedarfs der Antragstellerin Betreuungsunterhalt für die Tochter C. nicht abzuziehen wäre (vgl. insoweit aber BGH FamRZ 2014, 1183 = FuR 2014, 531 Tz. 35; OLG Brandenburg, Beschluß vom 10. März 2020 - 15 WF 35/20 - juris). Bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen entsprechend der Berechnung des Amtsgerichts von gerundet 728 € beträgt der Bedarf (1.270 € ./. 728 € = 542 € x 3/7 =) 232 €. Ob, wie die Antragstellerin meint, ihr Einkommen geringfügig geringer war (722,91 €), und sie selbst noch 5% berufsbedingte Aufwendungen abziehen kann, kann dahinstehen.

Für den Zeitraum Juli 2013 bis Dezember 2013 ergibt sich damit eine Unterhaltsschuld in Höhe von insgesamt (6 x 84 € =) 504 €.

Januar 2014

Im Januar 2014 fiel der eheprägende Kredit für die Finanzierung der Hochzeit weg, so daß die neben dem Kindesunterhalt von 377 € abzugsfähigen Verbindlichkeiten nur noch 491 € betrugen. Gleichzeitig ist nun das verringerte tatsächliche Gehalt des Antragsgegners nach Steuerklassenwechsel ab August 2013 in der Berechnung zu berücksichtigen. Entgegen der Verfahrensweise der Antragstellerin ist der Berechnung nicht das Einkommen bereits ab Juni 2013 zugrunde zu legen, sondern erst dasjenige ab August 2013, denn nur dieses spiegelt die Einkommensreduzierung durch den Steuerklassenwechsel wieder. Mangels Vortrags der Antragstellerin zu dem Einkommen des Antragsgegners nach März 2014 kann ein durchschnittliches Einkommen nur aus dem vorgetragenen und nachgewiesenen Einkommen von August 2013 bis März 2014 gebildet werden; dieses belief sich auf 2.024 € netto monatlich. Nach Abzug von 5% berufsbedingten Aufwendungen (101 €) sowie den Verbindlichkeiten über 377 € und 491 € verbleibt ein Einkommen des Antragsgegners von 1.055 €, welches unter dem Selbstbehalt von 1.100 € liegt, so daß der Antragsgegner der Antragstellerin mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt schuldet.

Ab Februar 2014

Ab Februar 2014 ist Bedürftigkeit der Antragstellerin nicht festzustellen: Nach Ablauf des Trennungsjahres trifft die Antragstellerin nämlich eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit (vgl. allgemein hierzu BeckOGK BGB/Preisner, [Stand: 01.11.2020] § 1361 Rdn. 134; Weber-Monecke in MünchKomm, BGB 8. Aufl. § 1361 Rdn. 62, jeweils mwN), was die Antragstellerin auch nicht grundsätzlich in Abrede stellt. Bei einer 15 Stunden-Woche hat die Antragstellerin laut Gehaltsbescheinigung im Juli 2014 ohne Sonderzahlungen bereits 1.013,70 € brutto monatlich verdient, was einem Stundenlohn von gerundet 15,60 € entspricht. Selbst bei einer 38-Stunden-Woche hätte die Antragstellerin gerundet 2.569 € brutto verdienen können. Bei Steuerklasse II und einem halben Kinderfreibetrag hätte sie im Jahre 2014 nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge netto gerundet 1.723 € verdienen können (Brutto-Nettolohnrechner). Tragfähige Gründe, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit und der Anrechnung fiktiven Einkommens entgegenstehen, hat sie nicht vorgetragen, und sind auch sonst nicht ersichtlich. Irgendwelche Bemühungen um eine bedarfsdeckende Erwerbstätigkeit hat sie unstreitig in keiner Form getätigt. Im Jahre 2014 liegt das fiktive Einkommen der Antragstellerin selbst nach Abzug eines Betreuungsunterhalts für C. und 5% berufsbedingter Aufwendungen von gerundet 90 € damit noch über dem Einkommen des Antragsgegners.

III. Der Beschluß zu dem Verlust der Anschlußbeschwerde beruht auf § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG, § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO, nachdem die Antragstellerin auf Hinweis des Senats ihre Anschlußbeschwerde mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2020 zurückgenommen hat (§ 67 Abs. 4 FamFG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Kosten durch die Anschlußbeschwerde wurden nicht verursacht, da sie im Ergebnis nicht über den bloßen Antrag auf Zurückweisung hinausging, und keinen eigenen Mehrwert hatte.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 1 FamGKG, und erfaßt den gesamten Unterhaltszeitraum von Juli 2013 bis zu der Scheidung im Juli 2015.

Anlaß, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§ 70 Abs. 2 FamFG).

OLG Brandenburg 2021-01-06 - 13 UF 104/15
Speichern Öffnen bra-2021-01-06-104-15.pdf (72,61 kb)


Anmerkungen

Das AmtsG hatte der Antragstellerin Trennungsunterhalt zugesprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hatte überwiegend Erfolg.

1. Zu Recht habe das AmtsG allerdings den Steuerklassenwechsel des Antragsgegners erst ab Januar 2014 berücksichtigt. Zwar sei bei der Ermittlung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich von den tatsächlich erzielten Einkünften auszugehen; anders liege der Fall aber dann, wenn erreichbare Steuervorteile entgegen einer insoweit bestehenden Obliegenheit nicht in Anspruch genommen worden sind (BGHZ 171, 206 = FamRZ 2007, 793 = FuR 2007, 276). Der Wechsel der Steuerklasse sei erst ab 2014 verpflichtend gewesen, sodass die Unterhaltsberechnung auf der Grundlage der Einkünfte vor dem Steuerklassenwechsel zu erfolgen habe.

2. In Abzug zu bringen seien jedoch ehebedingte Verbindlichkeiten, die der Antragsgegner bediene, neben einem Kredit bei der Bank weitere allerdings erst im Beschwerdeverfahren nachgewiesene Verbindlichkeiten für die Finanzierung der Hochzeit.

» Die von der Antragstellerin insoweit im Beschwerdeverfahren einzig noch gerügte Verspätung ist nicht gegeben, denn eine Zurückweisung als verspätet würde gemäss § 115 FamFG eine Verzögerung des Verfahrens durch seine Berücksichtigung voraussetzen, die in Bezug auf das Beschwerdeverfahren nicht vorliegt. Der Antragsgegner ist mit seinem als verspätet gerügten Vortrag auch nicht nach Massgabe von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil die Bestimmung in Familienstreitsachen mangels entsprechenden Verweises in § 117 FamFG bereits keine Anwendung findet, und das Rechtsmittel der Beschwerde in Familienstreitsachen insgesamt als volle unbeschränkte Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, auf die gemäss § 68 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über das Verfahren in erster Instanz unter Geltung des Beibringungsgrundsatzes Anwendung finden. «

3. Der Antragsgegner könne neben dem Kfz-Kredit auch 5% berufsbedingte Aufwendungen einkommensmindernd geltend machen, da der Antragsteller diesen Kfz-Kredit nicht als berufsbedingte Aufwendung geltend gemacht habe, sondern als ehebedingte Verbindlichkeit.


______________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Abschluß und Abänderung einer außergerichtlichen Vereinbarung über Trennungsunterhalt.

BGB § 1361

1. Eine konkludente Vereinbarung über die Zahlung von Trennungsunterhalt kann dadurch zustande kommen, daß ein Ehegatte dem anderen über längere Zeit hinweg Trennungsunterhalt zahlt, und dieser ihn entgegennimmt.
2. Die Abänderbarkeit einer solchen Vereinbarung richtet sich nach ihrem Inhalt, und gegebenenfalls nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 7. Januar 2021 - 9 UF 132/20

Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Oranienburg vom 20.05.2020 (31 F 77/19) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
(1) Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin Trennungsunterhalt wie folgt zu zahlen: Für die Zeit
a) vom 01.11.2019 bis zum 30.11.2019 (restliche) 124,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2020,
b) vom 01.12.2019 bis zum 31.12.2019 (restliche) 124,40 €,
c) vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020 monatlich 198,40 € abzüglich geleisteter Zahlungen,
d) ab dem 01.01.2021 monatlich 198,40 €, fällig zum ersten eines jeden Monats im Voraus.
(2) Der weitergehende Zahlungsantrag wird abgewiesen.
(3) Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz haben die Antragstellerin zu 59%, und der Antragsgegner zu 41% zu tragen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 64%, und der Antragsgegner zu 36%.
3. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung zu Ziffer I. (1) d) wird angeordnet.
4. Der Beschwerdewert wird auf 4.498 € festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Trennungsunterhalt. Sie haben im Jahre 1993 die Ehe geschlossen, aus der eine (mittlerweile volljährige) Tochter hervorgegangen ist. Die Trennung erfolgte am 28. Februar 2018 mit dem Auszug des Antragsgegners aus der gemeinsamen Ehewohnung. Das Ehescheidungsverfahren ist bei dem Amtsgericht Oranienburg (31 F 71/19) anhängig.

Der Antragsgegner hat an die Antragstellerin in dem Zeitraum von März 2018 bis Dezember 2018 monatlich einen Betrag in Höhe von 500 €, und von Januar 2019 bis Oktober 2019 einen monatlichen Betrag in Höhe von 700 € gezahlt. Seit dem 1. November 2019 zahlte er (nach vorheriger Ankündigung mit Schreiben vom 24. September 2019) einen monatlichen Trennungsunterhalt von 154 € an die Antragstellerin.

Die im Jahre 1958 geborene Antragstellerin (derzeit 62 Jahre alt) ist seit dem 18. September 2017 bei der Firma F. Gesellschaft mbH als Reinigungskraft im Umfang von 20 Stunden an fünf Tagen in der Woche tätig, und erzielt einen monatlichen Verdienst in Höhe von durchschnittlich 575,38 € netto. Sie ist an Kinderlähmung erkrankt, und mit einem GdB von 50% schwerbehindert. Der im Jahre 1951 geborene Antragsgegner (derzeit 69 Jahre alt) bezieht seit dem Jahre 2004 eine monatliche Altersrente in Höhe von insgesamt 2.087,92 €. Er übt eine Nebentätigkeit in dem Supermarkt S. aus, wofür er ein monatliches Entgelt in Höhe von durchschnittlich 389,52 € erhält. Aufgrund einer dauerhaften körperlichen Bewegungseinschränkung ist er behindert mit einem GdB von 30%.

Die Antragstellerin hat mit ihrem seit dem 18. November 2019 bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Oranienburg anhängigen Antrag die Zahlung rückständigen (für November 2019 einen - restlichen - Betrag von 346 €) sowie laufenden Trennungsunterhalts (ab Dezember 2019 monatlich 500 €) begehrt. Sie hat ausgeführt, anläßlich der Trennung habe sie mit dem Antragsgegner Anfang März 2018 eine Vereinbarung zur Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts von 500 € getroffen. Im Dezember 2018 habe sie dann mit dem Antragsgegner die Zahlung eines höheren Unterhaltsbetrages von 700 € vereinbart; die Unterhaltsvereinbarungen seien jeweils in Kenntnis und auf Grundlage aller für die Höhe des Unterhaltsanspruchs maßgeblichen und zumindest absehbaren Umstände betreffend die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten geschlossen worden, die sich nachträglich nicht geändert haben.

Der Antragsgegner ist dem unter Hinweis auf seine mangelnde Leistungsfähigkeit entgegengetreten. Er hat ausgeführt, mit Erreichen der Regelaltersgrenze von 67 Jahren am 2. Mai 2018 sei er nicht mehr verpflichtet einer Erwerbstätigkeit nachzugehen; daher seien die aus seiner Nebentätigkeit allein zur Deckung der bestehenden hohen Verbindlichkeiten sowie der gewöhnlichen und angemessenen Lebenskosten erzielten überobligatorischen Einkünfte auch nicht teilweise anzurechnen. Aufgrund seines Alters sowie seiner körperlichen Beeinträchtigungen und der zunehmenden körperlichen Belastung sei eine weitere Ausübung der Nebentätigkeit unzumutbar. Der Forderung der Antragstellerin nach der Zahlung eines höheren Unterhaltsbetrages von 700 € habe er nur für die Dauer seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zugestimmt. Durch die Zahlung von 500 €, erst recht aber durch diejenige in Höhe von 700 € werde seine Leistungsfähigkeit erheblich unterschritten, weshalb die Vereinbarungen sittenwidrig und nichtig seien.

Sofern eine Vereinbarung über den Zahlbetrag von 500 € überhaupt entstanden sein sollte, sei jedenfalls ein Abänderungsausschluß zu keinem Zeitpunkt vereinbart worden. Sein Einkommen sei bezüglich der monatlichen Ratenzahlungen in Höhe von 54,43 € betreffend den Darlehensvertrag bei der B. Bank sowie der zu zahlenden Beiträge für die Sterbeversicherungen von 7 € und 9,89 € monatlich sowie die Kfz-Versicherung von 52,17 € zu bereinigen. Seit Februar 2020 sei er aufgrund der monatlich zu zahlenden Raten von 260 € an die Staatskasse für die Kosten des Scheidungsverfahrens nicht mehr leistungsfähig; jedenfalls sei die Antragstellerin mit Ablauf des Trennungsjahres trotz bestehender Behinderung zu der Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit verpflichtet.

Mit Beschluß vom 20. Mai 2020 hat das Amtsgericht den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung rückständigen und laufenden Trennungsunterhalts verpflichtet. Im März 2018 sei von den Beteiligten anläßlich ihrer Trennung eine mündliche Unterhaltsvereinbarung getroffen worden; eine schwerwiegende Änderung von Umständen nach Vertragsabschluß habe der Antragsgegner nicht vorgetragen. Die Tatsache, daß er zwei Monate nach Vertragsschluß die Regelaltersgrenze erreichen werde, sei offensichtlich, und dem Antragsgegner die Erzielung möglicher überobligatorischer Einkünfte aus seiner Nebentätigkeit zu diesem Zeitpunkt entweder egal oder nicht bewußt gewesen. Jedenfalls seien die Beteiligten davon ausgegangen, daß dieses Einkommen auch weiterhin erzielt werden würde, wodurch es ebenfalls Grundlage der Vereinbarung geworden sei. Ebenso seien die gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin, die eine Vollzeitbeschäftigung auch künftig nicht zulassen würden, sowie die Belastungen des Antragsgegners mit den aus der Ehe stammenden Schulden bekannt gewesen; mangels wesentlicher Veränderungen sei daher an dem Vertrag festzuhalten.

Gegen die ihm am 28. Mai 2020 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 25. Juni 2020 eingegangene Beschwerde des Antragsgegners, die er mit einem am 27. Juli 2020 eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens sucht er die Abweisung des zugesprochenen Unterhaltsanspruchs zu erreichen, soweit er zur Unterhaltszahlung von mehr als 154 € monatlich verpflichtet worden ist. Er führt hierzu aus, zur Zahlung eines weitergehenden Betrages sei er weder leistungsfähig, noch verpflichtet. Eine mündliche Unterhaltsvereinbarung sei nicht getroffen worden; die Antragstellerin habe vielmehr einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 500 € gefordert, den er daraufhin geleistet habe. Keiner der Beteiligten sei davon ausgegangen, daß er das Einkommen aus Nebentätigkeit auch weiterhin erzielen werde, und es daher Grundlage für eine Vereinbarung sei. Ein Ausschluß einer Abänderung sei jedenfalls nicht ausdrücklich geregelt worden.

Aufgrund seines Alters sei ihm eine körperlich belastende Tätigkeit nicht mehr zuzumuten. Die Grenze der Zumutbarkeit sei aufgrund der Überbelastung spätestens seit Vollendung des 68. Lebensjahres überschritten; dies stelle eine die Abänderung rechtfertigende wesentliche Veränderung dar, und stünde einer Berücksichtigung der Nebeneinkünfte entgegen. Zum 31. Dezember 2020 sei das Beschäftigungsverhältnis auch beendet worden; zudem seien die zusätzlichen Ratenzahlungsverpflichtungen von insgesamt 160 € für die unter Anordnung einer Ratenzahlung bewilligte Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren und für das vorliegende Verfahren zu berücksichtigen. Jedenfalls führe die körperliche Behinderung der Antragstellerin nicht zu einer Erwerbsminderung, so daß ihr die Aufnahme einer (»leidensgerechten«) vollschichtigen Tätigkeit zuzumuten sei. Unzutreffend habe das Amtsgericht ausgeführt, daß den Beteiligten bewußt gewesen sei, daß er aufgrund seines Einkommens die gemeinsamen Verbindlichkeiten alleine zurückzahlen werde.

Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung. Über die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von zunächst 500 € und später 700 € monatlich sei ein Vertrag geschlossen worden. Eine Abänderung dieser Unterhaltsvereinbarung käme nur bei einer Störung der Geschäftsgrundlage, bei Zutagetreten der hierfür maßgeblichen Gründe nach Abschluß der getroffenen Vereinbarung in Betracht, was gerade nicht der Fall sei. Der Antragsgegner schulde daher einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 700 €, wovon sie einen Teilbetrag in Höhe von monatlich 500 € geltend mache.

II. Die gemäß §§ 58 ff FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hat teilweise Erfolg. Sie ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt aufgrund der Anfang März 2018 von den Beteiligten getroffenen vertraglichen Unterhaltsvereinbarung gemäß §§ 145, 151, 157 BGB jedoch nur in dem tenorierten Umfange zu.

Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß die Antragstellerin ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt grundsätzlich auf die mit dem Antragsgegner Anfang März 2018 geschlossene vertragliche Unterhaltsvereinbarung stützen kann.

Ehegatten können grundsätzlich Unterhaltsvereinbarungen abschließen, die im Hinblick auf den Getrenntlebensunterhalt (§ 1361 BGB) formlos möglich sind (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. Rdn. 601); hierbei handelt es sich um Verträge, die nach allgemeinen Grundsätzen des Angebots und der Annahme bedürfen (§§ 145 ff BGB), wobei insbesondere auch durch konkludentes Verhalten ein Unterhaltsvertrag zustande kommen kann, etwa wenn ein Ehegatte dem anderen längere Zeit regelmäßig Zahlungen zukommen läßt (Hoffmann in Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rdn. 1378 mwN). Von dem Abschluß einer Unterhaltsvereinbarung - jedenfalls soweit es die Zahlung eines Trennungsunterhalts in Höhe von 500 € anbelangt - kann danach ausgegangen werden. Der Antragsgegner hat - unstreitig - von März 2018 bis Dezember 2018 monatlichen Trennungsunterhalt an die Antragstellerin in Höhe von 500 € gezahlt; hierin ist das Angebot auf Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung durch schlüssiges Verhalten, gerichtet auf monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von 500 € zu sehen, welches die Antragstellerin durch Entgegennahme der ihr offerierten Zahlung (konkludent) angenommen hat.

Zwar ergeben sich danach keine Einzelheiten hinsichtlich der Vertragsgrundlagen und -ausgestaltung; dies ist indes für das Zustandekommen eines Vertrages über die Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts in der genannten Höhe nicht erforderlich. Die Beteiligten haben mithin - ohne nähere Ausgestaltung - eine die gesetzliche Unterhaltspflicht konkretisierende vertragliche Regelung getroffen, mit der eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts (jedenfalls) in Höhe eines Betrages von 500 € ab März 2018 festgelegt wurde.

Soweit der Antragsgegner die Vereinbarung über einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 500 € wegen Unterschreitung seiner Leistungsfähigkeit als sittenwidrig und damit als nichtig erachtet, verfängt dies nicht. Unterhaltsvereinbarungen unterliegen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit den allgemeinen Vorschriften, und können wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden verstoßen; zu würdigen sind hierbei Inhalt, Beweggründe und Zweck des Geschäfts, sowie dessen Gesamtcharakter. Maßgebend für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sind die objektiven und subjektiven Verhältnisse in dem Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Die erforderliche Gesamtwürdigung hat daher auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluß abzustellen (Wendl/Dose, aaO § 6 Rdn. 610 mwN).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann vorliegend angesichts der bloßen Vereinbarung eines Zahlbetrages nicht von einer Sittenwidrigkeit der Unterhaltsvereinbarung ausgegangen werden: Weder liegen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines auffälligen Mißverhältnisses der Lastenverteilung innerhalb der Vereinbarung vor, noch gibt es tragfähige Anhaltspunkte dafür, daß die Vertragswirkungen bereits bei Vertragsschluß offenkundig einseitig negativ waren. Zwar kann auch bei einer Vereinbarung einer Zahlungsverpflichtung unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen Sittenwidrigkeit iSv § 138 Abs. 1 BGB zu erwägen sein (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 477); der Antragsgegner hat jedoch in Kenntnis seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts in Höhe von 500 € im März 2018 angeboten, bzw. einer entsprechenden Forderung zugestimmt, und in den folgenden Monaten auch ohne Einschränkung oder widersprechender Erklärungen geleistet. Erst mit Schreiben vom 24. September 2019 hat er sich auf seine mangelnde Leistungsfähigkeit berufen. Allein dies spricht bereits - mangels weiterer tragfähiger Anhaltspunkte und hinreichender Darlegungen - dagegen, daß die Vereinbarung über die Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts von 500 € unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners getroffen worden ist.

Zudem bleibt es dem Unterhaltsschuldner gerade im Rahmen der hier zu beachtenden Vertragsfreiheit und Privatautonomie überlassen, die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit selbst zu bestimmen; daher macht nicht jede eingegangene Verpflichtung, die das Leistungsvermögen des Unterhaltspflichtigen überfordert, die Vereinbarung automatisch sittenwidrig (vgl. Wendl/Dose, aaO § 6 Rdn. 611 mwN). Von einer Unterlegenheitsposition des Antragsgegners zu dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die zu einer offensichtlich einseitigen Aufbürdung vertraglicher Lasten führt, kann danach nicht ausgegangen werden; jedenfalls hat der Antragsgegner nicht einmal ansatzweise dargelegt, daß er sich in einer derart unterlegenen Verhandlungsposition befunden hat, die von der Antragstellerin tatsächlich bewußt ausgenutzt worden ist.

Allerdings kann den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung nicht gefolgt werden, soweit hierin von einem Festhalten an der vertraglichen Unterhaltsvereinbarung mangels Darlegung einer wesentlichen Änderung nach Vertragsschluß ausgegangen wird; vielmehr ist hier mit Blick auf den konkludenten Abschluß der Unterhaltsvereinbarung über die Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts in Höhe von 500 € zu berücksichtigen, daß die Beteiligten zu den konkreten Vertragsgrundlagen sowie der vertraglichen Ausgestaltung gerade keine weiteren Vereinbarungen getroffen haben. Eine Feststellung, ob und gegebenenfalls welche Umstände hier Grundlage der von den Beteiligten getroffenen Unterhaltsvereinbarung geworden ist, ist daher nicht möglich. Hierzu im Einzelnen: Die Frage, ob der Antragsgegner eine Abänderung der Unterhaltsvereinbarung mit der Begründung seiner mangelnden Leistungsfähigkeit verlangen kann, beurteilt sich allein nach materiell-rechtlichen Kriterien; dabei entscheiden vorrangig der durch Auslegung zu ermittelnde Vertragsinhalt, und gegebenenfalls die Grundsätze der Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die auch auf die von den Beteiligten getroffene Unterhaltsvereinbarung Anwendung finden (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB 78. Aufl. § 313 Rdn. 54).

Angesichts der getroffenen Vereinbarung der Beteiligten allein zur Höhe des Unterhaltsbetrages kann vorliegend - zunächst - nicht davon ausgegangen werden, daß eine Anpassung der Vereinbarung an veränderte Umstände gänzlich ausgeschlossen sein soll. Ein Wille der Beteiligten dahingehend, daß die Unterhaltsvereinbarung eine abschließende Regelung enthalten soll, kann danach nicht angenommen werden; vielmehr bedeutet die pauschale Bestimmung des Unterhaltsbetrages ohne konkrete Berechnung und ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Einkommensverhältnisse gerade keinen umfassenden Abänderungsausschluß. Ein Wille dahin, daß die Unterhaltsleistung unter allen Umständen, also auch bei einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unverändert bleiben soll, ist nicht zu vermuten, sondern kann nur einer ausdrücklichen Vereinbarung entnommen werden (BGH FamRZ 2015, 734 = FuR 2015, 474 Tz. 24), an der es hier mangelt.

Aufgrund einer vorrangig vorzunehmende Auslegung der Unterhaltsvereinbarung läßt sich mangels konkreter Ausgestaltung der Vereinbarung betreffend die Vertragsgrundlagen und -modalitäten nicht ermitteln, mit welchem Inhalt die Beteiligten hier eine bindende Regelung über die Dauer und die mögliche Begrenzung der Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners sowie deren Abänderungsvoraussetzungen getroffen haben: Eine genaue Festlegung, insbesondere die Angabe des gesetzlichen Unterhaltstatbestandes, der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie der Unterhaltsberechnung ist gerade nicht erfolgt. Allein die vereinbarte Höhe des Unterhalts läßt mangels konkreter Darlegung der für den Abschluß und konkreten Inhalt der getroffenen Vereinbarung darlegungs- und beweisbelasteten Antragstellerin (vgl. Wendl/Dose, aaO § 6 Rdn. 703) keine Rückschlüsse hierauf zu.

Somit ist nach den Grundsätzen der Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB, wonach die Geschäftsgrundlage anzupassen ist, wenn sich die nach dem Vertrag für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs maßgeblichen Verhältnisse wesentlich verändert haben (Grüneberg, aaO § 313 Rdn. 54), eine Abänderung der Vereinbarung möglich.

Zwar sind danach nur solche Veränderungen beachtlich, die die Geschäftsgrundlage zu erschüttern, und den von beiden Beteiligten verfolgten Endzweck zu vereiteln geeignet sind. Die Frage, welche tatsächlichen Umstände Geschäftsgrundlage der Unterhaltsvereinbarung waren, und welche Veränderungen deshalb zu einer Anpassung des Vertrages führen, bestimmt sich jedoch nach dem der Einigung zugrunde gelegten Parteiwillen. Dieser ist Geltungsgrund der Vereinbarung und entscheidet darüber, welche Verhältnisse zur Grundlage des Vergleichs gehören, und wie die Parteien diese Verhältnisse bewertet haben (BGH FamRZ 2012, 699 Tz. 29).

Vorliegend kann jedoch allein aufgrund der vereinbarten Unterhaltshöhe keine Feststellung getroffen werden, welche Vorstellungen der Beteiligten für die vertragliche Bemessung des Unterhalts bestimmend waren. Mag der Antragsgegner die Regelaltersgrenze hier zwei Monate nach Abschluß der Unterhaltsvereinbarung erreicht haben, so liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor - und wurden auch nicht dargetan -, daß sich die Beteiligten über den bevorstehenden Ruhestand des Antragsgegners und der sich daraus ergebenden Konsequenzen Gedanken gemacht, und diesen Umstand der Bemessung der Unterhaltszahlung zugrunde gelegt haben. Dies gilt auch im Hinblick auf die erzielten Einkünfte des Antragsgegners aus seiner Nebentätigkeit, sowie der von der Antragstellerin derzeit und künftig ausgeübten (eingeschränkten) Erwerbstätigkeit. Tragfähige Anhaltspunkte, die einen entsprechenden Willen der Beteiligten für die vertragliche Bemessung des Unterhaltsanspruchs auf der Grundlage und in Kenntnis der vorgenannten Umstände erkennen lassen, liegen nicht vor, und wurden auch nicht dargelegt; angesichts der tatsächlichen Umstände ist vielmehr davon auszugehen, daß der Antragsgegner der Forderung der Antragstellerin nach Zahlung eines Trennungsunterhalts in Höhe von 500 € durch Zahlung nachkam, bzw. diese Zahlungen angeboten hat, da er sich zu diesem Zeitpunkt hierzu in der Lage und (gegebenenfalls) auch verpflichtet sah. Weitere zur Vertragsgrundlage gewordene Vorstellungen der Beteiligten können hier jedoch weder festgestellt, noch angenommen werden.

Sind die Grundlagen der Unterhaltsvereinbarung - wie vorliegend - nicht festgestellt, und auch durch Auslegung oder auf sonstige Weise nicht feststellbar, besteht bereits kein hinreichender Ansatz für eine Anpassung an die veränderten Umstände. Mit der nach Ablauf des Trennungsjahres am 28. Februar 2019 eingetretenen Verfestigung der Trennung der Beteiligten, sowie angesichts des Alters des Antragsgegners mit Blick auf das Erreichen der Regelaltersgrenze - hierzu nachfolgend - haben sich jedoch die Verhältnisse der Beteiligten seit dem Abschluß der vertraglichen Unterhaltsvereinbarung Anfang März 2018 maßgeblich verändert. Der Unterhalt ist daher nach den gesetzlichen Vorschriften wie bei einer Erstfestsetzung neu zu berechnen (vgl. BGH FamRZ 2001, 986 = FuR 2001, 306 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 53; Wendl/Dose, aaO § 6 Rdn. 618; Meyer-Holz in Keidel, FamFG 19. Aufl. § 239 Rdn. 53).

Nach § 1361 Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte von dem anderen während der Dauer des Getrenntlebens den nach den ehelichen Lebensverhältnissen, das heißt den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen, solange er allein nicht in der Lage ist, diesen sicherstellen zu können. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bemessung des Trennungsunterhalts sind die jeweils gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse in dem Zeitraum, für den der Unterhalt begehrt wird, soweit sich diese prägend auf die ehelichen Lebensverhältnisse ausgewirkt haben.

Nach § 1361 Abs. 1 S. 1 iVm § 1567 Abs. 1 BGB leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht, und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (BGH FamRZ 2016, 1142 = FuR 2016, 472). Danach bestehen keine Bedenken an einer Trennung der Beteiligten am 28. Februar 2018, die unstreitig zu diesem Zeitpunkt durch den Auszug des Antragsgegners aus der gemeinsamen Ehewohnung erfolgt ist.

1. Unterhaltsrechtliches Einkommen der Antragstellerin

Das Erwerbseinkommen der Antragstellerin als Teilzeitbeschäftigte belief sich in dem Zeitraum September 2018 bis August 2019 auf durchschnittlich 575,38 € monatlich. Nach Abzug einer Pauschale von 5% für berufsbedingte Aufwendungen, mithin in Höhe eines Betrages von 28,77 € (vgl. Ziff. 10.2.1. der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg), sowie des Erwerbstätigenbonus (im Umfang eines Siebtels) in Höhe von 78,09 € verbleiben davon monatlich 468,52 €. Hiermit wurde und wird die Antragstellerin ihrer unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit gerecht. Fiktive Einkünfte aus einer der Antragstellerin zumutbaren Vollzeittätigkeit wegen Verstoßes gegen die sie in Anbetracht der unterhaltsrechtlichen Eigenverantwortung treffende Erwerbsobliegenheit sind ihr nicht hinzuzurechnen.

Nach § 1361 Abs. 2 BGB treffen den unterhaltsberechtigten Ehegatten Erwerbsobliegenheiten, die bei einer Verletzung zu der Anrechnung fiktiver Einkünfte führen kann. Zwar tritt erst mit der Scheidung die volle wirtschaftliche Eigenverantwortung gemäß § 1569 BGB ein, jedoch führt bereits die Trennung zu einer gesteigerten Eigenverantwortung der Ehegatten, ihren Bedarf selbst zu decken. Sofern aufgrund einer Abwägung aller maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit zu bejahen ist, kann auch von dem während des ehelichen Zusammenlebens (teilweise) erwerbstätigen Ehegatten eine Ausweitung seiner bestehenden Teilzeittätigkeit zu einer Vollzeittätigkeit jedenfalls nach Ablauf des Trennungsjahres und bei - zumindest wegen des gestellten Scheidungsantrages - Feststehen des Scheiterns der Ehe zugemutet werden (vgl. Viefhues in Herberger/Martinek/Rüßmann/ Werth/Würdinger, jurisPK-BGB 9. Aufl. § 1361 Rdn. 761 mwN); dabei bestimmen sich der Umfang der regelmäßig erforderlichen Erwerbstätigkeit und eventuelle Abweichungen hiervon nach den individuellen Verhältnissen des Unterhaltsberechtigten, die seine Erwerbsfähigkeit bestimmen, insbesondere dessen berufliche Vorbildung, Lebensalter, Gesundheitszustand, Zeitpunkt der letzten Berufstätigkeit sowie die Dauer der Ehe. Wenn nicht gewichtige Umstände entgegenstehen, obliegt es dem Trennungsunterhalt begehrenden Ehegatten grundsätzlich, die von ihm in dem Trennungszeitpunkt ausgeübte zumutbare und angemessene Erwerbstätigkeit fortzusetzen, und nach Ablauf des Trennungsjahres und bei Feststehen des Scheiterns der Ehe eine bestehende Teilzeittätigkeit zu einer Vollzeittätigkeit auszuweiten, gegebenenfalls zur Sicherung seines Unterhalts eine weitere Teilzeittätigkeit aufzunehmen (vgl. Viefhues, aaO § 1361 Rdn. 794 mwN).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Antragstellerin ein Verstoß gegen sie treffende Erwerbsobliegenheiten mit daraus folgender Zurechnung fiktiver Erwerbseinkünfte nicht angelastet werden. Eine Verpflichtung der Antragstellerin zu der Ausweitung ihrer in Teilzeit ausgeübten Erwerbstätigkeit bestand und besteht nicht; dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, daß für die Antragstellerin aufgrund der ab März 2018 freiwillig und widerspruchsfrei geleisteten Zahlungen des Antragsgegners von Trennungsunterhalt in nicht unbeträchtlicher Höhe jedenfalls bis einschließlich September 2019 zunächst keine Veranlassung bestand, von einer Verpflichtung zu der Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit auszugehen, denn auch das Verhalten des Unterhaltspflichtigen während der Trennungszeit kann Auswirkungen auf die weitere Unterhaltspflicht haben. Widerspruchslose Zahlungen während der Trennungszeit schaffen - wie vorliegend - unterhaltsrechtlich einen Vertrauenstatbestand, der den Zeitpunkt für eine Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten hinausschiebt (vgl. Viefhues, aaO § 1361 Rdn. 797).

Demnach setzte die Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin grundsätzlich erst nach Ankündigung der Reduzierung der Unterhaltszahlungen zum 1. Oktober 2019 mit Schreiben des Antragsgegners vom 24. September 2019 (frühestens) im Oktober 2019, und nicht bereits mit Ablauf des Trennungsjahres am 28. Februar 2019 ein; jedoch ist der Antragstellerin aufgrund ihrer bestehenden körperlichen Einschränkungen infolge ihrer Erkrankung an Kinderlähmung sowie aufgrund der Behinderung im Grad von 50% nach Auffassung des Senats weder eine Aufstockung ihrer bisher in Teilzeit ausgeübten Erwerbstätigkeit, noch eine (weitere) Teilzeittätigkeit - auch nicht in einem anderen Berufsfeld - zumutbar. Die Antragstellerin übt als Reinigungskraft bereits eine körperlich anstrengende Tätigkeit in einem nicht unerheblichen Umfang von 20 Stunden an fünf Tagen in der Woche aus. Eine Ausweitung dieser Teilzeittätigkeit, die mit einer weiteren körperlichen Belastung verbunden wäre, kann der Antragstellerin angesichts ihrer (unstreitigen) körperlichen Einschränkungen nicht zugemutet werden. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus das Alter der Antragstellerin (derzeit 62 Jahre) sowie die Ehedauer von 26 Jahren, die auch der Aufnahme einer (weiteren) Teilzeittätigkeit, verbunden mit einer Intensivierung der körperlichen Anstrengungen, wegen Unzumutbarkeit entgegen stehen. Daß die Antragstellerin eine nicht körperlich anstrengende Arbeit finden könnte, mit der sie mehr verdienen könnte als bisher, ist weder ersichtlich, noch konkret von dem Antragsgegner dargelegt worden.

2. Unterhaltsrechtliches Einkommen des Antragsgegners

Auf Seiten des Antragsgegners sind unstreitig monatliche Renteneinkünfte in Höhe von insgesamt 2.087,92 € einzustellen (Deutsche Rentenversicherung 1.072,69 €, V1 686,18 €, und V2 329,05 €). Die von dem Antragsgegner nach Erreichen der Regelaltersgrenze fortgesetzte Nebentätigkeit bei dem Supermarkt S. ist im Hinblick auf den Trennungsunterhalt überobligatorisch. Der Antragsgegner war bereits zu dem Zeitpunkt der Trennung der Beteiligten am 28. Februar 2018 aufgrund seines Alters nicht mehr zur Fortsetzung der Nebentätigkeit verpflichtet; die hieraus erzielten monatlichen Einkünfte in Höhe von durchschnittlich 389,52 € sind damit unter Billigkeitsgesichtspunkten (insgesamt) nicht anzurechnen.

Nach der Rechtsprechung ist eine Erwerbstätigkeit, die über die Regelaltersgrenze hinaus ausgeübt wird, überobligatorisch, denn bei dem Ehegattenunterhalt gilt der Maßstab der gesetzlichen Regelaltersgrenze auch für den Unterhaltspflichtigen, unabhängig davon, ob der Unterhaltspflichtige in einem abhängigen Arbeits- oder Dienstverhältnis steht, oder ob er gewerblich oder freiberuflich tätig ist. Es ist auch unerheblich, ob sich die Erwerbstätigkeit im Rentenalter als berufstypisch darstellt, oder von den Ehegatten während des Zusammenlebens geplant war. In welchem Umfang eine Anrechnung der hieraus erzielten Einkünfte erfolgt, beurteilt sich nach Treu und Glauben unter Billigkeitsgesichtspunkten nach den Umständen des Einzelfalles, wobei insbesondere das Alter, die körperliche und geistige Belastung, die ursprüngliche Lebensplanung sowie die Höhe der Altersvorsorge als Kriterien zu prüfen sind (BGH FamRZ 2011, 454 = FuR 2011, 395; Brudermüller, aaO § 1581 Rdn. 10).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die von dem Antragsgegner mit Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 35 S. 2 iVm § 235 Abs. 2 S. 1 SGB VI am 2. Oktober 2016 (Geburtsjahrgang 1951 = 65 Jahre + 5 Monate) ausgeübte Nebentätigkeit in dem hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum überobligatorisch. Aufgrund seines Alters war der Antragsgegner nicht mehr zu der Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit verpflichtet, und ist daher auch nicht daran gehindert, diese Tätigkeit (entsprechend seiner Ankündigung nunmehr zum 31. Dezember 2020) aufzugeben. Zwar folgt aus dieser grundsätzlich überobligatorischen und damit unzumutbaren Erwerbstätigkeit des Antragsgegners noch nicht zwingend, daß die hieraus erzielten Einkünfte insgesamt oder auch (nur) teilweise außer Betracht zu lassen sind; allerdings scheidet hier eine Anrechnung nicht nur angesichts des Alters des Antragsgegners, der im November 2019 bereits 68 Jahre alt war, sondern auch unter Berücksichtigung der körperlichen Beeinträchtigungen des Antragsgegners sowie des Grades seiner Behinderung von 30% gänzlich aus.

Der Antragsteller, der in seinem Beruf als Schichtschlosser bereits einer anstrengenden körperlichen Berufstätigkeit nachging, mußte seinen Beruf aufgeben, nachdem er sich (unstreitig) wiederholt einer Operation an der Halswirbelsäule unterziehen mußte. Aufgrund der hieraus resultierenden dauerhaften körperlichen Einschränkungen, die die Antragstellerin lediglich pauschal und damit nicht tauglich in Abrede gestellt hat, stellt die (weitere) Ausübung der Nebentätigkeit eine zunehmende körperliche Belastung dar, die dem Antragsgegner nicht mehr zumutbar ist. Gegen eine auch nur eingeschränkte Anrechnung des Einkommens aus der überobligatorischen Nebentätigkeit spricht zudem der Umstand, daß diese besonderen Erwerbsanstrengungen des Antragsgegners vorwiegend dem Zweck der Deckung seiner bestehenden finanziellen Belastungen dienen. Neben den monatlichen Ratenzahlungen in Höhe von 551 € für ein von den Beteiligten bei der B. Bank aufgenommenes Darlehen leistet der Antragsgegner weitere monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 54,43 € für ein Darlehen bei der C. Bank, sowie in Höhe von (zuletzt) monatlich 160 € für die Kosten des Scheidungsverfahrens. Soweit der Antragsgegner angesichts seiner bestehenden monatlichen Zahlungsverpflichtungen an die Antragstellerin bis über die Grenze seiner Leistungsfähigkeit einen monatlichen Trennungsunterhalt von zunächst 500 € und sodann 700 € monatlich gezahlt hat, scheidet in Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung bedeutsamen Gesichtspunkte eine Anrechnung der aus der (überobligatorischen) Nebentätigkeit erzielten Einkünfte vorliegend vollständig aus.

Von dem einzusetzenden Einkommen des Antragsgegners in Höhe von 2.087,92 € sind zunächst einkommensmindernd die von dem Antragsgegner (unstreitig) monatlich aufgewendeten Beiträge für die Krankenversicherung bei der K. Krankenkasse in Höhe von 57,65 € zu berücksichtigen; das Einkommen des Antragsgegners ist ferner unstreitig um monatlich 551,87 € zu bereinigen, die dieser für die Rückführung des von den Beteiligten aufgenommenen Darlehens bei der B. Bank alleine aufwendet.

Verbindlichkeiten, die die Ehegatten vor der Trennung in ausdrücklichem oder stillschweigendem Einvernehmen eingegangen sind, sind einkommensmindernd zu berücksichtigen: Die zu ihrer Tilgung eingesetzten Mittel hätten auch bei Fortsetzung der Ehe für den allgemeinen Lebensbedarf nicht zur Verfügung gestanden, und mindern daher als berücksichtigungswürdige Ausgaben das für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Einkommen (vgl. Wendl/Dose, aaO § 1 Rdn. 1073); dabei ist es unerheblich, welcher Ehegatte die Kreditverbindlichkeiten eingegangen ist, und wofür das Geld ausgegeben worden ist, insbesondere auch, wer die mit dem Darlehen angeschafften Vermögenswerte nach der Trennung erhalten hat (vgl. Viefhues, aaO § 1361 Rdn. 446). Das Darlehen bei der B. Bank haben die Beteiligten gemeinsam am 6. Februar 2018, also noch vor ihrer Trennung, aufgenommen; demgegenüber kommt es nicht darauf an, daß die Darlehensauszahlung in Teilbeträgen jeweils an die Antragstellerin und den Antragsgegner in unterschiedlicher Höhe sowie an die Lebensversicherung des Antragsgegners bei der L. AG erfolgt, und zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt worden ist; maßgebend ist vielmehr die Begründung der Verbindlichkeit mit ausdrücklicher Zustimmung der Antragstellerin. Im Übrigen wurden die ausgezahlten Darlehensbeträge auch zu der Finanzierung des laufenden Lebensbedarfs der Beteiligten (Zahnbehandlung) sowie zu der Finanzierung eines Fahrzeugs eingesetzt, wobei der Verbleib des Fahrzeugs insoweit unerheblich ist: Dies müssen die Beteiligten im Rahmen der Hausrats- und Vermögensauseinandersetzung und des Zugewinns klären (Wendl/Dose, aaO § 1 Rdn. 1083).

Die monatliche Ratenbelastung in Höhe von 54,43 € für das von dem Antragsgegner bei der C. Bank am 17. Juli 2018 aufgenommene Darlehen mindert sein Einkommen hingegen nicht. Zwar können auch Schulden, die erst nach der Trennung - in Kenntnis der Unterhaltsverpflichtung - begründet worden sind, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners mindern; jedoch stellen neue einseitige Verbindlichkeiten des Pflichtigen nur dann berücksichtigungsfähige Schulden dar, wenn sie unausweichlich notwendige und nicht durch anderweitige Mittel finanzierbare Anschaffungen oder Dienstleistungen betreffen (Wendl/Dose, aaO § 1 Rdn. 1084). Unter Beachtung dieses strengen Maßstabes werden auch trennungs- und scheidungsbedingte Verbindlichkeiten erfaßt, jedoch ist im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung insbesondere der Zweck der Verbindlichkeit zu berücksichtigen (Niepmann/Seiler, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 14. Aufl. Rdn. 1039). Gemessen hieran kann der zur Begründung der Darlehensaufnahme vorgetragene Finanzierungsaufwand des Antragsgegners für die Zahlung des Trennungsunterhalts an die Antragstellerin keine Berücksichtigung finden. Die Beteiligten haben vertraglich die Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts vereinbart, so daß der Antragsgegner auch verpflichtet ist, für die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung Sorge zu tragen. Die hierfür von dem Antragsgegner aufgewendeten finanziellen Kosten kann er der Antragstellerin nicht entgegen halten, da diese andernfalls ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt mittragen würde.

Ein Abzug für die monatlichen Beiträge für die Sterbeversicherung in Höhe von 7 € und 9,89 € kann bereits mit Rücksicht auf die geringe Prämienhöhe nicht erfolgen: Diese Kosten gehören ebenso wie die monatlichen Aufwendungen für die Kfz-Versicherung in Höhe von 52,17 € sowie die monatlichen Ratenzahlungen in Höhe von 80 € gemäß Stromabrechnung vom 2. März 2020 zu dem allgemeinen Lebensbedarf (Brudermüller, aaO § 1361 Rdn. 57).

Die von dem Antragsgegner (zuletzt) in Höhe von 160 € bezifferten monatlichen Raten, die er wegen der unter Anordnung einer Ratenzahlung bewilligten Verfahrenskosten für die Kosten des Scheidungsverfahrens und des vorliegenden Verfahrens zu leisten hat, können ebenfalls keine Berücksichtigung finden. Ungeachtet der Tatsache, daß der Antragsgegner die bestehende Verpflichtung im einzelnen nicht konkret dargelegt hat, sind Verfahrenskosten für Scheidungs- und Folgeverfahren von jeder Partei in der Höhe, in der sie ihr auferlegt wurden, aus den Lebenshaltungskosten selbst zu tragen. Sofern Verfahrenskostenhilfe unter Anordnung einer Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt worden ist, müssen auch diese selbst getragen werden, da die Freibeträge so angelegt sind, daß sie für die Lebenshaltungskosten ausreichen (Wendl/Dose, aaO § 1 Rdn. 1098).

Danach ergibt sich grundsätzlich ein Anspruch der Antragstellerin auf Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich ([468,52 € + 1.478,40 € =] 1.946,92 € : 2 = [973,46 € ./. 468,52 €] =) 504,94 €. Unter Berücksichtigung des eheangemessenen Selbstbehalts gemäß Ziffer 21.4 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg - also monatlich 1.200 € im Jahre 2019 und 1.280 € im Jahre 2020 - ist der Antragsgegner nur zur Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts für November 2019 und Dezember 2019 in Höhe von jeweils (1.478,40 € ./. 1.200 € =) 278,40 €, sowie ab Januar 2020 in Höhe von monatlich (1.478,40 € ./. 1.280 € =) 198,40 € in der Lage. Unter Berücksichtigung der von dem Antragsgegner im November 2019 und Dezember 2019 geleisteten Unterhaltszahlungen in Höhe von jeweils 154 €, besteht noch eine Verpflichtung zur Zahlung eines (restlichen Betrages) von jeweils 124,40 €. Für die Zeit ab 1. Dezember 2020 schuldet der Antragsgegner der Antragstellerin laufenden Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 198,40 €. Da nicht sicher festgestellt werden konnte, welche Zahlungen seit Januar 2020 auf den Unterhalt geleistet worden sind, konnten diese vorliegend nicht bei der Bezifferung der Zahlungspflicht berücksichtigt werden.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 S. 2 Nr. 1 FamFG, die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit auf § 116 Abs. 3 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus §§ 40 Abs. 1, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.

OLG Brandenburg 2021-01-07 - 9 UF 132/20
Speichern Öffnen bra-2021-01-07-132-20.pdf (115,68 kb)


Anmerkungen

1. Die beteiligten Eheleute schlossen im Jahre 1993 die Ehe, und trennten sich im Februar 2018. Nach der Trennung forderte die in Teilzeit mit einem Einkommen von ca. 600 € erwerbstätige Ehefrau den Ehemann auf, ihr Trennungsunterhalt von in Höhe 500 € zu bezahlen. Ob in diesem Zusammenhang weitere Absprachen getroffen wurden, ist streitig; jedenfalls zahlte der Ehemann den geforderten Betrag von März bis Dezember 2018, erhöhte dann die Zahlungen auf 700 € monatlich, und reduzierte sie ab November 2019 aber auf ca. 150 €. Er hatte im Mai 2018 die Regelaltersgrenze erreicht, bezog eine Rente von knapp 2.100 €, und verdiente durch eine Nebentätigkeit ca. 400 € monatlich dazu. Die Ehefrau machte beim FamG mit Erfolg geltend, der Antragsgegner habe den Trennungsunterhalt in Höhe von 500 € ab November 2019 weiter zu zahlen.

Der Antragsgegner begründete seiner Beschwerde unter anderem damit, die Ehefrau treffe nach Ablauf des Trennungsjahres eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit, und seine Einkünfte aus Nebentätigkeit seien als überobligatorisch nicht zu berücksichtigen. Eine etwaige zwischen ihm und der Antragstellerin zustande gekommene Vereinbarung über den Trennungsunterhalt sei jedenfalls sittenwidrig, weil sein Selbstbehalt erheblich unterschritten werde.

2. Das OLG ging davon aus, dass durch die Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 500 € über mehrere Monate hinweg eine konkludente Vereinbarung über Unterhaltszahlungen in dieser Höhe zustande gekommen sei. Der Antragsgegner habe durch seine Zahlungen den Abschluss einer solchen, für den Trennungsunterhalt auch formlos möglichen Vereinbarung angeboten, und die Antragstellerin habe dieses Angebot durch Entgegennahme des Unterhalts angenommen. Durch diese Vereinbarung hätten die Eheleute die gesetzliche Unterhaltspflicht konkretisiert. Diese Abrede sei auch nicht schon deshalb nichtig, weil der vereinbarte Unterhalt die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners übersteige, denn dafür sei erforderlich, dass der Schuldner sich bei Abschluss des Vertrages in einer unterlegenen Position befunden, und die Gläubigerin dies ausgenutzt habe, was hier aber nicht feststellbar sei (zu dem Sonderfall der Gefährdung des Unterhaltsschuldners in seiner wirtschaftlichen Existenz aufgrund einer Änderung der Rechtslage s. BGH FamRZ 2015, 734 = FuR 2015, 474).

Allerdings müsse sich der Antragsgegner an der vereinbarten Unterhaltspflicht in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht festhalten lassen, sondern könne eine Anpassung an die zwischenzeitlich veränderten Verhältnisse verlangen. Die Beteiligten hätten zwar zu den Grundlagen der Unterhaltsmessung nichts vereinbart; daraus könne aber nicht gefolgert werden, dass sie eine abschliessende und unabänderliche Unterhaltsregelung vereinbart hätten. Somit unterliege ihre Vereinbarung der Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB). Dabei lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Beteiligten über den Umfang ihrer künftigen Erwerbstätigkeit Gedanken gemacht hätten; aus den Zahlungen des Antragsgegners sei nur zu schliessen, dass er sich zu dem damaligen Zeitpunkt zu Unterhaltsleistungen in dieser Höhe in der Lage und verpflichtet gesehen habe. Weitere zur Geschäftsgrundlage gewordene Vorstellungen der Beteiligten seien nicht feststellbar. Eine Störung der Geschäftsgrundlage bestehe, weil sich die Umstände durch die mit dem Ablauf des Trennungsjahres verbundene Verfestigung der Trennung und den zwischenzeitlichen Renteneintritt des Antragsgegners geändert hätten. Demzufolge war der Trennungsunterhalt als Quotenunterhalt wie bei einer Erstfestsetzung neu zu berechnen.

3. Sollen Unterhaltsvereinbarungen angepasst werden, sollte nicht vorschnell auf die Störung der Geschäftsgrundlage zurückgegriffen werden; vielmehr ist vorab zu prüfen, ob die Beteiligten Absprachen über die Abänderbarkeit getroffen haben, denn dadurch können sich gegenüber § 313 Abs. 1 BGB sowohl strengere - bis hin zum Ausschluss der Abänderbarkeit - als auch erleichterte Maßstäbe ergeben, wobei auch die freie Abänderbarkeit vereinbart werden kann.

4. Bei jeder Vereinbarung zum Trennungsunterhalt muss das Verzichtsverbot gemäss §§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4 iVm § 1614 Abs. 1 BGB beachtet werden. Eine Unterschreitung des geschuldeten Unterhalts um 1/5 wird in der Regel noch hingenommen; wenn jedoch der vereinbarte Unterhalt den gesetzlich geschuldeten um mehr als 1/3 unterschreitet, droht die Nichtigkeit der Vereinbarung. Diese Rechtsfolge kann auch nicht durch ein pactum de non petendo umgangen werden (BGH FamRZ 2015, 2131 = FuR 2016, 51). Bei einer aussergerichtlichen Regelung des Trennungsunterhalts sollte der Unterhalt nach derzeitiger Rechtslage zumindest in groben Zügen berechnet werden, damit festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit eine beabsichtigte Vereinbarung einen Teilverzicht tangiert.


_____________________________________________________________________________________________

Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Stufenverfahren; Verteilung der Kosten nach § 243 FamFG; Heraufsetzung des Verfahrenswertes in Beschwerdeverfahren.

BGB § 1361; FamFG § 243

1. Das Gericht hat bei der Kostenverteilung in Unterhaltssachen gemäß § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG insbesondere den Umstand berücksichtigen, daß ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und zur Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist; der Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens tritt in diesem Falle regelmäßig hinter das Abwägungskriterium des nicht rechtzeitigen Befolgens einer Aufforderung zur Auskunfterteilung zurück.
2. Ist der Verfahrenswert für die erste Instanz im Beschwerdeverfahren herauszusetzen, dann gilt das Verbot der reformatio in peius insoweit nicht. § 55 Abs. 3 FamGKG eröffnet dem Beschwerdegericht auch keinen Ermessensspielraum: Ist die Festsetzung des Verfahrenswertes unzutreffend erfolgt, und sind die zeitlichen Grenzen dieser Vorschrift noch nicht verstrichen, dann muß das Beschwerdegericht die Festsetzung des Wertes ändern.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 17. Mai 2021 - 13 WF 23/21

Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Strausberg vom 22.01.2021 (28 F 203/19) wird zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert für die erste Instanz wird auf 22.985 € festgesetzt.
3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich in dem Stufenverfahren um Trennungsunterhalt mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die ihm nach Antragsrücknahme durch die Antragstellerin und nach eigener, auf seinen Widerantrag bezogener Erledigungserklärung auferlegte Kostenlast.

Die Antragstellerin hatte den Antragsgegner im Stufenverfahren zunächst auf Auskunfterteilung in Anspruch genommen, nachdem sie ihn außergerichtlich aufgefordert hatte, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen, und diese Auskunft zu belegen, woraufhin der Antragsgegner der Antragstellerin den Ausdruck seiner elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das vorangegangene Jahr übermittelt hatte. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin im Wege des Widerantrages ebenfalls auf Auskunft in Anspruch genommen. Auf das hierauf bezogene sofortige Anerkenntnis der Antragstellerin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Strausberg insoweit Teilanerkenntnisbeschluß gegen die Antragstellerin erlassen.

Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2020 hat die Antragstellerin auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Versicherung seiner Auskunft an Eides Statt angetragen. Mit Schriftsatz vom 23. August 2020 hat der Antragsgegner die Feststellung beantragt, daß er ab September 2020, also ab Erreichen des Renteneintrittsalters, keinen Trennungsunterhalt mehr an die Antragstellerin zu zahlen hat. Mit Schriftsatz vom 3. November 2020 hat die Antragstellerin ihren Stufenantrag zurückgenommen; der auf seinen Feststellungsantrag bezogenen Erledigungserklärung des Antragsgegners vom 22. Dezember 2020 ist sie nicht entgegengetreten.

II. Die gegen die isolierte Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme gerichtete statthafte (vgl. BGH FamRZ 2011, 1933 = FuR 2012, 88) sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 269 Abs. 5, 91a Abs. 2 S. 1, 567 ff ZPO). Die Beschwerdesumme von 200 € (§ 567 Abs. 2 ZPO) ist erreicht, und die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 ZPO) ist gewahrt.

Die Beschwerde bleibt aber in der Sache erfolglos. Zutreffend hat das Amtsgericht bei der Verteilung der Kosten des Unterhaltsverfahrens auf § 243 FamFG abgestellt (vgl. Knittel/Birnstengel, Themengutachten [TG]-1267 3/2021). Danach entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Verfahrenskosten. Ob eine nach diesen Grundsätzen von dem erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung von dem Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH FamRZ 2007, 893 = FuR 2007, 275 = EzFamR ZPO § 626 Nr. 2 Tz. 15; OLG Hamm AGS 2013, 477; Keidel/Giers, FamFG 20. Aufl. § 243 Rdn. 11), oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH FamRZ 2011, 1933 = FuR 2012, 88 Tz. 35; 2013, 1876 = FuR 2014, 36 Tz. 23; 2014, 744 = FuR 2014, 346 Tz. 17; 2016, 218 = FuR 2016, 249 Tz. 17; Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG 5. Aufl. § 243 Rdn. 34), kann hier dahinstehen, denn die Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung würdigt den Sachverhalt umfassend. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

Gemäß § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG hat das Gericht insbesondere den Umstand berücksichtigen, daß ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und zur Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist (OLG Karlsruhe FamRZ 2013, 1508), es sei denn, daß eine Verpflichtung hierzu nicht bestand. Gesetzeszweck dieser Sanktionsvorschrift ist es, den Unterhaltsanspruch außergerichtlich schneller zu klären. Die außergerichtlich nicht erteilte oder nicht genügende Auskunft wird kostenrechtlich sanktioniert. Wie das Verfahren letztendlich ausgeht, spielt für die Kostenentscheidung keine Rolle. Die Verpflichtung, die Kosten zu tragen, besteht auch dann, wenn die in dem Verfahren erteilte Auskunft dazu führt, daß der Antrag auf Zahlung von Unterhalt zurückgenommen werden muß (Bömelburg, aaO § 243 Rdn. 21; Schlünder in BeckOK FamFG, 38. Edition [Stand: 01.04.2021] § 243 Rdn. 9). Der von dem Antragsgegner ins Feld geführte Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens tritt in dem Falle des § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG regelmäßig hinter das Abwägungskriterium des nicht rechtzeitigen Befolgens einer Aufforderung zur Auskunfterteilung zurück.

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Amtsgericht festgestellt, daß der Antragsgegner zu der Verfahrenseinleitung Veranlassung gegeben hat, indem er der außergerichtlichen Auskunfts- und Belegforderung der Antragstellerin nicht vollständig entsprochen hat, während andererseits die Antragstellerin den Auskunftsantrag des Antragsgegners sofort anerkannt hat, ohne daß dem eine außergerichtliche Aufforderung zur umfassenden Auskunfterteilung vorausgegangen war. Daß sie zu dem Widerantrag auf Auskunft Veranlassung gegeben hätte, der den Verfahrenswert im Übrigen nicht erhöht hat, ist danach nicht ersichtlich. Der Umstand, daß die Antragstellerin ihren Antrag nach dem Eintritt des Antragsgegners in das Rentenalter und einem damit einhergehenden deutlichen Einkommensrückgang auf seiner Seite, der Unterhaltsansprüche der Antragstellerin in Zukunft ausschloß, zurückgenommen hat, weil sie auf der Grundlage der erteilten Auskunft keine nennenswerten Erfolgsaussichten für ihren Anspruch mehr gesehen hat, ist nach dem oben Gesagten für die Kostenverteilung in dem vorliegenden Fall nicht maßgeblich.

Hinzu kommt, daß der Antragsgegner seinen negativen Feststellungswiderantrag, der über einen bloßen Abweisungsantrag hinausging, und für den von Anfang an kein Feststellungsinteresse geltend gemacht oder ersichtlich war, er also mithin unzulässig war, ebenfalls nicht mehr weiterverfolgt, sondern für erledigt erklärt hat. Nach Abwägung all dieser Umstände entspricht die von dem Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung der Billigkeit.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 243 S. 2 Nr. 1 FamFG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 1 ZPO).

III. Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde auch gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes auf 10.829 €; er macht unter Hinweis auf den Auskunftsanspruch einen Wert von 4.950 € geltend.

Die auf die Entscheidung zur Streitwertfestsetzung bezogene Beschwerde ist zulässig (§ 59 Abs. 1 S. 1 FamFG), in der Sache aber erfolglos. Der Verfahrenswert für die erste Instanz ist gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 FamGKG auf 22.985 € festzusetzen; das Verbot der reformatio in peius gilt insoweit nicht. Die Vorschrift eröffnet dem Beschwerdegericht auch keinen Ermessensspielraum: Ist die Festsetzung des Verfahrenswertes unzutreffend erfolgt, und sind die zeitlichen Grenzen des § 55 Abs. 3 FamGKG noch nicht verstrichen, muß das Beschwerdegericht daher die Festsetzung des Wertes ändern (BeckOK KostR/Siede, 33. Edition [Stand: 01.04.2021] § 55 FamGKG Rdn. 46).

1. Soweit der Antragsgegner meint, es sei nur der Wert für den Auskunftsantrag anzusetzen, wird auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung und in dem Nichtabhilfebeschluß Bezug genommen: Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, daß neben dem Auskunftsantrag auch der Leistungsantrag rechtshängig geworden ist, nach welchem sich in Stufenverfahren der Verfahrenswert bestimmt. Bei einem Stufenantrag handelt es sich um eine objektive Anspruchshäufung, für deren Bewertung die Sonderregelung des § 38 FamGKG gilt, die der des § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG vorgeht. Danach sind die Werte der Vorbereitungsansprüche und der Wert des Unterhaltsanspruchs, auf den sich erstere beziehen, gesondert zu ermitteln und miteinander zu vergleichen. Der höhere der im Wege des Stufenantrages verbundenen Ansprüche ist für die Wertfestsetzung maßgebend (BeckOK KostR/Neumann, 33. Edition [Stand: 01.04.2021] FamGKG § 51 Rdn. 71). Der werthöhere Anspruch ist vorliegend der Leistungsantrag.

2. Die Bewertung des auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen gerichteten und zunächst unbezifferten Leistungsantrages bei Stufenanträgen erfolgt nach § 51 FamGKG. Da der Leistungsantrag nicht erst mit seiner Bezifferung, sondern bereits in dem Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrages anhängig wird (BGH FamRZ 1995, 797 = EzFamR ZPO § 254 Nr. 3 = BGHF 9, 945; OLG Celle FamRZ 2011, 1809; OLG Hamm FamRZ 2011, 582; 2014, 1810; OLG Schleswig FamRZ 2013, 240; FamFR 2013, 546; FamRZ 2014, 689; NZFam 2015, 931; FF 2019, 502; OLG Bremen FF 2015, 78; OLG Karlsruhe AGS 2016, 17; OLG Koblenz MDR 2017, 488; OLG Bamberg FamRZ 2019, 1642; Schneider, NZFam 2014, 591; 2015, 375), ist der Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrages auch maßgeblich für die Wertberechnung des von dem Stufenantrag erfaßten laufenden (Absatz 1) und rückständigen (Absatz 2) Unterhalts. Da die einzelnen Unterhaltsleistungen in diesem Zeitpunkt unbeziffert geltend gemacht werden, ist ihr Betrag nach der ursprünglichen Zahlungserwartung des Antragstellers zu der Zeit der Einreichung des Stufenantrages zu bestimmen (BeckOK KostR/Neumann, aaO § 51 FamGKG Rdn. 72).

Nach diesen Maßstäben ist der Verfahrenswert auf 22.985 € festzusetzen. Berechnungsgrundlage für den Verfahrenswert ist der monatliche Unterhaltsbetrag (§ 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Für die Verfahrenswertbemessung des laufenden Unterhalts ist der von der Antragstellerin angegebene Betrag von 1.650 € monatlich maßgebend. Der Umstand, daß der Antragsgegner zuvor regelmäßig monatlich 1.013 € gezahlt hat, steht dem nicht entgegen, denn ein Titulierungsinteresse der Antragstellerin bestand nicht nur an dem Spitzenbetrag über die freiwilligen Zahlungen des Antragsgegners hinaus, sondern an dem insgesamt erwarteten Unterhalt einschließlich freiwilliger Zahlungen, so daß die gesamte Forderung der Streitwertberechnung zugrunde zu legen ist (vgl. OLG Celle FamRZ 2003, 465; Herget in Zöller, ZPO 28. Aufl. § 3 Anhang Stichwort Unterhalt mwN). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Antragstellerin sich darauf beschränkt hätte, lediglich den über den freiwillig gezahlten Unterhalt hinausgehenden Betrag geltend zu machen (KG FamRZ 2011, 755). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Für den laufenden Unterhalt ergibt sich damit gemäß § 51 Abs. 1 FamGKG ein Streitwert von (12 x 1.650 € =) 19.800 €; hinzu kommt gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG der geltend gemachte Unterhaltsrückstand von März bis Juli 2019 in Höhe von 3.185 €. Insoweit sind von dem erwarteten Betrag (5 x 1.650 € = 8.250 €) die geleisteten Zahlungen in Höhe von 5.065 € abzuziehen.

Der Wert des Feststellungswiderantrages betrifft denselben Verfahrensgegenstand, den Trennungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin; er übertrifft nicht den Wert des Leistungsantrages. Wegen der wirtschaftlichen Identität des im Wege des Widerantrages geltend gemachten Anspruchs mit dem Leistungsanspruch ist gemäß § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

Soweit die Beschwerde die Festsetzung des Verfahrenswertes betrifft, fallen weitere Gerichtsgebühren nicht an. Insoweit entstandene außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).

Diese Entscheidung ist, soweit sie die Beschwerde gegen die Verfahrenswertfestsetzung betrifft, unanfechtbar (§§ 59 Abs. 1 S. 5, 57 Abs. 7 FamGKG).

OLG Brandenburg 2020-05-17 - 13 WF 23/21
Speichern Öffnen bra-2021-05-17-023-21.pdf (68,71 kb)


Anmerkungen

In einem Stufenverfahren um Trennungsunterhalt wandte sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die ihm nach Antragsrücknahme durch die Antragstellerin und nach eigener, auf seinen Widerantrag bezogener Erledigungserklärung auferlegte Kostenlast.

Die Antragstellerin hatte den Antragsgegner im Stufenverfahren zunächst auf Auskunfterteilung in Anspruch genommen, nachdem sie ihn aussergerichtlich aufgefordert hatte, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen, und diese Auskunft zu belegen, woraufhin der Antragsgegner der Antragstellerin den Ausdruck seiner elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das vorangegangene Jahr übermittelt hatte. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin im Wege des Widerantrages ebenfalls auf Auskunft in Anspruch genommen. Auf das hierauf bezogene sofortige Anerkenntnis der Antragstellerin hat das AmtsG insoweit Teilanerkenntnisbeschluss erlassen. Nunmehr hat die Antragstellerin auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Versicherung seiner Auskunft an Eides Statt angetragen. Der Antragsgegner hat die Feststellung beantragt, dass er ab Erreichen des Renteneintrittsalters keinen Trennungsunterhalt an die Antragstellerin zu zahlen habe. Daraufhin hat die Antragstellerin ihren Stufenantrag zurückgenommen; der auf seinen Feststellungsantrag bezogenen Erledigungserklärung des Antragsgegners ist sie nicht entgegengetreten.

Das OLG hat die gegen die isolierte Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme gerichtete statthafte (vgl. BGH FamRZ 2011, 1933 = FuR 2012, 88) sofortige Beschwerde als auch im Übrigen zulässig (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 269 Abs. 5, 91a Abs. 2 S. 1, 567 ff ZPO) erachtet: Die Beschwerdesumme von 200 € (§ 567 Abs. 2 ZPO) sei erreicht, und die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 ZPO) gewahrt. Allerdings blieb die Beschwerde in der Sache erfolglos.

1. Verteilung der Kosten des Unterhaltsverfahrens
» Zutreffend hat das AmtsG bei der Verteilung der Kosten des Unterhaltsverfahrens auf § 243 FamFG abgestellt: Danach entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Verfahrenskosten. Ob eine nach diesen Grundsätzen von dem erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung von dem Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH FamRZ 2007, 893 = FuR 2007, 275; OLG Hamm AGS 2013, 477), oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH FamRZ 2011, 1933 = FuR 2012, 88; 2013, 1876 = FuR 2014, 36; 2014, 744 = FuR 2014, 346; 2016, 218 = FuR 2016, 249) kann hier dahinstehen, denn die Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung würdigt den Sachverhalt umfassend. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

Gemäss § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG hat das Gericht insbesondere den Umstand berücksichtigen, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist (OLG Karlsruhe FamRZ 2013, 1508), es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand. Gesetzeszweck dieser Sanktionsvorschrift ist es, den Unterhaltsanspruch aussergerichtlich schneller zu klären. Die aussergerichtlich nicht erteilte oder nicht genügende Auskunft wird kostenrechtlich sanktioniert; wie das Verfahren letztendlich ausgeht, spielt für die Kostenentscheidung keine Rolle. Die Verpflichtung, die Kosten zu tragen, besteht auch dann, wenn die in dem Verfahren erteilte Auskunft dazu führt, dass der Antrag auf Zahlung von Unterhalt zurückgenommen werden muss. Der von dem Antragsgegner ins Feld geführte Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens tritt in dem Fall des § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG regelmässig hinter dem Abwägungskriterium des nicht rechtzeitigen Befolgens einer Aufforderung zur Auskunfterteilung zurück. «

Beanstandungsfrei habe das AmtsG festgestellt, dass der Antragsgegner zur Verfahrenseinleitung Veranlassung gegeben hat, indem er der aussergerichtlichen Auskunfts- und Belegforderung der Antragstellerin nicht vollständig entsprochen habe, während andererseits die Antragstellerin den Auskunftsantrag des Antragsgegners sofort anerkannt habe, ohne dass dem eine aussergerichtliche Aufforderung zur umfassenden Auskunfterteilung vorausgegangen war. Dass sie zu dem Widerantrag auf Auskunft Veranlassung gegeben hätte, der den Verfahrenswert im Übrigen nicht erhöht habe, sei danach nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Antragstellerin ihren Antrag nach dem Eintritt des Antragsgegners in das Rentenalter und einem damit einhergehenden deutlichen Einkommensrückgang auf seiner Seite, der Unterhaltsansprüche der Antragstellerin in Zukunft ausschloss, zurückgenommen habe, weil sie auf der Grundlage der erteilten Auskunft keine nennenswerten Erfolgsaussichten für ihren Anspruch mehr gesehen habe, sei nach dem oben Gesagten für die Kostenverteilung vorliegend nicht massgeblich.

Hinzu komme, dass der Antragsgegner seinen negativen Feststellungswiderantrag, der über einen blossen Abweisungsantrag hinaus ging, und für den von Anfang an kein Feststellungsinteresse geltend gemacht oder ersichtlich war, der mithin unzulässig war, ebenfalls nicht mehr weiter verfolgt, sondern für erledigt erklärt hat. Nach Abwägung all dieser Umstände entspricht die vom Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung der Billigkeit.

2. Festsetzung des Verfahrenswertes
Die auf die Entscheidung zur Streitwertfestsetzung bezogene Beschwerde sei zulässig (§ 59 Abs. 1 S. 1 FamFG), in der Sache aber erfolglos. Der Verfahrenswert für die erste Instanz war heraufzusetzen; das Verbot der reformatio in peius gilt insoweit nicht. Die Vorschrift eröffne dem Beschwerdegericht auch keinen Ermessensspielraum: Ist die Festsetzung des Verfahrenswertes unzutreffend erfolgt, und sind die zeitlichen Grenzen des § 55 Abs. 3 FamGKG noch nicht verstrichen, muss das Beschwerdegericht daher die Festsetzung des Wertes ändern.

Da neben dem Auskunftsantrag auch der Leistungsantrag rechtshängig geworden sei, bestimme sich der Verfahrenswert im Stufenverfahren nach beiden Anträgen.

» Bei dem Stufenantrag handelt es sich um eine objektive Anspruchshäufung, für deren Bewertung die Sonderregelung des § 38 FamGKG gilt, die der des § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG vorgeht. Danach sind die Werte der Vorbereitungsansprüche und der Wert des Unterhaltsanspruchs, auf den sich erstere beziehen, gesondert zu ermitteln und miteinander zu vergleichen. Der höhere der im Wege des Stufenantrages verbundenen Ansprüche ist für die Wertfestsetzung massgebend. Der werthöhere Anspruch ist vorliegend der Leistungsantrag.

Die Bewertung des auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen gerichteten und zunächst unbezifferten Leistungsantrages bei Stufenanträgen erfolgt nach § 51 FamGKG. Da der Leistungsantrag nicht erst mit seiner Bezifferung, sondern bereits im Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrages anhängig wird (BGH FamRZ 1995, 797; OLG Hamm FamRZ 2011, 582; 2014, 1810; OLG Celle FamRZ 2011, 1809; OLG Schleswig FamFR 2013, 546; FamRZ 2013, 240; 2014, 689; NZFam 2015, 931; FF 2019, 502; OLG Bremen FF 2015, 78; OLG Karlsruhe AGS 2016, 17; OLG Koblenz MDR 2017, 488; OLG Bamberg FamRZ 2019, 1642; Schneider NZFam 2014, 591; 2015, 375), ist der Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrages auch massgeblich für die Wertberechnung des von dem Stufenantrag erfassten laufenden (Abs. 1) und rückständigen (Abs. 2) Unterhalts. Da die einzelnen Unterhaltsleistungen in diesem Zeitpunkt unbeziffert geltend gemacht werden, ist ihr Betrag nach der ursprünglichen Zahlungserwartung des Antragstellers zur Zeit der Einreichung des Stufenantrages zu bestimmen. «

Für die Verfahrenswertbemessung des laufenden Unterhalts sei der von der Antragstellerin angegebene Betrag von 1.650 € monatlich massgebend. Der Umstand, dass der Antragsgegner zuvor regelmässig monatlich 1.013 € gezahlt habe, stehe dem nicht entgegen, denn ein Titulierungsinteresse der Antragstellerin habe nicht nur an dem Spitzenbetrag über die freiwilligen Zahlungen des Antragsgegners hinaus bestanden, sondern an dem insgesamt erwarteten Unterhalt einschliesslich freiwilliger Zahlungen, sodass die gesamte Forderung der Streitwertberechnung zugrunde zu legen sei (vgl. OLG Celle FamRZ 2003, 465). Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn die Antragstellerin sich darauf beschränkt hätte, lediglich den über den freiwillig gezahlten Unterhalt hinausgehenden Betrag geltend zu machen (KG FamRZ 2011, 755); dies sei hier jedoch nicht der Fall.

Fachanwälte im Familienrecht gesucht

Aktuelles

Merkblatt zur Steuerklassenwahl für das Jahr 2022
Das Bundesministerium der Finanzen hat das >Merkblatt zur Steuerklassenwahl für das Jahr 2022 be...
Düsseldorfer Tabelle 2022
Die »Düsseldorfer Tabelle« wurde zum 01.01.2022 geändert, im Wesentlichen bei den Bedarfssätzen min...
Neuer Artikel