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BGB § 1628 - Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern - FD-Logo-500

BGB § 1628 - Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern



BGB § 1628 - Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.





 



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Gemeinsame elterliche Sorge bei Getrenntleben der Eltern; Übertragung der Entscheidungsbefugnis für die Unterbringung des Kindes bei einer Tagesmutter; alleiniges Entscheidungsrecht zur Umgangsgestaltung.

1. Für die Dauer eines durch Vergleich festgelegten Umgangs hat der berechtigte Elternteil das Recht zur alleinigen Entscheidung über die tatsächliche Umgangsgestaltung, das nur aus Gründen des Kindeswohles eingeschränkt werden kann.
2. Die Unterbringung des Kindes bei einer Tagesmutter an drei Werktagen in der Woche für jeweils sechs Stunden ist - einschliesslich der Eingehung eines darauf gerichteten Betreuungsvertrages - eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB.
3. Bei der Abwägung, welchem Elternteil das Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Entscheidungsbefugnis für eine Tagesbetreuung übertragen soll, ist als wesentlicher Gesichtspunkt zu berücksichtigen, bei welchem Elternteil das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, und wer insoweit auch die Betreuung und Erziehung des Kindes übernimmt.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 8. Januar 2020 - 20 UF 169/19

Anmerkungen

Der Antragsteller ist aufgrund gerichtlichen Vergleichs zum Umgang mit dem älteren Sohn jeweils von Donnerstag nach der Schule/Hort bis Montag Schulbeginn und mit dem jüngeren Sohn von Freitag nach der Kita bis Sonntag 18 Uhr berechtigt, wobei er die Kinder spätestens um 16 Uhr von der Schule bzw. Kita abzuholen hat. Den älteren Sohn hat er aufgefordert, an den Umgangsfreitagen allein von dem Schul-/Hortgebäude zu dem Kitagebäude seines Bruders zu gehen, und dort auf ihn zu warten. Nachdem das Kind an mindestens einem Freitag mindestens 15 Minuten lang vor der verschlossenen Kitatür warten musste, hat die Antragsgegnerin gegenüber der Horterzieherin widersprochen, dass diese dem Kind erlaubt, den Hort zu verlassen, um zu der Kita zu gehen. Das FamG hat den Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin aufzugeben, das Verbot gegenüber dem Hort zurückzunehmen, zurückgewiesen.

Das OLG hat auf die Beschwerde des Antragstellers den Ausgangsbeschluss abgeändert: Der Antragsteller habe gemäss § 1687 Abs. 1 S. 4 BGB für die Dauer des durch den Vergleich festgelegten Umgangs das Recht zur alleinigen Entscheidung über die tatsächliche Umgangsgestaltung; eine Einschränkung dieser Befugnis aus Gründen des Kindeswohles bestehe nicht.

Die Art und Weise der Abholung des Kindes von der Schule oder dem Hort sei nicht verbindlicher Bestandteil des Vergleichs. Die Art und Weise der Abholung sei regelmässig Bestandteil der Alltagssorge. Was aber Gegenstand der Alltagssorge sei, könne nicht gleichzeitig Umgangsmodalität sein. Zu den Umgangsmodalitäten zähle die Abholung nur insofern, als geregelt werden müsse, wer für den Ortswechsel des Kindes zwischen den Haushalten verantwortlich sei. Sei ausdrücklich vereinbart, dass der Umgang nach der Schule beginne, so sei der Moment des Schulschlusses der tatsächliche Beginn der Alltagssorge des Umgangsberechtigten. Die Formulierung, dass der Antragsteller spätestens um 16 Uhr die Kinder von der Schule oder der Kita abhole, stehe dem nicht entgegen, denn die Reichweite der Alltagssorge des tatsächlich betreuenden Elternteils unterliege nur dann der Disposition der Beteiligten, wenn dies ausdrücklich so vereinbart sei.

Es lägen auch keine Umstände vor, deretwegen gemäss § 1687 Abs. 4 BGB die Entscheidungsbefugnis des Antragstellers über die Schulwegbewältigung des Kindes einzuschränken oder auszuschliessen sei. Für eine derartige gerichtliche Entscheidung bedürfe es keiner Kindeswohlgefährdung, sondern es genüge das Vorliegen von triftigen, das Kindeswohl berührenden nachhaltigen Gründen, die besorgen liessen, dass ohne die Maßnahme das Kind eine ungünstige Entwicklung nehmen könne. Es seien aber alle Beteiligten darüber einig, dass das Kind die Wegstrecke von 800 Metern selbständig bewältigen könne, was für einen Achtjährigen auch völlig normal sei. Der Einwand der Antragsgegnerin, dem Kind sei nicht zuzumuten, im Freien auf den Vater zu warten, stelle keinen triftigen, das Kindeswohl berührenden Grund dar, denn es gehe um eine zumutbare Wartezeit, und die hiesigen Witterungsverhältnisse liessen keine Gesundheitsbeeinträchtigung befürchten.

Hinweise
1. Im Zuge familiengerichtlicher Umgangsregelungen ist die konkrete Ausgestaltung des Umgangs, also insbesondere Fragen zum Holen und Bringen des Kindes, wesentlicher Teil des Regelungsbedarfs. Wird der Umgang nach Art, Ort und Zeit ausreichend konkretisiert, so bedarf es keiner weitergehenden detaillierteren Verpflichtungen, etwa betreffend Abholung und Bereithalten des Kindes. Grundsätzlich bestimmt der betreuende Elternteil die Modalitäten des Holens und Bringens, an die der Umgangsberechtigte gebunden ist, solange sie nicht schikanös sind, oder de facto zu einem Umgangsausschluss führen. Demgegenüber bestimmt der Umgangsberechtigte - lediglich eingeschränkt durch das Persönlichkeitsrecht des Kindes -, wie er den Zeitraum des Umgangs konkret gestalten möchte, und damit auch den Aufenthaltsort des Kindes (KG FamRZ 2016, 389). Etwaigen Sicherheitsbedenken des betreuenden Elternteils, die sich am Kindeswohl orientieren, und nicht rechtsmissbräuchlich sind, ist gleichwohl Rechnung zu tragen.

2. Einschränkungen oder der gänzliche Ausschluss des Umgangsrechts setzen nach § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB voraus, dass dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist, wobei nach Satz 2 Einschränkungen für längere Zeit nur bei einer Kindeswohlgefährdung in Betracht kommen. Allerdings gilt nach der Rechtsprechung des BVerfG, dass bereits die Einschränkung des Umgangs im Falle einer nur sonstigen Gefährdung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Kindes in Betracht kommt (BVerfG FamRZ 2013, 433 = FuR 2013, 284).

Sollen Einschränkungen des Umgangsrechts geltend gemacht werden, so ist nicht nur der hiermit verbundene Eingriff in ein elterliches Grundrecht zu berücksichtigen, sondern auch, dass es sich bei dem Umgang zuvorderst um ein Recht des Kindes handelt. Neben den in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten hohen Eingriffshürden muss die Beratungspraxis auch berücksichtigen, inwieweit das Begehren tatsächlich am Kindeswohl ausgerichtet ist.


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Untersagung einer Flugreise mit Kind während der Corona Pandemie.

1. Bei einer bestehenden Gefährdungslage (hier: Corona-Pandemie) stellt die beabsichtigte Flugreise eines Elternteils mit dem Kind in ein fernes Land (hier: Nicaragua) eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, denn Passagiere einer Flugreise sind besonderen Gefahren ausgesetzt, wenn andere Passagiere bereits erkrankt sind, und etwaige Viren durch die Klimaanlage im Flugzeug zirkulieren.
2. Einem Elternteil kann daher untersagt werden, eine weite Flugreise (hier: nach Nicaragua) mit einem Kind anzutreten, zumal in vielen Ländern die medizinische Versorgung qualitativ nicht so hochwertig ist wie in Deutschland.

OLG Frankfurt, Beschluß vom 13. März 2020 - 7 UF 17/20

Anmerkungen

1. allein entscheiden könne. Auf die Beschwerde des Kindesvaters hiergegen hat das OLG gemäss § 64 Abs. 3 FamFG eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der es die Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung einstweilen ausgesetzt, und der Mutter untersagt hat, die beabsichtigte Flugreise mit dem Kind anzutreten. Sie bleibe selbstverständlich berechtigt, ohne das Kind zu reisen, und dieses während ihrer Abwesenheit von dem Kindesvater betreuen zu lassen.

Angesichts der zu dem Zeitpunkt der Entscheidung bereits ersichtlichen weltweiten Corona-Pandemie sei eine Flugreise des Kindes eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Es müsse berücksichtigt werden, dass Flugreisende besonderen Gefahren ausgesetzt seien, wenn andere Passagiere bereits erkrankt sind, und etwaige Viren durch die Klimaanlage im Flugzeug zirkulierten. Auch sei die Annahme des AmtsG, dass es in wärmeren Gegenden der Erde keine Gefahr durch das Corona-Virus gebe, nicht vertretbar: Hierfür lägen keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Daher sei das Kind grösseren Gefahren ausgesetzt, als wenn es hier in Deutschland bleiben würde, zumal die medizinische Versorgung in Deutschland als qualitativ höherwertiger einzuschätzen sei als diejenige in Mittelamerika.

2. Bei gemeinsamem Sorgerecht ist für Entscheidungen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung das gegenseitige Einvernehmen beider Elternteile erforderlich. In »normalen Zeiten« stellt die Entscheidung über den Ort, an dem ein Elternteil die Ferien mit dem Kind verbringt, keine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar: Der Ferienumgangsberechtigte ist ebenso wie der Elternteil, der das Kind regelmässig betreut, allein befugt, das Urlaubsziel zu bestimmen (vgl. Stockmann, FamRB 2017, 315, 316). Diese Entscheidungsbefugnis besteht grundsätzlich auch für Reisen in ferne Länder. Allein wenn die Urlaubsreise mit einer besonderen Gefährdung für das Kind verbunden ist, ist die Zustimmung des anderen mitsorgeberechtigten Elternteils erforderlich. Die seit Anfang 2020 weltweit auftretende Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass zu den Gefährdungen, über die Gerichte bisher zu entscheiden hatten (Reisen in Krisen- oder Kriegsgebiete), die bestehende Infektionsgefahr hinzugekommen ist.

Die Maßstäbe für die Entscheidung hierüber sind die gleichen: Ist eine Gefährdung des Kindes nicht von der Hand zu weisen, wird die Angelegenheit zu einer solchen von erheblicher Bedeutung für das Kind; das Einvernehmen beider Elternteile ist dann erforderlich. Ist ein solches nicht erzielbar, so kann das FamG gemäss § 1628 BGB einem Elternteil allein die Entscheidungsbefugnis übertragen. Entscheidender Gesichtspunkt ist dabei das Kindeswohl (§ 1697a BGB). Zu diesem gehört aber nicht nur die Berücksichtigung der mit der Reise verbundenen Ansteckungsgefahr, sondern auch die durch eine Untersagung der Reise ausgelösten negativen Folgen, etwa der nicht mehr mögliche Kontakt des Kindes zu einem Grosselternteil. Die Zustimmungsbedürftigkeit zu einer Entscheidung für das Kind bei akuter Infektionsgefahr besteht jedoch nicht nur für eine Urlaubsreise, sondern für jeden Umstand, der bei vernünftiger Betrachtung zu einer Gesundheitsgefährdung für das Kind führen kann.

3. Hinsichtlich der Frage, ob von der Reise zu einem bestimmten Ziel eine Gefährdung ausgeht, wird generell empfohlen, die Sicherheitshinweise (»Reisewarnungen«) des Auswärtigen Amtes zugrunde zu legen (vgl. Stockmann, FamRB 2017, 315, 319).


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Vertretungsbefugnis der Kindesmutter; Nebenklageanschluss des minderjährigen Kindes im Strafverfahren gegen einen sorgeberechtigten Elternteil bei gemeinsamer elterlicher Sorge.

1. Der wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes angeklagte sorgeberechtigte Elternteil ist nicht gemäss § 1795 Abs. 2 in Verbindung mit § 181 BGB von Gesetzes wegen hinsichtlich der Entscheidung über den Anschluss als Nebenkläger für das Kind ausgeschlossen.
2. Eine entsprechende Anwendung des § 1795 Abs. 2 in Verbindung mit § 181 BGB ist nicht erforderlich, weil nach § 1796 BGB die diesbezügliche Entziehung der Vertretungsmacht geregelt ist.
3. Der angeklagte Elternteil hat ein Interesse daran, dass ein Nebenklageanschluss seitens des Kindes nicht erfolgt. Dem Kind sollen keine strafprozessualen Verfahrensrechte als Nebenkläger in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren zustehen. Damit stehen sich die Interessen des angeklagten Elternteils und des Kindes von vornherein diametral entgegen, so dass die Voraussetzungen des § 1796 Abs. 2 BGB insoweit gegeben sind.
4. Das Interesse des Kindes dürfte für die Gestaltung des zukünftigen Lebens und der Beziehung zu dem angeklagten Elternteil dahin gehen, den Tatvorwurf aufzuklären; damit ergibt sich kein erheblicher Gegensatz der Interessen des den Nebenklageanschluss befürwortenden Elternteils zu denen des Kindes.
5. Gemäss § 1680 Abs. 1 und 3 BGB steht in diesen Fällen bei gemeinsamer elterlicher Sorge die Entscheidungsbefugnis über einen Anschluss des Kindes als Nebenkläger von Gesetzes wegen dem den Nebenklageanschluss befürwortenden Elternteil alleine zu, weshalb es der Übertragung der elterlichen Sorge hierfür zur alleinigen Ausübung auf diesen nicht bedarf.

OLG Bamberg, Urteil vom 16. März 2020 – 2 UF 27/20


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Voraussetzungen einer Übertragung des Namensbestimmungsrechts auf einen Elternteil; Antrag des Vaters auf Änderung des Geburtsnamens des Kindes.

1. Für die Übertragung des Namensbestimmungsrechts auf einen Elternteil gemäss § 1617 Abs. 2 BGB ist dann kein Raum, wenn bereits eine bestandskräftige Bestimmung des Geburtsnamens des Kindes durch das Standesamt gemäss § 21 PStG erfolgt ist.
2. Bei der Änderung des Familiennamens handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, für welche die Entscheidungsbefugnis gemäss §§ 1628, 1697a BGB auf einen Elternteil allein übertragen werden kann.
3. Bei der allein an dem Kindeswohl zu orientierenden Entscheidung nach §§ 1628, 1697a BGB kommt es auf eine vor der Geburt getroffene Einigung der Eltern über den Familiennamen des Kindes ebenso wenig an wie auf die Gepflogenheiten in dem Herkunftsland der Eltern.

OLG Hamm, Beschluß vom 5. Juni 2020 - II-2 UF 85/18

Anmerkungen

Der Kindesvater begehrt, ihm das Namensbestimmungsrecht zur Bestimmung des Geburtsnamens des Kindes zu übertragen. Der Antragsteller und die weitere Beteiligte, die Kindesmutter, schlossen im Jahre 2015 im Libanon die Ehe; einen gemeinsamen Ehenamen führten sie nicht. Die Ehefrau kehrte im November 2015 nach Deutschland zurück; das Kind wurde im April 2016 geboren. Sie gab bei der standesamtlichen Anmeldung des Kindes als Familienstand »ledig« an; das Kind erhielt dementsprechend ihren Geburtsnamen T. Der Eintrag eines Vaters in das Geburtenregister wurde zurückgestellt. Der Ehemann und Kindesvater kam zwei Tage nach der Geburt nach Deutschland, wo die Ehegatten zusammenlebten. Seit dem 24.09.2016 leben die Eltern des Kindes getrennt; die Endentscheidung in der Scheidungssache ist seit dem 17.10.2018 rechtskräftig. Aufgrund gerichtlicher Entscheidung wurde der Kindesvater in den Geburtseintrag aufgenommen; der weitergehende Antrag auf Berichtigung des eingetragenen Familiennamens T. in seinen Geburtsnamen L. oder hilfsweise »ungeklärt« wurde zurückgewiesen. Nunmehr begehrt der Kindesvater in dem hiesigen Verfahren, ihm die Einzelfallentscheidungsbefugnis über die Bestimmung des Nachnamens des Kindes zu übertragen. AmtsG und OLG haben den Antrag zurückgewiesen.

Der Senat hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1617 Abs. 2 S. 1 BGB verneint. Danach überträgt das FamG das Bestimmungsrecht einem Elternteil, wenn die gemeinsam die elterliche Sorge innehabenden Eltern, die keinen Ehenamen führen, nicht binnen eines Monats nach der Geburt den Geburtsnamen des Kindes bestimmen. Gemäss § 168a Abs. 2 FamFG teilt das Standesamt dies dem FamG von Amts wegen mit. Eben hieran fehle es, denn mit seinem Antrag, den derzeit eingetragenen Familiennamen T. in L. oder hilfsweise »ungeklärt« zu berichtigen, habe der Kindesvater bereits in dem vorausgegangenen Verfahren keinen Erfolg gehabt.

Eine Übertragung des Bestimmungsrechts gemäss § 1628 BGB scheide ebenfalls aus. Das FamG sei zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Änderung des Familiennamens um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind handele, über die bei gemeinsamer Sorge - in Abgrenzung zu Angelegenheiten des täglichen Lebens nach § 1688 BGB - von den sorgeberechtigten Eltern grundsätzlich nur gemeinsam entschieden werden könne (vgl. BGH FamRZ 2017, 119 = FuR 2017, 88). Sodann hat der Senat unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung des BGH vom 09.11.2016 bei der Übertragung der Antragsbefugnis gemäss § 1628 S. 1 BGB geprüft, ob die Übertragung dem Wohle des Kindes am besten iSd § 1697a BGB entspreche, hat jedoch die Erfolgsaussicht des Antrages nach §§ 1, 3 NÄG verneint.

Hinweise
1. Die Namensbestimmung ist eine familienrechtliche Willenserklärung, die gemäss § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Standesbeamten abzugeben ist (amtsempfangsbedürftige Willenserklärung iSd § 130 Abs. 3 BGB). Zu der Entgegennahme der Namensbestimmungserklärung zuständig ist nach § 45 Abs. 2 S. 1 PStG das das Geburtenregister führende Standesamt, in dem die Geburt des Kindes beurkundet wird. Die Bestimmung wird wirksam, sobald sie in den Verfügungsbereich des zuständigen Standesbeamten gelangt (vgl. OLG München NJW 2015, 2271 zu der Erklärung nach § 1617a Abs. 2 BGB). Die Eltern handeln bei der Abgabe der Erklärung nicht in Vertretung des Kindes; sie geben je eine eigene Erklärung ab, jedoch mit Wirkung für das Kind. Das Recht und die Pflicht zur Namensbestimmung folgen aus der elterlichen Sorge, konkret der Personensorge (§§ 1626 Abs. 1 S. 1 und 2 Alt. 1, 1631 Abs. 1 BGB (BVerfGE 104, 373). Dementsprechend verlangt § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB bei gemeinsamer elterlicher Sorge die Erklärung der Namensbestimmung durch beide Elternteile; sie muss nicht zeitgleich und in einer einheitlichen Urkunde erfolgen, sondern kann vielmehr sukzessiv und in unterschiedlicher Form abgegeben werden; lediglich inhaltliche Übereinstimmung ist vonnöten. Fehlt die Erklärung eines Elternteils, ist die Namensbestimmung unwirksam (OLG München FamRZ 2012, 1503). Die Eintragung in das Geburtenregister selbst hat nur deklaratorische Bedeutung.

Die Abgabe der Namensbestimmungserklärungen ist nicht fristgebunden. Die Monatsfrist des § 1617 Abs. 2 S. 1 BGB ist keine Ausschlussfrist; die Eltern können auch während eines laufenden familiengerichtlichen Verfahrens nach § 1617 Abs. 2 S. 1 BGB noch jederzeit übereinstimmende Namensbestimmungserklärungen für das Kind abgeben. Erst mit Rechtskraft des das Namensbestimmungsrecht nach § 1617 Abs. 2 S. 1 BGB einem Elternteil übertragenden familiengerichtlichen Beschlusses erlischt das Namensbestimmungsrecht des anderen Elternteils. Das Namensbestimmungsrecht des Elternteils, dem es nach § 1617 Abs. 2 S. 1 BGB übertragen worden ist, erlischt seinerseits, wenn nach Ablauf der nach § 1617 Abs. 2 S. 3 BGB von dem Gericht gesetzten Frist das Kind gemäss § 1617 Abs. 2 S. 4 BGB kraft Gesetzes den Namen dieses Elternteils erhalten hat.

Danach hätte das FamG neben der bei Beischreibung des Vermerks in dem Geburtenregister, dass der seit Juli 2015 bis zu der Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache am 24.09.2016 mit der Kindesmutter verheiratete L. als Vater des Kindes gilt, zugleich anordnen müssen, dass das Kind noch keinen Familiennamen erhalten hat (OLG München FamRZ 2012, 1503). Die Namensbestimmung allein durch die Kindesmutter war unwirksam.

2. Das Namensrecht betreffende Fälle sind schwierig; subtile Differenzierungen müssen vorgenommen werden, insbesondere sind unterschiedliche Kindeswohlmaßstäbe heranzuziehen. Auch haben solche Fälle häufig international-privatrechtlichen Einschlag, also das anzuwendende Recht ist sorgfältig zu ermitteln. So stellt sich in solchen Fällen teilweise bereits die Frage, ob die Kindeseltern wirksam die Ehe, gegebenenfalls nach ausländischem Recht, geschlossen haben. Häufig ist nach der schwierig anzuwendenden Vorschrift des Art. 19 EGBGB zu klären, welchem Recht die Abstammung des Kindes unterliegt. Die Frage, welchem Recht der Name einer Person unterliegt, ist nach Art. 10 EGBGB zu beantworten, diejenige der namensrechtlichen Angleichung ausländischer Namenstypen nach Art. 47 f EGBGB.


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Elterliche Sorge; Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis über die Geltendmachung von Pflegegeld für die gemeinsamen Kinder.

1. § 1628 BGB ermöglicht es gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bei Streit über eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die die Eltern nach § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB gemeinsam zu entscheiden haben, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
2. Der Kindesmutter ist gemäss § 1628 BGB die Alleinentscheidungsbefugnis über die bedeutsame Frage der Geltendmachung von Pflegegeld (§ 37 SGB XI) für die betroffenen gemeinsamen Kinder zu übertragen, wenn sich die Kindeseltern in dieser Angelegenheit von erheblicher Bedeutung uneinig sind.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 10. Juni 2020 - 9 UF 111/20


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Gerichtliche Geltendmachung von Kindesunterhalt im Wechselmodell.

1. Die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen stellt eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind gemäss § 1628 BGB dar.
2. Beim Wechselmodell muss derjenige Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, und dies gerichtlich klären lassen will, entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind herbeiführen, oder er muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäss § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen. Im Regelfall besteht dafür ein Wahlrecht.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 29. Juni 2020 - 9 UF 36/20

Anmerkungen

1. Die Eltern betreuen bei gemeinsamer elterlicher Sorge ihre Kinder im paritätischen Wechselmodell, streiten jedoch über Unterhalt. Der Vater will die Mutter, die über ein höheres Einkommen verfügt, gerichtlich auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen, und hat die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zu der Geltendmachung des Kindesunterhalts beantragt. Das AmtsG hat den Antrag zurückgewiesen; es sei die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich. Das OLG hat die Beschwerde des Vaters hiergegen als begründet erachtet.

§ 1628 ermögliche es gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bei Streit über eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die die Eltern nach § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB gemeinsam zu entscheiden haben, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen sei eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung.

Beim echten Wechselmodell sei § 1628 BGB anwendbar, um dem ausgleichsberechtigten Elternteil die Möglichkeit zu geben, namens der Kinder Barunterhalt durchzusetzen; insofern bedürfe es nicht stets der Bestellung eines Ergänzungspflegers. Beim Wechselmodell lasse sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln; daher habe kein Elternteil die Obhut iSd § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB inne, und damit sei auch keiner von beiden Elternteilen allein vertretungsberechtigt, und könne Kindesunterhaltsansprüche gegen den anderen geltend machen; vielmehr müsse derjenige Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, und dies gerichtlich klären lassen will, entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder beim FamG beantragen, ihm gemäss § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen. Für die Eltern bestehe im Regelfall ein Wahlrecht zwischen diesen beiden Möglichkeiten.

Interessengegensätze verlangten keine Ergänzungspflegschaft. Zwar stehe den Kindern gegen beide Eltern ein Barunterhaltsanspruch zu, der sich nach dem gemeinsamen Elterneinkommen bemesse, und für den diese gemäss § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig nach Massgabe ihres den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkommens hafteten. Erst im Ergebnis der beiderseitigen Anteile ergebe sich eine Zahlungsverpflichtung nur eines Elternteils, weil derjenige, der in höherem Maße für den Bedarf des Kindes einzustehen habe, die Hälfte der Differenz zwischen dem auf ihn und den anderen Elternteil als Ausgleichszahlung zu erbringen habe. Der vertretende Elternteil möge deshalb geneigt sein, den eigenen Haftungsanteil möglichst gering anzusetzen; ähnliche Interessengegensätze bestünden aber auch in anderen unterhaltsrechtlichen Konstellationen, ohne dass sie in abstrakter Form Anlass zu einem Eingriff in die elterliche Sorge gegeben hätten.

2. § 1629 BGB berechtigt den betreuenden Elternteil, Unterhalt gegen den anderen Elternteil geltend zu machen. Ein betreuender Elternteil muss das Kind aber mehr als 50% der Zeit betreuen; daher gibt es bei dem echten Wechselmodell keinen betreuenden Elternteil im Rechtssinn (BGH FamRZ 2006, 1015; 2014, 917 = FuR 2014, 419; OLG Celle FamRZ 2015, 590; OLG Köln FamRZ 2015, 859; OLG Nürnberg NZFam2017, 257; OLG Hamm FamRZ 2017, 1596 = FuR 2017, 569). Dies wirkt sich im Übrigen auch bei dem Unterhaltsanspruch des Ehegatten aus § 1570 BGB aus, den es beim Wechselmodell nicht geben kann (BGH FamRZ 2017, 437 = FuR 2017, 208; OLG Dresden FamRZ 2016, 471; vgl. auch KG FamRZ 2016, 832).

3. Die Frage, ob § 1629 BGB oder die Bestellung eines Ergänzungspflegers hier der richtige Weg ist, ist hoch umstritten (vgl. OLG Hamburg FuR 2015, 421; OLG Celle FamRZ 2015, 590; OLG Köln FamRZ 2015, 859; OLG Frankfurt FuR 2017, 217; OLG Celle NJW 2020, 1231; OLG Düsseldorf FuR 2020, 246; Götz, FF 2015, 146, 149; Seiler, FamRZ 2015, 1845, 1850; FF 2017, 117, 118).


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Geltendmachung von Kindesunterhalt in Verfahrensstandschaft; Abschluss eines Vergleichs nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes; Handeln als Nichtberechtigter iSd § 185 BGB.

Schliesst ein Elternteil, der zuvor den Kindesunterhalt in Verfahrensstandschaft geltend gemacht hat, nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes einen Vergleich über dessen Unterhalt, so handelt er als Nichtberechtigter iSd § 185 BGB. Die in dem Vergleichsabschluss liegende Prozesshandlung ist regelmässig nicht genehmigungsfähig, weil ein besonderes, rechtsschutzwürdiges Interesse des Elternteils an der Geltendmachung des Kindesunterhalts nicht bestehen wird.

OLG Hamm, Beschluß vom 24. Juli 2020 - II-7 UF 102/19


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Flugreisen in Zeiten der Corona-Pandemie als Alltagsangelegenheiten (Flugreise nach Mallorca).

1. Die Flugreise eines Kindes nach Mallorca ist in Zeiten der Corona-Pandemie eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, weil die durch COVID-19 herausgeforderten Schutzmassnahmen zu weitreichenden Unwägbarkeiten führen, die das seelische Wohl eines Kindes beeinträchtigen können.
2. Für Urlaubsreisen lässt sich die Bedeutung der Angelegenheit einerseits danach beurteilen, welche Vorteile die Durchführung der Reise für die kindliche Entwicklung bietet, oder aber danach, welche Nachteile (zum Beispiel Gefahren) für das Kind mit der beabsichtigten Reise verbunden sein könnten. Für letzteres ist ein gewichtiges Indiz, ob Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes vorliegen; andererseits hat die Beurteilung umfassend zu erfolgen, weshalb auch sonstige Umstände mit in die Beurteilung einzubeziehen sind.
3. Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis betreffend die Teilnahme eines Kindes an einer gebuchten Reise auf einen Elternteil, der mit der von ihm gebuchten Reise ein gerichtlich geregeltes Umgangsrecht des anderen Elternteils nicht respektiert, scheidet aus Gründen des Kindeswohles aus.

OLG Braunschweig, Beschluß vom 30. Juli 2020 - 2 UF 88/20

Anmerkungen

Die Eltern erstreben jeweils für sich die Entscheidungsbefugnis zu einer seitens der Antragsgegnerin gebuchten Urlaubsreise mit den beiden gemeinsamen Kindern nach Mallorca. Die Reise ist im August 2020 geplant, und überlagert damit auch zeitlich einen gerichtlich geregelten Umgangskontakt des Antragstellers mit den beiden Kindern. In einem Vermittlungsverfahren signalisiert der Antragsteller, dass er mit einer Urlaubsreise in das europäische Ausland einverstanden ist, wenn von der Benutzung des Flugzeugs Abstand genommen, und die Reise mit einem Pkw durchgeführt wird. Gegen die beide Anträge zurückweisende Ausgangsentscheidung hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.

Der Senat hat dem Antragsteller unter Abänderung der Ausgangsentscheidung die Entscheidungsbefugnis für die Flugreise übertragen. Bei Urlaubsreisen ergebe sich die Bedeutung der Angelegenheit aus der Abwägung der sich einerseits für die kindliche Entwicklung bietenden Vorteile, und den andererseits bestehenden Nachteilen, also mit der Reise verbundenen Gefahren, wobei für letztere eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes Indiz sein könne. Zwar seien zwischenzeitlich die Beschränkungen für innereuropäische Flugreisen gelockert, und es liege für Mallorca zum Stand 30.07.2020 auch keine Reisewarnung vor, doch weise das Auswärtige Amt auf unverändert bestehende Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr, folgend aus der Verbreitung von COVID-19, hin. Nach wie vor bestünden Unsicherheiten zur eindeutigen Identifizierung der Infektionswege des Virus, sei die Infektionsanfälligkeit nicht ausreichend verlässlich prognostiziert bzw. könne nicht prognostiziert werden, welche gegebenenfalls erhöhte Ansteckungsgefahr bei Flugreisen bestehe. Die Reiselockerungen seien nur auf Probe erfolgt, und es bestehe für den Rückflug keine Planungsverlässlichkeit, zumal die Bundesregierung eine erneute Rückholung von Urlaubern aus dem Ausland verneint habe.

Eine mögliche längere Quarantäne oder das Festsitzen im Ausland stelle eine nicht unerhebliche Belastung für das seelische Wohlbefinden eines Kindes dar, ebenso wie die hieraus folgenden möglichen schulischen Abwesenheitszeiten. Diese mit der Flugreise verbundenen Unwägbarkeiten und Gefahren rechtfertigten nicht mehr die Einstufung als Alltagsangelegenheit, was auch damit korrespondiere, dass die Vertretbarkeit solcher Reisen derzeit dissonant diskutiert werde. Es bedürfe daher der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil, wobei aber eine Übertragung auf die Antragsgegnerin ausscheide, da die von ihr gebuchte Reise das auf einer Kindeswohlprüfung beruhende, gerichtlich geregelte Umgangsrecht des Vaters missachte, und damit nicht kindeswohldienlich sei. Die von ihr geplante Reise stelle einen Rechtsbruch dar, der das Ergebnis der gerichtlichen Kindeswohlprüfung leerlaufen liesse. Noch in dem Vermittlungstermin habe sie erklärt, dass sie die Reise auch gegen den Willen des Vaters durchführen werde, hatte also trotz Hinweis des Senats und anwaltlicher Beratung nicht von dem angekündigten Rechtsbruch Abstand genommen. Die von ihr dargestellte Sichtweise, wonach die Kinder ohnehin den Umgang ablehnten, und nicht an der Reise teilnehmen wollten, verkenne, dass die gerichtliche Umgangsregelung solange gelte, bis sie nach § 1696 BGB abgeändert werde. Sie könne nicht von einem Elternteil allein seinen Vorstellungen entsprechend ausser Kraft gesetzt oder unter Hinweis auf eigene Kindeswohlvorstellungen für unbeachtlich erklärt werden.

Hinweise
1. § 1687 BGB regelt die Kompetenzverteilung zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach der Trennung; dem Obhutselternteil obliegt die alleinige Entscheidungskompetenz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens. Orientiert an der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB sind dies häufig vorkommende Entscheidungen, die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Kindesentwicklung haben. Bei Urlaubsreisen ist die Rechtsprechung bislang grundsätzlich davon ausgegangen, dass die dem Kindeswohl zuträglichen Ferienkontakte auch mit einer Auslandsreise verbunden werden können, ohne dass es hierzu der gesonderten Zustimmung des anderen Elternteils bedarf (OLG Frankfurt OLGR 2009, 739), soweit sich nicht aus dem Urlaubsland selbst Besonderheiten ergeben, dieses etwa in einem Krisengebiet liegt, oder sogar eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt (KG NJW 2020, 2415).

2. Ergänzend zu den sich im Urlaubsland möglicherweise ergebenden Gefahren rückt durch die Corona-Pandemie aber auch der Reiseweg selbst in den Blickpunkt. So wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in einem Flugzeug auf engem Raum Passagiere transportiert werden, die möglicherweise bereits erkrankt sind, und Viren durch die Klimaanlage zirkulieren können (OLG Frankfurt FamRZ 2020, 761). In diesen besonderen Konstellationen verdichten sich die Anhaltspunkte zu der Annahme einer besonderen Gefahr für das Kindeswohl, so dass die Urlaubsreise zu einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung wird, die der Zustimmung beider sorgeberechtigter Elternteile bedarf.

3. Die Corona-Pandemie hat in vielen Lebensbereichen zu grundlegenden Änderungen geführt, so dass gerade auch die Freizeitgestaltung und damit die Wahrnehmung von Urlaubsreisen - selbst in das nächste europäische Ausland - unmittelbar betroffen wird. Geplante Urlaubsreisen - insbesondere wenn sie mit einem Flug verbunden sind - sollten daher mit dem jeweils anderen mitsorgeberechtigten Elternteil abgestimmt werden, um das ungeplante vorzeitige Urlaubsende am Flughafen zu vermeiden bzw. im Fall des fehlenden Konsens die familiengerichtliche Entscheidung zeitgerecht einholen zu können (s. zu allem auch Stockmann, FamRB 2017, 315).


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Ende der Vertretungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt.

1. Bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern kann ein Elternteil das Kind wegen Unterhaltsforderungen gegen den anderen Elternteil nur so lange vertreten, als sich das Kind in seiner Obhut befindet.
2. Die Vertretungsbefugnis erlischt, sobald sich das Kind gewöhnlich in einer Jugendhilfeeinrichtung aufhält; damit entfällt auch die Befugnis, einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den anderen Elternteil zu beauftragen.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 23. Oktober 2020 - 16 WF 133/20


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Abänderungsanträge nach dem Ende der Verfahrensstandschaft.

1. Zu der Bestimmung des Beteiligten eines Abänderungsverfahrens zum Kindesunterhalt auf der Antragsgegnerseite (Passivlegitimation) nach § 238 FamFG, wenn der angegriffene Unterhaltstitel zwischen den Eltern aufgrund der in § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB geregelten Verfahrensstandschaft geschaffen wurde.
2. Mit Beendigung der Verfahrensstandschaft ist der Abänderungsantrag des Unterhaltsschuldners auch dann gegen das anspruchsberechtigte (minderjährige) Kind als Antragsgegner zu richten, wenn der Unterhaltstitel nicht auf das berechtigte Kind umgeschrieben wurde.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. Januar 2021 - 16 WF 174/20

Anmerkungen

1. » Hinsichtlich der Passivlegitimation auf Antragsgegnerseite dürfte der Auffassung des Antragstellers nicht zu folgen sein. Die Ehe der Beteiligten ist geschieden; damit hat die gesetzliche Verfahrensstandschaft ihren Abschluss gefunden. Nach dem Ende der Verfahrensstandschaft sind Abänderungsanträge selbst auch dann, wenn der Titel noch nicht umgeschrieben ist, ausschliesslich gegen den Inhaber des materiellen Unterhaltsanspruchs, also das Kind, zu richten. Eine Rubrumsberichtigung dürfte nicht in Betracht kommen, da diese nur die Fälle der unrichtigen Parteibezeichnung betrifft; vorliegend sollen vielmehr andere Beteiligte, nämlich die Kinder, in das Verfahren eingeführt werden: Es handelt sich daher um einen gewillkürten Beteiligtenwechsel, für den vorliegend in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 1 ZPO nicht die Zustimmung der Antragsgegnerin erforderlich ist (vgl. BGH NJW 2006, 1351). Für den Eintritt der Kinder als Antragsgegner in das Verfahren ist in Anlehnung an § 263 ZPO erforderlich, dass diese zustimmen, oder das Gericht den Beteiligtenwechsel auf Antragsgegnerseite für sachdienlich erklärt (BGHZ 40, 185). Bereits jetzt wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Sachdienlichkeit der Beteiligtenänderung immer dann zu verneinen sein dürfte, wenn ein Antrag unzulässig ist, denn ein unzulässiger Klageantrag kann nicht sachdienlich sein, da er eine Sachentscheidung verhindert. Vorliegend dürfte der Antrag auf Abänderung des Unterhaltstitels des Amtsgerichts Mannheim vom 31.10.2018 unzulässig sein. «

2. Es entspricht der Rechtsprechung des BGH, dass der Abänderungsantrag bei einem Unterhaltstitel zum Kindesunterhalt, der aufgrund der bestehenden Verfahrensstandschaft eines Elternteils nach § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB erlassen wurde, unmittelbar gegen das materiell-rechtlich berechtigte unterhaltsberechtigte Kind zu richten ist, falls die Verfahrensstandschaft beendet ist (BGH FamRZ 1983, 806). Soweit das OLG auf einen gewillkürten Beteiligtenwechsel verwiesen hat, steht dem § 1629 Abs. 3 S. 2 BGB entgegen: Die von einem Elternteil erwirkte Entscheidung wirkt auch für und gegen das Kind. Ein gewillkürter Beteiligtenwechsel kommt jedoch dann in Betracht, wenn in einem laufenden Verfahren die gesetzliche Verfahrensstandschaft (so vor allem bei Eintritt der Volljährigkeit des berechtigten Kindes) eintritt. Dieser kann mit Zustimmung des antragstellenden Elternteils vorgenommen werden; dagegen bedarf es nicht der Zustimmung des Antragsgegners, weil bei dieser Sachlage keine Änderung des Streitstoffes eintritt (BGH FamRZ 2013, 1378).

3. Zu der Substantiierung eines zulässigen (§ 238 Abs. 1 S. 2 FamFG) Abänderungsantrages kann sich der Antragsteller nicht selektiv auf einen einzelnen Umstand beschränken, der sich seit der Ersttitulierung unzweifelhaft vermeintlich zu seinen Gunsten geändert hat; vielmehr muss der Vortrag bereits im Rahmen der Zulässigkeit auch die unstreitigen Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der Zeitschranke des § 238 Abs. 2 FamFG mit umfassen, und die Gesamtbeurteilung aller Veränderungen und der unverändert gebliebenen Verhältnisse durch den Antragsteller in der Antragsschrift muss erkennen lassen, ob es sich um wesentliche Veränderungen iSv § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG handelt. Dies erfordert von Seiten des Antragstellers, dass er der Unterhaltsbemessung der Ausgangsentscheidung eine Neuberechnung gegenüberstellt, in die er die aus seiner Sicht eingetretenen Änderungen einarbeitet. Damit hat der Antragsteller die Grundlagen des abzuändernden Beschlusses und deren Änderungen darzulegen, und zwar unter Einschluss des dem titulierten Unterhalt zugrunde liegenden Rechenweges und in Gestalt einer Differenzbetrachtung sowohl hinsichtlich der Tatsachen wie auch des Zahlenwerks (OLG Brandenburg FuR 2019, 541).


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Betreuung eines Kindes im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells; Geltendmachung von Barunterhaltsansprüchen; Bestellung des Jugendamtes als Ergänzungspfleger.

1. Wird ein Kind im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells betreut, kann ein Elternteil das Kind zur Geltendmachung von Barunterhaltsansprüchen nicht nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB vertreten, sondern muss entweder die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB verlangen, oder die Bestellung eines Ergänzungspflegers herbeiführen. Einschlägig ist hier das Recht zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen als Teilbereich der Personensorge, nicht aber die Vermögenssorge.
2. Das Jugendamt kann sich gegen die Bestellung als Ergänzungspfleger nicht mit dem Argument zur Wehr setzen, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu der Berechnung des Kindesunterhaltsanspruches im Sonderfall des Wechselmodells seien bei ihm nicht vorhanden.

OLG Zweibrücken, Beschluß vom 11. März 2021 - 2 UF 28/21

Anmerkungen

1. Die Entscheidung betrifft die Geltendmachung des Unterhalts für zwei Kinder, die aus einer rechtskräftig geschiedenen Ehe der beteiligten Eltern hervorgegangen sind, und deren Betreuung und Versorgung sich die Eltern im Wege eines paritätischen Wechselmodells teilen. Die Kindesmutter hat zunächst beantragt, ihr gemäss § 1628 BGB die Befugnis zur Geltendmachung von Barunterhaltsansprüchen für die Kinder zu übertragen. In dem Termin vor dem FamG erklärten die Eltern ihr Einverständnis zur »Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Wirkungskreis Vermögenssorge« für die betroffenen Kinder. Daraufhin hat das FamG den Eltern gemäss § 1666 BGB die Vermögenssorge entzogen, und das zuständige Jugendamt für diesen Wirkungskreis als Ergänzungspfleger bestellt. Dagegen wendet sich das Jugendamt mit der Beschwerde und trägt vor, die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sei nicht Teil der Vermögenssorge, und ihm fehle das erforderliche Wissen zur Führung eines Unterhaltsstreits bei einem Wechselmodell.

Die Beschwerde führte lediglich dazu, dass den Eltern nicht die Vermögenssorge, sondern das Recht zur Regelung der Unterhaltsangelegenheiten als Teilbereich der Personensorge entzogen wurde. Das Bedürfnis einer das Sorgerecht betreffenden Regelung besteht, weil eine Vertretung der Kinder zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen durch einen Elternteil nicht möglich ist, wenn die Kinder im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells betreut werden. An und für sich ist dazu gemäss § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich derjenige Elternteil befugt, in dessen Obhut sich die Kinder befinden, der mithin den Schwerpunkt der tatsächlichen Betreuung und Fürsorge übernimmt. Wenn sich aber ein derartiger Schwerpunkt nicht feststellen lässt, weil die Eltern ein paritätisches Wechselmodell ausüben, muss ein Elternteil, der den anderen auf Kindesunterhalt in Anspruch nehmen will, entweder die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB verlangen, oder die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind herbeiführen, der das Kind bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche vertritt (BGH FamRZ 2014, 917 = FuR 2014, 419).

Hier habe die Kindesmutter den ursprünglichen Antrag nach § 1628 BGB nicht aufrechterhalten, und in dem Termin gemeinsam mit dem Kindesvater erklärt, die Bestellung eines Ergänzungspflegers zu wünschen. Betroffen sei aber nicht der Wirkungskreis der Vermögenssorge, sondern das Recht zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen als Teil der Personensorge (OLG Zweibrücken NJW-RR 2001, 151). Das OLG hat die Erklärung der Eltern dahingehend ausgelegt, dass sie die Einrichtung der Ergänzungspflegschaft für den Teilbereich der elterlichen Sorge betrifft, der die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ermöglicht. Gegen die Auswahl des Jugendamtes als Ergänzungspfleger hatte das OLG keine Bedenken; dagegen spreche nicht dessen fehlende Kenntnis und Erfahrung zur Berechnung von Unterhaltsansprüchen im Falle eines Wechselmodells, denn der Ergänzungspfleger könne sich anwaltlicher Hilfe bedienen, auch wenn gemäss § 114 Abs. 4 Nr. 2 FamFG bei Vertretung durch das Jugendamt kein Anwaltszwang bestehe.

2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass für die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs eines Kindes, welches in etwa gleichlangen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt, entweder ein Pfleger bestellt werden, oder ein Elternteil bei dem FamG beantragen muss, ihm gemäss § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH FamRZ 2006, 1015).

Grundsätzlich haben in diesem Fall beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen. Der dem Kind von einem Elternteil während dessen Betreuungszeiten im Wechselmodell geleistete Naturalunterhalt führt nicht dazu, dass ein Barunterhaltsanspruch nicht verlangt werden kann, sondern dieser Anspruch richtet sich gegen den besser verdienenden Elternteil. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern, und umfasst neben dem sich daraus ergebenden - erhöhten - Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells (vor allem Wohn- und Fahrtkosten), so dass der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmässig deutlich höher liegt, als bei dem herkömmlichen Residenzmodell (BGH FamRZ 2015, 236 = FuR 2015, 164; 2017, 437 = FuR 2017, 208).

Das Kindergeld ist auch im Falle des Wechselmodells zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Der auf die Betreuung entfallende Anteil (je 1/4) ist zwischen den Eltern hälftig auszugleichen; die verbleibende Hälfte ist entsprechend der Einkommensquoten der Eltern zu verteilen. Der Ausgleich kann in Form der Verrechnung mit dem Kindesunterhalt erfolgen. Die unterschiedlichen Anteile am Bedarf des Kindes ergeben sich nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB aus ihrer individuellen Leistungsfähigkeit und der daran orientierten Beteiligungsquote, sowie daraus, dass die Unterhaltspflicht auf den Betrag begrenzt ist, den der Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung auf der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte. Die Haftungsquote ist unter Vorwegabzug des angemessenen Selbstbehalts zu ermitteln (BGHZ 213, 254 = FamRZ 2017, 437 = FuR 2017, 208).


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Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis über die durch ein Kind zu besuchende weiterführende Schule; Bestimmung im Wege der einstweiligen Anordnung als anfechtbare Entscheidung über die elterliche Sorge.

BGB § 1628; FamFG §§ 57, 151

1. Mit der Entscheidung über die Bestimmung der Schulwahl im Wege der einstweiligen Anordnung liegt eine anfechtbare Entscheidung über die elterliche Sorge gemäß §§ 57 S. 2 Nr. 1, 151 Nr. 1 FamFG, § 1628 BGB vor.
2. Die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis über die durch das Kind zu besuchende weiterführende Schule stellt einen punktuell-sachbezogenen Konflikt im Sinne des § 1628 BGB dar. Diese Entscheidung ist, auch wenn sie weitreichende Auswirkungen hinsichtlich des zukünftigen Aufenthaltsortes und des von den Eltern gewählten Betreuungsmodells hat, etwa wenn die alternativen Schulen in verschiedenen Orten liegen, in einem isolierten Verfahren des § 1628 BGB zu treffen. Bei der Entscheidung sind sämtliche relevanten Kriterien zu prüfen und gegeneinander abzuwägen. Bei der Entscheidung über die Wahl der Schule ist insbesondere die Auswirkung der jeweiligen Schulwahl auf das soziale Umfeld des Kindes in die Erwägungen mit einzubeziehen.

OLG Hamburg, Beschluß vom 22. Juni 2021 - 12 UF 61/21

Tenor
1. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hamburg vom 22.03.2021 (278 F 5/21) abgeändert.
Das Recht zu der erstmaligen Anmeldung des gemeinsamen Sohnes N. auf die weiterführende Schule wird im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Mutter übertragen.
2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Eltern zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe
I. Die Beteiligten begehren wechselseitig die Übertragung der Entscheidung über die Anmeldung des gemeinsamen Sohnes auf die weiterführende Schule.

Der 49-jährige Vater und die 46-jährige Mutter sind die Eltern des 9-jährigen N. und der 13-jährigen L. Der Sohn N. besucht aktuell die vierte Klasse der Grundschule; er hat eine Gymnasialempfehlung erhalten. Seine besten Freunde in der Klasse sind E. und J.; mit J. verbringt N. teilweise auch die Wochenenden an der Ostsee. Beide Kinder werden voraussichtlich auf das E.-Gymnasium wechseln. In seiner Freizeit nimmt N. Trompetenunterricht. Sein Trompetenlehrer ging Ende 2020 in den Ruhestand; der Nachfolger setzte den Unterricht bisher nur online fort. Bereits vor der Corona-Pandemie hörte N. mit dem Fußball bei dem E.-Verein auf. N. würde gerne wieder schwimmen gehen. Seine Schwester L. besucht die 7. Klasse der Stadtteilschule E. L. spielt Handball bei dem E.-Verein; früher ging sie zum Reiten. Ihre sozialen Kontakte sind in Hamburg-E.

Der Vater ist Inhaber und Geschäftsführer eines IT-Unternehmens, das in der Nähe seiner Wohnung geschäftsansässig ist. Er lebt mit seiner neuen Partnerin A. und deren 8-jähriger Tochter A. in einer ihm gehörenden circa 100 qm großen Drei-Zimmerwohnung in Hamburg-E. Seine Partnerin A. arbeitet in einem Krankenhaus. Seine Großeltern leben in B. (Schleswig-Holstein). Er hat ein Ferienhaus am Nord-Ostseekanal, an dem er teilweise die Wochenenden verbringt.

Die Mutter ist seit dem Jahre 2009 Gymnasiallehrerin an dem Gymnasium E. mit einem Deputat von 85%, das sie zum 1. August 2021 auf 75% reduzieren wird. Mit ihrem neuen Partner C., der zuvor in W. gewohnt hat, bezog sie zum 1. März 2020 eine Doppelhaushälfte in Hamburg-R. Ihr Partner hat zwei Töchter, die 14-tägig am Wochenende zu ihm kommen. Er arbeitet bei einem Medizintechnikunternehmen in Hamburg-H. Ihre Großeltern leben im Sauerland.

Die Eltern führten in der Zeit von 2003 bis 2015 eine Beziehung, aus der die beiden Kinder N. und L. hervorgegangen sind. Sie üben die gemeinsame Sorge aus. Im Jahre 2010 erwarb der Vater die gemeinsam genutzte Eigentumswohnung. Die Mutter zog zum 1. August 2015 aus der gemeinsamen Wohnung aus, und zog in die 150 m entfernt liegende G.-Straße, ebenfalls in dem Stadtteil Hamburg-E. Zunächst fand der Umgang mit dem Vater 14-tägig von freitags bis montags sowie einer weiteren Übernachtung statt. Auf Wunsch der Kinder und bei beruflichen und privaten Terminen paßten die Eltern die Betreuung an. Der Vater hat behauptet, daß im Jahre 2017 die Umgänge in den Wochen ohne Wochenendumgang von mittwochs bis freitags ausgeweitet wurden.

Ende des Jahres 2018 machte die Mutter gegen den Vater wegen unregelmäßiger Zahlungen Ansprüche auf Zahlung von Unterhalt geltend. Im Frühjahr 2019 bat der Vater die Mutter anwaltlich zur Zustimmung zum Wechselmodell. Eine Mediation der Eltern scheiterte in der dritten Sitzung. Im Januar 2020 unterbreitete der Vater der Mutter einen schriftlichen Vorschlag zur Betreuung der Kinder im Wechselmodell. Die Mutter zog zum 1. März 2020 in den gut 17 km von dem Wohnort des Vaters entfernt liegenden Stadtteil Hamburg-R. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie zu den Frühjahrsferien 2020 betreuen die Eltern die Kinder im paritätischen Wechselmodell. Die Kinder halten sich in den ungeraden Kalenderwochen beim Vater, und in den geraden Kalenderwochen bei der Mutter auf; sie wechseln jeweils sonntags abends. Die Mutter ist mit der Fortführung des Wechselmodells nicht einverstanden; sie strebt eine Rückkehr zu der Betreuung vor der Corona-Pandemie an, und machte im August 2020 einen entsprechenden Vorschlag. Ob der Mutter ein Kindesunterhaltsanspruch zusteht, wird derzeit mit Hilfe anwaltlicher Unterstützung geklärt.

Die Mutter meldete N. auf dem Gymnasium Hamburg-R. an. N. erhielt eine Zusage, gegen die der Vater im Anschluß Widerspruch einlegte, da er von der Mutter nicht einbezogen worden war. Der Vater reichte unter dem 8. Januar 2021 einen Antrag auf Übertragung des Rechts zu der Bestimmung der weiterführenden Schule bei Gericht ein.

Der Vater ist der Ansicht, daß als weiterführende Schule für N. das E.-Gymnasium die beste Entscheidung sei; für letztere spreche das bisherige gute Umfeld. N. könnte mit seinen beiden Freunden E. und J. auf die Schule wechseln. Die Schule befinde sich in seinem bisherigen sozialen Umfeld; zudem könne dann das Wechselmodell besser beibehalten werden. Die Mutter und ihr Lebenspartner würden in der Innenstadt arbeiten, und sie könnten N. mitnehmen. Zudem besuche auch L. eine Schule in der Innenstadt. Da L. auch weiter in Hamburg-E. in die Schule gehe, erscheine eine Trennung der Geschwister wenig sinnvoll. In Notsituationen sei niemand in Hamburg-R. vor Ort.

Die Mutter ist der Ansicht, daß als weiterführende Schule das R-Gymnasium die beste Wahl sei. Die Schule entspreche den Neigungen N. am besten. Es handele sich um eine MINT-Schule mit bilingualem Unterricht und einer besonderen Sportförderung. Das Wechselmodell sei der vorübergehenden beruflichen Situation der Mutter in der Corona-Pandemie geschuldet gewesen. Die Mutter habe in dieser Zeit einerseits ihre Schüler unterrichten müssen, und gleichzeitig wurden ihre Kinder im Distanzunterricht beschult. Der Vater halte jetzt trotz Wegfall der Notsituation an dem Wechselmodell fest, und sei nicht bereit seine Betreuungszeit absprachegemäß wieder einzuschränken. Die Kinder zeigten sich zwar beiden Eltern gegenüber loyal, gäben der Mutter aber zu verstehen, daß sie sich gerne wieder mehrheitlich in ihrem Haushalt aufhalten würden. In dem Haushalt des Vaters hätten sie überhaupt keine Rückzugsmöglichkeit. Während die Tochter der Lebenspartnerin ein eigenes Zimmer habe, müßten ihre Kinder in dem Stockbett im Wohnzimmer schlafen. Zwischen dem Vater und seiner Lebensgefährtin bestehe fortlaufend Streit, der die Kinder belaste, worauf auch die Verfahrensbeiständin hinweise. Der Vater könnte N. auch weiterhin umfangreich betreuen. R. sei mit der S-Bahn innerhalb von 23 Minuten von dem S-Bahnhof H. zu erreichen. Beide Kinder seien seit ihrem Auszug bei der Mutter gemeldet.

Mit Beschluß vom 8. Januar 2020 hat das Gericht N. einen Verfahrensbeistand bestellt. Die Verfahrensbeiständin hat ausführlich über die Kinder und die Sichtweise der Eltern berichtet. Ein außergerichtlicher Einigungsversuch der Eltern am 24. Februar 2021 und am 26. Februar 2021 in einer Mediation scheiterte. Zwischen den Eltern ist weiter ein Hauptsacheverfahren zum Umgang (278 F 5/21), ein einstweiliges Anordnungsverfahren wegen des Aufenthaltsbestimmungsrechts (278 F 74/21), und ein einstweiliges Anordnungsverfahren zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis über den melderechtlichen Erstwohnsitz (278 F 75/21) anhängig.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Hamburg hat mit Beschluß vom 22. März 2021 die Befugnis zur Entscheidung über die Auswahl der weiterführenden Schule für N. dem Vater übertragen: Eine Schulwahl in R. würde die Entscheidung über die Aufteilung der Betreuung zwischen den Beteiligten präjudizieren, denn dann dürfte sich das Wechselmodell nur unter sehr erschwerten Bedingungen gestalten lassen.

Gegen die Entscheidung wendet sich die Mutter mit ihrer Beschwerde. Sie beantragt, den Beschluß des Amtsgerichts Hamburg vom 22. März 2021 aufzuheben, und den Antrag des Vaters auf Übertragung der alleinigen Befugnis, über die weitergehende Schule für den gemeinsamen Sohn zu entscheiden, zurückzuweisen, hilfsweise, die alleinige Befugnis über die Wahl der weitergehenden Schule, in die der gemeinsame Sohn ab der 5. Klasse gehen soll, auf die Mutter zu übertragen.

Der Vater beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat die Eltern am 20. Mai 2021 persönlich in einem Erörterungstermin, und N. am 25. Mai 2021 in Anwesenheit der Verfahrensbeiständin im Gericht angehört. Eine Einigung konnten die Eltern nicht erzielen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte und dabei insbesondere auf den schriftlichen Bericht des Verfahrensbeistands und auf die Anhörungsvermerke verwiesen.

II. Die form- und fristgerechte Beschwerde der Mutter ist zulässig. Es liegt mit der Entscheidung über die Bestimmung der Schulwahl im Wege der einstweiligen Anordnung eine anfechtbare Entscheidung über die elterliche Sorge gemäß §§ 57 S. 2 Nr. 1, 151 Nr. 1 FamFG, § 1628 BGB vor (vgl. Kohlenberg in Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht 7. Auflage § 57 FamFG Rdn. 7).

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des Amtsgerichts wird abgeändert, und der Mutter wird das Recht zur Entscheidung über die Anmeldung N.'s auf die weiterführende Schule für den gemeinsamen Sohn N. übertragen. Es besteht gemäß § 49 FamFG ein dringendes Bedürfnis für die Entscheidung über die Schulwahl, da N. im Anschluß an die Hamburger Schulferien auf die weiterführende Schule - auf die sich die Eltern nicht einigen können - wechselt.

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht gemäß § 1628 BGB auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Vorschrift des § 1628 BGB regelt die Lösung eines Elternkonflikts in wichtigen Kindesangelegenheiten. In unmittelbarer Anknüpfung an § 1627 S. 2 BGB trifft § 1628 BGB Vorsorge für den Fall, daß die dort geforderte Elterneinigung nicht zustande kommt, und die streitige Angelegenheit der elterlichen Sorge für das Kind von erheblicher Bedeutung ist. Es muß demnach ein punktuell-sachbezogener Konflikt von erheblicher Bedeutung vorliegen.

Die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis über die durch das Kind zu besuchende weiterführende Schule stellt dabei einen solchen punktuell-sachbezogenen Konflikt dar. Gleichwohl ist die Entscheidung unter Umständen geeignet, weitreichende Auswirkungen auch hinsichtlich des zukünftigen Aufenthaltsortes und des von den Eltern gewählten Betreuungsmodells zu zeitigen, etwa wenn die alternativen Schulen in verschiedenen Orten liegen. Teilweise wird vertreten, daß in diesem Fall eine Entscheidung nur nach § 1671 BGB und nicht nach § 1628 BGB ergehen kann, wenn einem Elterndissens faktisch eine Auseinandersetzung über den Aufenthalt des Kindes zugrunde liegt, etwa weil ein Elternteil umziehen möchte (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2019, 802; OLG Koblenz FamRZ 2019, 804). Hielten sich die Gerichte in derartigen Fällen gleichwohl für kompetent, eine Entscheidung im Wege des § 1628 BGB - und nicht über § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB - zu treffen, müßten sie auch diese Folgewirkungen berücksichtigen (vgl. KG FamRZ 2018, 502; Amend-Traut in BeckOGK [Stand: 01.05.2021] § 1628 Rdn. 34).

Die Entscheidung über die Anmeldung zur weiterführenden Schule stellt sich vorliegend als eine Entscheidung über eine einzelne Angelegenheit der elterlichen Sorge dar, über die gemäß § 1628 BGB entschieden werden kann. Es kann offen bleiben, ob überhaupt die Auswirkungen einer punktuell-sachbezogenen Entscheidung für die Eltern dazu führen können, daß diese (zusätzlich) eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht herbeiführen müssen. Dagegen spricht bereits, daß es sich bei § 1628 und § 1671 BGB um unterschiedliche Verfahrensgegenstände handelt. Der Abgrenzung der Verfahren wird bereits mit der Antragstellung Rechnung getragen, indem dort die streitige Angelegenheit konkret bezeichnet wird. Die punktuell-sachbezogene Entscheidung über die Anmeldung eines Kindes in einer Schule gemäß § 1628 BGB ist in den Voraussetzungen und in der Rechtsfolge von der Übertragung des Rechts auf Bestimmung des Aufenthalts zu trennen. Insoweit kann eine punktuelle Entscheidung in bestimmten Fallgestaltungen möglicherweise in sachlichen Widerspruch zu der Bestimmung des Aufenthaltsrechts treten; dies stellt sich aber als eine in dem jeweiligen Einzelfall zu beantwortende Frage der inhaltlichen Folgerichtigkeit der in dem jeweiligen Verfahren zu treffenden Entscheidung dar (vgl. zum Wechselmodell BGH FamRZ 2020, 255 = FuR 2020, 166).

Da die Entscheidung vorliegend zudem Auswirkungen auf die Aufteilung der Betreuung hätte, wäre letztlich - den Gedanken zu Ende gedacht - weiter eine Entscheidung in einem Umgangsverfahren zu treffen. Dies hätte die praxisferne Folge, daß drei an dem Kindeswohl zu messende Verfahren zu der Klärung der Schulfrage zu führen wären. Letztlich kann die Streitfrage jedoch vorliegend dahinstehen, da die Entscheidung über die Anmeldung zu der weiterführenden Schule keine derart gravierenden Auswirkungen auf die Regelung der Betreuung der Eltern hat, wie ein Umzug in einen weit entfernt liegenden Ort. Die Eltern leben zwar inzwischen gut 17 km auseinander; es läßt sich jedoch - auch mit Blick auf die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln - weiterhin eine Betreuung in dem von dem Vater favorisierten Wechselmodell als auch durch die Mutter im Residenzmodell verwirklichen.

In der Sache ist die Entscheidungsbefugnis - da die Streitfrage einer Entscheidung gemäß § 1628 BGB zugänglich ist - auf den Hilfsantrag der Mutter zu übertragen.

Die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts richtet sich gemäß § 1697a BGB nach dem Kindeswohl. Die Entscheidungskompetenz ist demjenigen Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohle des Kindes besser gerecht wird. Ob und inwiefern das Kindeswohl berührt ist, ist nach der Eigenart der zu regelnden Angelegenheit zu beurteilen, aus der sich auch die konkreten Anforderungen an die für die Entscheidung nach § 1628 BGB zu treffende Prüfung ergeben (vgl. BGH FamRZ 2017, 1057 = FuR 2017, 442; BeckOK BGB/Veit, [Stand: 01.05.2021] § 1628 Rdn. 12). Es sind sämtliche relevanten Kriterien zu prüfen und gegeneinander abzuwägen; bei der Entscheidung über die Wahl der Schule ist insbesondere die Auswirkung der jeweiligen Schulwahl auf das soziale Umfeld des Kindes in die Erwägungen mit einzubeziehen (BVerfG FamRZ 2003, 511).

Vorliegend ist zu berücksichtigen, daß die Schulwahl N.'s auch Auswirkungen auf die nicht geklärte Aufteilung der Betreuung durch die Eltern hat; insoweit sind Wechselwirkungen zu beachten. Die Mutter arbeitet als Gymnasiallehrerin in Hamburg-E., und die Schwester L. besucht ebenfalls die Stadtteilschule in Hamburg-E. Insoweit wird die Mutter an den Tagen, an denen sie unterrichtet, ebenfalls von Hamburg-R. nach E. pendeln. Würde sie an ihren Arbeitstagen zusätzlich N. nach Hamburg-E. mitnehmen, würden sich daraus Synergieeffekte für die Betreuung ergeben. Diese bestehen beim Vater nicht. Eine Schulanmeldung im Stadtteil Hamburg-E. würde daher ein Wechselmodell erleichtern.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells geboten sein kann, ebenfalls unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohles zu entscheiden. Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohles hat der Bundesgerichtshof in Sorgerechtsfragen bislang die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt; gleiches gilt auch für Regelungen zum Umgangsrecht und mithin hier für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells. Ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätischer Wahrnehmung des Elternrechts setzt die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells als hälftig geteilter Ausübung der gemeinsamen Sorge auch die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus. Daß zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Konsens besteht, ist hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. Ein Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohle in dem konkreten Fall am besten entspricht (vgl. BGH FamRZ 2020, 255 = FuR 2020, 166).

Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Umgang des Kindes gemäß § 1626 Abs. 3 S. 1 BGB mit beiden Elternteilen zum Wohle des Kindes gehört. Mit der Vorschrift ist allerdings noch keine quantitative Festlegung einer zu treffenden Umgangsregelung verbunden; eine solche muß vielmehr in dem konkreten Einzelfall dem Kindeswohle entsprechen. Das Wechselmodell stellt gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt, und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Auf Seiten des Kindes wird ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen sein, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Hierfür kann gegebenenfalls auch Bedeutung gewinnen, in welchem Umfang beide Elternteile schon zu der Zeit des Zusammenlebens in die Betreuung des Kindes eingebunden waren.

Wesentlicher Aspekt ist zudem der von dem Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Bei Kindern im Jugendalter verringert sich ohnedies die gemeinsame Zeit von Eltern und Kind, weil die Kinder ihren Aktionsradius erweitern, und für sie die mit Gleichaltrigen verbrachte Zeit bedeutsamer wird. Zwischen den Eltern ergibt sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was geeignete äußere Rahmenbedingungen, so etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen, aber auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern, voraussetzt. Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, daß eine kontinuierliche und verläßliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf.

Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung wird das Wechselmodell dagegen in der Regel nicht dem Kindeswohle entsprechen, denn das Kind wird dann durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert, und gerät durch den von den Eltern oftmals ausgeübten »Koalitionsdruck« in Loyalitätskonflikte; zugleich wird es den Eltern aufgrund ihres fortwährenden Streits oft nicht möglich sein, die für die Erziehung des Kindes nötige Kontinuität und Verläßlichkeit zu schaffen. Die Anordnung des Wechselmodells erscheint grundsätzlich dazu ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen. Das schließt nicht aus, daß die Eltern im Einzelfall gleichwohl in der Lage sind, ihren persönlichen Konflikt von der - gemeinsamen - Wahrnehmung ihrer Elternrolle gegenüber dem Kind zu trennen, und dieses von ihrem Streit zu verschonen (vgl. BGH FamRZ 2020, 255 = FuR 2020, 166).

Die Erziehungseignung und der Erziehungswille der Eltern sowie die Bindungen und der Wille des Kindes geben die Entscheidung nicht vor. Bei den Bindungen handelt es sich um eine innere, psychische Tatsache, und zwar um die gefühlsmäßigen Neigungen, mit anderen Worten die in den Emotionen des Kindes verankerte besondere Beziehung des Kindes zu seinen Eltern, die zwar nicht direkt, aber über verbale Äußerungen und zu beobachtendes Verhalten des Kindes wahrnehmbar sind. Über eine bloße »Beziehung« hinaus bezeichnet der Begriff der »Bindung« ein biologisch verankertes Verhaltenssystem, welches darauf abzielt, dem Kind lebensnotwendige Sicherheit und Schutz durch die Betreuungsperson zu vermitteln (Lack in Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht 7. Aufl. § 1671 BGB Rdn. 68). Dem Kindeswillen kommen im Rahmen der Kindeswohlprüfung zwei Funktionen zu: Zum einen ist er verbaler Ausdruck von inneren Bindungen zu bestimmten Personen, die das Kind empfindet, und zum anderen ab einem bestimmten Alter ein Akt der Selbstbestimmung (vgl. BeckOK BGB/Veit, [Stand: 01.05.2021] § 1671 Rdn. 89; Lack in Johannsen/Henrich/Althammer, aaO § 1671 Rdn. 79).

Beide Eltern sind erziehungsgeeignet und wollen N. erziehen. Zu beiden Eltern hat N. intensive Bindungen. Auch der von N. in der letzten gerichtlichen Anhörung ausgesprochene Vorschlag gibt vorliegend für die Entscheidung nicht den Ausschlag: Er hat zuletzt gegenüber dem Senat geäußert, daß die acht Schuljahre zwischen Mutter und Vater aufgeteilt werden. Auch aus der Äußerung, daß er zunächst vier Jahre das E.-Gymnasium besucht, und anschließend auf das R.-Gymnasium wechselt, vermag der Senat nicht den (versteckten) Wunsch zu entnehmen, daß er mit seinen Freunden auf das E.-Gymnasium wechseln möchte, denn dieser Wunsch scheint ein Ausdruck zu sein, beiden Eltern einen Weg aufzuzeigen, sich auf eine gerechte Regelung zu einigen. Er hat bereits zuvor in den Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß seine Eltern die Entscheidung treffen mögen, und insoweit nicht Stellung bezogen. Er verfügt über starke Bindungen an beide Eltern, und ließ nicht wie seine Schwester in der Anhörung gegenüber der Verfahrensbeiständin eine Tendenz zur Betreuung durch seine Mutter erkennen.

Der Kontinuitätsgrundsatz spricht tendenziell zugunsten der Entscheidungsbefugnis der Mutter. Nach dem Kontinuitätsgrundsatz empfiehlt sich diejenige Sorgerechtsregelung, die die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse wahrt oder am wenigsten stört (Lack in Johannsen/Henrich/Althammer, aaO § 1671 BGB Rdn. 65). Die Kontinuität besteht hinsichtlich der Beziehungen des Kindes in seinem Umfeld (»Beziehungskontinuität«), sowie hinsichtlich seines Wohnortes (»Umgebungskontinuität«). Je älter das Kind wird, desto mehr wandelt sich das Bedürfnis der Beziehungskontinuität von dem betreuenden Elternteil hin zu dem weiteren sozialen Umfeld. Die Umgebungskontinuität gewinnt erst allmählich an Bedeutung. Bei der Beurteilung der Kontinuität ist die Beibehaltung bestehender Bindungen zu anderen Verwandten - insbesondere zu Großeltern - mit zu berücksichtigen (vgl. BeckOGK BGB/Fuchs [Stand: 01.01.2021] § 1671 Rdn. 274 f).

Vorliegend fallen die Beziehungs- und die Umgebungskontinuität auseinander. Die räumliche Umgebungskontinuität liegt in Hamburg-E.; dort hat N. bisher mit beiden Eltern gelebt, hat insbesondere seine Freunde E. und J., und ging früher seinen Hobbys nach. Diesbezüglich ergeben sich jedoch mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule weitreichende Änderungen. Auf dem Gymnasium haben die Kinder neue und mehr Lehrer, mehr Fächer und mehr Hausaufgaben. Mit dem Wechsel ändert sich die Klassenzusammensetzung. Jede neue Klasse entwickelt ihre eigene Struktur, und häufig sind mit dem Wechsel auch neue Freundschaften der Kinder verbunden. Es ist auch nicht gesichert, daß N. mit seinen beiden Freunden weiterhin eine Klasse besucht; es steht auch nicht fest, ob N. überhaupt mit seinen beiden Freunden E. und J. auf die gleiche Schule und in die gleiche Klasse eingeschult werden kann. Dies ist deswegen unklar, weil sich die Eltern zunächst nicht auf eine abgestimmte Anmeldung in der Schule verständigen konnten, und N. bisher bei seiner Mutter gemeldet war. Da es sich bei dem von dem Vater favorisierten E.-Gymnasium um eine beliebte Schule handelt, die mehr Anmeldungen erhält, als sie Schüler aufnehmen kann, könnte die Meldeadresse bei der Mutter einer Anmeldung im Wege stehen. Die Meldeadresse wird zwar derzeit von dem Bezirksamt geprüft und gegebenenfalls neu festgelegt; das Verfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

Die Beziehungskontinuität spricht für die Mutter: Sie war vor und zunächst nach der Trennung der Eltern nicht nur eine, sondern die Hauptbezugsperson beider Kinder. Der Vater übte nach der Trennung zunächst eine umfangreiche Betreuung aus. Mit dem Umzug der Mutter nach Hamburg-R. und dem Beginn der Corona-Pandemie betreuten die Eltern die Kinder im paritätischen Wechselmodell. Allerdings stellt die paritätische Betreuung während der Corona-Pandemie eine besondere Situation dar: Der Unterricht erfolgte über die Distanz; die Freizeitaktivitäten sind und waren reduziert. Die Arbeit der Eltern erfolgte weitgehend von zu Hause aus. Insoweit spricht der längerfristige Kontinuitätsgedanke für die Mutter. Der Beziehungskontinuität bemißt der Senat mit Blick auf das Alter N.'s derzeit gegenüber der Umgebungskontinuität ein tendenziell höheres Gewicht zu.

Vorliegend gibt aus Sicht des Senats das Prinzip der Förderung den Ausschlag zugunsten der Entscheidungsbefugnis der Mutter. Die Förderkompetenz umfaßt die Fähigkeit der Eltern, dem Kind die Bewältigung seiner Entwicklungsaufgaben zu ermöglichen, es bei der Entwicklung seiner Persönlichkeit zu unterstützen sowie gleichmäßig zu betreuen und zu erziehen. Schulkinder benötigen insbesondere Unterstützung beim Erbringen von Leistungen, bei Selbstzweifeln und Problemen in der Peer Group. Aspekte der Förderkompetenz sind die Beziehungsfähigkeit, die Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit, die Grenzsetzungsfähigkeiten, die Förderfähigkeit, die Vorbildfähigkeit und das Alltagsmanagement (vgl. Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten 6. Aufl. [2015] Rdn. 1036 f).

Wenn alleine die Entscheidung über die Auswahl der Schule angestanden hätte, wäre diese relativ eindeutig der Mutter zuzuweisen gewesen. Der Vater hat in der persönlichen Anhörung vor dem Senat mitgeteilt, daß sich die Mutter bisher um die Entscheidungen in Schulfragen federführend gekümmert habe. Sie bringe als Lehrerin die Kompetenzen mit, und er habe seine Stärken in anderen Bereichen. Die Mutter hat auch nachvollziehbar dargelegt, daß das von ihr ausgewählte Gymnasium den Stärken N.'s in besonderer Weise gerecht wird. Demgegenüber hat der Vater zu dem pädagogischen Konzept der Schule keine Gesichtspunkte vorgetragen. Für die von dem Vater favorisierte Schule spricht allerdings, daß die beiden besten Freunde N.'s voraussichtlich auf diese Schule wechseln werden, und N. insoweit der Start erleichtert werden könnte. Der Senat teilt jedoch die Einschätzung der Mutter, daß es N. auch bei einem Wechsel ohne Klassenkameraden möglich sein wird, schnell neue Freundschaften zu finden: Seine offene, interessierte, freundliche und zugewandte Art werden ihm dabei helfen. So zeigte er sich im Rahmen seiner Anhörung nicht verunsichert und auch offen gegenüber mehreren anderen Gymnasien in dem Stadtteil E.

Es sind jedoch auch die Auswirkungen auf das derzeit gelebte und von dem Vater favorisierte paritätische Wechselmodell zu berücksichtigen. Beide Kinder - die gemeinsame Tochter allerdings mit Einschränkungen - zeigten sich im Rahmen der Anhörungen offen für die Fortführung. Dieses ist - entgegen der Ansicht der Mutter - nicht von vornherein aufgrund der Konflikte der Eltern untereinander ausgeschlossen. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß sich die Konflikte besonders an der Fortführung der mit der Corona-Pandemie begonnenen paritätischen Betreuung entzünden. Darauf sind die Auseinandersetzungen jedoch nicht beschränkt; sie kreisen weiter insbesondere um finanzielle Fragen in Form des ungeklärten Kindesunterhalts und die Aufteilung der für die Kinder entstehenden Kosten. Insoweit erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die Eltern nach einer diesbezüglichen Klärung wieder vermehrt an einem Strang ziehen. Dies ist jedoch derzeit nicht zeitnah zu erwarten, da die Eltern zunächst eine Klärung der finanziellen Grundlagen herbeiführen wollen, und sich in der Auskunftsstufe befinden.

Da der Vater Einkommen als Geschäftsführer und Inhaber seines Unternehmens erzielt, werden die unterhaltsrechtlich relevanten Einkommensverhältnisse nicht leicht aufzuklären sein; die Auseinandersetzung dürfte sich noch länger hinziehen. Die Thematik wurde in der Anhörung angesprochen, ohne daß dazu kurzfristig tragbare Lösungsmöglichkeiten seitens beider Eltern aufgezeigt oder unterbreitet wurden. Ein Verweis auf den gesetzlich geschuldeten Unterhalt hilft aufgrund der damit verbundenen Unwägbarkeiten insoweit nicht weiter. Die nicht geklärten finanziellen Grundlagen sprechen nicht für die Fortführung eines paritätischen Wechselmodells. So blieb auch die Aussage der Mutter, daß sich der Vater auch im Wechselmodell nicht an den Kosten für die Kinder (Musik, Sport, Schulessen) beteiligt, im Raum stehen. Eine Klärung wird kurzfristig auch für N. erforderlich sein, da dieser mit fortschreitenden Lockerungen seine Freizeitaktivitäten wieder aufnehmen möchte, und es nicht dem Wohle N.'s am besten entsprechen würde, wenn die finanziellen Auseinandersetzungen der Eltern zu Lasten der Interessen der Kinder gehen würden.

Gleichzeitig hat die Anhörung der Eltern auch gezeigt, daß die Mutter näher bei ihren Kindern ist. Sie macht sich tiefergehende Gedanken um die Entwicklung der Kinder, benennt diese, und setzt sie entsprechend um. Dies zeigt exemplarisch einerseits der in der Verhandlung von ihr aufgeworfene Aspekt, daß sie überrascht gewesen sei, daß der Vater es mit der grundsätzlichen Auswahl der Schule belassen habe, und nicht bei den Eltern der Freunde E. und J. nachgefragt hat, ob diese N. auch als gewünschten Klassenkameraden angegeben haben. Zusätzlich hat sie nachvollziehbar dargelegt, daß sie mit ihrem Partner bei der Suche nach einer für sie finanzierbaren Wohnung trotz des vorhandenen kleinen Hauses des Partners in W. die Interessen ihrer Kinder einbezogen hat. Sie hat eine Wohnung gesucht, in der die Kinder jeweils ein eigenes Zimmer, und damit einen Rückzugsort haben. Dabei darf trotz der sehr hohen Mietpreise in Hamburg-E. allerdings auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Mutter es letztlich mit ihrem Umzug erschwert hat, daß die Kinder zu beiden Eltern unkompliziert ihre Bindung aufrechterhalten können.

Der Vater strebt schon seit mehreren Jahren eine umfangreichere und paritätische Betreuung der Kinder an. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie und damit seit mehr als einem Jahr betreut er die Kinder paritätisch; trotzdem hat er bisher seine Wohnung nicht entsprechend der Betreuungsanteile umgebaut. Der zunächst in dem Verfahren gegenüber dem Gericht geäußerte Hinweis darauf, daß der Ausgang des Verfahrens abgewartet werden soll, überzeugt schon deswegen nicht, weil die aus seiner Sicht unproblematische Umgestaltung der Wohnung auch mit Blick auf eine umfangreiche Betreuung der Kinder Sinn ergeben kann. Der Verweis auf fehlende Handwerker blieb ebenfalls unkonkret.

Der Vater konnte aber auch auf den Hinweis des Senats, daß sich noch nicht erschließt, aus welchen Gründen der Tochter der Lebensgefährtin ein eigenes Zimmer zur Verfügung steht, für sich selbst nicht ausreichend erklären (»frage ich mich auch«). Er verneinte, daß dies etwas mit einer eventuellen Vertragsgestaltung und einer Mietzahlung (»nicht wirklich«) zu tun habe. Auch blieb die seit mehreren Monaten im Raum stehende Äußerung, seine Lebensgefährtin würde in Kürze ausziehen, ohne tragbares Fundament. Letztlich erschließt sich auch seine Aussage im Rahmen der mündlichen Erörterung gegenüber der Mutter, die sich betroffen darüber zeigte, daß die gemeinsamen Kinder im Doppelstockbett im Wohnzimmer schlafen, während die Tochter der Lebensgefährtin über ein eigenes Zimmer verfüge, nicht, denn entgegen der Aussage des Vaters, daß das Doppelstockbett abgebaut sei, und daß sich die Mutter dies gerne ansehen könne, bestätigte sich diese Aussage in dem weiteren Verlaufe des Verfahrens nicht. Auch über zukünftige Hobbys N.'s im Anschluß an die Pandemie war seine Vorstellung noch nicht weiter vorangeschritten, während die Mutter schon mit Vereinen in Hamburg-R. gesprochen hatte, und darauf verwies, daß es schwierig werde, einen Verein zu finden, wenn nur 14-tägig trainiert werden könne.

In einer Gesamtabwägung spricht sich der Senat deshalb für die Entscheidung der Schulanmeldung durch die Mutter aus. Dies geschieht unter Berücksichtigung der genannten Umstände, und insbesondere der Folge, daß damit ein paritätisches Wechselmodell erschwert wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 FamFG.

OLG Hamburg 2020-06-22 - 12 UF 61/21
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Anmerkungen

Die Beteiligten begehren wechselseitig die Übertragung der Entscheidung über die Anmeldung des gemeinsamen Sohnes N. auf die weiterführende Schule. Die Mutter hatte N. auf dem Gymnasium Hamburg-R. angemeldet. Sie erhielt eine Zusage, gegen die der Vater im Anschluss Widerspruch einlegte, da er von der Mutter nicht einbezogen worden war. Der Vater reichte nunmehr einen Antrag auf Übertragung des Rechts zur Bestimmung der weiterführenden Schule bei Gericht ein. Beide Eltern halten die von ihnen ausgewählte Schule als die jeweils beste für ihr Kind. Das FamG hat N. einen Verfahrensbeistand bestellt; die Verfahrensbeiständin hat ausführlich über das Kind und über die Sichtweise der Eltern berichtet.

Das AmtsG hat im Wege der einstweiligen Anordnung dem Vater die Befugnis zur Entscheidung über die Auswahl der weiterführenden Schule für N. übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter, zulässig als anfechtbare Entscheidung über die elterliche Sorge gemäss §§ 57 S. 2 Nr. 1, 151 Nr. 1 FamFG, § 1628 BGB, hat das OLG die Entscheidung des AmtsG abgeändert und der Mutter das Recht zur Entscheidung über die Anmeldung N. auf die weiterführende Schule für den gemeinsamen Sohn N. übertragen. Es bestehe gemäss § 49 FamFG ein dringendes Bedürfnis für die Entscheidung über die Schulwahl, da N. im Anschluss an die Hamburger Schulferien auf die weiterführende Schule - auf die sich die Eltern nicht einigen können - wechselt.

Gegen die Entscheidung wendet sich die Mutter mit ihrer Beschwerde. Sie beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 22. März 2021 aufzuheben, und den Antrag des Vaters auf Übertragung der alleinigen Befugnis, über die weitergehende Schule für den gemeinsamen Sohn zu entscheiden, zurückzuweisen, hilfsweise, die alleinige Befugnis über die Wahl der weitergehenden Schule, in die der gemeinsame Sohn ab der 5. Klasse gehen soll, auf die Mutter zu übertragen.

» Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht gemäss § 1628 BGB auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Vorschrift des § 1628 BGB regelt die Lösung eines Elternkonflikts in wichtigen Kindesangelegenheiten. In unmittelbarer Anknüpfung an § 1627 S. 2 BGB trifft § 1628 BGB Vorsorge für den Fall, dass die dort geforderte Elterneinigung nicht zustande kommt, und die streitige Angelegenheit der elterlichen Sorge für das Kind von erheblicher Bedeutung ist. Es muss demnach ein punktuell-sachbezogener Konflikt von erheblicher Bedeutung vorliegen.

Die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis über die durch das Kind zu besuchende weiterführende Schule stellt dabei einen solchen punktuell-sachbezogenen Konflikt dar. Gleichwohl ist die Entscheidung unter Umständen geeignet, weitreichende Auswirkungen auch hinsichtlich des zukünftigen Aufenthaltsortes und des von den Eltern gewählten Betreuungsmodells zu zeitigen, etwa wenn die alternativen Schulen in verschiedenen Orten liegen. Teilweise wird vertreten, dass in diesem Fall eine Entscheidung nur nach § 1671 BGB und nicht nach § 1628 BGB ergehen kann, wenn einem Elterndissens faktisch eine Auseinandersetzung über den Aufenthalt des Kindes zugrunde liegt, etwa weil ein Elternteil umziehen möchte (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2019, 802; OLG Koblenz FamRZ 2019, 804). Hielten sich die Gerichte in derartigen Fällen gleichwohl für kompetent, eine Entscheidung im Wege des § 1628 - und nicht über § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB - zu treffen, müssten sie auch diese Folgewirkungen berücksichtigen (vgl. KG FamRZ 2018, 502; Amend-Traut in BeckOGK [Stand: 01.05.2021] § 1628 Rdn. 34).

Die Entscheidung über die Anmeldung zur weiterführenden Schule stellt sich vorliegend als eine Entscheidung über eine einzelne Angelegenheit der elterlichen Sorge dar, über die gemäss § 1628 BGB entschieden werden kann. Es kann offen bleiben, ob überhaupt die Auswirkungen einer punktuell-sachbezogenen Entscheidung für die Eltern dazu führen können, dass diese (zusätzlich) eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht herbeiführen müssen. Dagegen spricht bereits, dass es sich bei § 1628 und § 1671 BGB um unterschiedliche Verfahrensgegenstände handelt. Der Abgrenzung der Verfahren wird bereits mit der Antragstellung Rechnung getragen, indem dort die streitige Angelegenheit konkret bezeichnet wird. Die punktuell-sachbezogene Entscheidung über die Anmeldung eines Kindes in einer Schule gemäss § 1628 BGB ist in den Voraussetzungen und in der Rechtsfolge von der Übertragung des Rechtes auf Bestimmung des Aufenthalts zu trennen. Insoweit kann eine punktuelle Entscheidung in bestimmten Fallgestaltungen möglicherweise in sachlichen Widerspruch zur Bestimmung des Aufenthaltsrechts treten; dies stellt sich aber als eine in dem jeweiligen Einzelfall zu beantwortende Frage der inhaltlichen Folgerichtigkeit der in dem jeweiligen Verfahren zu treffenden Entscheidung dar (vgl. zum Wechselmodell BGH FamRZ 2020, 255 = FuR 2020, 166). «

In der Sache sei die Entscheidungsbefugnis - da die Streitfrage einer Entscheidung gemäss § 1628 BGB zugänglich ist - auf den Hilfsantrag der Mutter zu übertragen.

» Die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts richtet sich gemäss § 1697a BGB nach dem Kindeswohl. Die Entscheidungskompetenz ist demjenigen Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohle des Kindes besser gerecht wird. Ob und inwiefern das Kindeswohl berührt ist, ist nach der Eigenart der zu regelnden Angelegenheit zu beurteilen, aus der sich auch die konkreten Anforderungen an die für die Entscheidung nach § 1628 BGB zu treffende Prüfung ergeben (vgl. BGH FamRZ 2017, 1057 = FuR 2017, 442; BeckOK BGB/Veit, [Stand: 01.05.2021] § 1628 Rdn. 12). Es sind sämtliche relevanten Kriterien zu prüfen und gegeneinander abzuwägen; bei der Entscheidung über die Wahl der Schule ist insbesondere die Auswirkung der jeweiligen Schulwahl auf das soziale Umfeld des Kindes in die Erwägung mit einzubeziehen (BVerfG FamRZ 2003, 511). …

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells geboten sein kann, ebenfalls unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohles zu entscheiden. Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohles hat der Bundesgerichtshof in Sorgerechtsfragen bislang die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt; gleiches gilt auch für Regelungen zum Umgangsrecht und mithin hier für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells. Ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätischer Wahrnehmung des Elternrechts setzt die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells als hälftig geteilter Ausübung der gemeinsamen Sorge auch die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus. Dass zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Konsens besteht, ist hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. Ein Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (vgl. BGH FamRZ 2020, 255 = FuR 2020, 166). «

Wesentlicher Aspekt sei zudem der von dem Kind geäusserte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Bei Kindern im Jugendalter verringere sich ohnedies die gemeinsame Zeit von Eltern und Kind, weil die Kinder ihren Aktionsradius erweitern, und für sie die mit Gleichaltrigen verbrachte Zeit bedeutsamer wird. Zwischen den Eltern ergebe sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was geeignete äussere Rahmenbedingungen, so etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen, aber auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraussetzt. Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf.

» Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung wird das Wechselmodell dagegen in der Regel nicht dem Kindeswohle entsprechen, denn das Kind wird dann durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert, und gerät durch den von den Eltern oftmals ausgeübten »Koalitionsdruck« in Loyalitätskonflikte. Zugleich wird es den Eltern aufgrund ihres fortwährenden Streits oft nicht möglich sein, die für die Erziehung des Kindes nötige Kontinuität und Verlässlichkeit zu schaffen. Die Anordnung des Wechselmodells erscheint grundsätzlich dazu ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen. Das schliesst nicht aus, dass die Eltern im Einzelfall gleichwohl in der Lage sind, ihren persönlichen Konflikt von der - gemeinsamen - Wahrnehmung ihrer Elternrolle gegenüber dem Kind zu trennen und dieses von ihrem Streit zu verschonen (vgl. BGH FamRZ 2020, 255 = FuR 2020, 166).

Die Erziehungseignung und der Erziehungswille der Eltern sowie die Bindungen und der Wille des Kindes geben die Entscheidung nicht vor. Bei den Bindungen handelt es sich um eine innere, psychische Tatsache, und zwar um die gefühlsmässigen Neigungen, mit anderen Worten die in den Emotionen des Kindes verankerte besondere Beziehung des Kindes zu seinen Eltern, die zwar nicht direkt, aber über verbale Äusserungen und zu beobachtendes Verhalten des Kindes wahrnehmbar sind. Über eine blosse »Beziehung« hinaus bezeichnet der Begriff der »Bindung« ein biologisch verankertes Verhaltenssystem, welches darauf abzielt, dem Kind lebensnotwendige Sicherheit und Schutz durch die Betreuungsperson zu vermitteln (Lack in Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht 7. Aufl. § 1671 Rdn. 68). Dem Kindeswillen kommen im Rahmen der Kindeswohlprüfung zwei Funktionen zu: Zum einen ist er verbaler Ausdruck von inneren Bindungen zu bestimmten Personen, die das Kind empfindet, und zum anderen ab einem bestimmten Alter ein Akt der Selbstbestimmung (vgl. BeckOK BGB/Veit, [Stand: 01.05.2021] § 1671 Rdn. 89; Lack in Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht 7. Aufl. § 1671 Rdn. 79). «

In einer Gesamtabwägung spreche sich der Senat deshalb für die Entscheidung der Schulanmeldung durch die Mutter aus. Dies geschehe unter Berücksichtigung der genannten Umstände, und insbesondere der Folge, dass damit ein paritätisches Wechselmodell erschwert wird.

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