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Rechtsprechung Bundesfinanzhof im Familienrecht und im Erbrecht 2023 - FD-Platzhalter-rund

Rechtsprechung Bundesfinanzhof
im Familienrecht und im Erbrecht 2023


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Solidaritätszuschlag; Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags.
SolZG §§ 1 ff; GG Art. 2, Art. 3, Art. 6, Art. 14, Art. 100, Art. 106; 2. FamEntlastG; SolZRückfG 1995, EStG §§ 26, 26b

1. Der Solidaritätszuschlag war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig.
2. Das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der Fassung durch Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Zweites Familienentlastungsgesetz - 2. FamEntlastG) vom 01. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 2616) verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 oder Art. 14 GG.

BFH, Urteil vom 17. Januar 2023 - IX R 15/20 - FG Nürnberg [3 K 1098/19]
BStBl II 2023, 351 = BFH/NV 2023, 339 = NJW 2023, 544

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Erbrecht; keine Identität zwischen einer Erbengemeinschaft und einer aus den Miterben gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
BGB §§ 125, 311b, 705, 2032, 2033, 2040; EStG § 15; AO §§ 41, 179, 180

1. In Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach §§ 179 Abs. 2 S. 2, 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO sind eine Erbengemeinschaft und eine aus den Miterben gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts als jeweils selbständige Feststellungssubjekte zu behandeln. Bestehen beide Feststellungssubjekte fort, dann ist für jedes ein eigenständiges Feststellungsverfahren durchzuführen.
2. Ein identitätswahrender Formwechsel einer Erbengemeinschaft in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nach dem Umwandlungsgesetz nicht möglich.
3. Der Grundsatz, daß eine Erbengemeinschaft nebeneinander Gewinn- und Überschußeinkünfte erzielen kann, gilt nicht mehr, wenn diese in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als »andere Personengesellschaft« im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 EStG überführt wird.

BFH, Urteil vom 19. Januar 2023 - IV R 5/19 - FG Köln [8 K 3086/16]
BStBl II 2023, 649 = NJW 2023, 1460 = FamRZ 2023, 735 [Ls]

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Allgemeine Leistungsklage des Jobcenters gegen die Familienkasse wegen Erstattung.
EStG §§ 62 ff, 74; DA-KG; SGB X §§ 102 ff, 104, 111; FGO § 40; EStG VZ

1. Erstattungsansprüche des Jobcenters nach § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit §§ 102 bis 105 SGB X sind mit der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen, da zwischen den Leistungsträgern kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht.
2. Für diejenigen Monate, in denen die Familienkasse rechtzeitig geleistet hat, scheidet ein Erstattungsanspruch des Jobcenters aus (Bestätigung der Senatsrechtsprechung BFHE 277, 294).
3. Ein Erstattungsanspruch ist außerdem ausgeschlossen, wenn die Familienkasse selbst geleistet hat, bevor sie von der Leistung des Jobcenters Kenntnis erlangt hat (Bestätigung der Senatsrechtsprechung BFHE 277, 294).
4. In dem Falle des § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 104 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB X hat die Familienkasse von der Leistung des Jobcenters Kenntnis erlangt, sobald eine entsprechende Mitteilung unter der eigens für Erstattungsanträge eingerichteten Funktionsadresse der Familienkasse eingegangen ist.
5. Organisatorische Entscheidungen der Familienkasse, die dazu führen, dass dem für die Festsetzung und Auszahlung des Kindergelds zuständigen Sachbearbeiter eine in den Geschäftsbereich gelangte Information nicht bekannt wird, rechtfertigen es nicht, diese im Verhältnis zu Dritten als unbekannt zu werten.

BFH, Urteil vom 19. Januar 2023 - III R 36/21 - Hessisches Finanzgericht [2 K 302/18]
BStBl II 2023, 711 = BFH/NV 2023, 888 = FamRZ 2023, 1111 [Ls]

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Erbrecht; Kosten und Gebühren; Erbfallkostenpauschale für den Nacherben.
BGB §§ 2100, 2139; ErbStG §§ 3, 6, 10; FGO § 100

1. Neben dem Vorerben kann auch der Nacherbe den Pauschbetrag für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 ErbStG in Anspruch nehmen.
2. Der Abzug des Pauschbetrages setzt nicht den Nachweis voraus, daß zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind (Änderung der Rechtsprechung).

BFH, Urteil vom 1. Februar 2023 - II R 3/20 - FG Münster [3 K 2699/17]
BFHE 279, 222 = BStBl II 2023, 717 = BFH/NV 2023, 904 = NJW 2023, 1903 = FamRZ 2023, 1168 [Ls]

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Erbrecht; geleistete Anzahlungen als Verwaltungsvermögen iSd § 13b ErbStG.
ErbStG § 13b; HGB § 266; ErbStR 2019

Geleistete Anzahlungen sind jedenfalls dann keine »anderen Forderungen« im Sinne von § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG a.F., wenn sie nicht für den Erwerb von Verwaltungsvermögen geleistet wurden.

BFH, Urteil vom 1. Februar 2023 - II R 36/20 - FG Münster [3 K 2699/17]
BFHE 279, 215 = BFH/NV 2023, 906

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Familiensteuerrecht; privates Veräußerungsgeschäft nach trennungsbedingtem Auszug eines Ehepartners.
EStG §§ 22, 23; EStG VZ 2017

1. Eine (willentliche) Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem in dem Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt.
2. Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen.

BFH, Urteil vom 14. Februar 2023 - IX R 11/21 - FG München [11 K 2405/19]
BStBl II 2023, 642 = BFH/NV 2023, 767 = FamRZ 2023, 857 = FuR 2023, 350 = NJW 2023, 2069 = FF 2023, 293 = NZFam 2023, 672 = NJW-Spezial 2023, 389

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Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des volljährigen Kindes auf Unterhalt; Selbstunterhalt des behinderten Kindes aus einer durch Vermögensumschichtung begründeten privaten Rente.
EStG §§ 20, 22, 32

1. Die Fähigkeit des volljährigen behinderten Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs seines gesamten existenziellen Lebensbedarfs einerseits und der finanziellen Mittel -seiner Einkünfte und Bezüge - andererseits zu prüfen; das Vermögen des Kindes bleibt dabei unberücksichtigt:
2. Bezieht ein behindertes volljähriges Kind eine Rente, die durch Vermögensumschichtung begründet wurde (hier: Einzahlung der dem Kind von einem Kindergeldberechtigten zweckgebunden zugewandten Mittel in einen privaten Versicherungsvertrag), so sind die den Ertragsanteil übersteigenden Teile der Rentenzahlungen nicht als Bezug zu berücksichtigen.

BFH, Urteil vom 16. Februar 2023 - III R 23/22 - FG Baden-Württemberg [1 K 2137/21]
BStBl II 2023, 714 = BFH/NV 2023, 892 = FamRZ 2023, 1111 [Ls] = NJW 2023, 2448 [Ls]

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Verfassungsgemäße Besteuerung eines Grenzgängers nach dem sog. Kassenstaatsprinzip.
EStG §§ 1, 1a, 32b; GG Art. 3, Art. 6, Art. 100; DBA FRA Art. 13, Art. 14; EG Art. 12; Art. 18; AEUV Art. 18, Art. 21, Art. 39, Art. 45; MRK

1. Die Anwendung von Art. 14 Abs. 1 Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich 1959/2001 [DBA] hat Vorrang vor der Anwendung der sogenannten Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA.
2. Unter »Dienstleistungen in der Verwaltung« im Sinne des Art. 14 Abs. 1 DBA sind nicht nur hoheitliche Tätigkeiten im engeren Sinne zu verstehen, die der unmittelbaren Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen; Art. 14 Abs. 1 DBA knüpft nur an die öffentlich-rechtliche Rechtsform des Dienstherrn an.
3. Die Besteuerung eines Grenzgängers (Art. 13 Abs. 5 DBA) nach dem sogenannten Kassenstaatsprinzip (Art. 14 Abs. 1 DBA) ist nicht verfassungswidrig; insbesondere ist die Anwendung unterschiedlicher Verteilungsnormen des Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich 1959/2001 auf vergleichbare Normadressaten aus verfassungsrechtlicher Sicht »belastungsneutral«.

BFH, Urteil vom 22. Februar 2023 - I R 45/19 - FG Baden-Württemberg [6 K 337/16]
BFH/NV 2023, 947

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Familiensteuerrecht; Veranlagung bei Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
EStG §§ 25, 46; FGO §§ 76, 96, 115; GG Art. 103

Die Veranlagung zur Einkommensteuer ist vorbehaltlich der Veranlagungstatbestände in § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 8 EStG gemäß § 46 Abs. 2 Hs. 1 EStG nur dann ausgeschlossen, wenn von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit tatsächlich ein inländischer Lohnsteuerabzug vorgenommen worden ist.

BFH, Beschluß vom 7. März 2023 - VI B 4/22 - FG München [9 K 2803/19]

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Erbrecht; Aussetzung des Verfahrens bei Tod des Beteiligten; Rechtsmißbrauch.
BGB § 242; ZPO §§ 62, 239, 246; FGO §§ 59, 155

1. Der Prozeßbevollmächtigte kann einen Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO stellen, um so Gelegenheit zu haben, klare Weisungen des Erben zu der Weiterführung des Prozesses einzuholen, auch wenn der Rechtsnachfolger bereits zweifelsfrei feststeht.
2. Ein Aussetzungsantrag kann jedoch rechtsmißbräuchlich sein, wenn die Aussetzung prozessual sinnlos ist.

BFH, Beschluß vom 10. März 2023 - X B 123/21 (X B 47/20) - FG München [5 K 1205/14]
BFH/NV 2023, 724 = FamRZ 2023, 968 [Ls]

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Familiensteuerrecht; Kindergeld; Koordinierung von Familienleistungen bei Entsendung ins Inland.
EStG §§ 62, 63, 65; EGV 883/2004; EGV 987/2009; AO §§ 8, 9

1. Wird der Kindergeldberechtigte aus einem anderen Mitgliedstaat (hier: Polen) nach Deutschland entsandt, ohne hier eine Rente zu beziehen, dann sind etwaige Familienleistungsansprüche des Klägers in dem anderen Mitgliedstaat durch diese Beschäftigung ausgelöst, und gegenüber dem in Deutschland ausschließlich durch den Wohnsitz ausgelösten Kindergeldanspruch vorrangig (Art. 68 Abs. 1 a) VO Nr. 883/2004).
2. Wenn in diesem Falle die Kinder in dem anderen Mitgliedstaat wohnen, ist ein Differenzkindergeldanspruch in Deutschland ausgeschlossen (Art. 68 Abs. 2 S. 3 VO Nr. 883/2004).
3. Die Koordinierungsregeln des Art. 68 VO Nr. 883/2004 sind nur anwendbar, und können somit den Kindergeldanspruch in Deutschland nur ausschließen, wenn tatsächlich konkurrierende Ansprüche auf Familienleistungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat bestehen.

BFH, Urteil vom 20. April 2023 - III R 4/20 - Sächsisches FG [2 K 975/17]
BFH/NV 2023, 953 = FamRZ 2023, 1111 [Ls]

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Kindergeld; Opferrente als Bezug eines behinderten volljährigen Kindes.
BGB §§ 1360, 1609; EStG §§ 32, 33b, 62, 63; OEG § 1; BVG § 31

1. Eine Grundrente nach § 1 Abs. 1 OEG in Verbindung mit § 31 BVG ist nicht als Bezug eines behinderten volljährigen Kindes zu berücksichtigen.
2. Die Grundrente soll maßgeblich auch immaterielle Schäden ausgleichen; ihre immaterielle und ihre materielle Komponente können nicht voneinander getrennt werden.
3. Ehegattenunterhalt kann zu den eigenen finanziellen Mitteln gehören, die dem behinderten Kind zur Verfügung stehen; zu beachten ist aber bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts, daß der von dem Ehegatten des behinderten Kindes an zwei gemeinsame minderjährige Kinder geleistete Unterhalt die diesem für den Ehegattenunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel mindert.

BFH, Urteil vom 20. April 2023 - III R 7/21 - FG Mecklenburg-Vorpommern [3 K 126/20]
BFH/NV 2023, 1006 = NJW 2023, 2446 = FamRZ 2023, 1111 [Ls]

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