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BGB § 1353 - Eheliche Lebensgemeinschaft - FD-Logo-500

BGB § 1353 - Eheliche Lebensgemeinschaft





BGB § 1353 - Eheliche Lebensgemeinschaft

(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.
(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.






 



Ausgleichungspflicht betreffend Steuererstattungen oder -nachzahlungen aus vor der Trennung liegenden Zeiten gemeinsamer Veranlagung der Ehegatten; Verpflichtung zur Einwilligung in eine von dem anderen Ehegatten für die Zeit des Zusammenlebens gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer; Schadensersatzpflicht im Falle der Verweigerung; Wahlmöglichkeit der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung von Eheleuten bis zu dem Zeitpunkt der Bestandskraft des letzten Einzelveranlagungsbescheides gegenüber einem Ehegatten; Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern.

EStG §§ 26, 26a, 26b; BGB §§ 426, 1353; AO § 270

1. Steuererstattungen oder -nachzahlungen aus vor der Trennung liegenden Zeiten gemeinsamer Veranlagung der Ehegatten sind nach der Trennung grundsätzlich nach der Steuerlast im Falle einer fiktiven Einzelveranlagung auszugleichen.
2. Aus dem Wesen der Ehe folgt auch nach der Trennung regelmäßig die Verpflichtung, in eine von dem anderen Ehegatten für die Zeit des Zusammenlebens gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen. Eine Verweigerung kann zur Schadensersatzpflicht führen.
3. Nach dem Scheitern der Ehe kann ein Ehegatte grundsätzlich nicht den Mehrbetrag, den er zuvor wegen der Besteuerung seines Einkommens nach der ungünstigeren Lohnsteuerklasse V im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung jedenfalls bis zu der Trennung geleistet hat, von dem anderen Ehegatten ersetzt verlangen. Aus diesem Grunde kann die Zustimmung zur Zusammenveranlagung für Zeiten des ehelichen Zusammenlebens regelmäßig auch nicht von einem Ausgleich der dem bislang die ungünstigere Lohnsteuerklasse V innehabenden Ehegatten im Falle der gemeinsamen Veranlagung verbleibenden steuerlichen Mehrbelastung abhängig gemacht werden.
4. Auch nach dem Steuervereinfachungsgesetz vom 1. November 2011 besteht die Wahlmöglichkeit der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung von Eheleuten gemäß einer Verständigung der Steuerbehörden auf Bund-Länder-Ebene bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem der letzte Einzelveranlagungsbescheid gegenüber einem Ehegatten bestandskräftig geworden ist.


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Eheliche Lebensgemeinschaft; Mitbenutzung des Familienheims; Anspruch auf Nutzungsvergütung eines Ehegatten gegen das eigene nicht unterhaltsbedürftige volljährige Kind für die Nutzung eines Zimmers.

BGB §§ 745, 748, 1353, 1602, 1610

1. Unabhängig von den Eigentumsverhältnissen gewährt § 1353 BGB ein Recht zu der Mitbenutzung der ehelichen Wohnung und des Hausrates.
2. Ein Ehegatte kann während der Trennung von einem volljährigen gemeinsamen Kind der Eheleute Nutzungsentschädigung für die Mitbenutzung der Ehewohnung auch dann nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten verlangen, wenn er alleiniger Mieter der Wohnung ist, unabhängig von der Frage, ob er dem Kind Unterhalt schuldet.

OLG Bremen, Beschluß vom 14. Februar 2020 - 4 UF 72/19

Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 13.06.2020 (67 F 3773/18) wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.604,50 € festgesetzt.

Gründe
I. Der antragstellende Vater der Antragsgegnerin begehrt von dieser eine Nutzungsentschädigung für eine von ihm angemietete und der Antragsgegnerin anteilig zur Verfügung gestellten Dachgeschoßwohnung.

Das von dem Antragsteller, seiner Ehefrau sowie den (inzwischen vier) gemeinsamen Kindern bewohnte Haus besteht aus insgesamt vier Wohnungen, die auf vier Etagen verteilt sind. Als die im Alleineigentum des Antragstellers stehenden und von der Familie zuvor bewohnten drei Wohnungen im Souterrain, dem Erdgeschoß sowie der ersten Etage für die Familie zu eng wurden, mietete der Antragsteller ab dem Jahre 1999 die nicht in seinem Eigentum stehende Dachgeschoßwohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einer Diele, einer Dusche, einem Gäste-WC sowie einem Kelleranteil, an. Diese wurde fortan im wesentlichen von der am 2. Oktober 1998 geborenen Antragsgegnerin sowie deren am 28. Mai 2002 geborenen Bruder B. genutzt. Die Kaltmiete beträgt seit Juli 2017 monatlich 565 € zuzüglich einer Vorauszahlung auf die Betriebskosten in Höhe von 75 €; zusätzlich fallen für Heizung und Strom weitere 165 € monatlich an.

Zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin besteht seit längerem Streit darüber, welchen Ausbildungsweg die Antragsgegnerin einschlagen soll/möchte; insbesondere ist der Antragsteller nicht dazu bereit, die von der Antragsgegnerin angestrebte und zwischenzeitlich im September 2018 aufgenommene Schauspielausbildung zu finanzieren. Im Februar/März 2017 erhielt die Antragsgegnerin auf ihre Bewerbung die Zusage der Universität A. zu September 2017.

Zum 31. Juli 2017 beendete die Antragsgegnerin ihre allgemeine Schulausbildung; die von dem Antragsteller zur Verfügung gestellte Wohnung bewohnte sie weiterhin. Wegen der bestehenden »Unruhe« in der Familie, der von dem Antragsteller abgelehnten Finanzierung der Ausbildung, sowie dem Wunsch der Antragsgegnerin, noch ein Jahr »frei« zu machen und zu schauen, ob das Studium tatsächlich das Richtige für sie sei, verschob die Antragsgegnerin den Studienbeginn auf September 2018. Ab August 2017 arbeitete sie in Teilzeit in der Gastronomie, wobei der hieraus erzielte Verdienst zwischen den Beteiligten streitig ist. Während dieser Zeit versorgte die Mutter der Antragsgegnerin diese weiterhin mit Lebensmitteln und weiterem Lebensbedarf.

Mit Schreiben vom 26. November 2017 verlangte der Antragsteller von der Antragsgegnerin für die anteilige Nutzung der von ihm angemieteten Dachgeschoßwohnung einen »Miet-ANTEIL« in Höhe von 400,50 € monatlich ab dem 1. Dezember 2017. Unter dem 4. April 2018 forderte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Antragsgegnerin unter Fristsetzung zum 13. April 2018 zur Zahlung der bis dahin rückständigen Miete aus einem »Untermietverhältnis« für die Monate Dezember 2017 bis April 2018 in Höhe von 2.002,50 € auf. Seit September 2018 lebt die Antragsgegnerin in A.; die verfahrensgegenständliche Wohnung ist nach wie vor angemietet, und wird von dem Bruder der Antragsgegnerin bewohnt. Das zuvor von der Antragsgegnerin bewohnte Zimmer steht dieser weiterhin zur Verfügung, wenn sie zu Besuch kommt. Die Mutter der Antragsgegnerin und Ehefrau des Antragstellers ist nicht damit einverstanden, daß der Antragsteller von der Antragsgegnerin die streitgegenständliche Nutzungsentschädigung verlangt. Seit April 2018 leben der Antragsteller und seine Ehefrau voneinander getrennt.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, für die Nutzung der verfahrensgegenständlichen Dachgeschoßwohnung für den Zeitraum vom 3. Dezember 2017 bis einschließlich 31. August 2018 eine Nutzungsentschädigung in Höhe von insgesamt 3.604,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2018 zu zahlen. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Das Amtsgericht - Familiengericht- Bremen hat den Antrag des Antragstellers mit Beschluß vom 13. Juni 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß zwischen den Beteiligten kein Untermietverhältnis geschlossen worden sei. Zwar könne das Schreiben des Antragstellers vom 26. November 2017 gegebenenfalls als Angebot auf Vereinbarung eines Untermietverhältnisses ausgelegt werden, welches grundsätzlich von der Antragsgegnerin konkludent durch Weiternutzung der streitgegenständlichen Wohnung angenommen worden sein könne; der Antragsteller habe in seinem Anschreiben aber nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht, daß er die weitere Überlassung der Wohnung an die Antragsgegnerin gerade von der Zahlung der von ihm begehrten Nutzungsentschädigung abhängig mache.

Aus dem gleichen Grunde scheiterten auch Ansprüche aus § 745 Abs. 2 BGB, wobei hinzukomme, daß bereits zweifelhaft sei, ob die Besitzverhältnisse der Beteiligten an der streitgegenständlichen Wohnung überhaupt die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft iSv §§ 741 ff BGB rechtfertigten. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheiterten an dem Fremdgeschäftsführungswillen des Antragstellers. Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung stehe die Regelung des § 814 BGB entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf Ziffer II. des Beschlusses des Amtsgerichts vom 13. Juni 2019 verwiesen.

Gegen diesen seinem Verfahrensbevollmächtigten am 24. Juni 2019 zugestellten Beschluß wendet sich der Antragsteller mit seiner am 11. Juli 2019 bei dem Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, die er nach entsprechender Fristverlängerung gegenüber dem Beschwerdegericht am 24. September 2019, und ergänzend am 5. Februar 2020 begründet hat. Er trägt vor, das Amtsgericht habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, daß die Antragsgegnerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum über Nettoeinkünfte von mehr als 2.000 € verfügt habe. Das von der Antragsgegnerin aufgenommene Schauspielstudium in A. entspreche nicht ihren Begabungen und Fähigkeiten. Der Antragsteller habe der Antragsgegnerin eine lange Orientierungszeit bis zum November 2017 eingeräumt, bevor er die streitgegenständliche Nutzungsentschädigung, welche die Antragsgegnerin auch unter dem Gesichtspunkt des Kostgeldes schulde, geltend gemacht habe. Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß abzuändern und wie folgt neu zu fassen: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, für die Nutzung der verfahrensgegenständlichen Dachgeschoßwohnung für den Zeitraum vom 3. Dezember 2017 bis einschließlich 30. September 2018 eine Nutzungsentschädigung in Höhe von insgesamt 3.604,15 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2018 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen; sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

II. Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht den auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Dezember 2017 bis September 2018 gerichteten Antrag des Antragstellers abgewiesen.

1. Zwar steht der Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung nicht entgegen, daß die Antragsgegnerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 2017 bis September 2018 einen Unterhaltsanspruch gegen ihre Eltern hatte, und die Zurverfügungstellung von Wohnraum sich deswegen als Leistung von Naturalunterhalt darstellt, denn die Antragsgegnerin war in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht unterhaltbedürftig (§ 1602 BGB).

Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfaßt der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht, und die sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält (Brudermüller in Palandt, BGB 79. Aufl. § 1610 Rdn. 19). Das Kind ist gehalten, alsbald nach der Schule eine Berufsausbildung zu beginnen, und sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden (Klinkhammer in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 2 Rdn. 77). Für die Zeit zwischen der Beendigung der Schule und dem Beginn der Ausbildung ist dem Kind eine gewisse Zeit der Erholung und Orientierung zuzubilligen, während der der Unterhaltsanspruch fortbesteht (Klinkhammer in Wendl/Dose, aaO § 2 Rdn. 77, und Klinkhammer in Staudinger, BGB [2018] § 1610 Rdn. 93). Liegt allerdings bei längeren Wartezeiten, oder wenn das Kind beispielsweise zur »Selbstfindung« eine Ausbildung nicht sogleich aufnimmt, eine Rechtfertigung für eine Untätigkeit nicht vor, so greift für die Zeit bis zu der Aufnahme der Ausbildung die allgemeine Erwerbsobliegenheit, und es fehlt dann an der Bedürftigkeit nach § 1602 BGB (Klinkhammer in Wendl/Dose, aaO § 2 Rdn. 79, und Klinkhammer in Staudinger, aaO § 1610 Rdn. 93).

Gemessen an diesen Grundsätzen dürfte eine Unterhaltsbedürftigkeit der Antragsgegnerin für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 2017 bis September 2018 nicht anzunehmen sein. Die der Antragsgegnerin zuzubilligende Erholungsphase nach Beendigung der Schule hat auch der Antragsteller berücksichtigt, indem er von der Antragsgegnerin, die ihr Abitur im Juli 2017 erlangt hat, erst ab Dezember 2017 ein Nutzungsentgelt verlangt. Die Zeit von Dezember 2017 bis September 2018 stellt sich somit als reine Wartezeit dar, in der die Antragsgegnerin ihren Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit hätte bestreiten können und müssen. Dies hat sie, zumindest zum Teil, auch getan.

2. Wenngleich also grundsätzlich davon auszugehen ist, daß die Antragsgegnerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 2017 bis September 2018 nicht unterhaltsbedürftig war, scheitert der geltend gemachte Anspruch des Antragstellers auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung daran, daß eine Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Nutzungsentschädigung nicht ersichtlich ist.

a) Eine Vereinbarung der Beteiligten über die Zahlung einer Nutzungsentschädigung oder einer Untermietverhältnis ist nicht getroffen worden. Zwar könnte das an die Antragsgegnerin gerichtete Schreiben des Antragstellers vom 26. November 2017 als Angebot auf Abschluß eines Untermietvertrages ausgelegt werden; dieses Angebot hat die Antragsgegnerin aber nicht angenommen, auch nicht konkludent durch Weiternutzung der Wohnung, denn es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß die Antragsgegnerin auch nach Erhalt des Schreibens vom 26. November 2017 die Zahlung einer Nutzungsentschädigung stets abgelehnt hat; vielmehr hat sie dem Antragsteller gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß sie sich weiterhin für berechtigt hält, ohne Zahlung einer Gegenleistung in ihrem »Kinderzimmer« zu wohnen. Zutreffend hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluß zudem ausgeführt, daß der Antragsteller in seinem Anschreiben vom 26. November 2017 nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht hat, daß er die weitere Überlassung der Wohnung an die Antragsgegnerin gerade von der Zahlung der von ihm begehrten Nutzungsentschädigung abhängig macht.

b) Ebenso wenig ergibt sich ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung aus §§ 745 Abs. 2, 748 BGB: Zum einen ist schon zweifelhaft, ob der nicht gleichstufige Besitz der Beteiligten an der Wohnung überhaupt ein taugliches, den Beteiligten gemeinschaftlich zustehendes Recht im Sinne einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 741 ff BGB darstellt (vgl. dazu BGH NJW-RR 2019, 78 Tz. 21 f); zum anderen wäre der Antragsteller alleine auch nicht zu einem Neuregelungsverlangen gemäß §§ 745 Abs. 2, 748 BGB berechtigt gewesen. Dies ist eine Folge der in § 1353 BGB aufgestellten Regelungen über die eheliche Lebensgemeinschaft. Ein Kernpunkt der von den Ehegatten gemeinschaftlich zu entscheidenden Angelegenheiten ist die Ermöglichung der gegenseitigen Nutzung der Ehewohnung und des Hausrates; daraus folgt ein Recht zur Mitbenutzung der ehelichen Wohnung und des Hausrates, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen (Kroll-Ludwigs in Erman, BGB 15. Aufl. § 1353 Rdn. 6). Das (unentgeltliche) Besitzrecht eines gemeinsamen Kindes an dem eigenen Zimmer kann ein Elternteil deshalb nicht ohne Zustimmung des anderen beenden, auch wenn das Kind nicht mehr unterhaltsbedürftig ist. Auf Zahlung einer Nutzungsvergütung durch das Kind hat ein Elternteil alleine ohne Zustimmung des anderen keinen Anspruch (LG Frankfurt/M. FamRZ 1990, 44; Roth in MünchKomm, BGB 8. Aufl. § 1353 Rdn. 35).

Unstreitig ist die Ehefrau des Antragstellers nicht damit einverstanden gewesen, von der gemeinsamen Tochter in dem streitgegenständlichen Zeitraum eine Nutzungsentschädigung für das weitere Bewohnen ihres »Kinderzimmers« zu verlangen. Der Antragsteller konnte daher - unabhängig von der Frage, ob der Besitz an der Mietwohnung überhaupt ein Recht im Sinne einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 741 ff BGB darstellt - nicht ohne Zustimmung seiner Ehefrau eine Neuregelung gemäß § 745 Abs. 2 BGB verlangen. Daß die Kindesmutter dem Kindesvater bereits im Jahre 2017 mitgeteilt hatte, daß sie sich scheiden lassen möchte, und Verhandlungen für eine einvernehmliche Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung angeregt hatte, ist insoweit ohne Belang, denn trotz der Trennung besteht das Besitzrecht an der Ehewohnung für den Ehegatten so lange fort, bis eine andere familienrechtliche Anordnung oder die Scheidung erfolgt ist (LG Frankfurt/M. FamRZ 1990, 44; Kroll-Ludwigs, aaO § 1353 Rdn. 6).

c) Ein gesetzlicher Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach §§ 987, 988 BGB scheitert daran, daß die Antragsgegnerin allein im Hinblick auf ihre Weigerung, dem Wunsche des Antragstellers entsprechend eine näher bezifferte Nutzungsentschädigung zu bezahlen, nicht als unrechtmäßige Besitzerin ihres Zimmers gelten kann, denn der Umstand, daß sie nach den obigen Ausführungen zu der maßgeblichen Zeit nicht mehr unterhaltsberechtigt war, und die verlangte Zahlung ablehnte, macht sie noch nicht zum unrechtmäßigen Besitzer; auch hierzu hätte es einer gemeinsamen Erklärung der Eltern bedurft (vgl. LG Frankfurt/M. FamRZ 1990, 44).

d) Aus dem gleichem Grunde scheidet ein Anspruch nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB auf Leistung von Wertersatz für die weitere Nutzung der Wohnung durch die Antragsgegnerin hier aus. Da die Ehefrau des Antragsgegners der gemeinsamen Tochter die weitere unentgeltliche Nutzung gestattete, erfolgte die Weiternutzung der Wohnung durch die Antragsgegnerin nicht »ohne rechtlichen Grund« iSd § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 84, 243 FamFG.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 51 FamGKG.

OLG Bremen 2020-02-14 - 4 UF 72/19
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Anmerkungen

1. Familienvater V. lebte mit seiner Ehefrau F. und den vier gemeinsamen Kindern in einem Haus, das aus vier Wohnungen besteht. Drei Wohnungen standen in seinem Alleineigentum; die Dachgeschosswohnung hatte er nach der Geburt von T. zusätzlich angemietet; sie diente der 1998 geborenen T. und ihrem jüngeren Bruder S. fortan als Kinderzimmer. Die monatliche Bruttomiete von zuletzt ca. 800 € zahlte V. T. arbeitete nach dem Schulabschluss im Jahre 2017 in der Gastronomie; im September 2018 zog sie aus dem Familienheim aus. Im November 2017 forderte V. seine Tochter T. vergeblich auf, ihm eine anteilige »Miete« von 400 € für die Mitnutzung der Wohnung zu zahlen. F. war nicht damit einverstanden, von T. eine Beteiligung an den Wohnkosten zu verlangen. Im April 2018 trennten sich V. und F. V. hatte in dem vorliegenden Verfahren in zwei Instanzen erfolglos von T. eine Nutzungsentschädigung von insgesamt 3.600 € für die Zeit von Dezember 2017 bis zu ihrem Auszug verlangt.

Zwar sei V seiner Tochter gegenüber im betroffenen Zeitraum nicht unterhaltspflichtig und somit auch nicht verpflichtet gewesen, ihr Naturalunterhalt durch die Bereitstellung von Wohnraum zu gewähren; die unterhaltsrechtliche Lage stehe einem Anspruch auf Nutzungsentschädigung daher nicht entgegen.

2. Allerdings könne V. ohne Zustimmung der F. unter keinem rechtlichen Aspekt eine Nutzungsentschädigung von T. fordern. Vertragliche Ansprüche schieden aus, da T mit V weder einen Mietvertrag abgeschlossen noch die Zahlung einer Nutzungsentschädigung vereinbart habe. Ein Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung aus Gemeinschaftsrecht gem. § 745 Abs. 2, § 748 BGB scheitere jedenfalls daran, dass er ein Neuregelungsverlangen voraussetze, das V jedoch nicht allein, sondern nur gemeinsam mit F aussprechen könne. Er sei zwar alleiniger Mieter der Dachgeschosswohnung, doch F habe gem. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Recht zum Besitz an der gesamten Ehewohnung, mithin auch an dem von S und T bewohnten Teil. Deshalb könnten auch nur beide Ehegatten gemeinsam entscheiden, T die Nutzung ihres früheren Kinderzimmers nicht mehr oder nur gegen Zahlung einer Vergütung zu gestatten. Auch Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gem. §§ 987, 988 BGB sowie aus Bereicherungsrecht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB bestünden nicht, da T die Wohnung nicht unrechtmässig bzw. ohne Rechtsgrund nutze.

3. Das Rechtsverhältnis zwischen T. und V. steht im Zusammenhang mit der zwischen V. und F. bestehenden Ehe: Jedenfalls bis zu der rechtskräftigen Scheidung der Ehe bleibt das Familienheim Ehewohnung, so dass bis dahin auch jeder Ehegatte aufgrund der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft zum Mitbesitz an der gesamten Ehewohnung berechtigt ist, wenn nicht zuvor durch eine Vereinbarung der Ehegatten oder gerichtliche Entscheidung etwas anderes bestimmt wird. Aufgrund dieses Besitzrechts war F. nicht nur selbst zur Nutzung der Ehewohnung berechtigt, sondern durfte auch T. dort wohnen lassen.


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Eheliche Lebensgemeinschaft; eheliches Rücksichtnahmegebot bei der beabsichtigten Verwertung einer ehelichen Immobilie; Teilungsversteigerung einer ehelichen Immobilie vor rechtskräftiger Scheidung der Ehegatten.

BGB § 1353; ZPO § 771

Das Gebot ehelicher Rücksichtnahme kann einer Teilungsversteigerung einer ehelichen Immobilie vor rechtskräftiger Scheidung der Ehegatten entgegenstehen, wenn sich dies aus einer Abwägung der wechselseitigen Interessen ergibt (hier: keine triftigen Gründe für eine vorzeitige Verwertung durch den Ehemann; demgegenüber fast 30-jähriger Verbleib der Ehefrau in dem Objekt, und altersbedingte Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche).

OLG Köln, Hinweisbeschluß vom 10. Juni 2020 - II-10 UF 38/20

Tenor
1. Der Senat weist darauf hin, daß er beabsichtigt, die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 28.01.2020 (228 F 296/19) im schriftlichen Verfahren als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das Amtsgericht - Familiengericht - Aachen festgehalten, daß der Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilungsversteigerung die aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB folgende Verpflichtung der Ehegatten entgegensteht, bei Durchführung und Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche Rücksicht auf den jeweils anderen zu nehmen.

Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob - wie das Oberlandesgericht Hamburg (FamRZ 2017, 1829) entschieden hat - vor der Rechtskraft der Scheidung eine Teilungsversteigerung bereits generell unzulässig wäre. Auch nach der Gegenauffassung (OLG Thüringen FamRZ 2019, 515; Brudermüller, FamRZ 1996, 1516; Wever, FamRZ 2019, 504; Klein, Handbuch Familienvermögensrecht 2. Aufl. [2015] Kap. 4 Rdn. 167; jurisPK-BGB-Grandel/Breuers, 9. Aufl. [2020], § 1353 Rdn. 50 f) kann das Gebot ehelicher Rücksichtnahme jedenfalls dann einer Teilungsversteigerung entgegenstehen, wenn sich dies aus einer Abwägung der wechselseitigen Interessen ergibt. Daß vorliegend die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfällt, hat das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt.

Insbesondere sind - auch im Lichte des Beschwerdevorbringens - keine triftigen Gründe für eine Veräußerung der Immobilie bereits vor der Rechtskraft der Scheidung ersichtlich. Der Antragsgegner ist auf die Nutzung oder Verwertung des Objekts zu eigenen Wohnzwecken nicht angewiesen. Schon das Amtsgericht hat darauf hingewiesen, daß die von dem Antragsgegner angeführte potentielle Zugewinnausgleichsforderung der Antragstellerin derzeit noch nicht zu bedienen ist, und auch nicht ersichtlich ist, daß diese mit den sonstigen Mitteln des Antragsgegners nicht zu bedienen wäre. Daß er - wie er behauptet - zu Lasten einer eigenen Altersversorgung gemeinsame Kredite der Eheleute bedient habe, zwingt nicht dazu, eine Verwertung der Immobilie schon vor der Scheidung als zwingend anzunehmen; immerhin steht das Objekt im Miteigentum des Antragsgegners, und ist damit (weiterhin und auch ohne Teilungsversteigerung) Teil seines Vermögens. Hinzu tritt, daß er für die Zeit der Nutzung durch die Antragstellerin nunmehr Nutzungsentschädigungsansprüche verfolgt, also wirtschaftliche Kompensation erstrebt.

Demgegenüber hat die Antragstellerin, die seit dem Jahre 1973 mit dem Antragsgegner verheiratet ist, bereits seit dem Jahre 1991, also seit fast 30 Jahren, in dem Objekt gewohnt, und ist mit rund 70 Jahren in einem Alter, welches - zumal in Zeiten noch andauernder Kontakt- und Bewegungseinschränkungen wegen des Coronavirus - die zumal noch eilige Suche nach einem neuen Wohnsitz als nicht ohne weiteres zumutbar erscheinen läßt. Dies gilt umso mehr mit Blick auf ihre Erkrankungen. Mag auch - wie das Amtsgericht zu Recht festgehalten hat - die eheliche Immobilie selbst nicht ausreichend barrierefrei und behindertentauglich sein, ist gleichwohl die Suche nach einer tauglicheren - und dann ungewohnten - neuen Wohnung nicht derart unproblematisch, daß eine Teilungsversteigerung bereits jetzt als geboten erschiene.

Der Senat beabsichtigt, nach §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, weil von einer mündlichen Verhandlung keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind. Er rät indes schon aus Kostengründen zur Rücknahme der Beschwerde.

OLG Köln 2020-06-10 - II-10 UF 38/20
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Anmerkungen

Der Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilungsversteigerung steht vor Rechtskraft der Scheidung die aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB folgende Verpflichtung der Ehegatten entgegen, bei Durchführung und Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche Rücksicht auf den jeweils anderen zu nehmen. » Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob - wie das OLG Hamburg (FamRZ 2017, 1829) entschieden hat - vor Rechtskraft der Scheidung eine Teilungsversteigerung bereits generell unzulässig wäre; auch nach der Gegenauffassung (OLG Thüringen FamRZ 2019, 515; Brudermüller, FamRZ 1996, 1516; Wever, FamRZ 2019, 504; Klein, Handbuch Familienvermögensrecht, 2. Aufl. (2015) Kap. 4 Rdn. 167) kann das Gebot ehelicher Rücksichtnahme jedenfalls dann einer Teilungsversteigerung entgegenstehen, wenn sich dies aus einer Abwägung der wechselseitigen Interessen ergibt. «

Vorliegend falle die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus; insbesondere seien keine triftigen Gründe für eine Veräusserung der Immobilie bereits vor Rechtskraft der Scheidung ersichtlich. Der Antragsgegner sei auf die Nutzung oder Verwertung des Objekts zu eigenen Wohnzwecken nicht angewiesen. Die von ihm angeführte potentielle Zugewinnausgleichsforderung der Antragstellerin sei derzeit noch nicht zu bedienen, und es sei auch nicht ersichtlich ist, dass diese mit den sonstigen Mitteln des Antragsgegners nicht zu bedienen wäre. Dass er zu Lasten einer eigenen Altersversorgung gemeinsame Kredite der Eheleute bedient habe, zwinge nicht dazu, eine Verwertung der Immobilie schon vor Scheidung als zwingend anzunehmen; immerhin stehe das Objekt im Miteigentum des Antragsgegners, und sei damit (weiterhin und auch ohne Teilungsversteigerung) Teil seines Vermögens. Hinzu trete, dass er für die Zeit der Nutzung durch die Antragstellerin nunmehr Nutzungsentschädigungsansprüche verfolge, also wirtschaftliche Kompensation erstrebe.

Demgegenüber habe die Antragstellerin, die seit dem Jahre 1973 mit dem Antragsgegner verheiratet sei, bereits seit dem Jahre 1991, also seit fast 30 Jahren, in dem Objekt gewohnt, und sei mit rund 70 Jahren in einem Alter, welches - zumal in Zeiten noch andauernder Kontakt- und Bewegungseinschränkungen wegen des Coronavirus - die zumal noch eilige Suche nach einem neuen Wohnsitz als nicht ohne weiteres zumutbar erscheinen lässt. Dies gelte umso mehr mit Blick auf ihre Erkrankungen. Mag auch die eheliche Immobilie selbst nicht ausreichend barrierefrei und behindertentauglich sein, sei gleichwohl die Suche nach einer tauglicheren und dann ungewohnten neuen Wohnung nicht derart unproblematisch, dass eine Teilungsversteigerung bereits jetzt als geboten erschiene.


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Eheliche Lebensgemeinschaft; Aufteilung von Steuerschulden der Ehegatten im Innenverhältnis; Aufteilungsbescheid bei gemeinsamer einkommensteuerlicher Veranlagung.

BGB §§ 426, 1353; AO § 279; EStG §§ 26 ff

1. Der die Zustimmung zu der einkommensteuerlichen Zusammenveranlagung begehrende Ehegatte ist regelmäßig zum internen Ausgleich verpflichtet, wenn sich bei dem anderen Ehegatten die Steuerschuld infolge der Zusammenveranlagung im Vergleich zu der getrennten Veranlagung erhöht.
2. Bei gemeinsamer einkommensteuerlicher Veranlagung macht sich ein Ehegatte bei Beantragung eines Aufteilungsbescheides, der steuerlich das Ergebnis der gemeinsamen Veranlagung zu seinen Gunsten verändert, wegen der Verletzung seiner Pflichten nach § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB schadensersatzpflichtig, sofern ihm keine Zwangsvollstreckung durch das Finanzamt droht.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 17. Juli 2020 - 5 UF 28/20


Anmerkungen

Das OLG hat einen Schadensersatzanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin bejaht, weil diese gegen die sie treffende Verpflichtung aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB verstossen habe: Sie hatte zwar der gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer zugestimmt, das Ergebnis jedoch durch Antrag auf Aufteilungsbescheide verfälscht.

» Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich für beide Ehegatten die - aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB abzuleitende - Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Ein Ehegatte ist daher dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert, der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. Letzteres ist unter anderem der Fall, wenn der die Zusammenveranlagung begehrende Ehegatte sich verpflichtet, den anderen von ihm hierdurch etwa entstehenden Nachteilen freizustellen (ständige Rechtsprechung des BGH, etwa FamRZ 2007, 1229 mwN). «

Der die Zustimmung verlangende Ehegatte sei zwar regelmässig zum internen Ausgleich verpflichtet, wenn sich bei dem anderen Ehegatten die Steuerschuld infolge der Zusammenveranlagung im Vergleich zur getrennten Veranlagung erhöht; das gelte jedoch insoweit nicht, als die Ehegatten eine andere Aufteilung ihrer Steuerschulden konkludent vereinbart haben, wovon in dem vorliegenden Fall jedenfalls für die Zeit bis zu der Trennung auszugehen sei. Die nach § 26b EStG zusammen veranlagten Ehegatten hätten gemäss § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner für die festgesetzten Steuern aufzukommen; im Innenverhältnis bestehe zwischen Gesamtschuldnern allerdings eine Ausgleichspflicht nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB.

» Danach haften sie im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben. Vorrangig ist allerdings, was die Gesamtschuldner ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben. Die Notwendigkeit, die Aufteilung abweichend von der Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB vorzunehmen, kann sich dabei auch aus den güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten ergeben. Diese sind sowohl im Güterstand der Gütertrennung als auch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (vgl. § 1363 Abs. 2 S. 1 BGB) hinsichtlich ihres Vermögens und ihrer Schulden selbständig. Deshalb hat im Verhältnis der Ehegatten zueinander grundsätzlich jeder von ihnen für die Steuer, die auf seine Einkünfte entfällt, selbst aufzukommen.

Allerdings kann auch dieser Maßstab von einer anderweitigen Bestimmung iSd § 426 Abs. 1 S. 1 BGB überlagert werden. Das ist der Fall, wenn die Beteiligten durch ihre bisherige Handhabung eine solche anderweitige Bestimmung getroffen haben, indem sie bewusst die Steuerklassen III und V gewählt haben, um damit monatlich mehr bare Geldmittel zur gemeinsamen Verwendung zur Verfügung zu haben, als dies bei einer Wahl der Steuerklassen IV und IV der Fall gewesen wäre. Dass sich der Ehegatte mit Steuerklasse V einen Ausgleich vorbehalten hätte, wäre fernliegend. Daher kann dieser Ehegatte grundsätzlich auch nicht wegen des Scheiterns der Ehe den Mehrbetrag, den er wegen der Besteuerung seines Einkommens nach der Lohnsteuerklasse V im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung geleistet hat, von dem anderen Ehegatten ersetzt verlangen: Der ehelichen Lebensgemeinschaft liegt nämlich die Auffassung zugrunde, mit dem Einkommen der Ehegatten gemeinsam zu wirtschaften und finanzielle Mehrleistungen nicht auszugleichen. Mit Rücksicht darauf hat für die Zeit bis zu der Trennung keine Korrektur der von der Beklagten getragenen steuerlichen Belastung zu erfolgen (vgl. BGH FamRZ 2007, 1229).

Nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht für einen Ehegatten indessen grundsätzlich kein Anlass mehr, an der früheren Übung festzuhalten. Mit dem Scheitern der Ehe ist insofern von einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse auszugehen. Zwar kann auch insofern der Gesichtspunkt zum Tragen kommen, dass mit dem aus den Steuerklassen III und V erzielten Einkommen gemeinsam gewirtschaftet worden ist, weil auf dieser Grundlage Ehegattenunterhalt gezahlt wurde. Ist das jedoch nicht der Fall, so besteht für den Ehegatten, der gleichwohl weiterhin die Steuerklasse V hat, kein Grund mehr, seine damit verbundene höhere steuerliche Belastung zu tragen und zugleich eine Entlastung des anderen Ehegatten zu bewirken, an der er nicht mehr teilhat. Vielmehr kommt bei einer solchen Fallgestaltung wiederum der Grundsatz zum Tragen, dass im Verhältnis der Ehegatten zueinander jeder von ihnen nur für die Steuer aufzukommen hat, die auf sein Einkommen entfällt (vgl. BGH FamRZ 2007, 1229). «

Die Antragsgegnerin habe zwar der gemeinsamen Veranlagung zugestimmt, doch habe sie durch die Beantragung von Aufteilungsbescheiden gegen die genannten, sich aus dem Wesen der Ehe ergebenden Pflichten verstossen, da sie damit steuerlich das Ergebnis der gemeinsamen Veranlagung zu ihren Gunsten und zu Ungunsten des Antragstellers verändert habe. Mögliche steuerrechtlich zulässige Gestaltungen legitimierten aber nicht Handlungen des einen gegenüber dem anderen Ehegatten; sonst könnte es auch keine Pflicht zur Mitwirkung an einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung geben. Deshalb stelle es eine Pflichtverletzung dar, dass sie die Aufteilungsbescheide beantragt hat. Infolge dieser schuldhaft begangenen Pflichtverletzung ist dem Antragsteller ein von der Antragsgegnerin zu ersetzender Schaden entstanden.

» Zwar spricht viel dafür, dass es einem Ehegatten nicht zugemutet werden kann, abzuwarten, bis das Finanzamt bei ihm vollstreckt, um sodann von dem anderen Ehegatten den Betrag zurückzufordern, so dass er sich gegebenenfalls auch durch die Beantragung eines Aufteilungsbescheides zur Wehr setzen darf; doch wäre er in diesem Fall aufgrund der bereits genannten aus der Ehe herrührenden Verpflichtung gehalten, zunächst den anderen Ehegatten unter Fristsetzung aufzufordern, die Schuld beim Finanzamt zu tilgen, sodass keine Inanspruchnahme mehr droht. «

Es sei nicht ersichtlich, dass dies vorliegend nicht möglich gewesen wäre; die Antragsgegnerin berufe sich zu der Legitimierung ihres Handelns lediglich auf die blosse Möglichkeit der Inanspruchnahme aus der Gesamtschuld, ohne dass sie darlegt, inwieweit diese tatsächlich gedroht hat, und nicht mehr vom anderen Ehegatten hätte abgewendet werden können.

Der Antragsteller habe grundsätzlich für die Zeit ab der Trennung der Antragsgegnerin denjenigen Nachteil zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass durch die gemeinsame Veranlagung im Verhältnis der Ehegatten zueinander nicht jeder von ihnen nur für die Steuer aufzukommen hat, die auf sein Einkommen entfällt, doch sei die Antragsgegnerin für diesen Nachteil darlegungs- und beweisbelastet. Indem sie ihr Einkommen ab der Trennung nicht mitteilt habe, sei sie ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Da sie ihren Nachteil nicht vorgetragen habe, könne er auch nicht berücksichtigt werden.


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Ehewohnung bei Getrenntleben; Antrag auf Teilungsversteigerung und auf Zuweisung der Ehewohnung während der Trennungszeit; Zulässigkeit der Teilungsversteigerung des Familienheims vor der Ehescheidung.

BGB §§ 1353, 1361b, 1568a; ZPO § 771; ZVG §§ 57a, 180

1. Ein Antrag auf Teilungsversteigerung während der Trennungszeit ist nicht generell ausgeschlossen.
2. Dem Schutzzweck des § 1361b BGB wird auch eine im Einzelfall gebotene interessengerechte Abwägung im Rahmen des aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB folgenden Rücksichtnahmegebotes gerecht.
3. Dem in der Wohnung verbliebenen Miteigentümer bleibt es auch während eines laufenden Teilungsversteigerungsverfahrens unbenommen, einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung nach § 1361b BGB zu stellen.

OLG Stuttgart, Beschluß vom 29. Oktober 2020 - 15 UF 194/20


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Eheliche Lebensgemeinschaft; Anfechtung eines Ehevertrages wegen arglistiger Täuschung; Abtrennung einer Nicht-Folgesache aus dem Scheidungsverbund; Auskunftspflicht nach § 1353 BGB; Falschangaben eines Ehegatten dem anderen gegenüber hinsichtlich seiner Vermögensverhältnisse.

BGB §§ 123, 242, 823, 1353, 1378, 1408; FamFG §§ 113, 117, 137, 261, 266; StGB § 263; ZPO §§ 145, 529, 538

1. Deliktische Ansprüche gegenüber dem Ehepartner wegen Täuschung bei Abschluß eines Ehevertrages stellen eine sonstige Familiensache dar, und können nicht im Scheidungsverbund geltend gemacht werden, auch wenn Gegenstand des Ehevertrages eine Folgesache ist.
2. Werden keine Folgesachen darstellende Ansprüche im Scheidungsverbund geltend gemacht, sind diese abzutrennen und in einem separaten Verfahren zu führen. Eine insoweit erstinstanzlich unterlassene Abtrennung kann noch in der Beschwerdeinstanz erfolgen, wobei die Sache dann auf Antrag an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen werden kann.
3. Wird mit der Beschwerde eine auf Verfahrensmängel gestützte Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht beantragt, prüft das Beschwerdegericht in Ehe- und Familienstreitsachen das erstinstanzliche Verfahren von Amts wegen auf schwerwiegende Mängel; hierbei ist es mangels Anwendbarkeit von § 529 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht auf die Prüfung von gerügten Verfahrensmängeln beschränkt.
4. Eine auf § 1353 BGB gegründete Auskunftspflicht besteht längstens bis zu der Rechtskraft der Scheidung. Belegvorlage kann nach § 1353 BGB dabei nicht verlangt werden. Nach dem zeitlichen Ablauf einer auf § 1353 BGB gestützten Auskunftspflicht kommt eine solche zwischen - vormaligen - Eheleuten in engen Grenzen aus § 242 BGB unter dem Aspekt der sich ebenfalls aus § 1353 BGB abgeleiteten Pflicht zu nachehelicher Solidarität in Betracht.
5. Zu dem Schadensersatzanspruch und einen diesen vorbereitenden Auskunftsanspruch aufgrund von Falschangaben eines Ehegatten dem anderen gegenüber hinsichtlich seiner Vermögensverhältnisse im Zuge des Abschlusses einer wirtschaftlichen Scheidungsfolgenvereinbarung.

OLG Koblenz, Beschluß vom 15. Januar 2021 - 7 UF 385/20

Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Scheidungsverbundbeschluß des Amtsgerichts - Familiengerichts - Montabaur vom 06.07.2020 (21 F 84/19) unter Ziffer 3.
(1) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
» Die Anträge der Antragsgegnerin in der Folgesache Zugewinnausgleich werden zurückgewiesen.
Die weitergehenden Ansprüche der Antragsgegnerin auf Zahlung von Schadenersatz nach Auskunfterteilung wegen unerlaubter Handlung werden aus dem Scheidungsverbund abgetrennt. «
(2) sowie betreffend die weitergehenden Ansprüche der Antragsgegnerin auf Zahlung von Schadenersatz nach Auskunfterteilung wegen unerlaubter Handlung einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben.
2. Insoweit wird die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Beachtung der nachfolgenden Ausführungen des Senats zurückverwiesen.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
4. Der Verfahrenswert wird auf … € festgesetzt.

Gründe
I. Die Beteiligten waren miteinander verheiratet. Ihre im Jahre 1976 geschlossene Ehe wurde durch den teilweise angefochtenen Scheidungsverbundbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Montabaur vom 6. Juli 2020 geschieden. In diesem Beschluß hat das Amtsgericht die von der Antragsgegnerin im Wege des Stufenantrages verfolgten Ansprüche zum Zugewinnausgleich und die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadenersatz nach Auskunfterteilung zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung der hilfsweise geltend gemachten deliktischen Ansprüche richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

Aus der Ehe der Beteiligten sind eine Tochter (geboren im Jahre 1976) und ein Sohn (geboren im Jahre 1988) hervorgegangen. Die Beteiligten leben seit Mai 2014 voneinander getrennt; damals ist die Antragsgegnerin aus der Ehewohnung ausgezogen. Im Zuge ihrer Trennung haben die Beteiligten am 15. August 2014 vor dem Notar N. unter der UR-Nr. 454/2014 einen Ehevertrag geschlossen, der unter anderem den Zugewinnausgleich zwischen ihnen abschließend regeln sollte; wegen der Einzelheiten wird auf den schriftlichen Vertrag Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Antragsteller habe sie in kollusivem Zusammenwirken mit dem Steuerberater B., dessen handschriftliche Vermögensaufstellung Grundlage der zu dem Abschluß des notariellen Ehevertrages führenden Vergleichsgespräche war, über seine Vermögenssituation getäuscht, und sie so zu dem Abschluß des für sie unvorteilhaften Ehevertrages veranlaßt; ihr hätte eine wenigstens um … Euro höhere Ausgleichszahlung zugestanden. Mit Schreiben vom 29. Januar 2020 und vom 14. Februar 2020 hat sie daher den Ehevertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, und den Antragsteller im Scheidungsverbund mit Stufenantrag vom 4. März 2020 auf Zugewinnausgleich, hilfsweise auf Schadenersatz aus unerlaubter Handlung, in Anspruch genommen. Der Antragsteller hat Verjährung eingewendet. Die Antragsgegnerin habe bereits mit Schreiben vom 16. März 2016 gegenüber dem Steuerberater Täuschungsvorwürfe erhoben, und die anwaltliche Prüfung etwaiger Schadenersatzansprüche angekündigt. Im Übrigen seien die Vorwürfe der Antragsgegnerin auch haltlos, was sich aus der Antwort des Steuerberaters vom 23. März 2016 ergebe.

Das Amtsgericht hat daraufhin in dem Scheidungsverbundbeschluß vom 6. Juli 2020 den Stufenantrag zum Zugewinn sowie die Hilfsanträge auf Schadenersatz nach Auskunfterteilung - insoweit inzident - insgesamt zurückgewiesen, da nach seiner Auffassung die ehevertraglichen Regelungen einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhielten. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Ehevertrages wegen Täuschung habe die Antragsgegnerin ebenso wenig dargetan wie einen deliktischen Schadenersatzanspruch. Ihren Beweisangeboten auf eigene Parteivernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht nachzugehen, da ihr Vortrag unschlüssig sei, und noch nicht einmal durch Indizien untermauert werde.

Mit ihrer am 21. Juli 2020 eingelegten und nach entsprechend gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 17. September 2020 begründeten Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin den Hilfsantrag auf Zahlung von Schadenersatz nach Auskunfterteilung wegen unerlaubter Handlung weiter. Sie ist der Auffassung, daß ihr, nachdem die Anfechtungsfristen bezüglich des Ehevertrages abgelaufen seien, und daher kein güterrechtlicher Zugewinnausgleichsanspruch mehr bestehe, ein deliktischer Schadenersatzanspruch zustehe; zu dessen Durchsetzung sei sie auf von dem Antragsteller gemäß § 242 BGB zu erteilende Auskünfte angewiesen. Die Voraussetzungen dieser Ansprüche habe das Amtsgericht zu Unrecht verneint. Die Ansprüche seien entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht verjährt, da die Verjährung bis zu der Rechtskraft der Ehescheidung gehemmt gewesen sei. Da die Tenorierung des Familiengerichts keinen Ausspruch über den Hilfsantrag enthalte, aber auch nicht die Einleitung einer sonstigen Familiensache veranlaßt worden sei, liege ein verfahrensrechtlicher Fehler vor.

Die Antragsgegnerin beantragt, das Verfahren insoweit an das Familiengericht zurückzuverweisen, hilfsweise, unter Aufhebung und Abänderung der Ziffer 3. des angefochtenen Beschlusses den Antragsteller zu verpflichten, Auskunft zu erteilen

1. a) über den Bestand seines Endvermögens zum 30. Juni 2019,

b) über den Bestand seines Anfangsvermögens zum 6. Februar 2014,

c) über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung am 28. Juni 2014,

2. Den Wert aller unter vorstehender Ziffer 1. bezeichneten Vermögensgegenstände mitzuteilen,

3. alle Unterlagen herauszugeben, welche die Auskunft bezüglich der unter obiger Ziffer 1. bezeichneten Vermögensgegenstände belegen,

und das Verfahren sodann zur Verhandlung über die weiteren Stufen an das Amtsgericht - Familiengericht - Montabaur zurückzuverweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde gemäß gegnerischem Schriftsatz vom 20. Juli 2020 kostenfällig zurückzuweisen. Er hält die allein auf deliktische Anspruchsgrundlagen gestützte Beschwerde für unzulässig, und rügt den ergänzenden Sachvortrag in dem Schriftsatz vom 17. September 2020 als verspätet. Auch der geltend gemachte Schadenersatzanspruch ziele wirtschaftlich auf die Durchsetzung restlicher Zugewinnausgleichsansprüche ab, wobei die Antragsgegnerin jedoch mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 19. Mai 2019 ausdrücklich die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen zu der güterrechtlichen Auseinandersetzung bestätigt habe. Für ihre vermeintlichen deliktischen Ansprüche sei die Antragsgegnerin, worauf das Familiengericht zu Recht hingewiesen habe, vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig. Einen Auskunftsanspruch sehe das Gesetz hier nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach §§ 58 ff, 117 FamFG statthaft und zulässig; insbesondere unterliegt es keinen Bedenken, daß die Antragsgegnerin den Beschwerdeangriff auf einen von mehreren Ansprüchen beschränkt hat. In der Sache erzielt sie einen vorläufigen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet, nachdem er auf diese Absicht hingewiesen hat, ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG), da hiervon zusätzliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.

2. Der Beschwerdeangriff der Antragsgegnerin richtet sich allein gegen Ziffer 3. des angefochtenen Scheidungsverbundbeschlusses, soweit dieser eine inzidente Entscheidung über den auf Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB gerichteten (Hilfs-)Antrag und den hiermit nach § 254 ZPO verbundenen Auskunftsantrag nach § 242 BGB enthält. Das Amtsgericht hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung unter Ziffer 3. II. 2. auch insoweit Ausführungen gemacht, und diese Ansprüche ebenfalls zurückgewiesen, was es in Ziffer 3. des Tenors der angefochtenen Entscheidung offenbar versehentlich nicht explizit zum Ausdruck gebracht hat. Eine Bescheidung der vorgenannten (Hilfs-)Anträge im Scheidungsverbund war jedoch unzulässig (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2014, 597).

?) Das Familiengericht hätte über die hilfsweise geltend gemachten deliktischen Ansprüche und die flankierenden Auskunftsansprüche nicht innerhalb des Scheidungsverbundes - inzident - entscheiden dürfen: Es handelt sich insoweit nicht um eine Güterrechtssache iSd §§ 137 Abs. 2 Nr. 4, 261 ff FamFG, sondern um eine sonstige Familiensache nach § 266 FamFG.

Andere als Folgesachen dürfen jedoch nicht mit einer Ehesache verbunden werden (§ 126 Abs. 2 FamFG), auch nicht durch objektive Antragshäufung (OLG Brandenburg FamRZ 2014, 597; Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG 6. Aufl. § 126 Rdn. 1). Das Amtsgericht hätte daher das Verfahren über den auf Schadenersatz aus unerlaubter Handlung gerichteten (Hilfs-)Antrag nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 145 ZPO abtrennen müssen. Dies holt der Senat nach. Die erstinstanzlich unterlassene Abtrennung kann noch in der Beschwerdeinstanz erfolgen, wobei das Verfahren dann insoweit aufzuheben, und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen ist (BGHZ 170, 152 = BGH FamRZ 2007, 368 = EzFamR ZPO §§ 640ff Nr. 4 Tz. 20 mwN; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 597).

Es war daher im Rahmen der Beschwerdeentscheidung durch Neufassung des Tenors zu Ziffer 3. des angefochtenen Scheidungsverbundbeschlusses klarzustellen, daß sich die Zurückweisung des Antrages auf die im Scheidungsverbund zulässigerweise geltend gemachten güterrechtlichen Zugewinnausgleichsansprüche beschränkt. Bezogen auf diese Ansprüche ist der Scheidungsverbundbeschluß vom 6. Juli 2020 rechtskräftig, da die Antragsgegnerin die insoweit zurückweisende Entscheidung des Amtsgerichts mit der Beschwerde nicht angreift. Außerdem war die von dem Amtsgericht fehlerhaft unterlassene Abtrennung der auf deliktischen Schadenersatz gerichteten Hilfsanträge nachzuholen, da die innerprozessuale Bedingung des Mißerfolgs des Zugewinnausgleichsantrages eingetreten war.

b) In Bezug auf die abgetrennte Sache war der Scheidungsverbundbeschluß vom 6. Juli 2020 nach § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG iVm § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben, und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil die Antragsgegnerin die Zurückverweisung beantragt hat, und das Verfahren des ersten Rechtszuges hier an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme droht. Wenn eine Zurückverweisung aufgrund eines dahingehenden Antrages in Betracht kommt, wird das Verfahren von Amts wegen auf schwerwiegende Mängel geprüft. Das Beschwerdegericht ist hierbei nicht auf die Prüfung von Verfahrensmängeln beschränkt, die der Beteiligte benennt, der die Zurückverweisung beantragt. § 529 Abs. 2 S. 1 ZPO gilt gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2019, 380 mwN).

Hier hat das Familiengericht nicht nur verfahrensfehlerhaft innerhalb des Scheidungsverbundes über den hilfsweise zur Entscheidung gestellten deliktischen Anspruch der Antragsgegnerin entschieden, sondern auch deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Außerdem ist der Scheidungsverbundbeschluß vom 6. Juli 2020 als Überraschungsentscheidung zu qualifizieren, denn das Familiengericht hat ausweislich des Protokolls vom 11. Mai 2020 der Antragsgegnerin entgegen ihrem Antrag nicht mehr die Möglichkeit eingeräumt, zu den in dem Termin erteilten Hinweisen Stellung zu nehmen, und zu der behaupteten arglistigen Täuschung ergänzend vorzutragen. Unter Ziffer 3. II. 2. der Gründe des angefochtenen Beschlusses hat es dann aber auf die mangelnde Substantiierung der erhobenen Betrugsvorwürfe, auf eine aus seiner Sicht nicht erkennbare Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten weiteren Auskunftsansprüche sowie auf die für die geltend gemachten deliktischen Ansprüche abweichende Darlegungs- und Beweislast abgestellt. Hierbei handelt es sich um eine überraschende Entscheidung, die auf der Verletzung gerichtlicher Hinweispflichten und der Nichteinräumung des beantragten Schriftsatznachlasses und insbesondere darauf beruht, daß das Familiengericht pflichtwidrig die deliktischen Ansprüche nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 145 ZPO nicht abgetrennt, gesondert geprüft und verhandelt hat.

Eine deliktische Schädigung der Antragsgegnerin durch unrichtige Vermögensauskünfte im Vorfeld des notariellen Ehevertrages vom 15. August 2014 erscheint nach dem ergänzenden Beschwerdevorbringen nicht von vornherein ausgeschlossen; insbesondere die Abweichung bei den Kontoständen sowie bei den Schulden der Grundstücksgemeinschaft C. & D. legen dies nahe. Dabei droht auch eine umfangreiche Beweisaufnahme, da die Antragsgegnerin bei der weiteren Begründung ihrer deliktischen Ansprüche konkret geltend gemacht hat, daß der Steuerberater insbesondere die Beteiligungen des Antragstellers an der Grundstücksgemeinschaft C. & D. sowie an der Immobiliengesellschaft E., D. & C. in dieser Auskunft deutlich zu niedrig bewertet habe. Zu der abschließenden Klärung des Sachverhalts dürfte daher nicht nur die Vernehmung der jeweils benannten Zeugen, sondern ergänzend auch die Einholung mehrerer Sachverständigengutachten erforderlich sein.

3. Für die weitere Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Die Verjährung etwaiger deliktischer Ansprüche der Antragsgegnerin ist - anders als der Lauf der Anfechtungsfrist nach § 124 Abs. 2 S. 2 BGB - durch die bestehende Ehe gemäß § 207 Abs. 1 S. 1 BGB gehemmt, so daß derartige Ansprüche trotz der in dem Schreiben an den Steuerberater vom 16. März 2016 durchscheinenden möglichen Kenntnis der Antragsgegnerin noch nicht verjährt sein dürften.

Für die Frage der Täuschung bei Abschluß des notariellen Ehevertrages vom 15. August 2014 dürfte es auf die damalige Vermögenssituation des Antragstellers - hierauf bezieht sich auch die angeblich unzutreffende Vermögensauskunft - ankommen, nicht auf die für die Berechnung eines eventuellen Zugewinns maßgeblichen Stichtage. Der Schaden der Antragsgegnerin dürfte sich demgegenüber auf die Differenz zwischen der in dem notariellen Vertrag vereinbarten Abfindung und möglichen gerichtlich durchsetzbaren Zugewinnausgleichsansprüchen belaufen.

Eine Auskunftspflicht des Antragstellers aus § 242 BGB könnte sich unter Umständen aus der vormals bestehenden Ehe der Beteiligten ergeben, da aus § 1353 BGB teilweise die Pflicht zu nachehelicher Solidarität abgeleitet wird, auf die Vermögensinteressen des vormaligen Ehepartners Rücksicht zu nehmen, und diesen nicht zu schädigen (Voppel in Staudinger, BGB [2018] § 1353 Rdn. 89; Roth in MünchKomm, BGB 8. Aufl. § 1353 Rdn. 38). Allerdings gibt § 1353 BGB nur während bestehender Ehe unmittelbar einen Anspruch auf Vermögensauskünfte; eine Belegvorlage ist dabei nicht geschuldet (jurisPK-Grandel/Breuers, BGB 9. Aufl. [2020] § 1353 Rdn. 76; Roth, aaO Rdn. 38).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 FamFG iVm § 20 FamGKG.

§ 150 FamFG ist in Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar (Helms in Prütting/Helms, FamFG 5. Aufl. § 150 Rdn. 21, 22). Da in dem jetzigen Verfahrensstadium noch offen ist, ob die Antragsgegnerin mit ihren Schadenersatzansprüchen letztlich durchdringen wird, die Beschwerde aber einen Teilerfolg hatte, hat es bei der grundsätzlichen Kostenaufhebung nach § 150 Abs. 1 FamFG zu bleiben. Für eine abweichende Kostenregelung nach § 150 Abs. 4 FamFG sind hier keine Billigkeitsgesichtspunkte erkennbar. Da das Beschwerdeverfahren aber letztlich durch die verfahrensfehlerhaft unterlassene Abtrennung der deliktischen Ansprüche notwendig wurde, war von der Erhebung der Gerichtskosten nach § 20 FamGKG abzusehen.

IV. Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40 Abs. 1, 35 FamFG. Es war von dem Interesse der Antragsgegnerin an der Auskunfterteilung auszugehen, der mit mindestens 1/10 des durch die Auskünfte erstrebten Schadenersatzes anzusetzen ist (BGH FamRZ 2011, 1929 = FuR 2012, 87 Tz. 13; 2016, 454 = FuR 2016, 227 Tz. 13; 2018, 1169 = FuR 2018, 474 Tz. 11). Die Antragsgegnerin hat dabei angenommen, daß ihr durch die bisherigen unrichtigen Vermögensauskünfte des Antragstellers ein weiterer Zugewinnausgleich in Höhe von wenigstens … Euro entgangen sei.

OLG Koblenz 2021-01-15 - 7 UF 385/20
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Anmerkungen

Die Ehefrau hatte im Scheidungsverbund einen Stufenantrag auf Zugewinnausgleich gestellt und hilfsweise Schadensersatz aus unerlaubter Handlung geltend gemacht: Der Ehemann habe sie durch unrichtige Vermögensauskünfte im Vorfeld des Abschlusses ihres Ehevertrages arglistig getäuscht. Das AmtsG hat die Beteiligten geschieden, und die Folgesache insgesamt abgewiesen: Der Ehevertrag sei bereits mangels fristgerechter Anfechtung wirksam, und zum Anspruch auf Schadensersatz sei nicht hinreichend vorgetragen.

1. Das OLG hat zunächst mit dem Hinweis darauf, dass ein im Rahmen einer Folgesache hilfsweise anhängig gemachter deliktischer Anspruch nicht verbundfähig ist (§ 137 FamFG), den Antrag auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung aus dem Verbund abgetrennt und dieses abgetrennte Verfahren unter Abänderung des Scheidungsbeschlusses an das AmtsG zurückverwiesen: Das FamG hätte über die hilfsweise geltend gemachten deliktischen Ansprüche und die flankierenden Auskunftsansprüche nicht innerhalb des Scheidungsverbunds entscheiden dürfen. Bei dem deliktischen Anspruch wegen Täuschung bei Abschluss eines Ehevertrages handele es sich um eine nicht verbundfähige sonstige Familiensache iSd § 266 FamFG.

2. Aus der ehelichen Verantwortungsgemeinschaft (§ 1353 BGB) ergebe sich ein Anspruch auf Vermögensauskunft, der aufgrund fortwirkender nachehelicher Solidarität nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch nach Rechtskraft der Scheidung bestehen könne; der güterrechtliche Auskunftsanspruch helfe der Ehefrau nicht weiter, da insoweit weder der Stichtag des Anfangs- noch des Trennungs- oder Endvermögens relevant sei, sondern der Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages. Allerdings umfasse dieser Auskunftsanspruch - anders als die güterrechtlichen Auskunftsansprüche - keinen Anspruch auf Belegvorlage.

3. Steht eine arglistige Täuschung bei Abschluss eines Ehevertrags im Raum, ist vor Ablauf der Anfechtungsfrist zu überlegen, zunächst im Wege des üblichen Stufenantrages eine Folgesache Güterrecht anhängig zu machen und vorzutragen, dass die Antragstellerseite arglistig bei Abschluss des Ehevertrags über die Vermögensverhältnisse des Antragsgegners getäuscht wurde, und dass der Ehevertrag deswegen wegen arglistiger Täuschung angefochten wird. Die hierfür sprechenden Umstände sind unter Beweisantritt vorzutragen, denn insoweit trägt die Antragstellerseite die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH FamRZ 2013, 269). Nur falls hierfür zwingend eine Vermögensauskunft des Gegners erforderlich ist, wäre danach oder gleichzeitig in einem gesonderten Verfahren ein isolierter Auskunftsanspruch nach § 1353 BGB geltend zu machen. Da die Verjährung während bestehender Ehe nach § 207 Abs. 1 S. 1 BGB gehemmt ist, kann sodann im Verbundverfahren im Hinblick auf das isolierte Auskunftsverfahren eine Aussetzung nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 148 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Auskunftsverfahrens beantragt werden. Ist die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 2 S. 2 BGB bereits abgelaufen, ist ein entsprechender deliktischer Schadensersatz- bzw. Auskunftsanspruch im isolierten Verfahren geltend zu machen.


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