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BGB § 1579 - Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit - FD-Logo-500

BGB § 1579 - Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit




BGB § 1579 - Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit

Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil
1. die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann,
2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,
3. der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat,
4. der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat,
5. der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat,
6. der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,
7. dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder
8. ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.






 



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Nachehelicher Ehegattenunterhalt; Wiederaufleben eines wegen verfestigter Lebensgemeinschaft verwirkten Unterhaltsanspruchs; Eingehen einer neuen Beziehung.

1. Die Annahme einer zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 2 BGB führenden verfestigten Lebensgemeinschaft setzt nicht zwingend voraus, dass die Partner räumlich zusammenlebten, und einen gemeinsamen Haushalt führten. Unter welchen Umständen - nach einer gewissen Dauer, die im Allgemeinen zwischen zwei und drei Jahren lag - auf eine verfestigte (neue) Lebensgemeinschaft geschlossen werden kann, lässt sich nicht allgemein verbindlich festlegen.
2. Ein Wiederaufleben des einmal gemäss § 1579 Nr. 2 BGB verwirkten Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität gefordert werden kann, das eine fortdauernde nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann. Bei der in diesem Zusammenhang angezeigten umfassenden Würdigung kann gegen die Zumutbarkeit eines Wiedererstarkens des bereits verwirkten Unterhaltsanspruchs sprechen, wenn der/die Unterhaltsgläubiger/in nach Beendigung der einmal verfestigt gewesenen Lebensgemeinschaft (welche zur Verwirkung geführt hatte) erneut eine Beziehung eingegangen ist, die lediglich aufgrund des fehlenden Zeitablaufs noch nicht verfestigt ist.

OLG Düsseldorf, Beschluß vom 11. Mai 2020 - II-3 UF 14/20

Anmerkungen

Die im Jahre 2017 nach 21-jähriger Ehe geschiedene Antragstellerin hat ihren geschiedenen Ehemann auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt in Anspruch genommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihre bis dahin bestehende Lebensgemeinschaft mit ihrem neuen Partner, mit dem sie 2½ Jahre zusammengelebt hatte, geendet. Das AmtsG hat einen nachehelichen Unterhaltsanspruch aufgrund einer verfestigten Lebensgemeinschaft bereits Ende 2017 als verwirkt angesehen, und auch ein Wiederaufleben des Anspruchs ab Februar 2018 mit Rücksicht auf die Aufnahme einer weiteren neuen Beziehung, die lediglich aufgrund des fehlenden Zeitablaufs (noch) nicht verfestigt sei, abgelehnt. Das OLG hat in seinem Hinweisbeschluss der Ehefrau geraten, ihre Beschwerde zurückzunehmen.

Ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt könne nur dann ausnahmsweise wieder aufleben, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität gefordert werden könne, die eine fortdauernde nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertige. Der Ehemann schulde trotz der Ehedauer von etwa 21 Jahren kein besonderes Maß an nachehelicher Solidarität, so dass ein Wiedererstarken des bereits verwirkten Unterhaltsanspruchs objektiv unzumutbar erscheine; auch habe die Antragstellerin durch eine weitere Beziehung, die lediglich aufgrund des fehlenden Zeitablaufs noch nicht verfestigt sei, zum Ausdruck gebracht, auch künftig die eheliche Solidarität nicht mehr zu benötigen. In die Prüfung könne ferner einbezogen werden, dass sie keine ehebedingten Nachteile erlitten habe, und dass sie selbst in der Lage sei, für ihren Lebensbedarf aufzukommen.

Hinweis
Nach der Rechtsprechung des BGH lebt ein wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft versagter Unterhaltsanspruch regelmässig nur im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf (BGH FamRZ 2011, 1498 = FuR 2011, 639). Für alle anderen Unterhaltstatbestände gilt dies nur ausnahmsweise, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch weitere nacheheliche Solidarität gefordert werden kann. Damit ist auch der Aspekt eines gewissen Vertrauensschutzes des in Anspruch genommenen Ehegatten darauf zu berücksichtigen, dass der Unterhalt durch die Verwirkung dauerhaft weggefallen ist.

Bei der Frage, ob ein bereits verwirkter Unterhaltsanspruch in einem derartigen Fall wiederauflebt, ist eine Gesamtschau aller Umstände notwendig, um zu prüfen, ob letztlich noch eine nacheheliche Solidarität geschuldet wird. Dabei sind wie bei der Prüfung des § 1578b BGB alle Gesichtspunkte heranzuziehen, die zu einer Begrenzung oder Befristung des Unterhalts führen können: Abzuwägen sind Ehedauer, der Eintritt ehebedingter Nachteile, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der ehemaligen Ehegatten und sonstige Umstände.


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Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen verfestigter Lebensgemeinschaft des Unterhalt begehrenden Ehegatten.

1. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kann angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluß auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Es kommt darauf an, ob die Partner ihre Lebensgemeinschaft so aufeinander eingestellt haben, daß sie wechselseitig füreinander einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren, und damit das Zusammenleben ähnlich gestalten wie Ehegatten. § 1579 Nr. 2 BGB knüpft an rein objektive Gegebenheiten an, und ist keine Sanktion für vorwerfbares Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten.
2. Entscheidend ist darauf abzustellen, daß der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte sich durch eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, daß er diese nicht mehr benötigt.
3. Vor dem Ablauf einer gewissen Mindestdauer wird sich in der Regel nicht verläßlich beurteilen lassen, ob die Partner nur »probeweise« zusammenleben, oder ob sie auf Dauer in einer gefestigten Gemeinschaft leben. Je fester allerdings die Verbindung nach außen in Erscheinung tritt, umso kürzer wird die erforderliche Zeitspanne anzunehmen sein.
4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes können die Voraussetzungen für die Anwendung von § 1579 Nr. 2 BGB erst nach einer Dauer von regelmäßig zwei bis drei Jahren angenommen werden können. Die Zeitspanne kann kürzer sein, wenn aufgrund besonderer Umstände schon früher auf eine hinreichende Verfestigung geschlossen werden kann, insbesondere bei einer bereits umgesetzten gemeinsamen Lebensplanung, etwa in Form von gemeinsamen erheblichen Investitionen.
5. Bei einer Beziehung, die nicht überwiegend durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung etwa dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten, und Feiertage und Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen.
6. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des jeweiligen Härtegrundes nach § 1579 Nr. 2 bis 8 BGB sowie für alle Umstände, die die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme als grob unbillig erscheinen lassen, trägt der Unterhaltspflichtige; zulässig kann dabei auch die Beobachtung durch einen Detektiv, und die Verwertung der in dieser Weise gewonnenen Erkenntnisse in dem Verfahren sein.
7. Gemeinsame Reisen lassen schon grundsätzlich noch keinen hinreichend tragfähigen Schluß auf eine (verfestigte) Lebenspartnerschaft zu.


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