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BGB § 1601 - Unterhaltsverpflichtete - FD-Logo-500

BGB § 1601 - Unterhaltsverpflichtete



BGB § 1601 - Unterhaltsverpflichtete

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.





 



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Unterhaltsrecht; Grundbuchrecht; berechtigtes Interesse eines Unterhaltsberechtigten an der Einsicht in das Grundbuch des Unterhaltsverpflichteten.

BGB §§ 1601 ff; GBO §§ 12, 12c

1. Verwandten kann allgemein ein Grundbucheinsichtsrecht - jedenfalls hinsichtlich Abteilung I des Grundbuchs - zugestanden werden, wenn sie Unterhaltsansprüche geltend machen wollen.
2. Will der Unterhaltsgläubiger das Grundbuch des Unterhaltsschuldners einsehen, hat er allerdings konkrete Tatsachen seiner Unterhaltsbedürftigkeit darzulegen; die Behauptung eines abstrakt-sachlichen Unterhaltsanspruchs genügt nicht.
3. Der Unterhaltsgläubiger kann in diesem Zusammenhang dann nicht allgemein auf das Bestehen eines Auskunftsanspruchs gegen den Unterhaltsverpflichteten verwiesen werden.

OLG Frankfurt, Beschluß vom 7. Januar 2020 - 20 W 269/19

Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der angefochtene Beschluß des Amtsgerichts Kirchhain vom 03.07.2019 aufgehoben.
2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, der Antragstellerin einen beglaubigten Grundbuchauszug des Bestandsverzeichnisses und der Abteilung I des Grundbuchs von K. zu erteilen. Im übrigen wird der sich auf das Grundbuch von K. beziehende Antrag zurückgewiesen.
3. Die Entscheidung ergeht in dem Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei.

Gründe
I. Die Antragstellerin hat mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 6. März 2019 bei dem Grundbuchamt die Übersendung eines Grundbuchauszuges betreffend den Grundbesitz in B. beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie sei die leibliche Tochter des A. Vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kirchhain sei ein Abänderungsverfahren bezüglich des Kindesunterhalts anhängig; in diesem Zusammenhang sei die Höhe der Unterhaltsansprüche der Antragstellerin gegen A. zu klären. Sollte dieser Eigentümer einer von ihm selbst bewohnten Immobilie sein, sei ihm ein Wohnvorteil zuzurechnen, durch den sich seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin erhöhe. Auf die Schreiben vom 6. März 2019 und vom 13. März 2019 wird wegen der diesbezüglichen Einzelheiten verwiesen.

Durch Beschluß vom 20. März 2019 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei dem Grundbuchamt in der Grundbuchsache den beantragten Grundbuchauszug mit der Begründung nicht erteilt, daß der gesetzliche Auskunftsanspruch gemäß § 1605 BGB nur gegenüber dem Verpflichteten, und nicht gegenüber Dritten bestehe. Der Unterhaltsverpflichtete sei zwar zur Auskunft verpflichtet; gebe er jedoch keine Auskunft, sei er auf Auskunfterteilung zu verklagen.

Mit Schreiben vom 1. April 2019 hat die Antragstellerin im Wege der Erinnerung beantragt, bezüglich des Grundbesitzes ihres Vaters A. in B., und etwaigen weiteren Grundbesitzes einen Grundbuchauszug zu erteilen. Sie hat sich auf § 12 GBO bezogen, diesbezüglich fehlende Rechtsanwendung durch das Grundbuchamt gerügt, und ihr Vorbringen zu dem von dem Kindesvater eingeleiteten Abänderungsverfahren wegen Kindesunterhalts vertieft. Auch wegen des dort gestellten Antrages auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, und weil die Antragstellerin dringend auf die monatlichen Unterhaltszahlungen angewiesen sei, sei die Erteilung des Grundbuchauszuges dringend erforderlich, und könne sie nicht auf einen Auskunftsanspruch gemäß § 1605 BGB verwiesen werden. Sie hat ergänzend eine in diesem Zusammenhang abgegebene eidesstattliche Versicherung des A. vom 14. März 2019 vorgelegt.

Durch Beschluß vom 3. Juli 2019 hat die Rechtspflegerin bei dem Grundbuchamt in dieser Grundbuchsache der Erinnerung gegen die Ablehnung der Erteilung eines Grundbuchauszuges mit der Begründung des Beschlusses vom 20. März 2019 nicht abgeholfen, und zusätzlich darauf hingewiesen, daß der Auskunftsanspruch nicht abtretbar sei. Mit weiterem Beschluß vom 14. November 2019 hat die Rechtspflegerin bei dem Grundbuchamt den genannten Beschluß dahingehend berichtigt, daß die Erinnerung zurückgewiesen werde.

Gegen den Beschluß vom 3. Juli 2019 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4. November 2019, auf den verwiesen wird, Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, einen Grundbuchauszug bezüglich des Grundbesitzes des A., wohnhaft in B., und etwaigen weiteren Grundbesitzes, eingetragen in dem Grundbuch von B., zu erteilen. Sie rügt wiederum die Rechtsanwendung des Grundbuchamtes, vertieft ihr Vorbringen zu ihrem berechtigten Interesse an der Grundbucheinsicht, und meint von daher, ihr sei ein vollständiger Grundbuchauszug zu erteilen.

Die Rechtspflegerin bei dem Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluß vom 14. Dezember 2019 »aus den Gründen der angefochtenen Zwischenverfügung« nicht abgeholfen, und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend hat sie zur Begründung darauf hingewiesen, daß ein vollständiger Grundbuchauszug nicht erteilt werden könne, da die Eintragungen in den Abteilungen II und III für die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs irrelevant seien.

II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Gemäß § 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO ist zu der Entscheidung über die Gestattung der Einsicht in das Grundbuch und die Erteilung von Grundbuchauszügen zunächst der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Grundbuchamtes berufen. Wird eine Änderung einer Entscheidung nach § 12c Abs. Nr. 1 GBO verlangt und abgelehnt, so hat hierüber im Wege der Erinnerung der Grundbuchrechtspfleger zu entscheiden, gegen dessen Entscheidung (hier der angefochtene Beschluß vom 3. Juli 2019 in der berichtigten Fassung) sodann nach § 12c Abs. 4 S. 2 GBO die Beschwerde eröffnet ist (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Mai 2019 - 20 W 102/19 - juris).

2. Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolgreich.

Nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuches jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches berechtigtes Interesse ist gegeben, wenn zu der Überzeugung des Grundbuchamtes bzw. des an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, das sich im Unterschied zu dem rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muß, sondern auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse, begründet werden kann (Senatsbeschlüsse vom 7. November 2016 - 20 W 305/16, und vom 9. Mai 2019 - 20 W 102/19, beide juris; vgl. auch die Nachweise bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht 15. Aufl. Rdn. 525; Demharter, GBO 31. Aufl. § 12 Rdn. 7 ff; Meikel/Böttcher, GBO 11. Aufl. § 12 Rdn. 6 ff; Grziwotz, MDR 2013, 433 ff).

§ 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff BGB hinausgeht. Jedoch genügt nicht jedes beliebige Interesse; vielmehr muß die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier ausgeschlossen werden, und die Kenntnis von dem Grundbuchstand für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen. Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, daß die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht möglicherweise beeinträchtigten Berechtigten grundsätzlich vor der Gewährung der Grundbucheinsicht nicht angehört werden, und ihnen von der Rechtsprechung auch kein Beschwerderecht gegen die Gewährung der Einsicht zugebilligt wird (Senat aaO).

Verwandten (wie hier der Tochter des Grundeigentümers des hier betroffenen Grundbuchs) wird allgemein ein Einsichtsrecht zugestanden, wenn sie Unterhaltsansprüche geltend machen wollen (vgl. Wilsch in BeckOK GBO [15.12.2019] § 12 Rdn. 91; Meikel/Böttcher, aaO § 12 Rdn. 53; Keller in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht 8. Aufl. § 12 Rdn. 9; Böhringer, ZEV 2009, 43 mwN). Will der Unterhaltsberechtigte das Grundbuch des Unterhaltsverpflichteten einsehen, hat er allerdings konkrete Tatsachen seiner Unterhaltsbedürftigkeit darzulegen; die Behauptung eines abstrakt-sachlichen Unterhaltsanspruchs genügt nicht (vgl. dazu Böhringer, Rpfleger 1987, 181; ZEV 2009, 43).

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin, die im einzelnen dargelegt hat, als Tochter des Eigentümers des hier betroffenen Grundbesitzes gegenüber diesem unterhaltsberechtigt zu sein, bereits einen vollstreckbaren Titel gegen diesen innezuhaben, jedoch nunmehr einem von dem Kindesvater wegen Kindesunterhalts eingeleiteten Abänderungsverfahren ausgesetzt zu sein, in dessen Rahmen unter anderem auch zu der (Neu-)Berechnung des Unterhaltsanspruchs das Eigentum an diesem Grundbesitz von Bedeutung ist. Dieses Vorbringen kann zugrunde gelegt werden. Das Gesetz verlangt keine Glaubhaftmachung; notwendig - aber auch ausreichend - ist vielmehr ein nachvollziehbares Tatsachenvorbringen in der Art, daß das Grundbuchamt, und in der Beschwerdeinstanz das Beschwerdegericht daraus die Überzeugung von der Berechtigung der geltend gemachten Interessen erlangen kann (vgl. die Nachweise bei OLG München ZWE 2016, 133; Meikel/Böttcher, aaO § 12 Rdn. 10). Dem ist die Antragstellerin spätestens mit Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des A. vom 14. März 2019 nachgekommen.

Soweit das Grundbuchamt demgegenüber darauf abgestellt hat, ein Auskunftsanspruch bestehe nur gegenüber dem Verpflichteten, und nicht gegenüber Dritten, trägt dies die Ablehnung der Erteilung des beantragten Grundbuchauszuges zu dem hiesigen Grundbuch nicht. Derjenige, der nach den oben dargelegten Voraussetzungen und in den Grenzen nach §§ 12 ff GBO Grundbucheinsicht begehrt, kann nicht auf Bestehen eines Auskunftsanspruchs gegen den Anspruchsverpflichteten verwiesen werden (vgl. etwa KG FGPrax 2004, 58 zu dem Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten), abgesehen davon, daß die Antragstellerin hier dargelegt hat, daß die vorherige Geltendmachung von Auskunftsansprüchen wegen des Eilantrages im Unterhaltsverfahren mit Rechtsnachteilen verbunden wäre. Die in dem angefochtenen Beschluß vorgebrachten Abtretungsvorgänge sind nicht erkennbar.

Allerdings kann nach dem Vorbringen der Antragstellerin lediglich ein berechtigtes Interesse an der Einsicht an dem Bestandsverzeichnis und der Abteilung I des Grundbuchs festgestellt werden, damit sie - wie sie vorträgt - prüfen kann, ob der Kindesvater Eigentümer einer Immobilie ist, die gegebenenfalls von ihm selbst bewohnt wird. Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Abteilungen II und III ist nicht dargetan; insoweit ist der von dem Grundbuchamt in dem Nichtabhilfebeschluß geäußerten Einschätzung zu folgen. Die Erwägungen, die die Antragstellerin insoweit anstellt, nämlich das Interesse an der Ermittlung der Zurechnung eines Wohnvorteils und der Zurechnung von Mieteinkünften zu der Berechnung des Unterhaltsanspruchs lassen keinerlei Bezug zu möglichen Eintragungen in den Abteilungen II und III des Grundbuchs erkennen.

Der Senat hat - wie aus dem Tenor ersichtlich - die Erteilung eines beglaubigten Teilauszuges auszusprechen. Dies beruht darauf, daß § 45 GBV seit jeher so verstanden wird, daß Abschriften eines Teils des Grundbuchblatts nur in beglaubigter Form zu erteilen sind (vgl. dazu im einzelnen Senatsbeschluß vom 9. Mai 2019 - 20 W 102/19 - juris; KG FGPrax 2016, 104; Kral in BeckOK GBO, aaO § 12c Rdn. 6; Keller, aaO § 45 GBV Rdn. 1).

Daß das Grundbuchamt bereits über den Antrag entschieden hätte, der Antragstellerin auch zu etwaigem weiterem Grundbesitz ihres Vaters A. in B. einen Grundbuchauszug zu erteilen, kann dem Beschluß vom 3. Juli 2019 nicht entnommen werden; dieser bezieht sich nach dem Beschlußeingang wie auch der vorangegangene Beschluß vom 20. März 2019 lediglich auf die Grundbuchsache zu dem hiesigen Grundbuch. Hierüber hat mithin nicht erstmals der Senat in dem Beschwerdeverfahren zu entscheiden, ungeachtet der Frage, inwieweit ihm dies möglich wäre, da etwa Verzeichnisse der Eigentümer und der Grundstücke iSd § 12a GBO bei ihm nicht geführt werden. Dies wird das Grundbuchamt gegebenenfalls nachzuholen haben.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt der gesetzlichen Regelung (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG). Eine Veranlassung zu einer anderweitigen gerichtlichen Entscheidung hat der Senat nicht gesehen. Da auch eine Anordnung der Erstattung notwendiger Aufwendungen für nicht veranlaßt ist, bedarf es keiner Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren.

Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 78 GBO): Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, da gesetzlich nicht vorgesehen.

OLG Frankfurt 2020-01-07 - 20 W 269/19
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Anmerkungen

Die Antragstellerin hatte im März 2019 die Übersendung eines vollständigen Grundbuchauszuges einschließlich der Abteilungen II und III zu dem Grundbesitz ihres Vaters V. in K. beantragt, weil sie als leibliche Tochter wegen eines von V. eingeleiteten Abänderungsverfahrens wegen Kindesunterhalt durch Feststellung der Eigentumsverhältnisse und eines möglichen Wohnvorteils die Höhe ihrer Unterhaltsansprüche gegen V. klären wollte. Nachdem das Grundbuchamt den beantragten Grundbuchauszug nicht erteilt, und die Rechtspflegerin der Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen hat, wurde die Beschwerde dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerde ist erfolgreich. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches berechtigtes Interesse ist gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann. Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht möglicherweise beeinträchtigten Berechtigten grundsätzlich vor der Gewährung der Grundbucheinsicht nicht angehört werden, und ihnen von der Rechtsprechung auch kein Beschwerderecht gegen die Gewährung der Einsicht zugebilligt wird.

Verwandten - wie hier der Tochter des Grundeigentümers - wird allgemein ein Einsichtsrecht zugestanden, wenn sie Unterhaltsansprüche geltend machen wollen. Will der Unterhaltsberechtigte das Grundbuch des Unterhaltsverpflichteten einsehen, hat er allerdings konkrete Tatsachen seiner Unterhaltsbedürftigkeit darzulegen. Diesen Anforderungen genüge das Vorbringen der Antragstellerin. Sie habe im Einzelnen dargelegt, als Tochter des Eigentümers des hier betroffenen Grundbesitzes gegenüber diesem unterhaltsberechtigt zu sein, bereits einen vollstreckbaren Titel gegen diesen innezuhaben, jedoch nunmehr einem von dem Kindesvater eingeleiteten Abänderungsverfahren ausgesetzt zum Kindesunterhalts zu sein. Wegen der (Neu-)Berechnung des Unterhaltsanspruchs könne das Eigentum an diesem Grundbesitz von Bedeutung sein.

Allerdings erstrecke sich das geltend gemachte Einsichtsrecht wegen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung lediglich auf das Bestandsverzeichnis und die Abteilung I des Grundbuchs; dies genüge für das Auskunftsinteresse der Antragstellerin, denn sie könne mit geringem Aufwand prüfen, ob V. Eigentümer einer Immobilie ist, die er gegebenenfalls selbst bewohnt. Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Abteilungen II und III bestehe nicht, denn zu der Ermittlung der Zurechnung eines Wohnvorteils bzw. der Zurechnung von Mieteinkünften zur Berechnung des Unterhaltsanspruchs könnten mögliche Eintragungen in Abteilungen II und III des Grundbuchs nicht beitragen.


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Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels; Einwendung des Unterhaltsverzichts; fehlende Übersetzung; ordre public.

1. Die materiell-rechtliche Einwendung, es hätte einen Erlassvertrag gegeben, fällt nicht unter den Katalog des Art. 24 EuUnthVO, der im Rahmen der Beschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung gemäss Art. 34 EuUnthVO aber allein massgeblich ist: Materiell-rechtliche Einwendungen können bei Titeln aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union (vorliegend: aus Polen) nicht in dem Beschwerdeverfahren, sondern nur mit einem Vollstreckungsgegenantrag gemäss § 66 AUG, § 767 ZPO in einem separaten Verfahren erhoben werden.
2. Ein Versagungsgrund gemäss Art. 24 EuUnthVO kann nicht daraus resultieren, dass das Amtsgericht dem Antragsgegner den angefochtenen Beschluss nicht in polnischer Sprache zugestellt hat, obwohl er polnischer Staatsbürger ist. Die Zustellung des Vollstreckbarerklärungsbeschlusses durch das Amtsgericht erfolgte innerhalb Deutschlands nach den Vorschriften für eine Inlandszustellung, sodass keine Übersetzung in die polnische Sprache erforderlich war.
3. Bei dem anerkennungsrechtlichen ordre public handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die insbesondere in Unterhaltsfällen sehr restriktiv anzuwenden ist. Zudem ist die Rüge eines Verstosses gegen den ordre public dann ausgeschlossen, wenn der Antragsgegner des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung im Erkenntnisverfahren nicht alle nach dem Recht des Erststaates statthaften, zulässigen und zumutbaren Rechtsmittel ausgeschöpft hat (im Anschluss an BGH FamRZ 2009, 1816 = FuR 2009, 682 zu dem verfahrensrechtlichen ordre public).
4. Über die vorrangige Einlegung eines Rechtsmittels in dem Erststaat im engeren Sinn hinaus ist wegen des Ausnahmecharakters des Art. 24 lit. a) EuUnthVO auch die Wahrnehmung solcher Rechtsschutzmöglichkeiten jenseits des Rechtsweges geboten, die nicht von vornherein aussichtslos erscheinen, und eine Beseitigung der behaupteten Rechtsverletzung bewirken können.
5. Wegen des Verbots der »revision au fond« (Verbot der sachlichen Nachprüfung) gemäss Art. 42 EuUnthVO kommt eine Abänderung des polnischen Unterhaltstitels im Rahmen des inländischen Vollstreckbarerklärungsverfahrens nicht in Betracht.

OLG Stuttgart, Beschluß vom 6. Mai 2020 - 17 UF 25/19

Anmerkungen

Gegenstand des Verfahrens war die Vollstreckbarerklärung der Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt für den inzwischen volljährigen Antragsteller in dem Urteil des polnischen Gerichts Sad Okregowy w Gdansku vom 14.02.2007. Das Bundesamt für Justiz hat unter Hinweis auf seine Bevollmächtigung gemäss § 5 Abs. 5 AUG für den Antragsteller beantragt, dieses Urteil für vollstreckbar zu erklären und mit einer Vollstreckungsklausel gemäss § 41 AUG zu versehen. Das AmtsG hat antragsgemäss entschieden, und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Zur Begründung seiner erfolglosen Beschwerde hatte der Antragsgegner vorgetragen, dass ein Verfahrensfehler des AmtsG vorliege, weil ihm die Entscheidung nicht in polnischer Sprache zugestellt worden sei, obwohl er polnischer Staatsbürger sei. Darüber hinaus sei zwischen den Beteiligten ein wirksamer Prozessvertrag des Inhalts geschlossen worden, dass der Antragsgegner laufenden Unterhalt für den volljährigen Antragsteller bezahle, obwohl diesbezüglich gar kein Titel vorliege. Der Antragsteller habe im Gegenzug auf Unterhalt für die Vergangenheit verzichtet, und habe sich zudem verpflichtet, den Antrag in dem vorliegenden Verfahren zurückzunehmen; stattdessen kassiere er aber seit Januar 2019 laufenden Unterhalt in Höhe von 150 €, ohne sich an seinen Teil der Vereinbarung zu halten. Diese Vereinbarung wirke jedenfalls als Teil des ordre public, denn es würde weder ein deutsches noch ein polnisches Gericht in einem solchen Fall für den Antragsteller entscheiden, obwohl die Parteien aussergerichtlich etwas anderes gewollt hätten. Zu Lasten des Antragstellers müsse der Grundsatz von Treu und Glauben, insbesondere das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, in allen Vertragsstaaten gelten. Ein Verfahren über die Aufhebung der polnischen Entscheidung sei zwischenzeitlich auch in Polen anhängig; der dortige Beschluss bzw. das dortige Urteil sei aber noch nicht ergangen.


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Kindesunterhalt; Verwirkung wegen unterlassener Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel.

1. Das blosse Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen; hinzutreten muss ein Vertrauen begründendes Verhalten des Gläubigers, das dem Schuldner Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde seinen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe.
2. Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, dass er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin auch geltend machen will.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 20. Mai 2020 - 13 WF 84/20

Anmerkungen

1. Der Antragsgegner verfügt über einen gerichtlichen Titel auf dynamisierten Kindesunterhalt aus dem Jahre 2012; wegen in dem Zeitraum von April 2015 bis September 2019 aufgelaufener Unterhaltsrückstände betreibt er die Vollstreckung. Das FamG hat dem Antragsteller VKH für ein Vollstreckungsabwehrverfahren versagt. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er rügte, die Vollstreckung sei wegen Verwirkung der Rückstände unzulässig, hatte keinen Erfolg.

Der Verwirkungseinwand greife nicht durch. Voraussetzung einer sich aus § 242 BGB ergebenden Verwirkung sei neben dem Zeit- auch das Umstandsmoment, welches vorliegend fehle. Entsprechend der Rechtsprechung des BGH müssten zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen; der Vertrauenstatbestand könne nicht durch blossen Zeitablauf geschaffen werden. Dementsprechend könne ein blosses Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen. Dies gelte nicht nur für eine blosse Untätigkeit des Gläubigers, sondern grundsätzlich auch für die von diesem unterlassene Fortsetzung einer bereits begonnenen Geltendmachung. Auch wenn der Gläubiger davon absehe, sein Recht weiter zu verfolgen, könne dies für den Schuldner nur dann berechtigterweise Vertrauen auf Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn das Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gebe, der Unterhaltsberechtigte werde diesen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe.

Das gelte erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines Vollstreckungstitels zeige der Gläubiger bereits, dass er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin auch geltend machen will. Umstände, aus denen sich ein Vertrauenstatbestand ergebe, habe der Antragsteller nicht dargetan.

2. Diese Entscheidung folgt der aktuellen Linie des BGH (s. dazu insbesondere BGH FamRZ 2018, 589 = FuR 2018, 268; 2018, 681 = FuR 2018, 314): Auch im Unterhaltsrecht genügt für das Umstandsmoment ein blosses Unterlassen der Geltendmachung eines Anspruchs oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung für sich genommen nicht; es ist vielmehr ein auf dem Verhalten des Berechtigten beruhender Vertrauenstatbestand erforderlich. Das Gericht hat zwar den Verwirkungseinwand von Amts wegen zu berücksichtigen; dies ändert jedoch nichts daran, dass der Unterhaltsschuldner betreffend die Umstände, die die Verwirkung eines Anspruchs nach sich ziehen, darlegungs- und gegebenenfalls beweisbelastet ist; er hat mithin insbesondere auch zu den Umständen vorzutragen, aufgrund derer er darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte den Anspruch nicht mehr geltend machen wird. Solange solche Umstände nicht oder wenigstens nicht hinreichend dargetan sind, ist zu dem Verwirkungseinwand nicht schlüssig vorgetragen.


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Kindesunterhalt; Voraussetzungen der Verwirkung eines übergegangenen Unterhaltsanspruchs; Vertrauenstatbestand für Verwirkung aufgrund vorläufiger Bezifferung des Unterhalts.

Die Formulierung »Aus Ihren eingereichten Einkommensnachweisen ergibt sich vorerst ein monatlich zu zahlender Unterhalt von 192 Euro« schafft keinen der Verwirkung zugänglichen Vertrauenstatbestand.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 12. Juni 2020 - 9 WF 138/20

Anmerkungen

1. Das Land Brandenburg hat aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche zweier minderjähriger Kinder des Antragsgegners wegen gezahlten Unterhaltsvorschusses für die Zeit ab März 2017 geltend gemacht. Der Unterhaltsschuldner hat diese Ansprüche für verwirkt erachtet und zur Begründung auf ein Schreiben des Jugendamtes vom 05.05.2017 verwiesen, in dem es wörtlich heisst:

» Aus Ihren eingereichten Einkommensnachweisen ergibt sich vorerst ein monatlich zu zahlender Unterhalt von 102 EUR für beide Kinder. «

Das FamG hat dem Unterhaltsschuldner VKH mangels hinreichender Erfolgsaussichten versagt; das OLG hat diese Entscheidung im Beschwerdeverfahren bestätigt.

Bei dem Rechtsgedanken der Verwirkung komme es in erster Linie auf das Verhalten des Berechtigten, nicht des Verpflichteten an: Mit der Verwirkung solle die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden; dazu müsse für den Schuldner ein von dem Gläubiger gesetzter besonderer Vertrauenstatbestand vorliegen, der von dem Schuldner konkret darzulegen, und im Bestreitensfall zu beweisen sei. Massgeblich sei, ob der Titelschuldner dem Verhalten des Gläubigers bei objektiver Beurteilung entnehmen konnte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen würde, ob er sich also darauf einrichten durfte, dass er mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen hat.

Der Vertrauenstatbestand könne dabei nicht durch blossen Zeitablauf geschaffen werden. Berechtigtes Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung könne nur ein Verhalten des Gläubigers bewirken, das Grund zur Annahme gebe, er werde den Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe. Der Schuldner müsse also aufgrund konkreter von dem Gläubiger gesetzter Verhaltensweisen berechtigterweise davon ausgehen dürfen, es werde nichts mehr kommen.

Das Schreiben des Jugendamtes erfülle diese Voraussetzungen nicht. Soweit der Antragsgegner meine, er habe darauf vertrauen dürfen, dass er über den genannten Betrag von 102 € hinaus nicht mehr in Anspruch genommen werde, trage dies nicht: Die gewählte Formulierung zeige deutlich, dass es sich um eine vorläufige Einschätzung betreffend der Höhe des Unterhalts handelt; erst recht könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass Land wolle auf über 102 € hinausgehende übergegangene Unterhaltsansprüche endgültig verzichten. Dies folge überdies aus dem Umstand, dass das Jugendamt auf einen fehlenden, noch einzureichenden Steuerbescheid des Unterhaltsschuldners hingewiesen habe; dadurch habe es klar zu erkennen gegeben, dass eine abschliessende Berechnung der Einkünfte des Antragsgegners jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich war. Dies steht der Annahme eines Vertrauenstatbestandes evident entgegen.

Es bedürfe auch keines Vorbehalts der Nachforderung: Ein Gläubiger sei nicht verpflichtet, sich ihm zustehende Ansprüche durch aktive Massnahmen wie etwa deren regelmässige Geltendmachung oder einen Vorbehalt von Rechten zu erhalten.

2. Die von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung der Verwirkung setzt ein Zeit- (keine allzu strengen Voraussetzungen) und ein Umstandsmoment (strenge Voraussetzungen) voraus. Bei Rückständen, die mehr als ein Jahr zurückliegen, ist zwar das Zeitmoment regelmässig erfüllt; blosse Untätigkeit des Unterhaltsberechtigten allein löst aber das Umstandsmoment nicht aus (ausführlich BGH FamRZ 2018, 589 = FuR 2018, 268).


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Vertraglicher Unterhaltsanspruch eines durch heterologe Insemination gezeugten Kindes in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft.

Zu dem Unterhaltsanspruch eines durch heterologe Insemination gezeugten Kindes in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 26. Oktober 2020 - 9 UF 178/20

Anmerkungen

1. Im Streit war der von der Antragstellerin ab September 2018 geforderte Mindestunterhalt als Folge einer im August 2015 vorgenommenen heterologen Insemination. Ihre Mutter und die Antragsgegnerin lebten zunächst in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zusammen, innerhalb derer der Kinderwunsch entstanden war. Im Juni 2015 begründeten sie Lebenspartnerschaft. Kraft notarieller Vereinbarung von Januar 2016 sollte die Antragstellerin durch die Antragsgegnerin als Kind angenommen werden; zur Umsetzung kam die Vereinbarung bislang nicht. Im März 2016 trennten sich die Lebenspartner; ein Verfahren zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft ist anhängig, wird aber derzeit nicht betrieben. Im August 2018 wurde die Antragsgegnerin zur Zahlung von Mindestunterhalt aufgefordert. Die Antragstellerin stützt ihr Zahlungsverlangen auf eine Einigung ihrer Mutter mit der Antragsgegnerin, wonach diese in verbindlicher Weise ihre Mutter hat werden wollen und sollen. Die Antragsgegnerin bestreitet eine entsprechende Vereinbarung. Das AmtsG hat dem Zahlungsantrag entsprochen.

Das OLG hat der Antragsgegnerin VKH wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt, und eine das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG angekündigt. In Übereinstimmung mit dem AmtsG sei von einer vertraglichen Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin nach § 328 BGB auszugehen; ein gesetzliches Unterhaltsverhältnis bestehe hingegen nicht. Die Antragstellerin sei aufgrund eines zwischen ihrer Mutter und der Antragsgegnerin geschlossenen Vertrages zugunsten Dritter unterhaltsberechtigt. Eine solche vertragliche Unterhaltsverpflichtung sei anerkannt zu Lasten eines Ehemannes, der sein Einverständnis zu einer heterologen Insemination erteilt habe; gleiches gelte für den Partner in einer nichtehelichen Beziehung. Die Tatbestände der konsentierten heterologen Befruchtung seien - abgesehen von der abstammungsrechtlichen Anknüpfung der Vaterschaft - nicht wesentlich verschieden, und auch auf eine zwischen zwei Frauen geschlossene Lebenspartnerschaft anzuwenden. Die Unterhaltsverpflichtung könne innerhalb jeglicher nichtehelicher Lebensgemeinschaft begründet werden, und setze keine heterosexuelle Beziehung voraus. Eine solche Verpflichtung könne im Grundsatz jedermann eingehen; dafür bedürfe es nicht einmal einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

Ein Rechtsbindungswillen der Antragsgegnerin zu dem Abschluss einer vertraglichen Unterhaltsverpflichtung sei festzustellen. Die Willenserklärung bestehe in der gegenüber der (ebenfalls einwilligenden) Mutter abzugebenden Einwilligung in die künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten, und richte sich - wenigstens mittelbar - auf die Begründung einer der Mutter-/Vaterschaft entsprechenden Verantwortung. Die heterologe Insemination sei im beiderseitigen Einvernehmen der Partner erfolgt. Nach dem gesamten Geschehen bis hin zu der Trennung der Lebenspartnerinnen habe die Antragsgegnerin für die Antragstellerin wie eine - weitere - Mutter einstehen wollen. Die Vereinbarung bedürfe keiner Schriftform.

Geschuldet sei Mindestunterhalt; die danach erfolgte Trennung der Lebenspartner sowie die bislang unterbliebene Adoption wirkten sich auf die Verpflichtung nicht aus. Ein möglicher Widerruf habe bis zu der zu der Schwangerschaft führenden künstlichen Befruchtung nicht stattgefunden.

Die Verpflichtung sei auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzupassen: Gemeinsame Vorstellung bei Abschluss der Vereinbarung sei gewesen, dass die persönlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen der Antragsgegnerin und dem aus der heterologen Insemination hervorgehenden Kind sich so entwickeln würden, als sei die Antragsgegnerin ihre (weitere) Mutter. Diese sei nicht deshalb entfallen, dass - nach derzeitigem Stand - die Lebenspartnerschaft gescheitert sei, und die Antragstellerin nicht in einer Hausgemeinschaft mit der Antragsgegnerin aufwachsen werde. Eine solche Entwicklung hätte auch eintreten können, wenn die Antragsgegnerin die biologische Mutter der Antragstellerin wäre.

Ebenso wenig komme eine Freistellung in Betracht, weil eine Adoption der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin nicht mehr möglich sei. Es sei schon nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihre Einstandspflicht bei Vertragsschluss an eine Adoption der Antragstellerin geknüpft hätte. Zudem könne die Antragsgegnerin dann keine Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen, wenn sie die Adoption nicht mehr wünsche, bzw. die Aufhebung der Lebenspartnerschaft ihrerseits begehre.

2. Das OLG führt die bisherige Rechtsprechung des BGH zur vertraglichen Unterhaltsverpflichtung bei konsentierter heterologischer Insemination fort (BGHZ 129, 297 = FamRZ 1995, 861; 207, 135 = FamRZ 2015, 2134 = FuR 2016, 105), und wendet sie auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften an. Die Verpflichtung kann innerhalb jeglicher nichtehelicher Lebensgemeinschaft begründet werden; entscheidend ist die Feststellung eines Rechtsbindungswillens, was stets aufgrund der Einzelfallumstände zu beurteilen ist. Immerhin führt dieser zu einer der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung entsprechenden Einstandspflicht. Im Interesse des betroffenen Kindes ist es die Ausnahme, sich dieser Verpflichtung zu entledigen.


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Kindesunterhalt und Unterhaltsvorschuß.

1. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt zwar im allgemeinen, wenn der Kläger/Antragsteller sein Rechtsschutzziel auf einfacherem und billigerem Wege erreichen kann. Bietet das Gesetz für eine Rechtsverfolgung jedoch mehrere prozessuale Möglichkeiten, ist indes regelmässig Wahlfreiheit zwischen den Rechtsbehelfen gewollt.
2. Eine Beschränkung dieser Wahlfreiheit ist jedoch lediglich dort geboten, wo sich die verschiedenen Wege nach Einfachheit und Billigkeit eindeutig und erheblich unterscheiden, während die Verfahrensergebnisse zugleich jedoch im Wesentlichen gleichwertig sind.

OLG Celle, Beschluß vom 16. Dezember 2020 - 15 UF 63/20

Anmerkungen

In dem vorliegenden Verfahren hat der im Jahre 2017 geborene und bei seiner Mutter lebende Antragsteller, der Sohn des Antragsgegners, diesen auf Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 110% des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes in Anspruch genommen. Die Bewilligung des Unterhaltsvorschusses wurde rückwirkend wieder aufgehoben; die Unterhaltsvorschusskasse fordert die bezahlten Beträge von der Kindesmutter zurück.

Der Antragsgegner hat unter anderem eingewandt, dem Antrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da in Gestalt eines von dem Land Niedersachsen nach § 7 Abs. 4 UVG erstrittenen Anerkenntnisbeschlusses bereits ein vollstreckungsfähiger Titel vorliege, den der Antragsteller lediglich auf sich umschreiben lassen müsse; dieser Weg stelle eine einfache, schnelle und kostengünstige Möglichkeit dar, den vorgenannten existierenden Titel der materiellen Rechtslage anzupassen. Auch soweit der Antrag der Höhe nach über den vorgenannten Titel hinausgehe, sei er unzulässig, denn der Antragsteller hätte einen Antrag auf Abänderung des vorliegenden Titels stellen müssen: Liege bereits ein Unterhaltstitel vor, sei ein neuer Leistungsantrag unzulässig; das einleitbare Abänderungsverfahren schliesse einen Leistungsantrag aus.

Das AmtsG hat dem Antrag in vollem Umfange stattgegeben; ein Rechtsschutzbedürfnis sei durchaus gegeben. Zwar sei eine Titelumschreibung grundsätzlich möglich gewesen, was an sich die kostengünstigere Lösung wäre; diese mache aber nur dann Sinn, wenn nur das begehrt werde, was in dem ursprünglichen Titel ausgewiesen sei. Der Zweck des gemäss § 120 Abs. 1 FamFG anwendbaren § 727 ZPO bestehe darin, die zu der Vollstreckung notwendige Anpassung eines bestehenden Titels an eine nachträgliche Veränderung der materiellen Berechtigung bzw. Verpflichtung zu ermöglichen. Dies könne jedoch dann nicht greifen, wenn mehr Unterhalt verlangt werde; insoweit müsse der Antragsteller auch keine Abänderung des Alttitels beantragen, da dieser nicht zwischen ihm und dem Antragsgegner ergangen sei. Der Antrag sei aufgrund des Einkommens des Antragsgegners auch begründet.

In dem Beschwerdeverfahren hat das OLG mit dem AmtsG zwar ein Rechtsschutzbedürfnis für dieses Verfahren bejaht, ist dem Antragsgegner jedoch gefolgt, der vorgenannte Alttitel sei in dem vorliegenden Verfahren abzuändern. Dem hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nunmehr auch Rechnung getragen und seinen Zurückweisungsantrag mit dieser Massgabe geändert.

1. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei der Antrag des Antragstellers nicht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Zwar existiere mit dem Anerkenntnisbeschluss bereits ein vollstreckbarer Titel des Landes Niedersachsen (UV-Kasse) betreffend den Kindesunterhalt; da die Unterhaltsvorschusskasse die Zahlung der Unterhaltsvorschussleistungen an die Mutter des Antragstellers tatsächlich beendet und darüber hinaus rückwirkend aufgehoben habe, lägen zwar die Voraussetzungen vor, unter denen der Antragsteller wie ein Rechtsnachfolger analog § 727 ZPO eine Umschreibung dieses Titels auf sich vornehmen lassen könnte (vgl. BGHZ 207, 15 = FamRZ 2015, 2150 = FuR 2016, 49; OLG Celle FamRZ 2021, 278); aus dieser Möglichkeit folge jedoch nicht bereits ohne weiteres, dass der Antragsteller hierzu auch verpflichtet wäre.

Zwar fehle das Rechtsschutzbedürfnis im allgemeinen, wenn der Kläger/Antragsteller sein Rechtsschutzziel auf einfacherem und billigerem Wege erreichen könne (BGH NJW 1990, 2060; 1996, 2035). Biete das Gesetz für eine Rechtsverfolgung jedoch mehrere prozessuale Möglichkeiten, sei indes regelmässig die Wahlfreiheit zwischen den Rechtsbehelfen gewollt; eine Beschränkung dieser Wahlfreiheit sei lediglich dort geboten, wo sich die verschiedenen Wege nach Einfachheit und Billigkeit eindeutig und erheblich unterscheiden (BGH NJW 1987, 2863), während die Verfahrensergebnisse zugleich jedoch im Wesentlichen gleichwertig sind. Vorliegend sei insoweit zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sein Rechtsschutzziel einer Verpflichtung zu der Zahlung höheren Kindesunterhalts nicht allein durch eine Titelumschreibung hätte erreichen können; vielmehr war er wegen des nicht titulierten Teilbetrages ohnehin auf das vorliegende streitige Verfahren angewiesen.

2. Die Beschwerde sei auch teilweise insoweit begründet, als hinsichtlich des inzwischen zurückliegenden Zeitraums die von dem Antragsgegner tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen von den zu titulierenden Unterhaltsbeträgen abzuziehen sind.


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Kindesunterhalt; Anwendbarkeit der EuUnthVO auf polnischen Unterhaltsvergleich; Wirkung nach Volljährigkeit.

1. Nach Art. 75 Abs. 1 EuUnthVO findet die Europäische Unterhaltsverordnung nur auf ab dem Datum ihrer Anwendbarkeit (18.06.2011) eingeleitete Verfahren, gebilligte oder geschlossene gerichtliche Vergleiche und ausgestellte öffentliche Urkunden Anwendung, allerdings vorbehaltlich Art. 75 Abs. 2 und 3 EuUnthVO.
2. Wird in einem ausländischen Unterhaltsvergleich fälschlich die gesetzliche Vertreterin des eigentlichen Unterhaltsgläubigers als Gläubigerin bezeichnet, so ist in dem Tenor einer deutschen Vollstreckbarerklärung (Exequatur) der richtige Titelgläubiger im Wege der Klarstellung auszuweisen.
3. Ein zu der Zeit der Minderjährigkeit errichteter Titel über die Zahlung von Kindesunterhalt nach polnischem Recht erlischt weder bei Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, noch zu einem sonstigen festen Zeitpunkt.

OLG Hamm, Beschluß vom 7. Januar 2021 - 11 UF 139/20

Anmerkungen

Der in Polen lebende, im Jahre 2000 geborene, inzwischen also volljährige Antragsteller ist der Sohn des in Deutschland lebenden Antragsgegners. Mit vor dem Sad Rejonowy w Cieszynie geschlossenen Vergleich vom 18.03.2008 hatte sich dieser verpflichtet, für den seinerzeit noch durch seine Mutter vertretenen Antragsteller ab dem 01.02.2007 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 800 Zloty zu zahlen. In dem vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Vergleichs gemäss Art. 23 ff EuUnthVO iVm §§ 36 ff AUG beantragt. Das AmtsG hat diesem Antrag entsprochen. Die Beschwerde des Antragsgegners hiergegen blieb erfolglos.

Die EuUnthVO sei nach Art. 75 Abs. 2 a) intertemporal anwendbar; der Vergleich entfalte auch über die Volljährigkeit des Antragstellers hinaus Wirkung. Ein zur Zeit der Minderjährigkeit errichteter Titel über die Zahlung von Kindesunterhalt erlösche nach polnischem Recht weder bei Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, noch zu einem sonstigen festen Zeitpunkt; die Unterhaltspflicht ende vielmehr erst dann, wenn das (volljährige) Kind imstande sei, selbständig zu leben. In dem Streitfall müsse durch ein Gericht festgestellt werden, dass dieser Zustand erreicht sei. Eine Titelumschreibung sei nicht erforderlich, denn Gläubiger des für vollstreckbar zu erklärenden polnischen Titels vom 18.03.2008 sei immer der Antragsteller gewesen; da er bei der Errichtung des Titels noch minderjährig gewesen sei, habe seine Mutter ihn lediglich gesetzlich vertreten. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Titel - wie etwa nach deutschem Recht gemäß § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB - von einem Elternteil in gesetzlicher Prozeßstandschaft im eigenen Namen für das Kind erstritten worden wäre. Das sei hier ersichtlich nicht der Fall.

Allerdings sei der Tenor der angefochtenen Entscheidung missglückt, da dort von einer »Antragstellerin« die Rede sei, die es in dem vorliegenden Verfahren nicht gebe; Antragsteller sei - wie insbesondere auch aus dem verfahrenseinleitenden Antrag beigefügten Formblatt nach Anhang II der EuUnthVO eindeutig hervorgehe - der unterhaltsberechtigte Sohn des Antragsgegners. Der Senat habe die deshalb erforderliche Klarstellung in dem Tenor seiner Entscheidung vorgenommen.

Hinweis

Grenzüberscheitende Unterhaltsvollstreckung ist ein erweitertes Alltagsgeschäft, allerdings mit manchen Besonderheiten im Detail.
Das OLG hat pragmatisch im Exequaturverfahren für sich die Kompetenz in Anspruch genommen, eine Klarstellung zu formulieren, und in dem Tenor seines Vollstreckbarerklärungsbeschlusses von dem Tenor der Ausgangsentscheidung abzuweichen. Das Exequatur ist eigener Vollstreckungstitel und eigene Entscheidung des Zweitstaates; es richtet sich daher allein nach dem Verfahrensrecht des Zweitstaates (Art. 41 Abs. 1 S. 1 EuUnthVO). Die Kompetenz zu der Klarstellung in dem Tenor des Exequaturs folgt aus §§ 113 Abs. 1 S. 2, 111 Nr. 8 FamFG iVm § 319 ZPO analog.
Das OLG hat sich zu dem Inhalt des polnischen Rechts mit substantiiertem und insoweit unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Antragstellers begnügt. Das Gericht darf, wenn die Parteien übereinstimmend den Inhalt des anzuwendenden ausländischen Rechts vortragen, in aller Regel diesen Vortrag als richtig zugrunde legen (BAGE 27, 99; OLG Düsseldorf OLGR 1994, 115). Dem steht es gleich, wenn eine Partei detailliert zu dem Inhalt des ausländischen Rechts vorgetragen hat (praktisch in aller Regel durch ein Parteigutachten), und die Gegenpartei nicht widerspricht (OLG München RIW 1997, 507), denn in einem adversatorischen und kontradiktorischen Streitverfahren widerstreiten die Interessen der Parteien einander. Jede Partei wird den Vortrag der anderen Partei zum ausländischen Recht aufmerksam kontrollieren und Widerspruch erheben, soweit jener Vortrag aus ihrer Sicht nicht stimmt. Kontroverser Parteivortrag zum ausländischen Recht intensiviert sodann die Ermittlungspflicht des Gerichts (BGHZ 118, 151 = NJW 1992, 2026; BGH NJW-RR 1997, 1154).


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Kindesunterhalt; Abänderung von durch Jugendamtsurkunden titulierten Unterhaltsverpflichtungen.

1. Eltern trifft gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht, die sie verpflichtet, alle verfügbaren Mittel mit den Kindern zu teilen. Daraus folgt, dass den/die Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Zumutbaren Obliegenheiten treffen, sich so zu verhalten, dass der Unterhaltsanspruch nicht zulasten des Berechtigten verändert wird; dazu gehört die Obliegenheit zur Ausnutzung von Steuervorteilen. Steuerlichen Manipulationen zum Nachteil des Berechtigten, zum Beispiel durch Unterlassung der Eintragung von Freibeträgen oder die Wahl einer den Berechtigten benachteiligenden Steuerklasse, kann dadurch entgegengewirkt werden, dass - fiktiv - höhere Einkünfte des Schuldners zugrunde gelegt werden, die sich bei einer für den Berechtigten günstigeren Steuerklasse ergeben. Gleiches gilt auch bei Unterlassen einer zeitnahen Abgabe der Steuererklärung.
2. Zur Sicherung des Mindestunterhalts von Kindern kann auch der Vermögensstamm einzusetzen sein.
3. Grundsätzlich können bei nicht in der Ehe angelegtem Wohnwert von Abzahlungsleistungen nur die Zinsen berücksichtigt werden. Auch wenn es sich bei den Tilgungsleistungen um grundsätzlich anzuerkennende Altersvorsorge in Höhe von höchstens 4% des Bruttoerwerbseinkommens handelt, können sie im Mangelfall den Kindern nicht entgegengehalten werden, denn Aufwendungen des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils für eine zusätzliche Altersversorgung sind unterhaltsrechtlich dann nicht berücksichtigungsfähig, wenn anderenfalls der Mindestunterhalt für minderjährige Kinder nicht aufgebracht werden kann.
4. Eine Herabgruppierung in der Düsseldorfer Tabelle kommt bereits dann nicht in Betracht, wenn lediglich Mindestunterhalt geschuldet wird.
5. Die Verpflegung eines Kindes während einiger Tage in dem Haushalt des umgangsberechtigten Unterhaltsschuldners führt nicht zu nennenswerten Ersparnissen auf Seiten des betreuenden Elternteils.
6. Die Ersparnis wegen gemeinsamer Haushaltsführung mindert auch den notwendigen Selbstbehalt mit 10%.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 8. Januar 2021 - 13 UF 92/18

Anmerkungen

Der Antragsteller erstrebt Abänderung der durch Jugendamtsurkunden titulierten Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen beiden 2010 und 2013 geborenen, bei ihrer Mutter, seiner geschiedenen Ehefrau, lebenden Kindern, den Antragsgegnerinnen. Tituliert ist der Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 100% des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes. Bei Errichtung der Urkunden verfügte der Antragsteller über ein auf Steuerklasse III basierendes Nettoeinkommen Höhe von 1.400 €; hinzu kamen Einnahmen aus der Verpachtung von Grünland- und Ackerflächen in Höhe von monatlich rund 100 €. Nach der Scheidung von der Mutter der Antragsgegnerinnen erwarb der Antragsteller im Jahre 2014 gemeinsam mit seiner jetzigen Ehefrau ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 50.000 €, wobei er sich gemeinsam mit seiner jetzigen Ehefrau verpflichtete, den nach Anzahlung verbliebenen Restkaufpreis von 40.000 € in monatlichen Raten von 500 € ab August 2014 an die Verkäuferin zu zahlen. Das Haus, das er mit seiner Frau und seinem im Jahre 2017 geborenen Sohn bewohnt, verfügt über eine Wohnfläche von 110 Quadratmetern. Die Pachtgrundstücke, die dem Antragsteller zu den Pachteinnahmen verholfen hatten, hat er verkauft.

Der Antragsteller hat behauptet, sein Einkommen sei seit Errichtung der Urkunden gesunken. Sein Einkommen sei infolge des dauerhaften Getrenntlebens von seiner früheren Ehefrau nicht mehr nach Steuerklasse III versteuert, sondern nach Steuerklasse IV, und seine Pachteinnahmen seien weggefallen. Die Reduktion seines Einkommens beruhe auf der Reduzierung der Mehrarbeitsstunden und der insoweit zu gewährenden Zuschläge. Bei der Bemessung der Höhe seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) müsse berücksichtigt werden, dass er sie aufgrund einer Umgangsvereinbarung seit 2016 in einem dem Wechselmodell nahekommenden Umgangsmodell betreue, namentlich an 10 Tagen monatlich; insoweit sei die Mutter der Antragstellerinnen von bestimmten finanziellen Belastungen freigestellt. Der Unterhaltsbetrag der Antragstellerin zu 1) sei daher um 40 € zu reduzieren. Seit der Geburt seines Sohnes sei er auch diesem gegenüber zum Unterhalt verpflichtet, zumal dessen Mutter, seine Ehefrau, nicht mehr über Erwerbseinkünfte verfüge.

Das AmtsG hat die Anträge als unzulässig und unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde blieb in der Sache ebenfalls erfolglos.

» Den hier in Rede stehenden Unterhaltstiteln lag eine Vereinbarung der Beteiligten zugrunde. Nach Auskunfterteilung durch den Antragsteller hat seinerzeit das Jugendamt den Unterhaltsanspruch der Antragstellerinnen errechnet, und der Antragsteller hat seine Pflichten entsprechend beurkunden lassen. Damit kommt eine Anpassung des Unterhaltstitels nach den durch § 313 BGB vorgegebenen Grundsätzen über das Fehlen, die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Hiernach ist eine freie Abänderung nicht möglich: Der abzuändernde Titel entfaltet für den Unterhaltspflichtigen eine Bindungswirkung mit der Massgabe, dass eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse unter Wahrung des der Errichtung des Titels zugrundeliegenden Willens der Beteiligten und der ihm entsprechenden Grundlagen der Unterhaltsbemessung zu erfolgen hat. «

Die Voraussetzungen für eine Anpassung der Unterhaltstitel lägen nicht vor: Der Antragsteller sei unter Berücksichtigung der veränderten Lebensumstände einerseits und der Wahrung der Grundlagen des Titels, dessen Abänderung er erstrebt, andererseits, zu Unterhaltszahlungen an die Antragsgegnerinnen in dem durch die Jugendamtsurkunden titulierten Umfang verpflichtet.

1. Auf die Versteuerung seiner Einkünfte nach Steuerklasse IV könne sich der Antragsteller nicht berufen.

» Zwar richtet sich der Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder grundsätzlich nach dem tatsächlichen Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten, da die Höhe des kindlichen Bedarfs sich aus der Lebensstellung der Eltern ableitet; dazu gehört aber auch der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil. Für die Eingruppierung nach der Düsseldorfer Tabelle ist deshalb grundsätzlich auch der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil bestimmend, also das durch Ehegattensplitting erhöhte Einkommen des Barunterhaltspflichtigen.

Gemäss § 1603 Abs. 2 BGB trifft den Antragsteller gegenüber seinen minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht, die ihn verpflichtet, alle verfügbaren Mittel mit den Kindern zu teilen. Dies hat zur Folge, dass den Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Zumutbaren Obliegenheiten treffen, sich so zu verhalten, dass der Unterhaltsanspruch nicht zulasten des Berechtigten verändert wird. Dazu gehört die Obliegenheit zur Ausnutzung von Steuervorteilen. Steuerlichen Manipulationen zum Nachteil des Berechtigten, zum Beispiel durch Unterlassung der Eintragung von Freibeträgen oder die Wahl einer den Berechtigten benachteiligenden Steuerklasse, kann dadurch entgegengewirkt werden, dass - fiktiv - höhere Einkünfte des Schuldners zugrunde gelegt werden, die sich bei einer für den Berechtigten günstigeren Steuerklasse ergeben. Gleiches gilt im Übrigen bei Unterlassen einer zeitnahen Abgabe der Steuererklärung. «

Nach diesem Maßstab sei das Bruttoeinkommen des Antragstellers - fiktiv - in Steuerklasse III zu versteuern: Seine Ehefrau sei nach seinen Angaben seit 2017 ohne Erwerbseinkommen; wirtschaftlich vernünftige Gründe, die für eine Versteuerung seines Einkommens nach Steuerklasse IV sprechen könnten, seien nicht vorgetragen, und auch nicht ersichtlich.

2. Soweit der Antragsteller vorgetragen habe, wöchentlich mehr als 48 Stunden zu arbeiten, sei festzustellen, dass seine Lohnabrechnungen für das Jahr 2017 abweichend hiervon noch eine wöchentliche Arbeitszeit von rund 39 Stunden ausweisen, was nicht einmal seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung entspreche; demnach sei dem Antragsteller ein Bruttolohn zuzurechnen, der nach dem Arbeitszeitgesetz der maximalen monatlichen Arbeitszeit von 192 Stunden entspricht.

3. Hinzuzurechnen ist ein Betrag von monatlich 108 €, den der Antragsteller bei Errichtung der Unterhaltstitel aus der Verpachtung seiner Grünland- und Ackerflächen erzielt habe. Tatsächlich flössen ihm diese Pachteinnahmen zwar nicht mehr zu; unterhaltsrechtlich sei er indes gehindert, dies den Antragsgegnerinnen entgegenzuhalten: Statt der Pachtflächen stehe dem Antragsteller nunmehr entsprechendes Geldvermögen zu, aus dem er vergleichbare Erträge wie zuvor aus den Pachtflächen ziehen könne. Zur Sicherung des Mindestunterhalts könne der Antragsteller auch den Vermögensstamm als Surrogat für die bei Urkundenerrichtung noch aus diesen Grundstücken erzielten Einkünfte einzusetzen.

4. Dem Antragsteller sei auch ein Wohnwert zuzurechnen. Die Wohnimmobilie stehe in seinem und seiner Frau Miteigentum; zurechenbar sei damit ein Wohnwert in Höhe der Hälfte der objektiven Marktmiete. Hausverbindlichkeiten seien nicht abzusetzen.

» Grundsätzlich können bei nicht in der Ehe angelegtem Wohnwert von Abzahlungsleistungen nur die Zinsen berücksichtigt werden. Auch wenn es sich bei den Tilgungsleistungen um grundsätzlich anzuerkennende Altersvorsorge in Höhe von höchstens 4% des Bruttoerwerbseinkommens handelt, kann der Antragsteller diese den Antragsgegnerinnen auch nicht in dieser Höhe entgegenhalten, denn Aufwendungen des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils für eine zusätzliche Altersversorgung sind unterhaltsrechtlich dann nicht berücksichtigungsfähig, wenn andernfalls der Mindestunterhalt für minderjährige Kinder nicht aufgebracht werden kann (BGH FamRZ 2013, 616 = FuR 2013, 274). «

5. Auch der erweiterte Umgang führe nicht zu einer Minderung des Unterhaltsbedarfs des betroffenen Kindes. Eine Herabgruppierung scheide bereits deshalb aus, weil nach dem abzuändernden Titel lediglich Mindestunterhalt geschuldet wird. Eine Minderung des nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelten Unterhaltsbedarfs komme nicht schon deshalb in Betracht, weil durch die Abwesenheit des Kindes während der Ausübung des Umgangsrechts in dem Haushalt des betreuenden Elternteils Aufwendungen für die Verpflegung des Kindes und gegebenenfalls Energie- und Wasserkosten gespart werden, die ansonsten aus dem Barunterhalt hätten bestritten werden müssen.

» In Bezug auf die Ausübung eines deutlich erweiterten Umgangsrechts vertritt der BGH (FamRZ 2014, 917 = FuR 2014, 419) die Ansicht, dass auch die Verpflegung des Kindes während einiger weiterer Tage in dem Haushalt des umgangsberechtigten Unterhaltsschuldners nicht zu nennenswerten Ersparnissen auf Seiten des betreuenden Elternteils führe. Hiervon abzuweichen gibt der vorliegende Fall dem Senat schon deshalb keine Veranlassung, weil der Antragsgegner nichts vorgetragen hat, was auf eine quantifizierbare Ersparnis auf Seiten der Kindesmutter hindeuten könnte, und er keinerlei Darlegungen zu etwaigen bedarfsdeckenden Aufwendungen gemacht hat, für die auch sonst nichts ersichtlich ist. «

6. Wegen der durch die gemeinsame Haushaltsführung mit seiner Ehefrau eintretenden Ersparnis um 10% sei der notwendige Selbstbehalt herabzusetzen (Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts). Ab dem Jahre 2021 könnten pauschale berufsbedingte Aufwendungen nicht mehr berücksichtigt werden (Nr. 10.2.1 Brb. UL), weil der Antragsteller seine berufsbedingten Aufwendungen nicht konkret dargelegt habe, und sich bei Berücksichtigung pauschaler berufsbedingter Aufwendungen ein Mangelfall ergäbe.


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Kindesunterhalt; gesteigerte Leistungspflicht; Verweisung auf Grosseltern als leistungsfähige Verwandte iSd § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB.

1. Ein Unterhaltsschuldner kann gegenüber dem Kind, dessen Unterhaltsanspruch gemäss § 7 UVG auf das Land übergegangen ist, gemäss § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB seinen angemessenen Selbstbehalt verteidigen, indem er auf die Unterhaltspflicht der Grosseltern verweist: Deren Ersatzhaftung tritt nicht erst dann ein, wenn die Eltern den notwendigen Selbstbehalt unterschreiten.
2. Auf die Frage, ob die Grosseltern mütterlicherseits neben den Grosseltern väterlicherseits als weitere leistungsfähige Verwandte im Sinne des § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB in Betracht kommen, kommt es nicht an, denn für den Ausschluss der erweiterten Unterhaltsverpflichtung nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB genügt es, wenn dieser mindestens einen anderen leistungsfähigen Unterhaltsverpflichteten im Sinne des § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nachweisen kann: Die Vorschrift formuliert eindeutig dahingehend, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht dann nicht eintritt, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden sei. Welche Grosseltern den Unterhalt leisten müssen, sei nicht zu klären.

OLG Dresden, Beschluß vom 8. Februar 2021 - 23 UF 474/20

Anmerkungen

Die Beteiligten streiten um rückständigen Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht. Der Antragsteller [Stadtjugendamt] hat für die beiden Kinder des Antragsgegners Unterhaltsvorschuss gezahlt, worüber der Antragsgegner in Kenntnis gesetzt worden war. Die Eltern des Antragsgegners verdienten in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum 3.473,09 € bzw. 2.248,87 € netto im Monat, hatten einen kurzen Arbeitsweg und keine Schulden.

Das FamG hat den Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt nebst Verzugszinsen und Mahnkosten verpflichtet. Der Antragsgegner habe nicht vorgetragen, dass dem betreuenden Elternteil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus Gründen des Kindeswohles nicht zumutbar sei; zudem hätte er das Einkommen sämtlicher Grosseltern, also auch das der Grosseltern mütterlicherseits, darlegen müssen, denn diese hafteten gleichrangig als Teilschuldner. Ansonsten sei zu der Ersatzhaftung der Grosseltern der Entscheidung des OLG Hamm vom 12.06.2003 (FamRZ 2005, 57) zu folgen.

Mit seiner Beschwerde hat sich der Antragsgegner unter anderem weiterhin auf die alleinige Ersatzhaftung der Grosseltern väterlicherseits, sowie darauf berufen, dass dem betreuenden Elternteil ein höherer Selbstbehalt als 1.300 € zugebilligt werden müsse. Das OLG hat die Beschwerde des Antragsgegners als zulässig und begründet erachtet: Der Antragsgegner sei über die erbrachten Unterhaltsleistungen hinaus nicht über den insoweit anwendbaren angemessenen Selbstbehalt hinaus für Kindesunterhalt leistungsfähig.

» Der Antragsgegner kann gegenüber dem Kind, dessen Unterhaltsanspruch gemäss § 7 UVG auf den Antragsteller übergegangen ist, gemäss § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB seinen angemessenen Selbstbehalt (gemäss Unterhaltsleitlinien 1.300 €) verteidigen, indem er auf die Unterhaltspflicht der Grosseltern väterlicherseits verweist. An dieser in dem Beschluss vom 29.01.2018 (23 UF 509/17 - n.v.) dargelegten Rechtsauffassung hält der Senat fest, denn nach dieser Regelung gilt die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nicht, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Dies sind hier die Grosseltern. Deren Ersatzhaftung tritt mithin nicht erst dann ein, wenn die Eltern den notwendigen Selbstbehalt unterschreiten.

Diese Auffassung entspricht einer im Vordringen befindlichen Literaturmeinung (vgl. zuletzt Gutdeutsch, FamRZ 2018, 5; so auch OLG München FamRZ 2013, 793; a.A. OLG Hamm FamRZ 2005, 57; Duderstadt, FamRZ 2018, 489). Die Grosseltern väterlicherseits könnten aufgrund ihres unstreitig vorhandenen Einkommens, das der darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegner im Übrigen nachgewiesen hätte, auch unter Berücksichtigung eines erhöhten Selbstbehalts (1.800 € wie beim Elternunterhalt) den Kindesunterhalt leisten.

Diese Auffassung hat zwar zum Ergebnis, dass die Grosseltern indirekt den eigenen Kindern trotz Ende der Unterhaltspflicht Unterhalt leisten, indem sie sie in Höhe der Differenz zwischen notwendigen und angemessenem Selbstbehalt entlasten. Gleichwohl ist der Gesetzeswortlaut eindeutig, auch wenn im Ergebnis mangels Möglichkeit des Regresses gegen die Grosseltern (§ 7 UVG, § 94 Abs. 1 S. 3 SGB XII) tatsächlich die öffentliche Hand an deren Stelle eintritt. Dass dies dem Gesetzgeber bei Erlass des UVG möglicherweise nicht bewusst war (BT-Dr. 8/2774 S. 13 zu der Anrechnung von Einkommen des Berechtigten), spielt angesichts dieses Umstandes keine Rolle. Zudem wäre sonst § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB sinnlos. Dass nach der Gesetzessystematik die Ersatzhaftung eng begrenzt werden sollte, kann dann nicht ausschlaggebend sein. «

Auf die Frage, ob die Grosseltern mütterlicherseits neben den Grosseltern väterlicherseits als weitere leistungsfähige Verwandte iSd § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB in Betracht kommen, komme es vorliegend nicht an, denn für den Ausschluss der erweiterten Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB genüge es, wenn dieser mindestens einen anderen leistungsfähigen Unterhaltsverpflichteten iSd § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nachweisen könne. Die Vorschrift formuliere eindeutig dahingehend, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht dann nicht eintritt, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden sei. Welche Grosseltern den Unterhalt leisten müssten, sei vorliegend, da sie nicht verklagt seien, nicht zu klären.

Auch darauf, ob die Mutter eine weitere leistungsfähige Verwandte wäre, komme es nicht an, denn der Antragsgegner wolle nicht auf sie verweisen. Erst bei einer Inanspruchnahme der Grosseltern selbst wäre zu prüfen, ob sie nicht vorrangig verpflichtet wäre. Im Übrigen wäre dies auch nicht der Fall, denn zwar solle für sie im Verhältnis zu den Grosseltern nicht § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB gelten, so dass die Betreuung von M. allein sie nicht entlaste. Jedenfalls sei aber die Mutter der Kinder selbst bei Zurechnung fiktiven Einkommens nicht leistungsfähig.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde (erneut) zugelassen, da die entscheidungserhebliche Auffassung des Senats zu der Ersatzhaftung der Grosseltern von dem OLG Hamm (FamRZ 2005, 57) nicht geteilt wird.

Hinweis
Das Verfahren ist beim BGH anhängig (XII ZB 123/21).


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Kindesunterhalt; Zession von Unterhaltsansprüchen des volljährig gewordenen Kindes.

1. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres eines Kindes enden die Verfahrensstandschaft und damit auch die Aktivlegitimation des antragstellenden Elternteils in Unterhaltsverfahren (§ 1629 Abs. 3 BGB).
2. Unterhaltsrechtliche Ansprüche sind nicht der Pfändung unterworfen, und können daher nicht abgetreten werden. Ein Abtretungsverbot ist im Wege der teleologischen Reduktion des § 400 BGB nicht anzunehmen, wenn der Zessionar seinerseits dem Zedenten die Leistungen erbringt, deren Erhalt das Pfändungsverbot sicherstellen will.
3. Tritt das volljährig gewordene Kind seine Unterhaltsansprüche an den früheren Verfahrensstandschafter ab, stehen § 400 BGB, § 850 Abs. 1 Nr. 2 ZPO der Wirksamkeit der Zession jedenfalls dann entgegen, wenn dieser nicht den Nachweis für eigene Unterhaltszahlungen in Höhe des von dem anderen Elternteil geschuldeten Unterhalts führt; die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung alleine reicht nicht aus.
4. Grundsätzlich besteht eine Vermutung dafür, dass ein Abtretungsempfänger den Barbedarf des Kindes in Höhe seines Unterhaltsanspruchs gedeckt hat, wenn das Kind bei ihm gelebt hat, und der Barbedarf nach der niedrigsten - ersten - Gruppe der Düsseldorfer Tabelle zu berechnen war.

OLG Köln, Beschluß vom 11. Februar 2021 - 14 UF 88/20

Anmerkungen

In einem im Jahre 2017 von dem Vater eines - damals in seinen Haushalt gewechselten - 15-jährigen Kindes eingeleiteten Unterhaltsverfahren gegen die von ihm getrennt lebende Mutter des Kindes hatte das FamG diese trotz bereits zuvor eingetretener Volljährigkeit des Kindes verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum Mai 2017 bis April 2020 rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von rund 16.000 € zu zahlen, und ab Mai 2020 laufenden Unterhalt in Höhe von 100% des Mindestbedarfs nach der 4. Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle, abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erster Kind, zuzüglich weiterer Kosten für die private Krankenversicherung.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das OLG die Leistungsanträge des Vaters zurückgewiesen. Soweit er Zahlung laufenden Unterhalts für seinen Sohn begehre, sei der Antrag unzulässig, weil die Verfahrensstandschaft mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes geendet habe, und der Antragsteller daher auch nicht mehr aktivlegitimiert sei (BGH FamRZ 2013, 1378 = FuR 2013, 651); dies schliesse auch die für die Vergangenheit geltend gemachten Unterhaltsrückstände ein.

Daran ändere auch die in zweiter Instanz von dem Kind erklärte Abtretung der Unterhaltsansprüche an den Antragsteller nichts: Die Zession sei nach § 400 BGB unwirksam; eine Forderung könne nicht abgetreten werden, soweit sie - wie hier die Unterhaltsforderung nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO - nicht der Pfändung unterworfen sei. Sinn dieser Vorschrift sei es, dem sozialpolitisch schutzbedürftigen Kind seine finanzielle Lebensgrundlage zu erhalten. Zwar sei in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass § 400 BGB im Wege der teleologischen Reduktion dann keine Anwendung finde, wenn der Zessionar seinerseits dem Zedenten die Leistungen erbringe, deren Erhalt das Pfändungsverbot sicherstellen will; auch spreche eine Vermutung dafür, dass der Antragsteiler den Barbedarf seines Kindes in Höhe seines Unterhaltsanspruchs gedeckt habe, da das Kind bei ihm gelebt habe, und der Barbedarf nur nach der niedrigsten Gruppe der Düsseldorfer Tabelle zu berechnen war. Diese Vermutung sei vorliegend jedoch aufgrund des Vortrags des Antragstellers entkräftet, er habe im Jahre 2016 30.000 € Schulden gehabt, die bis zum Jahre 2020 trotz eines von der Antragsgegnerin erhaltenen Vorschusses von 10.000 € auf »Restschulden« von 37.000 € angewachsen seien. Daher sei auch nicht davon auszugehen, dass er im Hinblick auf die Unterhaltsansprüche des Kindes in voller Höhe in Vorlage getreten sei, und dessen vollen Unterhalt durch eigene Leistungen sichergestellt habe.

Hinweis
Das Abtretungsverbot des § 400 BGB wird in der unterhaltsrechtlichen Spruchpraxis immer wieder im Zusammenhang mit der Beendigung der Verfahrensstandschaft des § 1629 Abs. 3 BGB erörtert. Unterhaltsansprüche sind nach § 400 BGB grundsätzlich nicht abtretungsfähig, da sie gemäss § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO unpfändbar sind. Allerdings ist § 400 BGB dann nicht anzuwenden, wenn der Zedent nicht schutzbedürftig ist, weil er von dem Zessionar eine seiner Forderung entsprechende wirtschaftlich gleichwertige Leistung erhalten hat, im Unterhaltsrecht also derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, mit der Leistung des Barunterhalts bereits in Vorlage getreten ist (BGHZ 197, 326 = FamRZ 2013, 1202 = FuR 2013, 533; OLG Bremen FamRZ 2002, 1189). Lebt das Kind längere Zeit bei dem Obhutselternteil, ohne finanzielle Leistungen von dritter Seite zu erhalten, spricht die Vermutung für eine Deckung auch des Barbedarfs durch diesen (OLG Bremen FamRZ 2002, 1189; zum familienrechtlichen Ausgleichsanspruch OLG Koblenz NJW-RR 1997, 1230; OLG Frankfurt FamRZ 2007, 909).

Es ist in solchen Fällen zu empfehlen, alternative Strategien in Betracht zu ziehen: Entweder macht das volljährig gewordene Kind von seinem Eintrittsrecht Gebrauch, und setzt das Verfahren nach gewillkürtem Beteiligtenwechsel in eigenem Namen fort (BGH FamRZ 2013, 1378 = FuR 2013, 651), oder der Antragsteller macht im Wege der sachdienlichen Antragsänderung einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Elternteil zumindest auf Zahlung des von ihm vorgelegten rückständigen Unterhalts geltend (BGH FamRZ 2017, 611 = FuR 2017, 327). Als dritte Möglichkeit bleibt nur die Erklärung der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache, um der (hier letztlich erfolgten) Zurückweisung des Antrages als unzulässig zu entgehen. Tritt das volljährige Kind nicht ein, kann der ursprüngliche Verfahrensstandschafter das gerichtliche Verfahren jedenfalls noch abwickeln, und sämtliche dafür erforderlichen Erklärungen in eigenem Namen abgeben.


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Elternunterhalt; Bedarf eines Unterhaltsgläubigers; Bemessung des zu zahlenden Unterhalts.

1. Als angemessener Unterhalt müssen auch bei bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen diejenigen Mittel angesehen werden, durch die das Existenzminimum der Eltern sichergestellt werden kann, und die demgemäss als Untergrenze des Bedarfs zu werten sind.
2. Ein unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf kann sich aus der Erforderlichkeit einer psychosozialen Betreuung und der Vornahme tatsächlicher Betreuungs- und Pflegeleistungen ergeben.
3. Werden Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff SGB XII bezogen, besteht ein ungedeckter unterhaltsrechtlicher Bedarf des Bedürftigen fort, so dass auch ein Unterhaltsanspruch des Elternteils gegen das Kind bis zu der Höhe der sonstigen Hilfen nach § 94 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger übergeht.

OLG Koblenz, Beschluß vom 12. August 2020 - 9 UF 119/20

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