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BGB § 1570 - Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes - FD-Logo-500

BGB § 1570 - Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes



BGB § 1570 - Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.






 


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Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus; Aufstockung auch fiktiver Einkünfte nach § 1573 Abs. 2 BGB; Berücksichtigung von Verbindlichkeiten; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts; Darlegung der ehebedingten Nachteile.

BGB §§ 1570, 1573, 1578b

1. Betreuungsunterhalt wird im Falle der Bedürftigkeit als Basisunterhalt ohne weitere Voraussetzungen nur für die ersten drei Lebensjahre des zu betreuenden Kindes gewährt; daran kann sich eine Verlängerung anschliessen, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht.
2. Der ein gemeinsames 10-jähriges Kind betreuende Elternteil hat nachzuweisen, dass in der Person des Kindes Gründe vorliegen, die einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf der Dreijahresfrist rechtfertigen können. Erforderlich ist eine substantiierte Darlegung, dass das Kind nicht ebenso gut betreut und versorgt werden könnte, wenn der Elternteil vollschichtig arbeiten würde.
3. Ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt voraus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, deren Einkünfte aber nicht zu seinem vollen, nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmenden Unterhaltsbedarf ausreichen.
4. Bei teilschichtiger Erwerbstätigkeit hat sich der Unterhalt begehrende Ehegatte grundsätzlich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel um eine angemessene vollschichtige Erwerbstätigkeit durch Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zu bemühen.
5. Eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit führt zur Anrechnung fiktiven Einkommens in Höhe eines realistischerweise erzielbaren Einkommens.
6. Bei der Bedarfsermittlung für den Ehegattenunterhalt sind grundsätzlich nur eheprägende Verbindlichkeiten abzusetzen.
7. Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs oder ein unbegrenzter Anspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Ehebedingte Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der von den Ehegatten praktizierten Rollenverteilung im Hinblick auf Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe oder der Ehedauer ergeben.
8. Die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die zu einer Begrenzung des nachehelichen Unterhalts führen können, trägt grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 11. August 2020 - 13 UF 192/19

Tenor
1. In dem Umfang der Beschwerderücknahme hat die Antragsgegnerin ihr Rechtsmittel der Beschwerde verloren.
2. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin, soweit sie noch weiterverfolgt wird, wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Nauen vom 27.08.2019 (20 F 76/18) in Ziffer 7. abgeändert.
Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung bis zum 31.05.2021 monatlich jeweils zum ersten Tag eines jeden Monats im voraus einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 135 € zu zahlen.
Der weitergehende Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts wird abgewiesen.
3. Im übrigen werden die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlußbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Nauen vom 27.08.2019 zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Antragsteller 1/10, und die Antragsgegnerin 9/10 zu tragen.
5. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 18.582 € festgesetzt.

Gründe

I. Aus der im Juni 2009 geschlossenen Ehe der Beteiligten ist ein im Dezember 2009 geborenes Kind hervorgegangen. Seit April 2017 leben die Beteiligten voneinander getrennt. Das gemeinsame Kind hat bis Ende 2019 im Wechselmodell gelebt; seit Januar 2020 befindet es sich bei der Antragsgegnerin.

Der Antragsgegner arbeitet vollschichtig als Beamter bei der Feuerwehr, was ihm in dem Zeitraum von März 2018 bis Februar 2019 ein Gesamtnettoeinkommen von 35.079 € eingebracht hat, darin enthalten ein Zuschlag wegen Mehrarbeit in Höhe von brutto 618,98 €, und eine Jubiläumszahlung in Höhe von brutto 350 €. Monatlich wendet er 245 € für die für ihn selbst und seine Tochter abgeschlossene Krankenversicherung, 10 € für eine Unfallversicherung der Tochter, sowie Raten in Höhe von 317 € zur Rückzahlung eines am 1. Februar 2018 auf 20.000 € aufgestockten Darlehens auf.

Die Antragstellerin ist bis zum 23. Juli 2009 als medizinisch-technische Assistentin mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich in dem Institut für Pathologie W. in Berlin angestellt gewesen. Nach Beschäftigungsverbot, Mutterschutz und Erziehungsurlaub im Hinblick auf die Geburt der gemeinsamen Tochter im Dezember 2009 hat sie diese Tätigkeit am 12. Februar 2011 in einem Arbeitszeitumfang von wöchentlich 30 Stunden wieder aufgenommen. Sie trägt vor, nur aufgrund ihres Erziehungsurlaubs habe sie nicht zur Laborleiterin mit einem Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden aufsteigen können. Inzwischen sei eine Aufstockung der Arbeitszeit auf 40 Stunden nicht mehr möglich, weil bei ihrem Arbeitgeber kein Bedarf an Mehrarbeit bestehe. Um vergleichbare Beschäftigungen an anderen Standorten habe sie sich bemüht; von einem Wechsel habe sie im Hinblick auf die Nachteile höherer Fahrzeiten und/oder Gehaltseinbußen abgesehen.

Die Antragsgegnerin hat in der Folgesache Ehegattenunterhalt beantragt, den Antragsteller zu verpflichten, an sie ab Rechtskraft der Scheidung monatlich jeweils zum ersten Tage eines jeden Monats einen nachehelichen Unterhalt von 461 € zu zahlen. Der Antragsteller hat in der Folgesache Ehegattenunterhalt beantragt, den Antrag der Antragsgegnerin zurückzuweisen. Das Amtsgericht - Familiengericht - Nauen hat die Beteiligten persönlich angehört, und durch den angefochtenen Beschluß, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug nimmt, die Ehe der Beteiligten geschieden, den Antragsteller zu der Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe von 103 € für die Dauer eines Jahres verpflichtet, und Entscheidungen in den Folgesachen Güterrecht und Versorgungsausgleich getroffen.

Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin einen höheren und unbefristeten nachehelichen Unterhalt; ihre zuerst auch gegen den Scheidungsausspruch gerichtete Beschwerde hat sie zurückgenommen.

Ihr bereinigtes Nettoeinkommen betrage 1.481 €. Ein fiktives Einkommen von weiteren 400 € dürfe ihr nicht angerechnet werden. Aus einer Teilzeitbeschäftigung könnte sie gerade einmal ein Nettoeinkommen von 200 € erzielen. Für zusätzliche Fahrten hätte sie wöchentlich einen Zeitaufwand von 15 Stunden für 10 Stunden Arbeitszeit. Dies sei unverhältnismäßig; sie benötige die Zeit für die Kinderbetreuung. Für Arbeitnehmerinnen ihrer Qualifikation stünden im weiteren Umkreis Berlins nur sehr wenige Vollzeitstellen zur Verfügung. Mehrere Bewerbungen hätten mit der Feststellung geendet, daß mit einem Wechsel in eine Vollzeitstelle hohe Gehaltsminderungen einhergegangen wären.

Sie habe ehebedingte Nachteile. Während ihres bis Februar 2011 in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubs sei das Labor an ihrem Arbeitsort verändert worden: Ein Teil des Labors sei zu einem selbständigen Teil umgestaltet worden. Die vormalige Laborleiterin sei die Leiterin dieses Teils geworden; ihre Stellvertreterin sei in ihre Position aufgerückt. Wäre sie nicht im Erziehungsurlaub gewesen, wäre vermutlich sie aufgrund ihrer Erfahrung in der Wahrnehmung der Aufgaben der stellvertretenden Laborleiterin und ihrer langjährigen Dienstzugehörigkeit in diese Position aufgerückt, was mit einer Arbeitszeitaufstockung auf wöchentlich 40 Stunden und einer Gehaltsverbesserung verbunden gewesen wäre. Allenfalls nach Ablauf von etwa fünf Jahren sei mit einem Aufrücken in eine leitende Funktion zu rechnen, die ihre ehebedingten Nachteile, die mit monatlich gut 800 € zu bewerten seien, ausgleichen könnte. Unangemessen kurz sei die Befristung des Unterhaltsanspruchs im Hinblick auf die Ehedauer von rund neun Jahren.

Bei der Bemessung der Unterhaltshöhe sei die private Krankenversicherung für die gemeinsame Tochter nicht abzugsfähig, weil der Antragsteller nicht nachgewiesen habe, daß sie nicht überflüssig sei. Der Antragsteller habe zudem Kreditverbindlichkeiten betreffend Zahlungen in Höhe von 317 € nicht nachgewiesen. Das Beweisangebot in Gestalt einer Ablichtung des Kreditvertrages sei kein Nachweis, insbesondere nicht für eine Ehe- oder Trennungsbedingtheit der Schuld. Der Kreditschuld von angeblich 25.999 € habe zudem ein Guthaben in Höhe von 7.536,99 € gegenübergestanden, so daß der Kredit zumindest in dieser Höhe gewiß nicht ehe- oder trennungsbedingt gewesen sei. Entsprechend sei auch von dem monatlich zu zahlenden Betrag von 317 € ein Drittel von vornherein nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Die Kreditaufnahme sei zudem leichtfertig; die Angaben zu der Verwendung der Kreditsumme würden bestritten. Die Anschaffung von Möbelstücken sei nicht erforderlich gewesen. Die Mietkaution hätte er aus der Rückzahlung einer anderen Mietkaution begleichen können. Die Finanzierung eines Pkw sei durch die berufsbedingten Aufwendungen abgegolten. Die - bestrittenen - Verfahrenskosten seien nicht abzugsfähig, weil sie üblicherweise für beide Beteiligten anfielen. Schließlich verstoße es gegen das Doppelverwertungsverbot, den Kredit sowohl in dem Güterrechtsverfahren als Vermögensposten, als auch in dem Unterhaltsverfahren als Verbindlichkeit zu berücksichtigen. Zudem erhalte der Antragsteller alljährlich für seine Tätigkeit als Animateur bzw. Betreuer und Leiter der »familienfreundlichen Wochen« des …-Sozialwerks in P. eine steuerfreie Vergütung in Höhe von 1.500 €.

Weil die nun in dem Haushalt der Antragsgegnerin lebende gemeinsame Tochter durch die Umstände der Trennung psychisch sehr belastet sei, und einen erhöhten Bedarf an persönlicher Nähe sowie an Rückzugsmöglichkeiten habe, könne sie ihre Erwerbstätigkeit nicht ausweiten.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluß des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2019 in Ziffer 7. dahingehend abzuändern, daß der Ehemann verpflichtet wird, an die Ehefrau ab Rechtskraft der Scheidung monatlich jeweils zum ersten Tage eines jeden Monats einen nachehelichen Unterhalt von 461 € zu zahlen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, und im Wege der Anschlußbeschwerde den Antrag auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2019 abzuweisen. Er trägt vor, im Jahre 2018 ein überdurchschnittliches Nettoeinkommen erzielt zu haben, weil zu den Monatsbezügen eine einmalige Zahlung von 350 € brutto aus Anlaß eines Dienstjubiläums und eine Einmalzahlung infolge einer Tariferhöhung in Höhe von 619 € brutto hinzu gekommen seien. Das Einkommen sei um monatlich 48 € netto zu reduzieren, so daß mit ca. 2.800 € zu rechnen sei.

Seit Januar 2020 zahlt der Antragsteller an die Antragsgegnerin monatlich Kindesunterhalt in Höhe von 344 €, weil das gemeinsame Kind der Beteiligten nicht mehr im Wechselmodell, sondern bei der Antragsgegnerin lebt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die in dem Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat entscheidet, seiner Ankündigung entsprechend, ohne erneute mündliche Erörterung. Die Beteiligten haben ihren Sachvortrag und ihre Rechtsansichten umfassend schriftsätzlich dargelegt; es ist nicht ersichtlich, daß eine mündliche Erörterung zu weiteren Erkenntnisfortschritten führen könnte.

II. Soweit die Antragsgegnerin ihre Beschwerde zurückgenommen hat, beruht die Entscheidung über den Verlust des Rechtsmittels auf § 117 Abs. 2 FamFG, § 516 Abs. 3 ZPO. Soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, ist die Beschwerde der Antragsgegnerin zulässig, und teilweise begründet.

1. Die Antragsgegnerin macht Unterhaltsansprüche aus § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB (Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes) geltend. Das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür hat sie nicht darzulegen vermocht.

Im nachehelichen Unterhaltsrecht wird Betreuungsunterhalt im Falle der Bedürftigkeit als Basisunterhalt ohne weitere Voraussetzungen nur für die ersten drei Lebensjahre des zu betreuenden Kindes gewährt. Daran kann sich eine Verlängerung anschließen, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht; Maßstab für eine Verlängerung sind in erster Linie kindbezogene Gründe (§ 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB). Eine Verlängerung kann im Rahmen der Billigkeit aber auch aus Gründen geltend gemacht werden, die ihre Rechtfertigung allein in der Ehe haben (§ 1570 Abs. 3 BGB). Maßgebend ist das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung. Dabei ist auch die Dauer der Ehe als Kriterium genannt (Grandel in Schnitzler, Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht 5. Aufl. § 8 Rdn. 22). Zu der Frage der Billigkeit einer Verlängerung des Anspruchs über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus ist eine umfassende Abwägung der Umstände vorzunehmen; dabei sind der Grundsatz der Eigenverantwortung des geschiedenen Ehegatten (§ 1569 S. 1 BGB) und die für beide Ehegatten geltende generelle Erwerbsobliegenheit (§ 1574 Abs. 1 BGB) zu berücksichtigen.

Die Antragsgegnerin macht kindbezogene Gründe geltend. Im Hinblick auf den Betreuungsbedarf des gemeinsamen 10-jährigen Kindes P. könne sie in einem Umfang von nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich arbeiten. Die Hausaufgaben des Kindes müßten täglich nachmittags nachkontrolliert werden; in mehreren Fächern sei zusätzliches Üben erforderlich. Eine vollschichtige Beschäftigung würde diese Tätigkeiten in die notwendigen Erholungszeiten des Kindes verlagern. Der Antragsteller hat indes bestritten, daß insbesondere nach den Umgangstagen bei ihm, an deren letztem das Kind bereits um 5 Uhr aufstehen müsse, um in den Hort gebracht zu werden, P. bei der Antragsgegnerin einen außergewöhnlichen Bedarf an persönlicher Zuwendung und Nähe aufweise, der der Antragsgegnerin neben den Hol- und Bringdiensten zu sportlichen Aktivitäten, der notwendigen Hausaufgabenbetreuung, und trotz bestehender außerfamiliärer Betreuungsmöglichkeiten eine vollschichtige Beschäftigung verbiete. Er hat dem entgegengehalten, die Antragsgegnerin arbeite im Umfang von wöchentlich 30 Stunden, seit das Kind zwei Jahre alt ist. Das Maß der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes habe sich seitdem verringert. Die Hausaufgaben müßten nicht besonders kontrolliert werden, schon gar nicht am frühen Nachmittag. Hol- und Bringdienste zu sportlichen Aktivitäten sei er zu organisieren bereit.

Die Antragsgegnerin hat nicht nachgewiesen, daß in der Person des Kindes Gründe vorliegen, die einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf der Drei-Jahresfrist des § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB rechtfertigen können. Sie hat nicht substantiiert dargelegt, daß das 10-jährige Mädchen nicht ebenso gut betreut und versorgt werden könnte, wenn die Antragsgegnerin wöchentlich zehn Stunden mehr arbeiten würde. Sie hat weder dargelegt, daß es außerfamiliäre Betreuungsmöglichkeiten, die Zeiten ihrer beruflichen Abwesenheit abdecken könnten, nicht gäbe, noch, daß die Inanspruchnahme solcher Betreuungsmöglichkeiten oder Dritter für Fahrdienste zu Trainings- und Sportveranstaltungen unzumutbar oder mit dem Wohle des Kindes nicht in Einklang zu bringen wäre.

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) hat die Antragsgegnerin indes dargelegt. Nach dieser Vorschrift kann der geschiedene Ehegatte, der in dem Zeitpunkt der Scheidung erwerbstätig ist, den Unterschiedsbetrag zwischen seinen tatsächlichen oder fiktiven Einkünften aus einer tatsächlich ausgeübten oder ihm möglichen angemessenen Erwerbstätigkeit und seinem vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB) verlangen, wenn seine eigenen Einkünfte zu der Deckung seines vollen Bedarfs nicht ausreichen (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 4 Rdn. 308). Der Anspruch setzt voraus, daß der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, deren Einkünfte aber nicht zu seinem vollen, nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmenden Unterhaltsbedarf ausreichen. § 1573 Abs. 2 BGB gilt auch dann, wenn der geschiedene Ehegatte unter Verletzung der Erwerbsobliegenheit keiner Erwerbstätigkeit oder nur mehr einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, und die ihm deshalb zuzurechnenden fiktiven Einkünfte nicht ausreichen, um seinen vollen eheangemessenen Unterhalt zu decken (Doering-Striening in Scholz/Kleffmann Teil H).

a) Bei einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit (wie vorliegend) hat der Berechtigte sich grundsätzlich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel um eine angemessene vollschichtige Erwerbstätigkeit durch Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zu bemühen; auch die Ausübung von zwei Teilzeitbeschäftigungen kann grundsätzlich eine angemessene Erwerbstätigkeit iSv § 1574 BGB sein (Wendl/Dose, aaO § 4 Rdn. 316, 317; Brudermüller in Palandt, BGB 79. Aufl. § 1573 Rdn. 7). Erforderlich ist eine intensive und zielgerichtete Arbeitssuche, die erkennen läßt, daß sich der Arbeitssuchende ernstlich und nachhaltig um die Erlangung einer einträglichen Erwerbstätigkeit bemüht (vgl. BGH FamRZ 2011, 1851 = FuR 2012, 85; Brudermüller, aaO).

Diesen Anforderungen werden die Erwerbsbemühungen der Antragsgegnerin, die zu einer einzigen Bewerbung in P. konkret vorträgt, nicht gerecht. Daß medizinisch-technische Assistentinnen mit einer der Qualifikation und Berufserfahrung wie die Antragsgegnerin in Berlin immer wieder von Arbeitgebern für Voll- und Teilzeitstellen gesucht werden, ist anhand einer einfachen Internetrecherche (vgl. https://de.indeed.com/Medizinisch-Technische-Assistent-Jobs-in-Berlin) leicht zu erfahren, so daß der Senat von dem Bestehen realistischer Erwerbschancen ausgeht. Folge dieser Verletzung der Erwerbsobliegenheit ist, daß der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen in Höhe eines realistischer Weise erzielbaren Einkommens anzurechnen ist (Wendl/Dose, aaO § 4 Rdn. 280), und daß sie in Höhe der erzielbaren Einkünfte nicht als bedürftig anzusehen ist (Senatsbeschluß NZFam 2014, 1004).

a) Für die Antragsgegnerin ist ein fiktives Einkommen in Höhe von 1.965,18 € zugrunde zu legen. Grundsätzlich obliegt es gemäß § 1569 BGB jedem Ehegatten, nach Rechtskraft der Scheidung selbst für seinen Unterhalt zu sorgen; nur wenn er dazu außerstande ist, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach §§ 1570 ff BGB. Diese Normen betonen die wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten nach der Scheidung und verdeutlichen, daß nach der Unterhaltsrechtsreform der Schwerpunkt des Unterhaltsrechts wieder auf die Funktion einer Hilfe bis zu dem Übergang in die wirtschaftliche Selbstständigkeit verlagert wird (vgl. Brudermüller, aaO § 1569 Rdn. 1).

Danach muß sich die Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit als medizinisch-technische Assistentin zurechnen lassen. Vollschichtige Beschäftigung ist ihr trotz der Betreuung des 10-jährigen Kindes zumutbar. Daß es hinreichende Betreuungsmöglichkeiten gibt, stellt sie nicht in Abrede. Hinsichtlich sportlicher Aktivitäten des Kindes hat sie die zwingende Notwendigkeit des persönlichen Bringens und Holens nicht dargelegt. Tatsachen, die Hinweise darauf bieten könnten, das Kind hätte einen noch darüber hinausgehenden außergewöhnlichen Bedarf nach persönlicher Zuwendung, der der Antragsgegnerin eine vollschichtige Beschäftigung zum Wohle des Kindes verbieten könnte, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Daß der Bedarf an Hausaufgabenbetreuung, unabdingbar notwendiger Begleitung zu Sport- oder Freizeitveranstaltungen, und Zeit für persönliche Nähe und Spiele bei vollschichtiger Tätigkeit nicht mehr erfüllt werden kann, hat der Antragsteller bestritten, und ist nicht konkret dargelegt oder ersichtlich.

Für Personen mit der Qualifikation der Antragsgegnerin bestehen in Berlin auch reale Erwerbschancen, etwa in Laboren (vgl. https://de.indeed.com/Medizinisch-Technische-Assistent-Jobs-in-Berlin). Der Antragsteller hat Bewerbungsversuche der Antragsgegnerin in Abrede gestellt. Ernsthafte Bemühungen um entsprechende Stellen hat die Antragsgegnerin mit Ausnahme einer einzigen Bewerbung nicht mit Substanz dargelegt. Bei der Berufserfahrung der Antragsgegnerin wäre bei vollschichtiger Beschäftigung ein monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen von 3.094 € ohne Sonderzahlungen (vgl. www.lohnspiegel.de, Gehaltscheck) erzielbar. Von diesem Bruttoeinkommen ausgehend ist bei Lohnsteuerklasse II und einem Kinderfreibetrag mit einem Nettoeinkommen von 2.068,61 € zu rechnen, abzüglich 5% pauschaler berufsbedingter Aufwendungen (103,43 €) also 1.965,18 €.

b) Maßgebend für den Bedarf des Unterhaltsberechtigten sind die ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB); heranzuziehen sind damit diejenigen Umstände, die für den Lebenszuschnitt der Eheleute prägend waren, auch wenn sie sich nach der Scheidung verändert haben (Gerhardt in Wendl/Dose, aaO § 4 Rdn. 413), also insbesondere das aktuelle Einkommen, das Vermögen und berücksichtigungswürdige Belastungen. Die ehelichen Lebensverhältnisse werden nur durch solche Einkünfte geprägt, die zu der Deckung des laufenden Lebensbedarfs zur Verfügung stehen, und dafür eingesetzt werden können (Gerhardt, aaO § 4 Rdn. 432).

In dem Zeitraum von März 2018 bis Februar 2019 hatte der Antragsteller ein monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen von 2.923,25 €; darin enthalten sind Bruttobezüge in Höhe von 618,98 € aufgrund einer Mehrarbeitsvergütung sowie in Höhe von 350 € aufgrund einer Jubiläumszahlung. Das für den nachehelichen Unterhalt, also für den Zeitraum ab Rechtskraft der Scheidung anzusetzende Einkommen des Antragsgegners bestimmt sich prognostisch danach, was er in dem in Rede stehenden Zeitraum - nach Rechtskraft der Scheidung - zu erwarten hat. Anhaltspunkte dafür, daß sich eine Jubiläumszahlung (350 €) in absehbarer Zeit wiederholen könnte, legt die Antragsgegnerin nicht dar; der Bruttobetrag von 350 € für die Jubiläumszahlung ist daher bei der Ermittlung des für den nachehelichen Unterhalt relevanten Einkommens abzuziehen. Zu der Ermittlung des sich danach ergebenden Nettoeinkommens hat der Senat zunächst das Gesamtnettoeinkommen von 35.079 € unter Zugrundelegung der Steuerdaten für 2018 zurückgerechnet (www.rechner.pro), und von dem so ermittelten Bruttobetrag von 44.892,58 € 350 € abgezogen. Aus dem verbleibenden Bruttobetrag von 44.542,58 € ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen von 34.862, 27 €, monatsdurchschnittlich damit 2.905,19 €.

Die Einmalzahlung von 618,98 € brutto im Dezember 2018 bezog sich auf geleistete Überstunden in dem tariflichen Übergang von der 48- zur 44-Stundenwoche. Überstunden zählen zu dem anrechenbaren Einkommen, wenn sie in geringem Umfang anfallen, oder wenn die abgeleisteten Überstunden das in dem Beruf übliche Maß nicht übersteigen (Doering-Striening, aaO Teil G Einkommensermittlung). Dies legt die Antragsgegnerin für die der hier in Rede stehenden Vergütung zugrunde liegenden Überstunden dar. Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, daß eine entsprechende Überstundenvergütung künftig nicht anfallen könne, weil ein »tariflicher Übergang auf die 44-Stundenwoche« stattgefunden habe, ergibt sich aus diesem Vortrag nicht, daß die Leistung und Vergütung von Überstunden für die Zukunft ausgeschlossen wäre.

Hinzu kommen die von der Antragsgegnerin dargelegten Einkünfte des Antragstellers aus seiner Nebentätigkeit in P. in Höhe von jährlich 1.500 €, also 125 € monatlich, die er nicht substantiiert bestritten hat.

Hat sich der Anspruchsteller substantiiert geäußert, so obliegt es dem Antragsgegner, zu den einzelnen Behauptungen gezielt Stellung zu nehmen (§ 138 Abs. 2 ZPO); pauschales Bestreiten genügt nicht, und hat die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge. Nur wenn dem Antragsgegner substantiiertes Bestreiten nicht möglich ist, er keine Kenntnis hat, und sich auch nicht zu verschaffen vermag, ist ihm einfaches Bestreiten erlaubt. Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Beteiligtenvorbringen diesen Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiierung, so ist weiterer Vortrag nicht erforderlich. Allein der Umstand, daß der Gegner den Sachverhalt bestreitet, zwingt die Partei ebenfalls nicht zu dem Vortrag weiterer Einzelheiten (vgl. Fritsche in MünchKomm, ZPO 6. Aufl. § 138 Rdn. 20).

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, der Antragsteller erziele Einkünfte in Höhe von 1.500 € jährlich aus seiner 30-tägigen Tätigkeit für das Sozialwerk im Rahmen der »familienfreundlichen Wochen« in P. Der Antragsteller hat sich darauf beschränkt diese Ausführungen pauschal zu bestreiten: Es bedürfe keiner vertieften Darlegung, weil sie beweislos seien. Dies genügt den oben dargestellten Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten nicht: Der Antragsteller hätte es ohne weiteres darlegen können, wenn er der entsprechenden Tätigkeit nicht (mehr) nachgehen, oder eine entsprechende Vergütung nicht erzielen würde. Aufgrund des pauschalen Bestreitens gilt der Vortrag der Antragsgegnerin insoweit als zugestanden (§ 113 Abs. 1 FamFG, § 138 ZPO).

Bei der Bedarfsermittlung für den Ehegattenunterhalt sind grundsätzlich nur eheprägende Verbindlichkeiten abzusetzen; bei dem Verwandtenunterhalt sowie bei Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles.

Die private Krankenversicherung für das Kind P. ist abzugsfähig. Die entsprechenden Beitragszahlungen durch den Antragsteller haben bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, eine private Mitversicherung, die regelmäßig noch andere Leistungen als die gesetzliche Krankenversicherung beinhaltet, gegen den Willen des mitsorgeberechtigten Unterhaltpflichtigen zu kündigen, ist auf der Grundlage des Beteiligtenvortrags nicht feststellbar. Die Prämie für die private Krankenversicherung gehört zu dem angemessenen Unterhalt des Kindes der Parteien nach § 1610 Abs. 1 BGB (OLG Koblenz NJW-RR 2010, 654). Nach dieser Vorschrift bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Minderjährige und in der Ausbildung befindliche Kinder leiten ihre Lebensstellung und damit ihren angemessenen Lebensbedarf von den Eltern ab (Brudermüller, aaO § 1610 Rdn. 3). Kosten für eine private Krankenversicherung sind in den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle grundsätzlich nicht enthalten, weil davon ausgegangen wird, daß das minderjährige Kind nach § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB in der gesetzlichen Familienversicherung gegen Krankheit mitversichert ist (OLG Koblenz NJW-RR 2010, 654). Nach der Lebensstellung des Kindes gehören die Kosten von ca. 34,23 € für die Krankenversicherung zu dem Mehrbedarf. P. war bereits vor der Trennung der Beteiligten privat krankenversichert, und der Antragsteller als barunterhaltspflichtiger Elternteil ist nach wie vor auf diese Art krankenversichert.

Soweit die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt, der Antragsteller habe ihr für Behandlungs- oder Arzneimittelkosten verauslagte Beträge nicht erstattet, führt das nicht zu einer anderen Bewertung, denn die Antragsgegnerin hätte nach ihrem Vortrag auf die Erstattung einen Anspruch gehabt, den sie auch hätte durchsetzen können.

Die mit 317 € monatlich bezifferte Kreditbelastung ist nicht zu berücksichtigen. Allein der Umstand einer Kreditaufnahme während der Ehe genügt für sich betrachtet nicht, um die Bedienung der daraus resultierenden Verbindlichkeiten jedenfalls einkommensmindernd in die Unterhaltsberechnung einzustellen: Bei der Bedarfsermittlung des Ehegattenunterhalts sind nämlich nur berücksichtigungswürdige Schulden einzustellen, also solche, die vor der Trennung mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des anderen Ehepartners begründet wurden, oder die nach der Trennung einseitig wegen unumgänglicher Kosten/Anschaffungen eingegangen worden sind (OLG Brandenburg FamFR 2012, 441).

Darlehenslasten, die nach der Trennung der Ehegatten ohne Kenntnis des anderen Ehegatten und ohne erkennbare Notwendigkeit aufgestockt werden, können im Rahmen der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt werden (OLG Brandenburg FamFR 2012, 441). Durch eine Umschuldung nach der Trennung verlieren Verbindlichkeiten noch nicht ihre Berechtigung als berücksichtigungsfähige Verbindlichkeit. Bei einer Aufstockung des Darlehensvolumens bei einer Umschuldung sind die Beträge in Höhe der noch nicht getilgten ehebedingten Verbindlichkeiten weiter zu berücksichtigen: Die übersteigenden Beträge können nur dann Berücksichtigung finden, wenn dargelegt wird, daß sie unumgänglich und nicht leichtfertig aufgenommen wurden, und keine anderweitigen Mittel zur Abzahlung vorlagen (Heiß/Born, Schulden Rdn. 500, beck-online).

Der Antragsteller hat nicht dargelegt, daß die Aufstockung der Kreditverbindlichkeit nach der Trennung unumgänglich gewesen wäre. Soweit die Darlehensverpflichtung bereits vor der Trennung in Höhe von 5.041,77 € bestanden hat - die nach der Trennung erfolgte Umschuldung durch den Antragsgegner ging mit einer zur Notwendigkeit nicht konkret untermauerten Aufstockung des Darlehens um rund 20.000 € einher -, ist diese unstreitig einseitig begründet worden. Der Antragsteller gibt an, hiervon die Unterdeckung seines Kontos von in dem Zeitpunkt der Darlehensaufnahme bzw. -aufstockung 6.528 €, die diejenige in dem Trennungszeitpunkt um ca. 2.000 € überstieg, zurückgeführt zu haben, Honorar an seinen Verfahrensbevollmächtigten in Höhe von 2.900 € gezahlt, die Zimmereinrichtung für das gemeinsame Kind mit 700 € angeschafft, eine Erstattung an die Kindergeldkasse mit 1.152 € geleistet, und allgemein mit ca. 1.000 € konsumiert zu haben, und nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages die Kaution für eine neue Wohnung mit 1.490 € sowie Abstand und Anschaffungen für die neue Wohnung mit 2.000 € geleistet, sowie ein gebrauchtes Kraftfahrzeug mit 2.300 € angeschafft, und mit weiteren 1.200 € repariert zu haben.

Die Antragsgegnerin hat alle behaupteten Ausgaben bestritten, sowie die unabweisbare Notwendigkeit der Ausgaben und die Notwendigkeit, zu der Begleichung der entsprechenden Aufwendungen eine Darlehensverbindlichkeit einzugehen. Sie trägt vor, der Antragsteller hätte die in ausreichender Zahl vorhandenen Möbel verwenden können; er habe sogar trotz Aufforderung Möbelstücke aus ihrem Kleingarten nicht abgeholt. Die Mietkaution hätte er aus der rückerstatteten Mietkaution für die frühere(n) Wohnung(en) bezahlen können. Diesem Vortrag ist der Antragsteller nicht, auch nicht mit Beweisangeboten, entgegengetreten.

Im Hinblick auf Aufwendungen für »allg. Konsum/diverses« hat der Antragsteller nichts zu der Notwendigkeit der entsprechenden Ausgaben dargelegt. Nach den oben dargestellten Maßstäben kann die Verbindlichkeit von 317 € bei der Bedarfsermittlung deshalb insgesamt nicht berücksichtigt werden: Bei der gegebenen Sachlage ist es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar, solche Ausgaben im Rahmen der Bedarfsermittlung in Rechnung zu stellen (vgl. zum Ganzen Wendl/Dose, aaO 8. Aufl. § 1 Rdn. 1082 ff mwN). Der Antragsteller kann der Antragsgegnerin auch keine Kreditraten in geringerer Höhe entgegenhalten: Die bis zu der Trennung (15. April 2017) bestehenden Schulden von 5.041,77 € hätte er bei Zahlung entsprechender Raten mittlerweile vollständig getilgt.

Bei der Bedarfsermittlung ist somit von folgender Einkommenssituation des Antragstellers auszugehen:

Einkommen des Antragstellers

 

Nettobezüge

2.905,19 €

Nebentätigkeit

125,00 €

./. berufsbedingte Aufwendungen (5%)

151,51 €

./. private Krankenversicherung

245,35 €

./. Unfallversicherung für das Kind

10,00 €

./. Kindesunterhalt

344,00 €

 

2.279,33 €

c) Der Unterhaltsanspruch berechnet sich danach folgendermaßen:

Einkommen des Antragstellers

2.279,33 €

./. Erwerbstätigenbonus (1/7)

325,62 €

Zwischenergebnis

1.953,71 €

Einkommen der Antragsgegnerin

1.965,18 €

./. Erwerbstätigenbonus (1/7)

280,74 €

Zwischenergebnis:

1.684,44 €

gemeinsamer Bedarf

3.638,15 €

Bedarf der Antragsgegnerin

1.819,08 €

./. eigenes Einkommen

1.684,44 €

Anspruch

134,64 €

also rund 135 € (vgl. Nr. 25 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg).

3. Nach § 1578b Abs. 1 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs oder ein unbegrenzter Anspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder ob eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Ein ehebedingter Nachteil des Unterhaltsberechtigten ist nur dann gegeben, wenn er konkret aufgrund der Ehe berufliche Einschränkungen erlitten hat, und daher durch eigene Erwerbstätigkeit nicht das Einkommen erzielen kann, daß er ohne Ehe erzielen könnte (BGH FamRZ 2012, 197 = FuR 2012, 131; OLG Köln FuR 2017, 221). Ehebedingte Nachteile in diesem Sinne können sich nach § 1578b Abs. 1 S. 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der von den Ehegatten praktizierten Rollenverteilung im Hinblick auf Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe oder der Ehedauer ergeben. Liegen ehebedingte Nachteile vor, steht dieser Umstand einer Begrenzung oder Befristung von Unterhaltsansprüchen grundsätzlich entgegen (BGH FamRZ 2015, 824 = FuR 2015, 352; OLG Hamm FamRZ 2017, 1306).

Die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die zu einer Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhalts führen können, trägt grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete, weil § 1578b BGB als Ausnahmetatbestand konzipiert ist. Hat der Unterhaltspflichtige allerdings Tatsachen vorgetragen, die - wie zum Beispiel die Aufnahme einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem von dem Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf oder die Möglichkeit dazu - einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nahelegen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere »Schonfrist« sprechen (BGH FamRZ 2008, 134 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 32; 2008, 1325 = FuR 2008, 401 = EzFamR BGB § 1579 Nr. 50). Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus seiner ausgeübten oder der ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit wenigstens die Einkünfte aus einer ehebedingt aufgegebenen Erwerbstätigkeit erreichen; nur dann trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß gleichwohl ehebedingte Nachteile vorliegen, etwa weil mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehezeit Einbußen im beruflichen Fortkommen verbunden waren. Bleibt das jetzt erzielte oder erzielbare Einkommen jedoch hinter dem Einkommen aus der früher ausgeübten Tätigkeit zurück, weil eine Wiederaufnahme der früheren Erwerbstätigkeit nach längerer Unterbrechung nicht mehr möglich ist, bleibt es insoweit bei einem ehebedingten Nachteil, den der Unterhaltsschuldner widerlegen muß (BGH FamRZ 2009, 1990 = FuR 2010, 96).

Gemessen an diesen Grundsätzen lassen sich den Darlegungen der Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile entnehmen. Der Antragsteller hat vorgetragen, daß die Antragsgegnerin wieder in ihrem erlernten Beruf zu einer üblichen Vergütung beschäftigt ist, und noch mit einem höheren Arbeitskraftanteil beschäftigt sein könnte. Daß die Antragsgegnerin ohne die familienbedingte Erwerbseinschränkung eine leitende Position erreicht hätte, hat er bestritten.

Die Antragsgegnerin hat dem im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. Wendl/Dose, aaO § 4 Rdn. 1093 f) nichts von Substanz entgegengehalten. Daß mit der ca. anderthalb Jahre währenden Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit während der Ehezeit Einbußen in ihrem beruflichen Fortkommen verbunden waren, hat sie nicht substantiiert vorgetragen. Der Unterhaltsberechtigte, der sich auf ehebedingte Nachteile beruft, muß substantiiert den Vortrag des fehlenden ehebedingten Nachteils bestreiten und konkret darlegen, daß und welchen ehebedingten Nachteil er erlitten hat. Dazu gehört regelmäßig der Vortrag der hypothetischen beruflichen Entwicklung ohne die Ehe mit der praktizierten Rollenverteilung. Ausgangspunkt und Maßstab der Prüfung sind regelmäßig die berufliche Ausbildung bzw. die erlernten beruflichen Fähigkeiten im Zeitpunkt der Eheschließung.

Mangels abweichenden Vortrags des Berechtigten ist ein Normalverlauf des Berufslebens ohne besondere berufliche Entwicklungen zugrunde zu legen. Arbeitet der Berechtigte wieder in seinem erlernten Beruf zu der üblichen Bezahlung, will er aber einen hypothetischen beruflichen Aufstieg geltend machen, hat er konkret diejenigen Umstände darzulegen, aus denen sich die verpaßten Aufstiegsmöglichkeiten ergeben sollen. Dabei hat er insbesondere seine Fähigkeiten, seine besonderen Talente und Neigungen, auch seine Bereitschaft zum Erwerb von Zusatzqualifikationen bzw. Fortbildungsbereitschaft darzulegen, seine berufliche Entwicklung vor der Ehe, die Aufschluß über seine Leistungsbereitschaft und gegebenenfalls frühe Erfolge geben kann, die er ohne die Ehe bei durchgehender Beschäftigung erworben hätte (BGH FamRZ 2011, 1377 = NJW 2011, 2969). Er muß darlegen, welche Karriereschritte dadurch wahrscheinlich gewesen wären (BGH FamRZ 2010, 2059 = FuR 2011, 100), sowie die Umstände, derentwegen eine solche berufliche Weiterentwicklung in der Ehe nicht möglich war (BGH FamRZ 2008, 1325 = FuR 2008, 401 = EzFamR BGB § 1579 Nr. 50). Führt der Vortrag dazu, daß die behauptete Entwicklung nur als möglich anzusehen ist, hat der Berechtigte seine Darlegungslast nicht erfüllt (BGH FamRZ 2010, 875 = FuR 2010, 398).

So aber liegt der Fall hier. Mehr als die bloße Möglichkeit des Aufstiegs in eine leitende Position hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Sie beruft sich auf einen Aufstieg in »eine leitende Position«, die ihr »ein deutlich höheres Einkommen« ermöglicht hätte, was sich zumindest »aus anderen vergleichbaren Laufbahnen ableiten« lasse. Vor der Geburt ihres Kindes ist sie als medizinisch-technische Assistentin mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich in dem Institut für Pathologie in B. angestellt gewesen. Seit dem Ende der Erziehungszeit arbeitet sie wöchentlich 30 Stunden. Sie hat vorgetragen, daß sie im Zuge der während ihres Erziehungsurlaubs vollzogenen Umstrukturierung ihres Labors »vermutlich in diese Position« der stellvertretenden Laborleiterin eingerückt wäre. Ohne Erziehungsurlaub wäre sie als langjährig erfahrene Mitarbeiterin mit Zusatzqualifikation in der Histologie und Histopathologie zum Zuge gekommen. Mit diesem Aufstieg wären sowohl die Ausweitung ihrer Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche als auch eine Gehaltsverbesserung verbunden gewesen; so aber sei eine andere Mitarbeiterin für diese Position eingestellt worden.

Der Antragsteller hat dies bestritten: Die Antragsgegnerin sei in dem Zeitpunkt der Aufgabe ihrer Tätigkeit infolge einer Rückstufung nicht mehr als stellvertretende Laborleiterin tätig gewesen; auch ohne Erziehungsurlaub wäre sie nicht in eine höhere berufliche Position aufgerückt, und hätte auch kein entsprechend höheres Einkommen erzielt.

Trotz des Hinweises des Antragstellers (Schriftsatz vom 14. August 2019) hat die Antragsgegnerin weder das Anforderungsprofil für die konkrete Stelle als Laborleiterin, für die sie meint, im Falle ihrer Berufstätigkeit die aussichtsreichste Kandidatin gewesen zu sein, dargelegt, noch daß ihre Qualifikation diesem Profil entsprochen hätte; zudem fehlen Darlegungen dazu, welche Qualifikation sie derjenigen Person, die für die Stelle als Laborleiterin eingestellt worden ist, vorausgehabt haben will. Soweit sie sich auf Berufserfahrung beruft, legt sie nicht dar, daß die Stelle durch eine Kollegin besetzt werden sei, die über eine geringere Erfahrung verfügt hat. Soweit sie überdies mitteilt, der Aufstieg in die Position der Laborleiterin wäre mit einer Aufstockung der Arbeitszeit auf wöchentlich 40 Stunden einhergegangen, legt sie nicht dar, wie sie dieser Anforderung hätte gerecht werden wollen, da sie sich zugleich darauf beruft, zum Wohle des gemeinsamen Kindes gerade nicht mehr als 30 Stunden arbeiten zu wollen. Mangels substantiierter Darlegung eines ehebedingten Nachteils war dem Beweisangebot der Antragsgegnerin nicht nachzugehen.

Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende Billigkeitsabwägung beschränkt sich allerdings nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern hat darüber hinaus die von dem Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Dies gilt auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB. Bei der Bestimmung des Maßes der im Einzelfall gebotenen nachehelichen Solidarität sind vor allem die in § 1578b BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2011, 713 = FuR 2011, 408). Dies führt im Ergebnis zu der in der Beschlußformel ausgesprochenen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs.

Wesentliche Aspekte im Rahmen der Billigkeitsabwägung sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die von dem Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Zudem sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten von Bedeutung (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2020, 949).

In dem vorliegenden Fall ist zugunsten der Antragsgegnerin die Ehedauer bis zu der Zustellung des Scheidungsantrages von nahezu neun Jahren zu berücksichtigen, in der die Antragsgegnerin während der 14-monatigen Elternzeit das gemeinsame Kind betreut hat.

Zugunsten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, daß durch die Rollenverteilung in der Ehe keine erhebliche wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Ehegatten eingetreten ist; die Antragsgegnerin ist vielmehr nachehelich in der Lage, an ihren vorehelichen Lebensstandard anzuknüpfen. Bei dieser Sachlage gebietet die nacheheliche Solidarität lediglich eine zeitlich begrenzte Sicherstellung eines an den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhalts. Es erscheint nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles daher billig, den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin bis Ende Mai 2021 zu begrenzen, da das Band der nachehelichen Solidarität mit zunehmender Distanz zu der Ehe eine immer weniger tragfähige Grundlage für den Unterhaltsanspruch bietet (vgl. OLG Karlsruhe aaO)

III. Die gemäß §§ 66, 117 Abs. 2 FamFG, § 524 Abs. 2 S. 3 ZPO zulässige Anschlußbeschwerde des Antragstellers ist nach dem vorstehend Dargelegten unbegründet.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 150 Abs. 1 und 4, 113 Abs. 1 FamFG, § 516 Abs. 3 ZPO (Keske in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG 5. Aufl. § 150 Rdn. 13 mwN), wobei sich der Senat an dem Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen orientiert.

Die Entscheidung zu dem Verfahrenswert beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1, 43, 51 Abs. 1 FamGKG. Das Interesse der Antragsgegnerin an der Aufhebung des Scheidungsbeschlusses bemißt der Senat mit 13.050 € (§ 43 FamGKG), den Wert der Folgesache Ehegattenunterhalt mit (12 x 461 € =) 5.532 €.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Anmerkungen

Die in 30 Stunden Teilzeit tätige, die 10-jährige Tochter der Beteiligten betreuende Ehefrau hat nachehelichen Unterhalt geltend gemacht, gestützt auf 1570 und § 1573 BGB. Das OLG hat einen Anspruch auf verlängerten Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB verneint, da die Ehefrau nicht nachgewiesen habe, dass in der Person des Kindes Gründe vorliegen, die einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf der Drei-Jahresfrist des § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB rechtfertigen können: Sie habe nicht substantiiert dargelegt, dass sie das 10-jährige Mädchen nicht ebenso gut betreuen und versorgen könne, wenn sie wöchentlich 10 Stunden mehr arbeiten würde. Sie habe allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) dargelegt, müsse sich jedoch ein fiktives Einkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit bei zumutbarer Ausweitung ihres erlernten Berufs einer medizinisch-technischen Assistentin zurechnen lassen, die ihr trotz der Betreuung des 10-jährigen Kindes zumutbar sei. Die Einwendungen, dass sie wegen der Erziehung des Kindes und wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt keine Ganztagsbeschäftigung aufnehmen könne, hat der Senat nicht für durchgreifend erachtet.

Das OLG hat diesen Unterhalt jedoch nach § 1578b BGB ab Rechtskraft der Scheidung bis zum 31.05.2021 befristet; es hat ehebedingte Nachteile, insbesondere hinsichtlich der Erwerbsmöglichkeiten der Antragsgegnerin, und wegen Umständen, die aufgrund der nachehelichen Solidarität eine längere Übergangsfrist geboten erscheinen liessen, verneint. Die Antragsgegnerin konnte mit ihrem Vortrag nicht durchdringen, dass sie durch Ehe und Kindeserziehung Karrierenachteile erlitten habe. Die in § 1578b BGB als Ausnahme konzipierte Befristung des Unterhaltsanspruchs von der Regel des vollen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 BGB sei in der Praxis die Regel; die Länge der Übergangsfrist sei nach Billigkeit im Einzelfall zu bestimmen. Der Unterhaltsberechtigte, der sich auf ehebedingte Nachteile berufe, müsse konkret darlegen, dass und welchen ehebedingten Nachteil er erlitten hat; dazu gehöre regelmässig der Vortrag der hypothetischen beruflichen Entwicklung ohne die Ehe mit der praktizierten Rollenverteilung. Ausgangspunkt und Maßstab der Prüfung sei regelmässig die berufliche Ausbildung bzw. die erlernten beruflichen Fähigkeiten im Zeitpunkt der Eheschliessung.

Der Senat hat diese Frist relativ kurz bemessen. Hinsichtlich der nachehelichen Solidarität seien im Rahmen der Billigkeitsabwägung neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die von dem Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten von Bedeutung. Vorliegend hat das OLG zu Gunsten der Ehefrau die Ehedauer bis zur Zustellung des Scheidungsantrages von nahezu neun Jahren berücksichtigt, in der sie während der 14-monatigen Elternzeit das gemeinsame Kind betreut hat. Allerdings sei durch die Rollenverteilung in der Ehe keine erhebliche wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Ehegatten eingetreten; die Antragstellerin sei vielmehr nachehelich in der Lage, an ihren vorehelichen Lebensstandard anzuknüpfen. Bei dieser Sachlage gebiete die nacheheliche Solidarität lediglich eine zeitlich begrenzte Sicherstellung eines an den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhalts, da das Band der nachehelichen Solidarität mit zunehmender Distanz zur Ehe eine immer weniger tragfähige Grundlage für den Unterhaltsanspruch biete.

Das OLG hat weiter klargestellt, dass nach substantiiertem Sachvortrag pauschales Bestreiten nicht genüge, und die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge habe. Nur wenn dem Gegner ein substantiiertes Bestreiten nicht möglich sei, er keine Kenntnis habe, und sich diese auch nicht zu verschaffen vermöge, sei ihm einfaches Bestreiten erlaubt. Allein der Umstand, dass der Gegner den Sachverhalt bestreitet, zwinge die Partei ebenfalls nicht zum Vortrag weiterer Einzelheiten.

OLG Brandenburg 2020-08-11 - 13 UF 192/19
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Unterhalt bei Teilerwerbstätigkeit wegen Betreuung des gemeinsamen Kindes; Darlegung kindbezogener Gründe; Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes; Betreuung und Erziehung des Kindes als überobligationsmäßige Belastung; weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend; Zuwendung, Pflege und Erziehung bei einem erkrankten Kind; zusammengesetzte Anspruchsgrundlage bei Teilerwerbstätigkeit; Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit; Corona-Soforthilfe und Einkommensrückgang durch Corona.

BGB §§ 1570, 1573, 1578, 1581; FamFG §§ 145, 150

1. An die Darlegung kindbezogener Gründe sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine überzogenen Anforderungen zu stellen
2. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB kann sich der betreuende Elternteil allerdings nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht, oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte. Steht der Umfang einer - möglichen - anderweitigen Kinderbetreuung fest, ist zu berücksichtigen, wie eine ausgeübte oder mögliche Erwerbstätigkeit mit den Zeiten der Kinderbetreuung (einschließlich der Fahrzeiten) vereinbar ist, und in welchem Umfang dem Unterhaltsberechtigten in dem dadurch vorgegebenen zeitlichen Rahmen eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils schließlich - teilweise - entgegenstehen, daß die von ihm daneben zu leistende Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, daß am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend regelmäßig weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu erbringen sind, die je nach dem individuellen Betreuungsbedarf des Kindes oder der Kinder in unterschiedlichem Umfang anfallen können.
3. Die Betreuung eines Kindes beschränkt sich nicht auf das Beaufsichtigen, sondern erfaßt auch die Zuwendung, Pflege und Erziehung; sie ist insbesondere dann persönlich zu erbringen, wenn das Kind erkrankt ist, was gerade in dem vorliegenden Fall häufiger als üblich der Fall ist.
4. Ist der geschiedene Ehegatte durch die Betreuung des Kindes nicht an einer Teilzeiterwerbstätigkeit gehindert, dann beruht der Anspruch nur insoweit auf § 1570 BGB, als er durch die Kinderbetreuung an der Erwerbstätigkeit gehindert ist: § 1570 BGB gewährt nur einen Anspruch in dem Umfang der verbleibenden Freistellung von der Erwerbsobliegenheit, also bis zur Höhe des Mehreinkommens, das bei voller Erwerbstätigkeit zu erzielen wäre. Reicht der Eigenverdienst zusammen mit dem Teilanspruch aus § 1570 BGB zur Deckung des eheangemessenen Bedarfs (§ 1578 BGB) nicht aus, so besteht hinsichtlich des ungedeckten Restbedarfs ein ergänzender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB. Insoweit richtet sich der Bedarf gemäß § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen; hierzu ist mit dem Stichtag der Rechtskraft der Scheidung das eheprägende Einkommen zu berücksichtigen.
5. Die sogenannte Corona-Soforthilfe dient als zweckgebundene Leistung der Überbrückung von Liquiditätsengpässen des Betriebes; sie steht deshalb nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung, und kann daher den eheangemessenen Lebensbedarf nicht bestimmen.
6. Bei der Ermittlung des laufenden Unterhalts sind kurzfristige Einkommensrückgänge aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht schon bei der Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs, sondern erst auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.
7. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie waren nicht vorhersehbar; deshalb konnte und mußte der Unterhaltsschuldner keine Vorkehrungen treffen. Es kann von ihm auch nicht verlangt werden, unmittelbar seine selbständige Tätigkeit aufzugeben.
8. Ob und wann mit einem Wiederaufleben der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gerechnet werden kann, ist nicht hinreichend sicher prognostizierbar; die Erfassung künftiger Einkommensverbesserungen ist einem Abänderungsverfahren vorzubehalten.

OLG Frankfurt, Beschluß vom 26. April 2021 - 8 UF 28/20

Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 15.01.2020 wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hanau vom 25.09.2018 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - in Ziffer 3. wie folgt abgeändert und neu gefaßt:
Der Antragsteller wird verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung bis einschließlich Dezember 2020 an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 413 € zu zahlen, abzüglich am 30.03.2020 gezahlter 565 €.
2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Beschwerdewert wird auf 6.780 € festgesetzt.

Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Anschluß an ein erstinstanzliches Scheidungsverbundverfahren allein noch um die Folgesache nachehelicher Unterhalt. Parallel wurde zu dem Trennungsunterhalt das Verfahren … geführt, das antragsgemäß beigezogen worden ist. Die Beteiligten sind deutsche Staatsangehörige; sie haben im Jahre 2015 geheiratet. Im Jahre 2016 wurde das gemeinsame Kind A. geboren. Die Beteiligten trennten sich im Februar 2017; der Antragsteller zog aus der gemeinsamen Wohnung aus, in der die Antragsgegnerin mit dem gemeinsamen Kind verblieb. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 9. März 2018 zugestellt.

Der Antragsgegner hat regelmäßigen Umgang mit dem gemeinsamen Sohn A., jeweils von Mittwoch auf Donnerstag und 14-tägig am Wochenende. A. hat seit Februar 2019 den Kindergarten besucht; er hat dort einen Platz von 7 Uhr bis 16 Uhr, wobei der Besuch innerhalb der ersten sechs Monate nur langsam gesteigert werden konnte, und A. meistens gegen 14 Uhr abgeholt wurde. A. litt auch häufig unter Krankheiten, die einen Kindergartenbesuch nicht ermöglichten.

Die Antragsgegnerin hat eine Ausbildung zur …; sie verfügt nicht über einen Führerschein. Vor der Geburt des Sohnes hat sie in einem C. gearbeitet, und im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung einen Nettoverdienst von 1.000 € erzielt. Ab Mai 2019 hat sie sich bei vier Arbeitgebern beworben, und ab dem 1. August 2019 für ca. sechs Monate auf 450-€-Basis gearbeitet. Sie hat hierbei häusliche Betreuungsleistungen für einen B.-Dienst erbracht. Seit Beendigung dieser Tätigkeit ist sie nicht erwerbstätig; sie bezieht Leistungen nach SGB II. Auf den Sozialleistungsträger übergegangene Unterhaltsansprüche sind der Antragsgegnerin zurückübertragen worden.

Der Antragsteller ist gelernter …; er ist seit längerem als sog. D. selbständig, und vermittelt vor allem Verträge für E.-Gesellschaften. Hierfür erhält er über verschiedene Agenturen Aufträge, und sucht dann F.-Fachgeschäfte in Stadt1, aber auch im Raum Stadt2 und Stadt3 auf, in denen oder vor denen er gezielt Leute anspricht und versucht, diesen E.-Verträge für die auftraggebenden Firmen zu verkaufen. Er erhält sodann Provisionszahlungen, die ab einer bestimmten Anzahl von Verträgen durch weitere Fixbeträge ergänzt werden.

Im Jahre 2018 hatte der Antragsteller ausweislich des Steuerbescheides für 2018 vom 9. Januar 2020 Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb in Höhe von 32.310 €. Die Einkommensteuer wurde auf 219 € festgesetzt. Getilgt waren bereits 562,50 €, so daß 340,50 € im Jahre 2020 erstattet wurden. Ausweislich der Einnahmen-Überschuß-Rechnung des Antragstellers für das Jahr 2018 sind bei der Ermittlung des Gewinns des Antragstellers ein Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 3.228 € sowie ein Bewirtungsaufwand in Höhe von 545,03 € in Abzug gebracht worden. Laut Steuerbescheid des Antragstellers für 2017 vom 9. Oktober 2018 erhielt der Antragsteller weiter eine Steuererstattung in Höhe von 4.185 €. Hinsichtlich der Steuerbescheide und Einnahmen-Überschuß-Rechnungen des Antragstellers für die Jahre 2013 bis 2017 wird auf die beigezogene Akte verwiesen.

Der Antragsteller hat für seine private Kranken- und Pflegeversicherung bis 2019 monatlich 300 € gezahlt. Er hat sich in dem Unterhaltsverfahren des Amtsgerichts Hanau zu der Zahlung eines Kindesunterhalts für A. an die Antragsgegnerin in Höhe von 115% des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes verpflichtet. Diese Zahlungen hat er auch durchgehend geleistet.

Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller in dem Scheidungsverbundverfahren mit Folgeantrag zum nachehelichen Unterhalt zunächst im Wege des Stufenantrages auf Auskunft und Belegvorlage in Anspruch genommen; hierzu erging am 30. April 2019 ein Teilbeschluß des Amtsgerichts Hanau, mit dem der Antragsteller unter Zurückweisung des Antrages im Übrigen zu der Vorlage einzelner Belege verpflichtet wurde; auf die Unterakte Unterhalt Ehegatte wird Bezug genommen.

Unter Bezugnahme auf die Berechnung des Amtsgerichts zu dem Einkommen des Antragstellers in dem parallel geführten Trennungsunterhaltsverfahren hat die Antragsgegnerin vorgetragen, es sei von einem unterhaltsrechtlich einzusetzenden Einkommen des Antragsgegners von 3.000,24 € auszugehen. Sie könne aufgrund der Bedürfnisse des gemeinsamen Kindes höchstens vier Stunden täglich arbeiten gehen, so daß ihr fiktiv höchstens ein Betrag von netto 673 € zuzurechnen sei. Sie hat daher erstinstanzlich beantragt, den Antragsteller zu verpflichten, an sie nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses einen monatlich zu erbringenden nachehelichen Unterhalt in Höhe von 834 €, einzugehen bei der Antragsgegnerin bis zum ersten eines jeden Monats im Voraus, zu zahlen, sowie die Rückstände ab dem zweiten eines jeden Monats mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Der Antragsteller hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat behauptet, sein durchschnittliches Einkommen sei auf Grundlage der Jahre 2016 bis 2018 mit 2.681,15 € anzusetzen. Dem gemeinsamen Kind sei ein Kita-Besuch bis 16 Uhr zuzumuten, so daß die Antragsgegnerin vollschichtig arbeiten, und ein Einkommen von 1.111,50 € erzielen könne. Er hat weiter die Ansicht vertreten, ein Betreuungsunterhalt für die Antragsgegnerin entspreche nicht der Billigkeit, da die Ehezeit kurz gewesen sei, und die Antragsgegnerin keine kindbezogenen Gründe vorgetragen habe.

Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 26. November 2019 die Scheidung ausgesprochen, und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Es hat weiter den Antragsteller in Ziffer 3. des Beschlusses unter Zurückweisung des Antrages im Übrigen verpflichtet, an die Antragsgegnerin nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 565 € zu zahlen; hierbei hat es hinsichtlich des Einkommens des Antragstellers aus den Jahren 2016 bis 2018 ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 2.752,52 € errechnet. Der Antragsgegnerin wurden bei Annahme einer teilschichtigen Tätigkeit mit 30 Wochenstunden ein fiktives Einkommen von monatlich 877 € angerechnet; zu einer weitergehenden Tätigkeit sei sie aufgrund der Belange des Kindes nicht verpflichtet.

Der Beschluß wurde dem Antragsteller am 17. Dezember 2019 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2020, per Fax eingegangen im Amtsgericht am 16. Januar 2019, hat der Antragsteller Beschwerde hinsichtlich der Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt eingelegt, und diese mit Schriftsatz vom 17. Februar 2020, an dem gleichen Tage eingegangen, begründet. Die Beschwerdebegründung wurde der Antragstellerin mit Frist zur Erwiderung binnen eines Monats am 24. Februar 2020 zugestellt.

Der Antragsteller verfolgt sein erstinstanzliches Ziel weiter. Betreuungsunterhalt für die Antragsgegnerin sei unbillig, auch weil diese dann einschließlich des ihr zuzurechnenden Einkommens ein höheres Einkommen habe als vor der Geburt des Kindes. Der Antragsgegnerin sei eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden zumutbar. Die von ihm gezahlte Krankenversicherung belaufe sich nunmehr auf 364,11 €. Der Antragsteller beantragt, Ziffer 3. des Beschlusses des Amtsgerichts Hanau - Familiengericht - wird dahingehend abzuändern, daß der Antrag der Beschwerdegegnerin, den Beschwerdeführer zu der Zahlung von nachehelichen Unterhalt zu verpflichten, zurückgewiesen wird.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluß. A. könne den Kindergarten auch weiterhin nicht regelmäßig besuchen, da er oft krank sei. Sie benötige auch Zeit für den Haushalt und Ruhepausen; ihr sei nur eine teilschichtige Arbeit zuzumuten. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens ist die Kindesmutter umgezogen. Seit dem Umzug im Oktober 2020 hat A. keinen Kindergartenplatz mehr, steht aber auf mehreren Wartelisten.

Der Antragsteller hat an die Antragsgegnerin Unterhaltszahlungen geleistet, und zwar bis einschließlich der letzten Zahlung am 3. Januar 2020 in Höhe von 670 €, was der erstinstanzlichen Entscheidung zum Trennungsunterhalt entspricht, und am 29. Januar 2020, am 27. Februar 2020 und am 30. März 2020 in Höhe von jeweils 565 €.

Laut dem am 8. Mai 2020 ergangenen Steuerbescheid des Antragstellers für 2019 beliefen sich die Einkünfte des Antragstellers aus dem Gewerbetrieb für das Jahr 2019 auf 36.083 €; Steuer und Solidaritätszuschlag wurden auf insgesamt 2.240,40 € festgesetzt, von denen 716 € bereits getilgt waren, so daß der Antragsteller im Jahre 2020 einen Betrag von 1.524,40 € nachzuzahlen hatte. Die Vorauszahlungen für das Jahr 2020 wurden in dem Steuerbescheid für 2019 auf drei Beträge von jeweils 709 € festgesetzt. Nach der Gewinnermittlung des Antragstellers für 2019 wurden wiederum ein Verpflegungsmehraufwand von 3.216 €, und Bewirtungskosten von 535, 23 € und weiteren 192,76 € in Abzug gebracht.

Das Einkommen des Antragstellers wurde durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie beeinflußt. Laut Gewinnermittlung des Antragsgegners für das Jahr 2020 hat er in diesem Jahr einen betrieblichen Gewinn von 38.425,06 € erzielt; hierbei sind wiederum 455,89 € Bewirtungskosten und 2.646 € Verpflegungsmehraufwand bereits in Abzug gebracht worden. Als Einnahme des Betriebes ist eine sog. Corona-Soforthilfe des Landes Hessen (nach dem Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 vom 27. März 2020) in Höhe von 7.051 € miteinbezogen worden; auf den Bescheid vom 30. April 2020 wird insoweit Bezug genommen.

Der Antragsgegner hat versucht, sich neu zu orientieren, und ist im zweiten Halbjahr 2020 auch in der Vermittlung von Krankenversicherungsverträgen tätig gewesen; dies hat er aber aufgrund von nicht im Verhältnis stehenden Fahrtkosten wieder aufgegeben. Er hat sich weiter auch als angestellter Beruf2 beworben, ist dann aber letztlich auch 2021 wieder im Promotion-Bereich tätig gewesen, nachdem er Anfang 2021 für etwa zwei Monate zuhause war. Für Januar bis Juni 2021 hat er mit Bescheid vom 17. März 2021 eine sog. »Neustarthilfe« für Soloselbstständige in Höhe von 7.500 € bewilligt erhalten, die der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz dienen soll. Einschließlich dieser Zahlung hat der Antragsteller laut seiner betriebswirtschaftlichen Auswertung vom 13. April 2021 im ersten Quartal 2021 ein Ergebnis vor Steuern von 9.196,44 € erzielt. Nach eigenen Angaben verfügt der Antragsteller über kein größeres Vermögen als Rücklage.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie das Sitzungsprotokoll vom 26. April 2021 in dem vorliegenden Verfahren und in dem Parallelverfahren Bezug genommen. Das Verfahren wurde mit Beschluß vom 10. März 2021 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

II. Die zulässige Beschwerde (§§ 58, 117 FamFG) hat in der Sache zum Teil Erfolg.

Die Antragsgegnerin hat einen Anspruch gegen den Antragsteller auf nachehelichen Unterhalt gemäß §§ 1570 Abs. 1, 1573 Abs. 2 BGB in Höhe von monatlich 413 € ab Rechtskraft der Scheidung bis einschließlich Dezember 2020, abzüglich am 30. März 2020 gezahlter 565 €. Hinsichtlich des weitergehend geltend gemachten Unterhalts ist die Beschwerde begründet, und der Antrag der Antragsgegnerin zurückzuweisen. Für den Zeitraum bis einschließlich Dezember 2020 setzt sich der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von insgesamt monatlich 413 € anteilig zusammen aus einem Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 Abs. 1 BGB in Höhe von 239 €, und einem ergänzenden Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB in Höhe von 174 €.

Der Antragsgegnerin steht zunächst nach § 1570 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Unterhalt wegen Betreuung des gemeinsamen Kindes aufgrund von kindbezogenen Gründen (§ 1570 Abs. 1 S. 3 BGB) zu. Es entspricht der Billigkeit, den Unterhalt nach § 1570 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB auch über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus zu verlängern. An die Darlegung kindbezogener Gründe sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine überzogenen Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 2011, 1375 = FuR 2011, 636; 2012, 1040 = FuR 2012, 421).

Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB kann sich der betreuende Elternteil allerdings nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht, oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte (BGH FamRZ 2012, 1040 = FuR 2012, 421). Steht der Umfang einer - möglichen - anderweitigen Kinderbetreuung fest, ist zu berücksichtigen, wie eine ausgeübte oder mögliche Erwerbstätigkeit mit den Zeiten der Kinderbetreuung (einschließlich der Fahrzeiten) vereinbar ist, und in welchem Umfang dem Unterhaltsberechtigten in dem dadurch vorgegebenen zeitlichen Rahmen eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils schließlich - teilweise - entgegenstehen, daß die von ihm daneben zu leistende Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, daß am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend regelmäßig weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu erbringen sind, die je nach dem individuellen Betreuungsbedarf des Kindes oder der Kinder in unterschiedlichem Umfang anfallen können (BGH aaO Tz. 24)

Vor diesem Hintergrund kann entsprechend der zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts der Antragsgegnerin eine teilschichtige Tätigkeit bis hin zu 30 Wochenstunden, aber keine vollschichtige Tätigkeit zugemutet werden.

A. hatte seit Anfang 2019 einen Kindergartenplatz, der grundsätzlich eine Betreuung von 7 Uhr bis 16 Uhr beinhaltete. Er hat nach einer längeren Eingewöhnungszeit auch zumindest ab Herbst 2019 diese Betreuungszeiten wahrnehmen können, auch wenn er unstreitig häufiger erkrankt war, insgesamt eine starke Bindung zu den Eltern hat, und gerade die persönliche Betreuung der Mutter einforderte. Grundsätzlich wäre der Antragsgegnerin damit eine teilschichtige Arbeit an sechs Stunden pro Tag entsprechend den Ausführungen des Amtsgerichts, auf die Bezug genommen werden kann, möglich und zumutbar gewesen. Auch ohne Führerschein hätte sie in diesem Zeitraum eine Arbeitsstelle erreichen, eine teilschichtige Tätigkeit ausüben, und das Kind wieder abholen können. An einer entsprechenden Obliegenheit der Antragsgegnerin ändert auch nichts, daß der Kindergartenplatz aufgrund des Umzugs der Antragsgegnerin ab Oktober 2020 weggefallen ist, da keinerlei Vortrag dazu erfolgt ist, daß der Umzug erforderlich war, und der Kindergartenplatz nicht zu erhalten gewesen wäre.

Eine darüber hinausgehende Erwerbsobliegenheit zu erwarten, würde allerdings verkennen, daß trotz der Fremdbetreuung der verbleibende Betreuungsbedarf in diesem Alter und dem damit einhergehenden Entwicklungsstand des Kindes regelmäßig einen solchen Umfang annimmt, der die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung überwiegend nicht zumutbar erscheinen lassen dürfte. Die Betreuung eines Kindes beschränkt sich nicht auf das Beaufsichtigen, sondern erfaßt auch die Zuwendung, Pflege und Erziehung; sie ist insbesondere dann persönlich zu erbringen, wenn das Kind erkrankt ist, was gerade in dem vorliegenden Fall häufiger als üblich der Fall ist (vgl. zum Ganzen Hollinger in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB 9. Aufl. § 1570 BGB [Stand: 15.10.2019] Rdn. 102).

Aus kindbezogenen Gründen besteht demnach keine weitergehende Erwerbsobliegenheit. Eine Verlängerung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt entspricht der Billigkeit iSd § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB. Die nach Ansicht des Antragstellers nur kurze Ehezeit spricht nicht hiergegen.

Da die Antragsgegnerin durch die Betreuung des Kindes nicht an einer Teilzeiterwerbstätigkeit gehindert ist, beruht der Anspruch allerdings nur insoweit auf § 1570 BGB, als sie durch die Kinderbetreuung an der Erwerbstätigkeit gehindert ist (BGHZ 193, 78 ff Tz. 15 = FamRZ 2012, 1040 = FuR 2012, 421). § 1570 BGB gewährt damit nur einen Anspruch im Umfang der verbleibenden Freistellung von der Erwerbsobliegenheit, also bis zur Höhe des Mehreinkommens, das bei voller Erwerbstätigkeit zu erzielen wäre. Reicht der Eigenverdienst zusammen mit dem Teilanspruch aus § 1570 BGB zur Deckung des eheangemessenen Bedarfs (§ 1578 BGB) nicht aus, so besteht hinsichtlich des ungedeckten Restbedarfs ein ergänzender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB (vgl. Hollinger, aaO Rdn. 202 mwN). Insoweit richtet sich der Bedarf gemäß § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen; hierzu ist entsprechend Ziffer 15.1. der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt mit dem Stichtag der Rechtskraft der Scheidung das eheprägende Einkommen zu berücksichtigen.

Umstände, die auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären, und Umstände, die bereits in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren, sind zu berücksichtigen; dies gilt für normale absehbare weitere Entwicklungen von Einkünften aus derselben Einkommensquelle, wie für übliche Lohnerhöhungen, sowie einen nicht vorwerfbaren nachehelichen Einkommensrückgang, etwa durch Arbeitslosigkeit, Eintritt in das gesetzliche Rentenalter oder Krankheit. Zu berücksichtigen sind für die Bedarfsbemessung bei einem Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit auch fiktive Einkünfte, die der Berechtigte erzielen könnte, aber tatsächlich nicht erzielt, wobei auch diese ein Surrogat seiner früheren Familienarbeit darstellen, wenn er in der Ehe den Haushalt führte (vgl. Siebert in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 4 Rdn. 416, 417).

Auf Seiten der Antragsgegnerin ist hier schon mit Rechtskraft der Scheidung ein fiktives monatliches Einkommen von bereinigt 833,15 € anzusetzen, da die Antragsgegnerin ihrer Obliegenheit zu der Ausübung einer angemessenen teilschichtigen Erwerbstätigkeit in dem oben dargelegten Umfang von 30 Wochenstunden nicht nachkommt, und sie ansonsten ein entsprechendes Einkommen erzielen könnte. Die Antragsgegnerin ist ihrer Obliegenheit, einer teilschichtigen Tätigkeit in dem genannten Umfang nachzugehen, nicht nachgekommen, da sie nur geringfügig oder gar nicht berufstätig war, und auch keine hinreichenden Erwerbsbemühungen unternommen und dargelegt hat; vier Bewerbungen sind hierzu bei weitem nicht ausreichend. Auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts kann verwiesen werden.

Entsprechend den Erwägungen des Amtsgerichts kann auch davon ausgegangen werden, daß die Antragsgegnerin als gelernte Beruf1 bei hinreichenden Bemühungen eine Stelle hätte finden können, bei der sie eine Vergütung im Bereich des Mindestlohns erzielen könnte. Auch insoweit kann die Berechnung des Amtsgerichts zugrunde gelegt werden, daß dies bei einer vollschichtigen Tätigkeit einem Nettoverdienst von 1.170 € und entsprechend bei einer teilschichtigen Tätigkeit von 30 Wochenstunden einem fiktiv zuzurechnenden Einkommen von 877 € entspricht. Dieses ist um die übliche Pauschale von 5% für berufsbedingte Aufwendungen gemäß Ziffer 10.2.1 der Unterhaltsgrundsätze zu bereinigen, so daß ein unterhaltsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen der Antragsgegnerin von 833,15 € verbleibt.

Auf Seiten des Antragstellers ist für das Jahr 2020, in dem die Rechtskraft der Scheidung eingetreten ist, von einem durchschnittlichen monatlichen unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Einkommen von 2.118,55 € auszugehen. Entsprechend Ziffer 1.5 am Ende der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt ist hierbei auch bei Selbständigen für die Unterhaltsberechnung für vergangene Zeiträume nicht auf einen Drei-Jahres-Schnitt, sondern auf die Einkünfte in dem konkret betroffenen Kalenderjahr zurückzugreifen (vgl. BGH FamRZ 2007, 1532 = FuR 2007, 484 = EzFamR BGB § 1361 Nr. 51; OLG Frankfurt FamRZ 2020, 584). Im Rahmen der für die Zukunft anzustellenden Prognose ist allerdings wieder an den Gewinn aus einem zeitnahen Drei-Jahreszeitraum anzuknüpfen.

Für das abgeschlossene Jahr 2020 kann auf die vorliegenden Zahlen aus der Gewinnermittlung des Antragstellers zurückgegriffen werden. Dieser hat entsprechend dieser Gewinnermittlung im Jahr 2020 einen Gewinn von 38.620 € erzielt. Dieser beinhaltet allerdings die sog. Corona-Soforthilfe in Höhe von 7.051 €, die unterhaltsrechtlich nicht als relevantes Einkommen berücksichtigt werden kann. Sie soll nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken (BGH NJW 2021, 1322 Tz. 11). Aufgrund ihrer Zweckbindung stehen die Zuschüsse nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung (Viefhues in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB 9. Aufl. § 1361 [Stand: 13.04.2021] Rdn. 370-1). Sie können entsprechend auch nicht den eheangemessenen Lebensbedarf bestimmen. Damit reduzieren sich die unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Einkünfte des Antragsgegners im Jahr 2020 um 7.051 €.

Entgegen der Berechnung des Antragstellers in seiner Gewinnermittlung und auch entgegen der steuerlichen Behandlung in den vergangenen Jahren sind der von dem Antragsgegner angesetzte Verpflegungsmehraufwand von 2.646 € und die Bewirtungskosten von 455,89 € vorliegend unterhaltsrechtlich keine zu berücksichtigenden Abzugspositionen, da der Antragsteller die Betriebsbedingtheit dieser Aufwendungen nicht dargelegt hat; im Gegenteil hat er im Rahmen seiner Anhörung eingeräumt, daß die Bewirtungskosten überwiegend aus wechselseitigen Einladungen von Kollegen und nicht aus der Bewirtung potentieller Kunden stammten. Woraus sich ein pauschal berechneter Verpflegungsmehraufwand in der genannten Höhe ergibt, hat der Antragsteller ebenfalls nicht dargelegt; der von ihm angegebene Gewinn des Unternehmens ist daher um diese Beträge wieder zu erhöhen. Es erscheint gerechtfertigt, zum Ausgleich der berufsbedingten Aufwendungen des Antragstellers im Gegenzug die allgemeine Pauschale in Abzug zu bringen.

Zu bereinigen ist das Einkommen durch die im Jahr 2020 gezahlten Steuern einschließlich der in diesem Jahr erhaltenen Steuererstattungen und der geleisteten Nachzahlungen; insoweit kann regelhaft auf das sog. In-Prinzip (vgl. zum Beispiel BGH FamRZ 2013, 935 = FuR 2013, 457 Tz. 30) abgestellt werden. Entsprechend des Steuerbescheides für das Jahr 2019 hat der Antragsteller im Jahre 2020 Steuervorauszahlungen von (3 x 709 € =) 2.127 € geleistet. Er hat eine Erstattung der Steuer aus dem Jahre 2018 in Höhe von 340,50 € erhalten, und für 2019 Steuern in Höhe von insgesamt 1.524,40 € nachbezahlt.

Insgesamt ergibt dies folgende Berechnung:

Gewinn laut EÜR

38.620,00 €

./. Corona-Beihilfe

7.051,00 €

+ abgezogene Bewirtungskosten

455,89 €

+ abgezogener Verpflegungsmehraufwand

2.646,00 €

./. Steuervorauszahlungen (3 x 709 € =)

2.127,00 €

+ Erstattung aus 2018

340,50 €

./. Nachzahlung aus 2019

1.524,40 €

gesamt

31.359,99 €

Monatsdurchschnitt

2.613,33 €

Von diesem Betrag sind die Pauschale von 5% für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 130,67 €, und die nunmehr belegten Kranken- und Pflegeversicherungskosten des Antragstellers in Höhe von monatlich 364,11 € in Abzug zu bringen, so daß ein bereinigtes unterhaltrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen von 2.118,55 € verbleibt.

Der eheangemessene Bedarf der Antragsgegnerin für das Jahr 2020 ermittelt sich entsprechend Ziffer 15.2 der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt durch Halbteilung des zusammengerechneten Einkommens der Ehegatten, wobei dieses vorab noch um den Zahlbetrag des Kindesunterhalts sowie das auf Erwerbstätigkeit beruhende Einkommen um den Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu bereinigen ist. Das Einkommen des Antragstellers reduziert sich damit noch um den 2020 gezahlten Kindesunterhalt von monatlich 323 € auf 1.795,55 €. Auf Seiten des Antragstellers verbleibt unter Abzug des Erwerbstätigenbonus von 1.795,55 € x 1/7 = 256,51 € ein bonusbereinigtes Einkommen von 1.539,04 €. Bei der Antragsgegnerin beläuft sich der (fiktive) Erwerbstätigenbonus auf 833,15 € x 1/7 = 119,02 € und das bonusbereinigte Einkommen damit auf 714,13 €.

Der eheangemessene Bedarf der Ehegatten für das Jahr 2020 berechnet sich hiernach wie folgt: (1.539,04 € + 714,13 €) / 2 = 1.126,59 €. Der Bedarf der Antragsgegnerin ist in Höhe des anzurechnenden Einkommens (nach Abzug des Erwerbstätigenbonusses) von 714,13 € gedeckt, so daß ein Unterhaltsanspruch von 412,46 € bzw. aufgerundet 413 € monatlich verbleibt.

Dieser beruht in Höhe eines Teilbetrages von 239 € auf § 1570 Abs. 1 BGB, und in Höhe eines Teilbetrags von 174 € auf § 1573 Abs. 2 BGB.

Die Antragsgegnerin könnte bei Ausübung einer ohne Kinderbetreuung möglichen vollschichtigen Erwerbstätigkeit ein Einkommen entsprechend den obigen Ausführungen von 1.170 € erzielen, das noch um die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 58,50 € und den Erwerbstätigenbonus von ([1.170 € ./. 58,50 €] x 1/7 =) 158,79 € zu bereinigen wäre, so daß sich ein Betrag von 952,71 € ergibt. Dieser übersteigt das aufgrund der Kinderbetreuung nur anrechenbare fiktive bonusbereinigte Einkommen der Antragsgegnerin von 714,13 € um 238,58 €. In Höhe von gerundet 239 € kann die Antragsgegnerin daher Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 Abs. 1 BGB beanspruchen; in Höhe der verbleibenden 174 € beruht der Anspruch der Antragsgegnerin auf § 1573 Abs. 2 BGB.

Bezogen auf das Jahr 2020 bestehen auch mit Blick auf den Ehegattenselbstbehalt keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Antragstellers gemäß § 1581 BGB.

In Abzug zu bringen ist die Zahlung des Antragstellers vom 30.03.2020 in Höhe von 565 €, da diese nach Rechtskraft der Scheidung erfolgte und damit auf den nachehelichen Unterhalt anzurechnen ist. Die Rechtskraft der Scheidung ist vorliegend gem. § 145 Abs. 1 FamFG mit Ablauf eines Monats nach der am 24.02.2020 erfolgten Zustellung der Beschwerdebegründung an die Antragsgegnerin eingetreten. Die zuvor im Jahr 2020 vom Antragsteller vorgenommenen Zahlungen sind entsprechend auf den Trennungsunterhalt anzurechnen.

Ab Januar 2021 kann die Antragsgegnerin keine Unterhaltsansprüche mehr gegen den Antragsteller geltend machen, da dieser hierfür nicht leistungsfähig i.S.d. § 1581 BGB ist.

Der Antragsgegnerin steht allerdings weiterhin dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch gem. §§ 1570 Abs. 1, 1573 Abs. 2 BGB gegen den Antragsteller zu. Auf die obigen Ausführungen kann insoweit unverändert verwiesen werden.

Das zur Ermittlung des eheangemessenen Bedarfs der Beteiligten nach § 1578 BGB heranzuziehende Einkommen des selbstständigen Antragstellers ist im Rahmen der für den Zeitraum ab 2021 anzustellenden Prognose auf Grundlage des Einkommens der letzten drei Kalenderjahre zu ermitteln. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie. Hieraus resultierende kurzfristige Einkommensrückgänge sind auf der Ebene der Leistungsfähigkeit des Unterhalsverpflichteten zu berücksichtigen.

Bei der Ermittlung des beim laufenden Unterhalt zu berücksichtigenden Einkommens von Gewerbetreibenden und Selbstständigen ist wegen der jährlich der Höhe nach stark schwankenden Einkünften grundsätzlich ein möglichst zeitnaher Mehrjahresdurchschnitt zu bilden, damit nicht ein zufällig günstiges oder ungünstiges Jahr als Maßstab für die Zukunft dient. Dies gilt vor allem dann, wenn in Zukunft mit weiteren Schwankungen zu rechnen ist. In der Regel wird ein Zeitraum von drei Jahren als erforderlich und ausreichend angesehen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985 - IVb ZR 52/84 -, Rn. 26, juris = FamRZ 1986, 48; Spieker in: Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rn. 420, beck-online). Kurzzeitige Verringerungen der Betriebseinnahmen führen demgegenüber auf der Bedarfsebene nicht zu einer Verringerung des relevanten Einkommens (vgl. Witt in: BeckOGK, 1.2.2021, § 1578 BGB, Rn. 62; Niepmann, Unterhalt in den Zeiten von Corona, NZFam 2020,383).

Der infolge der Corona-Pandemie im Jahr 2020 eingetretene leichte und im Jahr 2021 deutliche Rückgang der Einkünfte des Antragstellers führen vor diesem Hintergrund nicht zu einer abweichenden Berechnung des eheangemessenen Bedarfs, da derzeit noch in keiner Weise abzusehen ist, ob und ggf. für welchen Zeitraum sich hieraus ein anhaltender Rückgang des Einkommens des Antragstellers ergibt, ob ggf. nach einem möglichen Ende des »Lockdowns« die Verluste kompensierende höhere Einnahmen zu erwarten sind und in welchem Ausmaß die Auswirkungen der Pandemie die üblichen Schwankungen im Einkommen eines Selbstständigen übersteigen. Lediglich dann, wenn sich der ab 2020 eingetretene Einkommensrückgang als dauerhaft herausstellt, müßte die Unterhaltsberechnung nur auf Basis des Einkommens ab 2020 zu erfolgen (so auch Witt, a.a.O., § 1578 BGB, Rn. 62; Niepmann, a.a.O., NZFam 2020, 383 (384)).

Demgegenüber wird auch die Ansicht vertreten, es liege eine derart einschneidende Zäsur vor, daß auf die Daten aus der Vergangenheit für die zu treffende Prognose nicht mehr zurückgegriffen werden könne. Dies sei sowohl für den Unterhaltspflichtigen als auch den Unterhaltsberechtigten regelmäßig nicht zumutbar. Eine erkennbar unzutreffende Prognose zur künftigen Entwicklung der Einkommensverhältnisse sei unterhaltsrechtlich nicht zulässig. Es sei daher als Grundlage der künftigen Unterhaltspflicht auf die Minderung der Einkommensverhältnisse abzustellen (vgl. Borth, Coronakrise und Unterhalt, FamRZ 2020, 653 (655); Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1361 BGB (Stand: 13.04.2021), Rn. 349_3; Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 3. Kap., Bedarf. Bedürftigkeit. Leistungsfähigkeit. Einzelprobleme, Stichwort: Corona-Krise, Rn. 111a, beck-online).

Mit einer Berücksichtigung des Einkommensrückgangs bereits auf der Bedarfsebene kann man aber der Tatsache weniger gerecht werden, daß es sich voraussichtlich um eine nur temporäre, von der Dauer aber nicht abschätzbare Entwicklung handelt, als durch eine Berücksichtigung erst auf der Ebene der Leistungsfähigkeit. Kurzfristige Einbußen können ggf. auch durch Rücklagen oder sonstige Mittel aufgefangen werden. Gerade hierfür dient das Abstellen auf einen Mehrjahresschnitt, der insoweit den prägenden Bedarf und die ehelichen Lebensverhältnisse besser widerspiegelt. Daß aufgrund einer kurzfristigen und nicht zwingend dauerhaften Entwicklung dieser Bedarf durch die aktuellen tatsächlichen Einnahmen kurzfristig nicht gedeckt werden kann, ist mitsamt der Prüfung, ob hierfür auf andere Mittel zurückzugreifen ist, vorzugswürdig erst bei der Frage der Leistungsfähigkeit zu betrachten (so auch Witt, a.a.O., § 1578 BGB, Rn. 62; AG Pankow-Weißensee, Beschluß vom 08.12.2020 - 13 F 6681/18, FamRZ 2021, 423).

Bei der Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs ist daher auf die Einkünfte des Antragstellers aus den letzten drei Kalenderjahren abzustellen, wobei auch das schon durch Corona beeinflußte Jahr 2020 mit einbezogen wurde, da das Einkommen des Antragstellers im Jahr 2020 sich noch nicht gravierend von den Jahren zuvor unterscheidet.

Entsprechend der oben ausgeführten Berechnungsweise ergibt sich auf der Grundlage der vorliegenden Steuerbescheide und Einnahmen-Überschuß-Rechnungen bzw. Gewinnermittlungen für die Jahre 2018 bis 2020 die folgende Berechnung:

2018:

Gewinn laut EÜR

32.310,99 €

+ abgezogene Bewirtungskosten

545,03 €

+ abgezogener Verpflegungsmehraufwand

3.228,00 €

./. gezahlte Steuern

562,50 €

+ Erstattung aus 2017

4.185,00 €

gesamt

39.706,52 €

Monatsdurchschnitt

3.308,88 €

2019:

Gewinn laut Steuerbescheid

36.083,00 €

+ abgezogene Bewirtungskosten

727,99 €

+ abgezogener Verpflegungsmehraufwand

3.216,00 €

./. gezahlte Steuern

716,00 €

gesamt

39.310,99 €

Monatsdurchschnitt

3.275,92 €

2020:

Gewinn laut EÜR

38.620,00 €

./. Corona-Beihilfe

7.051,00 €

+ abgezogene Bewirtungskosten

455,89 €

+ abgezogener Verpflegungsmehraufwand

2.646,00 €

./. Steuervorauszahlungen (3 x 709 € =)

2.127,00 €

+ Erstattung aus 2018

340,50 €

./. Nachzahlung aus 2019

1.524,40 €

gesamt

31.359,99 €

Monatsdurchschnitt

2.613,33 €

Aus den drei Jahren errechnet sich ein durchschnittliches Nettomonatseinkommen von 3.066,04 €. Dies ist um den - hier aus den obigen Erwägungen ausnahmsweise auch bei einem Selbständigen anzusetzenden - Maximalbetrag der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 150 €, die Kosten für die Krankenkasse des Antragstellers von 364,11 € sowie um den vorab abzuziehenden Zahlbetrag des Kindesunterhalts von ab Januar 2021 monatlich 342,50 € zu bereinigen, so daß ein im Rahmen der Bedarfsermittlung grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen des Antragstellers von 2.209,43 € verbleibt.

Bei einem auch weiterhin anzusetzenden fiktiven bereinigten Einkommen der Antragsgegnerin von 833,15 € errechnet sich damit unter Berücksichtigung des beiderseitigen Erwerbstätigenbonusses der eheangemessene Bedarf wie folgt: (2.209,43 € + 833,15 €) x 3/7 = 1.303,96 €. Hieraus ergäbe sich nach Abzug des bedarfsdeckend anzusetzenden fiktiven bonusbereinigten Einkommens der Antragsgegnerin von 714,13 € grundsätzlich ein Anspruch von 590 €, der den erstinstanzlich zugesprochenen Betrag von 565 € sogar überstiege.

Der Antragsteller ist aber ab Januar 2021 zur Zahlung dieses Unterhalts nicht leistungsfähig iSd § 1581 BGB, da er aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie derzeit kein seinen Selbstbehalt übersteigendes Einkommen erwirtschaften, und die Ausfälle auch nicht durch Rücklagen oder Einsatz seines Vermögens ausgleichen kann. Wie oben ausgeführt sind die kurzfristigen und damit auf der Bedarfsebene (noch) nicht zu berücksichtigenden Einkommensrückgänge aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Kurzfristige Minderungen der Leistungsfähigkeit sind nur dann unbeachtlich, wenn sie vorhersehbar sind, und für ihre Dauer Vorsorge getroffen werden kann (vgl. AmtsG Pankow-Weißensee aaO). Grundsätzlich hat der Pflichtige auch darzulegen, daß und warum er über keine ausreichenden Rücklagen verfügt, um die ausfallenden Einnahmen durch entsprechende Entnahmen zu überbrücken (vgl. Witt, aaO § 1578 BGB Rdn. 63; Borth, FamRZ 2020, 655).

Der Antragsteller hat auch unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe seine derzeitige Leistungsunfähigkeit hinreichend dargelegt. Die vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung für das erste Quartal 2021 zeigt, daß der Antragsteller in diesem Zeitraum Umsatzerlöse und sonstige betriebliche Erlöse (vor Abzug der Kosten) von insgesamt nur etwas über 5.000 €, und nach Abzug der Kosten und ohne die zweckgebunden gezahlte und damit unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigende Corona-Neustarthilfe ein vorläufiges Ergebnis von 1.696 € für das gesamte Quartal erzielte. Selbst wenn man hier wieder in Abzug gebrachte Werbungskosten hinzurechnen sollte, und berücksichtigt, daß der Antragsteller in diesem Zeitraum seine Tätigkeit teilweise nicht ausgeübt hat (aber Zahlungen noch aus Tätigkeiten aus dem vorherigen Quartal bezog), steht für das Gericht fest, daß der Antragsteller mit seiner bislang ausgeübten Tätigkeit derzeit kein monatliches Einkommen erwirtschaften kann, das - auch noch nach Abzug von Krankenversicherung und Kindesunterhalt - den ihm gegenüber der Antragsgegnerin zuzubilligenden Selbstbehalt von derzeit monatlich 1.280 € übersteigt.

Dies hält das Gericht aufgrund der Art der vom Antragsteller bisher ausgeübten selbständigen Tätigkeit auch für nachvollziehbar auf der Hand liegend. Kern der Tätigkeit des Antragstellers ist die direkte Ansprache von Kunden, die zum Einkauf in ein F.-Fachgeschäft gehen. Durch die Folgen der Corona-Pandemie und die behördlich verfügten Beschränkungen ist ein Besuch eines entsprechenden Geschäfts schon das ganze Jahr 2021 entweder gar nicht oder nur unter strengen Auflagen, insbesondere mit Voranmeldung oder vorheriger Bestellung, möglich. Dies reduziert augenscheinlich die Anzahl der potentiellen Kunden für den Antragsteller enorm. Weiter sorgen auch die Abstandsgebote, die Maskenpflicht und die allgemein zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie dafür, daß ein einfaches »Ansprechen« der Kunden und die Einleitung eines Verkaufsgesprächs oftmals nicht möglich sein, oder zumindest auf eine höhere Ablehnung stoßen wird. Daß dies alles zu erheblich weniger Aufträgen, Umsätzen und Provisionen des Antragstellers geführt hat, und - bei Aufrechterhaltung des derzeitigen »Lockdown« - auch weiterführen wird, ist offensichtlich.

Mit einer entsprechenden lang anhaltenden Situation konnte und mußte der Antragsteller auch nicht rechnen, da die Auswirkungen und die Dauer der Corona-Pandemie nicht absehbar waren und sind, so daß er Vorsorge gerade für diesen Fall auch nicht treffen konnte. Er hat weiter zu der Überzeugung des Gerichts auch dargelegt, daß er über keine Rücklagen oder sonstiges Vermögen verfügt, das es ihm ermöglichen könnte, sowohl den eigenen als auch den Lebensunterhalt der Antragsgegnerin zu bestreiten; dies hat er durch Vorlage seiner Kontounterlagen belegt. Substantiierte Einwände hiergegen hat die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Für das Gericht ist der Vortrag des Antragstellers auch nachvollziehbar. Sein Einkommen betrug auch in den Jahren zuvor stets um die 3.000 € monatlich, von denen er Krankenversicherung, Kindesunterhalt und Trennungsunterhalt für die Antragsgegnerin zahlte, so daß schon insoweit nicht mit einer Bildung größerer Rücklagen gerechnet werden kann.

Leistungsfähigkeit des Antragstellers kann derzeit auch (noch) nicht durch die Zurechnung fiktiver Einkünfte begründet werden, da keine leichtfertige Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Antragstellers vorliegt; insbesondere ist dieser derzeit (noch) nicht verpflichtet, seine selbstständige Tätigkeit aufzugeben und eine angestellte Beschäftigung einzugehen.

Von einem Selbständigen kann unter Umständen verlangt werden, daß er seine Tätigkeit aufgibt, wenn über Jahre hinweg nur Verluste erwirtschaftet wurden, oder sonst eine nachhaltige Sicherung des Unterhalts ausgeschlossen ist (vgl. BGH FamRZ 1993, 1304 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 44 = BGHF 8, 1047; Dose in Wendl/Dose, aaO § 1 Rdn. 738); dabei sind alle Umstände des Falles sorgfältig abzuwägen und dem Unterhaltspflichtigen ist zusätzlich eine Karenzzeit zuzubilligen, die bis zu zwei Jahre betragen kann (vgl. Dose, aaO § 1 Rdn. 769). Weiter unterliegt die Zurechnung fiktiver Einkünfte im Zuge der Corona-Krise Einschränkungen mit Blick auf die tatsächlich nicht zu prognostizierende weitere Wirtschaftslage und die sich hieraus künftig entwickelnde Arbeitsmarktlage. Bei der Bewertung einer Obliegenheitsverletzung im Zusammenhang mit der Erwerbsverpflichtung sind daher die Besonderheiten der Krisensituation in die Abwägung einzubeziehen (Clausius in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB 9. Aufl. [Stand: 08.12.2020] § 1581 Rdn. 18-1).

Vor diesem Hintergrund kann hier nicht von dem Antragsteller verlangt werden, unmittelbar seine Tätigkeit aufzugeben, und eine angestellte Beschäftigung zu suchen, da in keiner Weise absehbar ist, ob es zu einem dauerhaften Einkommensrückgang kommt, oder ob nach einem Ende der Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie wieder an die vorherigen Einkünfte angeknüpft werden kann, was letztlich auch der Antragsgegnerin und dem gemeinsamen Kind zugute kommen könnte. Hinzu kommt, daß in der aktuellen wirtschaftlichen Situation, die zu Kurzarbeit und Existenznöten vieler Betriebe geführt hat, auch nicht ohne weiteres eine realistische Beschäftigungschance für eine Anstellung mit einem Gehalt in Höhe des vorherigen Einkommens des Antragstellers angenommen werden kann.

Dem Gericht ist derzeit auch keine Prognose möglich, ab wann es wieder zu einer Konsolidierung der wirtschaftlichen Situation und einem Ende der Leistungsunfähigkeit des Antragstellers kommen wird. Die Erfassung künftiger Einkommensverbesserungen des Antragstellers muß daher einer außergerichtlichen Regelung der Beteiligten oder einem möglichen Abänderungsverfahren überlassen bleiben (so im Ergebnis auch Borth, FamRZ 2020, 655).

III. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 69 Abs. 3, 150 Abs. 1 FamFG. Trotz der überwiegenden Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und der Zurückweisung der Anträge für den Zeitraum ab Januar 2021 erscheint es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung nicht unbillig iSd § 150 Abs. 4 S. 1 FamFG, die Kosten gegeneinander aufzuheben, da die Zurückweisung hier auf den nicht vorhersehbaren Folgen der Corona-Pandemie beruht, und die Antragsgegnerin ohne diese Entwicklung obsiegt hätte.

Die Entscheidung über den Beschwerdewert beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40, 51 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen.

Anmerkungen

» Der Antragsgegnerin steht zunächst nach § 1570 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Unterhalt wegen Betreuung des gemeinsamen Kindes aufgrund von kindbezogenen Gründen (§ 1570 Abs. 1 S. 3 BGB) zu. Es entspricht der Billigkeit, den Unterhalt nach § 1570 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB auch über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus zu verlängern. An die Darlegung kindbezogener Gründe sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine überzogenen Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 2011, 1375 = FuR 2011, 636; 2012, 1040 = FuR 2012, 421).

Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB kann sich der betreuende Elternteil allerdings nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht, oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte (BGH FamRZ 2012, 1040 = FuR 2012, 421). Steht der Umfang einer - möglichen - anderweitigen Kinderbetreuung fest, ist zu berücksichtigen, wie eine ausgeübte oder mögliche Erwerbstätigkeit mit den Zeiten der Kinderbetreuung (einschliesslich der Fahrzeiten) vereinbar ist, und in welchem Umfang dem Unterhaltsberechtigten in dem dadurch vorgegebenen zeitlichen Rahmen eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils schliesslich - teilweise - entgegenstehen, dass die von ihm daneben zu leistende Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmässigen Belastung führen kann. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend regelmässig weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu erbringen sind, die je nach dem individuellen Betreuungsbedarf des Kindes oder der Kinder in unterschiedlichem Umfang anfallen können. «

Vor diesem Hintergrund könne der Antragsgegnerin eine teilschichtige Tätigkeit bis hin zu 30 Wochenstunden, aber keine vollschichtige Tätigkeit zugemutet werden.

» Eine darüber hinausgehende Erwerbsobliegenheit zu erwarten, würde allerdings verkennen, dass trotz der Fremdbetreuung der verbleibende Betreuungsbedarf in diesem Alter und dem damit einhergehenden Entwicklungsstand des Kindes regelmässig einen solchen Umfang annimmt, der die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung überwiegend nicht zumutbar erscheinen lassen dürfte. Die Betreuung eines Kindes beschränkt sich nicht auf das Beaufsichtigen, sondern erfasst auch die Zuwendung, Pflege und Erziehung; sie ist insbesondere dann persönlich zu erbringen, wenn das Kind erkrankt ist, was gerade in dem vorliegenden Fall häufiger als üblich der Fall ist. «

Aus kindbezogenen Gründen bestehe demnach keine weitergehende Erwerbsobliegenheit. Eine Verlängerung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt entspreche der Billigkeit iSd § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB. Die nach Ansicht des Antragstellers nur kurze Ehezeit spreche nicht hiergegen.

» Da die Antragsgegnerin durch die Betreuung des Kindes nicht an einer Teilzeiterwerbstätigkeit gehindert ist, beruht der Anspruch allerdings nur insoweit auf § 1570 BGB, als sie durch die Kinderbetreuung an der Erwerbstätigkeit gehindert ist (BGHZ 193, 78 ff Tz. 15 = FamRZ 2012, 1040 = FuR 2012, 421). § 1570 BGB gewährt damit nur einen Anspruch im Umfang der verbleibenden Freistellung von der Erwerbsobliegenheit, also bis zur Höhe des Mehreinkommens, das bei voller Erwerbstätigkeit zu erzielen wäre. Reicht der Eigenverdienst zusammen mit dem Teilanspruch aus § 1570 BGB zur Deckung des eheangemessenen Bedarfs (§ 1578 BGB) nicht aus, so besteht hinsichtlich des ungedeckten Restbedarfs ein ergänzender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäss § 1573 Abs. 2 BGB. Insoweit richtet sich der Bedarf gemäss § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Hierzu ist entsprechend Ziffer 15.1. der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt mit dem Stichtag der Rechtskraft der Scheidung das eheprägende Einkommen zu berücksichtigen. «

OLG Frankfurt 2020-04-26 - 8 UF 28/80
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