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BGB § 242 - Leistung nach Treu und Glauben - FD-Logo-500

BGB § 242 - Leistung
nach Treu und Glauben



BGB § 242 - Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.




 



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Verwirkung; Hemmung der Verjährung; Gefahr der Verwirkung von Ansprüchen der Ehegatten untereinander; Darlehensrückzahlung während der Ehe; Konkurrenz von Ansprüchen aus dem Nebengüterrecht mit dem Zugewinnausgleich.

BGB §§ 207, 242

1. Nebengüterrechtliche Ansprüche der Ehegatten untereinander müssen im Rahmen der Auskunfterteilung zum Endvermögen aufgeführt werden. Geschieht dies nicht, und verstreicht eine Zeit von mehr als einem Jahr bis zu der erstmaligen Geltendmachung der Forderungen, kann insoweit Verwirkung eintreten, wobei Verschulden nicht notwendig ist.
2. Auch Ansprüche, deren Verjährung während bestehender Ehe nach § 207 BGB gehemmt ist, können nach den allgemeinen Grundsätzen (Zeit- und Umstandsmoment) verwirkt werden.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 25. März 2020 - 9 UF 217/19

Tenor
1. Die gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Eberswalde vom 27.08.2019 (3 F 568/16) gerichtete Beschwerde der Antragstellerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß in teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses Ziffer 1. des Tenors wie folgt lautet:
Die Anträge der Antragstellerin werden abgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
3. Der Beschwerdewert beträgt 42.020 €.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
A. Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch um Darlehens- sowie Ausgleichsansprüche, letzteres im Zusammenhang ihres Eigentumserwerbs an der Immobilie H. in Eberswalde. Erstinstanzlich waren zudem noch Aufwendungen wegen Verwendungen auf die vorgenannte Immobilie streitgegenständlich; diese werden im Rahmen der Beschwerde nicht weiterverfolgt.

Die Beteiligten lebten seit dem Jahre 1992 zunächst in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen; die Eheschließung erfolgte im Juli 2006. Mit Ablauf des Jahres 2011 trennten sie sich; die Ehescheidung ist seit dem 7. Januar 2014 rechtskräftig. Mit notariellem Kaufvertrag vom … Februar 1998 (Notarin K. in Eberswalde) erwarben die Beteiligten gemeinsam mit dem Vater der Antragstellerin die Immobilie, wobei die Beteiligten je 1/6-, und der Vater der Antragstellerin 2/3-Miteigentumsanteile erwarben. Der Kaufpreis von 280.000 DM wurde zunächst im Umfange von insgesamt 120.000 DM durch die Antragstellerin und ihren Vater, die jeweils 60.000 DM zahlten, teilbeglichen; im Übrigen nahmen die Beteiligten und der Vater der Antragstellerin zu der Finanzierung des Kaufpreises der Immobilie gesamtschuldnerische Darlehen bei der HypoVereinsbank im Umfange von insgesamt 160.000 DM auf. Ein über 60.000 DM valutierender Kredit wurde bis zum Jahr 2003 zurückgezahlt; insgesamt fielen an Zins und Tilgung 35.945,21 € an. Ein weiterer über 100.000 DM valutierender Kredit wurde bis zum Jahre 2006 zurückgezahlt; insgesamt fielen an Zins und Tilgung insoweit 65.768,30 € an. Einzelheiten zu der Rückzahlung sind zwischen den Beteiligten streitig; die Rückzahlungen leistete jedenfalls unstreitig nicht der Antragsgegner. Darüber hinaus wurden zwei auf der Immobilie lastende Hypotheken bei der Sparkasse bis zum Jahre 2001 durch Zahlungen von insgesamt 15.730,94 € abgelöst. Einzelheiten der Zahlung sind ebenfalls zwischen den Beteiligten streitig, wobei auch hier unstreitig ist, daß der Antragsgegner keine Zahlungen geleistet hat.

Soweit der Antragsgegner in dem Schriftsatz vom 11. Februar 2020 darauf hinweist, die vorgenannten Ausführungen seien (insgesamt?) streitig, trifft dies nicht zu: Seinem Sachvortrag aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12. April 2018, auf den er sich dafür bezieht, kann gerade nicht entnommen werden, daß er das Bestehen des Kredits und die Rückzahlung als solche streitig stellen wollte; ebenso wenig kann dort erkannt werden, daß der Antragsgegner tatsächlich eine eigene (Teil-)Rückzahlung auf die Darlehen (betreffend Ablösung der Hypothekenschuld) behaupten wollte. Insoweit verbleibt es bei den vorangestellten, bereits in dem Hinweisbeschluß des Senats vom 17. Januar 2020 enthaltenen tatbestandlichen Ausführungen.

Wegen der betreffend des Erwerbs der Immobilie geleisteten Zahlungen haben die Beteiligten gemeinsam gegen den Vater der Antragstellerin ein gerichtliches Verfahren auf Gesamtschuldnerausgleich durchgeführt (LG Frankfurt/O. - 12 O 239/04), welches durch einen zwischen der Antragstellerin und ihrem Vater geschlossenen Vergleich (i.E.) endete. Am 18. Oktober 2006 verunglückte der Vater der Antragstellerin tödlich; die Antragstellerin beerbte ihn alleine, und erhielt dadurch insbesondere den 2/3-Miteigentumsanteil an der Immobilie.

Im Zuge der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Beteiligten wurde die Immobilie im Februar 2015 für 156.000 € zwangsversteigert; den Zuschlag erhielt die Antragstellerin (AmtsG Strausberg - 3 K 441/12). Über den hinterlegten Nettoerlös in Höhe von 150.745,46 € führten die Beteiligten nachfolgend ein Verteilungsverfahren. Mit Beschluß des Amtsgerichts Eberswalde vom 9. März 2017 (3 F 454/15) wurde der Antragsgegner zur Zustimmung zu der Auszahlung des hinterlegten Betrages verpflichtet. Im Ergebnis führte dies dazu, daß der hinterlegte Erlös nach der Quote 5/6 Antragstellerin (= 125.628,71 €) und 1/6 Antragsgegner (= 25.125,75 €) ausgekehrt wurde.

Innerhalb des vor dem Amtsgericht Eberswalde zwischen den Beteiligten geführten Zugewinnausgleichsverfahren (3 F 17/13) erteilte die Antragstellerin unter dem 11. Januar 2013 Auskunft über ihre Vermögenswerte zu den Stichtagen des Güterrechts. In diesen Auskünften waren die hier streitgegenständlichen Forderungen nicht angegeben; auch innerhalb der Aufstellungen des Antragsgegners fehlten derartige gegen ihn gerichtete Forderungen. Noch im Rahmen des laufenden Zugewinnausgleichsverfahrens hat die Antragstellerin sodann mit Schriftsatz vom 19. März 2014 erstmals ihre mit den behaupteten Darlehen aufgestellten Forderungen geltend gemacht; die übrigen in dem vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Forderungen hat sie sodann erstmals mit Schreiben vom 26. Juli 2016 gegenüber dem Antragsgegner eingefordert. Im November 2016 wurde das hiesige Verfahren anhängig; die Rechtshängigkeit erfolgte Anfang Januar 2017.

Die Antragstellerin hat behauptet, dem Antragsgegner mehrere Darlehen begeben zu haben, zu deren Rückzahlung er sich verpflichtet habe, und für eines dieser Darlehen insbesondere einen Schuldschein vorgelegt. Sie hat behauptet, die vorgenannten, mit dem Erwerb des in E. gelegenen Grundstücks verbundenen Zahlungen (neben der Zahlung des Vaters von 60.000 DM) im Wesentlichen allein getätigt zu haben; zumindest aber habe sie dafür weitere Gelder, die ihr Vater zur Verfügung gestellt hatte, eingesetzt. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, der Antragsgegner schulde ihr insoweit Ausgleich entsprechend seiner Beteiligungsquote an dem Grundstück, also in Höhe von 1/6 der insoweit verauslagten Beträge. Sie hat zuletzt beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie 13.500 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16. August 2016 zu zahlen, sowie 25.125,75 € zum Ausgleich seiner Teilhaberschaft gemäß § 756 BGB zuzüglich Zinsen seit dem 1. November 2016.

Der Antragsgegner hat beantragt, die gestellten Anträge zurückzuweisen. Er hat die seitens der Antragstellerin behaupteten Zahlungen bei dem Erwerb der Immobilie bestritten; zudem hat er bestritten, daß zurückzuzahlende Darlehen von ihm in Anspruch genommen worden seien: Der für einen Teil der Darlehen erstellte Schuldschein sei unrichtig. Er hat insgesamt die Einrede der Verjährung erhoben, und sich insoweit hilfsweise auf Verwirkung berufen.

Mit dem am 17. September 2019 verkündeten Beschluß hat das Amtsgericht die Anträge (teilweise als unzulässig) abgewiesen; wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit welcher sie in Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die erstinstanzlich gestellten Anträge (unter Zurücknahme der Anträge betreffend getätigter Aufwendungen für die Immobilie) weiterverfolgt. Sie beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner zu verpflichten, an sie folgende Beträge zu zahlen:

1. aus dem Antragsgegner gewährten Darlehen insgesamt 13.500 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16. August 2016,

2. aus gesamtschuldnerische Haftung einen Betrag von 16.952,25 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus dem Betrag von 16.929,68 € seit dem 16. August 2016 bis zu dem Tag der seit Rechtshängigkeit des Antrages, und danach aus dem Betrag von 16.952,25 €,

3. aus gesamtschuldnerische Haftung einen Betrag von 1.341,54 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit des Antrages,

4. einen Betrag von 10.225,84 €,

hilfsweise

5. den Antragsgegner zu verpflichten, an sie für den Gesamtschuldenausgleich aus der Auseinandersetzung über das genannte Grundstück den Betrag von 25.125,75 € als Teilhaberschuld zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. November 2016 zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt - ebenso in Wiederholung und Vertiefung erstinstanzlichen Vorbringens -, die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit Senatsbeschluß vom 16. Januar 2020 ist die Beschwerde dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. Mit weiterem Beschluß vom 17. Januar 2020 sind in der Sache Hinweise erteilt worden, zu denen die Beteiligten nachfolgend Stellung genommen haben.

B. Die gemäß §§ 58 ff FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg. Sie ist unbegründet.

I. Zulässigkeit (Ausgleichsansprüche Immobilienerwerb)

Zunächst sei darauf hingewiesen, daß die Antragstellerin zutreffend die Auffassung vertritt, die von ihr in der Hauptsache verfolgten Ansprüche bezüglich des Immobilienerwerbs seien nicht aufgrund der Auseinandersetzung des hinterlegten Versteigerungserlöses in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Eberswalde (3 K 441/12) abgeschnitten, und daher wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Dies veranlaßt die Teilabänderung der Ziffer 1. des Tenors der angefochtenen Entscheidung; das Verbot der Schlechterstellung steht dem nicht entgegen (vgl. nur Reichold in Thomas/Putzo, ZPO/FamFG 40. Aufl. § 528 ZPO Rdn. 9).

Haften die Teilhaber als Gesamtschuldner für eine Verbindlichkeit, die sie in Gemäßheit des § 748 BGB nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu erfüllen haben, oder die sie zum Zwecke der Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit eingegangen sind, dann kann jeder Teilhaber bei der Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, daß die Schuld aus dem gemeinschaftlichen Gegenstand berichtigt wird (§ 755 Abs. 1 S. 1 BGB). Hat ein Teilhaber gegen einen anderen Teilhaber eine Forderung, die sich auf die Gemeinschaft gründet, so kann er bei der Aufhebung der Gemeinschaft die Berichtigung seiner Forderung aus dem auf den Schuldner entfallenden Teil des gemeinschaftlichen Gegenstands verlangen (§ 756 S. 1 BGB).

§ 755 und § 756 BGB regeln die Berichtigung von Gemeinschaftsschulden bei Aufhebung der Gemeinschaft. Sie setzen eine gemeinschaftsbezogene Verbindlichkeit voraus; es muß sich um Verbindlichkeiten des § 748 BGB, also um Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstandes sowie Kosten der Erhaltung, Verwaltung und gemeinsamen Benutzung handeln (Aderhold in Erman, BGB 15. Aufl. § 755 Rdn. 1). § 748 BGB erfaßt aber nicht die mit dem Erwerb des gemeinschaftlichen Gegenstandes verbundenen Lasten/Kosten, etwa den Kaufpreis (Sprau in Palandt, BGB 80. Aufl. § 748 Rdn. 3). Der Lasten-/Kostenbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuchs betrifft allgemein nicht die Tilgung (vgl. BGH NJW 1986, 2439; OLG Düsseldorf OLGZ 1975, 341; Bassenge in Palandt, aaO § 1047 Rdn. 6); dies gilt auch, soweit die Antragstellerin sich auf die Ablösung der vorhandenen Hypothek beruft. Die Belastung des Grundstücks mit dem Kapital der Hypothek ist nach zutreffender Ansicht nicht als (einmalige) »Last« des Grundstücks nach § 748 BGB anzusehen (vgl. BGH NJW 1986, 2439; OLG Düsseldorf OLGZ 1975, 341; Bassenge, aaO § 1047 Rdn. 6). Gleiches gilt für die auf der Immobilie »lastenden« dingliche Rechte per se (Eickelberg in Staudinger, BGB [2015] § 748 Rdn. 3).

Im Übrigen führen die Ansprüche aus §§ 755 f BGB allein zu einer anderweitigen Verteilung des Erlöses bei Aufhebung der Gemeinschaft. Darüber ist angesichts des Verfahrens 3 F 454/15 (AmtsG Eberswalde) zwar bereits rechtskräftig entschieden worden; dies hindert die Antragstellerin (insoweit entgegen der teilweise anderweitigen Ansicht des Amtsgerichts in dem angefochtenen Beschluß) aber nicht, ihre Ansprüche aus anderen möglicherweise vorliegenden Normen zu verfolgen. Insoweit braucht auch ihrem Hilfsantrag, der zudem lediglich für den Fall einer höhenmäßigen Begrenzung betreffend der gestellten Anträge auf § 756 BGB gestützt werden soll, nicht weiter nachgegangen zu werden.

II. Darlehensansprüche der Antragstellerin

Der Antragstellerin stehen keine Ansprüche auf Rückzahlung gewährter Darlehen im Umfange von insgesamt 13.500 € gegen den Antragsgegner aus § 488 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 BGB zu. Die Antragstellerin beruft sich insoweit auf die Begebung von Darlehen zugunsten des Antragsgegners, die sie ihm in Einzelbeträgen (hier bereits in Euro dargestellt) wie folgt gewährt habe:

1. 3.000 € am 30. August 2004

2. 2.000 € am 2. März 2004

3. 1.000 € am 26. März 2004

4. 1.000 € am 29 April 2004

5. 1.000 € am 20. Januar 2005

6. 2.200 € am 9. Mai 2005 und

7. 3.300 € am 28. Dezember 2005

Sämtliche dieser Einzelansprüche aus Darlehen sind, wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, verwirkt; deshalb kann dahinstehen, ob die Antragstellerin das Bestehen der Darlehensverbindlichkeiten überhaupt schlüssig dargetan hat, bzw. ob diese teilweise verjährt sind.

1. Allgemeines zur Verwirkung

Nach § 242 BGB kommt eine unzulässige Rechtsausübung in Betracht, wenn durch ein Verhalten des Rechtsinhabers ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage bei der Gegenpartei hervorgerufen wurde (BGH MDR 2012, 1220). Als besondere Fallgruppe widersprüchlichen Verhaltens wird allgemein die Verwirkung angesehen; darunter versteht man den Verlust eines Rechts, das der Gläubiger einen gewissen Zeitraum nicht ausgeübt hat, so daß sich der Schuldner in schutzwürdiger Weise darauf einrichten konnte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BGH NJW 2010, 3714, 3716). Diese zunächst durch die Rechtsprechung entwickelte Fallgruppe der Verwirkung ist mittlerweile auch gesetzlich anerkannt (vgl. §§ 4 Abs. 4 S. 2 TVG, 21 Abs. 4 MarkenG, und auch § 15 StVG; vgl. Olzen/Looschelders in Staudinger, BGB [Stand: 2018] § 242 Rdn. 300).

Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, daß dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Konstitutiv für die Annahme des Verwirkungstatbestandes ist die Feststellung, daß die späte Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität des Berechtigten erscheint, wobei damit indessen kein Unwerturteil über den Rechtsinhaber gefällt wird, denn schuldhaftes Verhalten ist keine Voraussetzung der Unzulässigkeit einer Rechtsausübung; vielmehr muß die verspätete Inanspruchnahme für den Schuldner nur unzumutbar sein. Für diese Bewertung spielen objektive Gegebenheiten in dem Verhältnis von Gläubiger und Schuldner wie auch subjektive Merkmale in Bezug auf jeden der beiden eine Rolle.

a) Gestaltungsrechte

Gegenstand der Verwirkung können alle subjektiven Rechte sein. Hängt die Geltendmachung von Ansprüchen noch von einseitigen Maßnahmen bzw. von Gestaltungsrechten (Mahnung, Kündigung, Widerruf) ab, können auch diese verwirken. Beispielsweise wird das Kündigungsrecht des Darlehensgebers durch Treu und Glauben (§ 242 BGB) eingeschränkt, und kann verwirken (Olzen/Looschelders, aaO Rdn. 756). Ebenso kann zum Beispiel ein Widerrufsrecht des Darlehensnehmers verwirkt sein (ständige Rechtsprechung des BGH zu den Verbraucherdarlehensverträgen, vgl. zuletzt BGH NJW 2020, 148).

b) Verwirkung und Verjährung(-shemmung)

Zwar war während des Bestehens der Ehe der Beteiligten eine Verjährung von Darlehensrückzahlungsforderungen ausgeschlossen (§ 207 Abs. 1 S. 1 BGB). Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung schließt die ratio legis des § 207 BGB den Eintritt der Verwirkung während des Hemmungszeitraums bzw. während der laufenden (und durch § 207 BGB ursprünglich gehemmten) Verjährungsfrist nicht aus: Die gesetzlichen Hemmungstatbestände beziehen sich auf das Verjährungsrecht, und haben wie die Verjährung im Allgemeinen nur Bedeutung für die Frage, ob die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs allein aus Zeitgründen scheitert. Ihre Wirkung besteht dementsprechend darin, daß sie den Ablauf der Verjährungsfrist hinausschieben.

Für die Verwirkung muß hingegen das (Zeit- und) Umstandsmoment hinzutreten. Zu der Annahme der Verwirkung muß für den Schuldner ein von dem Gläubiger gesetzter besonderer Vertrauenstatbestand vorliegen. Da Verjährung und Verwirkung auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen, widerspricht der Eintritt der Verwirkung mithin nicht dem Hemmungstatbestand des § 207 BGB. Verwirkung kann bei Vorliegen eines entsprechenden Vertrauenstatbestandes folglich selbst während der Hemmung eintreten (BGH FamRZ 2018, 589 = FuR 2018, 268 zum Unterhaltsanspruch mwN). Erst recht gilt dies dann, wenn der Hemmungstatbestand durch die Scheidung der Ehe entfallen, und die nunmehr weiterlaufende Verjährungsfrist noch nicht erfüllt ist.

c) Umstandsmoment

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes müssen zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (so für den Unterhaltsanspruch BGH FamRZ 2018, 589 = FuR 2018, 268; OLG Brandenburg FuR 2019, 709; ferner BGH NJW-RR 2014, 195 zu tituliertem Mietzins). Dieser Vertrauenstatbestand kann in aller Regel nicht durch bloßen Zeitablauf, also durch Nichtstun, geschaffen werden (BGH NJW-RR 2014, 195); dementsprechend kann ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen. Dies gilt nicht nur für eine bloße Untätigkeit des Gläubigers, sondern grundsätzlich auch für die von diesem unterlassene Fortsetzung einer bereits begonnenen Geltendmachung. Auch wenn der Gläubiger davon absieht, sein Recht weiter zu verfolgen, kann dies für den Schuldner nur dann berechtigterweise Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn das Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde den Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe (BGH FamRZ 1988, 370, 373 = EzFamR BGB § 284 Nr. 5 = BGHF 6, 8; 2018, 589 = FuR 2018, 268 zum Unterhaltsanspruch).

d) Zeitmoment

Die Zeitdauer, die zu der Verwirklichung des Zeitmoments erforderlich ist, ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der Umstände, und hängt dabei auch von dem jeweiligen Vertragsgegenstand bzw. der Art des Anspruchs ab (BGH FamRZ 1995, 725 = EzFamR BGB § 284 Nr. 6 = BGHF 9, 1025; Pfeiffer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB 8. Aufl. [2017] § 242 Rdn. 105). Für das Zeitmoment ist grundsätzlich entscheidend, ob und inwieweit dem Rechtsinhaber eine (wesentlich) frühere Geltendmachung möglich war, und von ihm erwartet werden konnte (Schubert in MünchKomm, BGB 8. Aufl. § 242 Rdn. 380). Die Zeitdauer kann daran anknüpfen, daß von vornherein jede Aktivität des Berechtigten unterbleibt (Pfeiffer, aaO § 242 Rdn. 103). Damit kommt in der Regel eine Verwirkung je nach Anspruch bei Nichtgeltendmachung von mehr als einem Jahr in Betracht.

Bei der Verwirkung von Gestaltungsrechten gilt kein allgemeiner Grundsatz, daß eine Verwirkung bereits nach kurzer Zeit eintritt; Treu und Glauben können allerdings gebieten, daß der Berechtigte innerhalb einer zumutbaren Zeit Klarheit darüber herbeiführt, ob er ein bestimmtes Gestaltungsrecht ausübt (BGH NJW 2016, 3512 zu dem Widerrufsrecht des Verbrauchers beim Verbraucherdarlehensvertrag; BGH NJW 2002, 669 zu einem Lizenzvertrag; allgemein dazu Pfeiffer, aaO § 242 Rdn. 116).

2. Verwirkung in dem vorliegenden Fall

Unter Beachtung der vorangestellten Ausführungen läßt die Antragstellerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung ein fehlendes Rechtsverständnis von dem Verhältnis der Verjährung zu der Verwirkung erkennen; es liegt vielmehr nach den vorangestellten Ausführungen auf der Hand, daß eine Verwirkung gerade dann vorliegen kann, soweit die Verjährung noch nicht eingetreten ist. Sinn und Zweck der Verwirkung bestehen gerade darin, dem Schuldner vor allem bei sehr langen Verjährungsfristen bereits vor deren Ablauf Leistungsfreiheit zu verschaffen, wenn besondere Umstände dazu führen, daß sich die Geltendmachung des Rechts durch den Gläubiger als widersprüchlich und mißbräuchlich erweist (BGH FamRZ 1995, 1272 = EzFamR BGB § 1594 Nr. 5 = BGHF 9, 1244). Anders ergibt die rechtliche Regelung keinen Sinn, da dann der Schuldner durch die Möglichkeit der Erhebung der Einrede der Verjährung ausreichend geschützt wäre. Der gesamte diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung geht daher an der Rechtslage praktisch komplett vorbei.

a) Umstandsmoment in dem vorliegenden Fall

Sämtliche ihrer Darlehensforderungen hat die Antragstellerin unstreitig im Rahmen der von ihr zum Zugewinn erteilten Auskünfte betreffend Anfangs-, Trennungs- und Endvermögen jedenfalls bis März 2014 nicht geltend gemacht, das heißt nicht als Aktivposten ihrer Vermögenswerte berücksichtigt; dazu war die Antragstellerin aber grundsätzlich verpflichtet. Schuldrechtliche Ansprüche der Ehegatten sind bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs in dem jeweiligen Endvermögen des Gläubigers als Aktivposten, und in dem des Schuldners als Passivposten zu berücksichtigen (zum Beispiel BGH FamRZ 2006, 1178, 1179 = FuR 2006, 358; 2007, 877, 878 = FuR 2007, 286), und zwar unabhängig davon, ob die Forderung bereits fällig ist oder nicht. Hinsichtlich der Aktiva des (Trennungs- und) Endvermögens würde es sich dabei aber um solche für sie ungünstige Umstände handeln, da für diese Vermögenswerte eine Erhöhung ihres Aktivvermögens die Folge wäre.

Die gesonderte Geltendmachung schuldrechtlicher, insbesondere vertraglicher Verpflichtungen zwischen Ehegatten wird zwar regelmäßig nicht durch einen Vorrang des ehelichen Güterrechts ausgeschlossen (vgl. BGHZ 115, 132 = FamRZ 1991, 1169, 1170 f = EzFamR BGB § 242 Nr. 13 = BGHF 7, 959). Der unterbliebenen Geltendmachung des Rechts kommt indessen bei der Prüfung, ob das Umstandselement gegeben ist, ein ganz besonderes Gewicht dann zu, wenn unter den gegebenen Umständen berechtigterweise erwartet werden konnte, daß der Gläubiger seine Rechte aktiv verfolgen werde, falls er auf ihnen beharren will (OLG Frankfurt OLGR 2002, 347 zu einem Darlehen). Ratio der Verwirkung ist hauptsächlich der Schutz des Vertrauens der Gegenpartei, die über den Zeitablauf hinweg nicht in Anspruch genommen wurde, und deshalb darauf vertrauen durfte, der Gläubiger wolle seine Rechte nicht mehr geltend machen, und letztlich dieses Vertrauen auch schutzwürdig erscheint (OLG Frankfurt aaO). Die in den Ausgleichsbilanzen unterbliebene Geltendmachung solcher Forderungen zwischen den Ehegatten kann daher den Einwand unzulässiger Rechtsausübung hervorrufen (BGH FamRZ 2009, 193 = FuR 2009, 102).

Die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen gegen den Antragsgegner im Güterrecht läßt allein den Schluß darauf zu, daß die Antragstellerin die entsprechenden Vermögenswerte, also die Darlehensforderungen, nicht mehr verfolgen wird. Ob sie dabei bewußt oder rechtsirrig vorgegangen ist, spielt keine Rolle, da - wie zuvor ausgeführt - die Verwirkung nicht an ein schuldhaftes Verhalten anknüpft. Insoweit durfte der Antragsgegner berechtigterweise darauf vertrauen, daß die Antragstellerin außerhalb der in ihren Aufstellungen genannten Vermögenswerte weitere bis zu den jeweiligen Stichtagen entstandene Forderung gegen ihn nicht verfolgen werde. Konsequenterweise ist demgemäß in den entsprechenden Aufstellungen des Antragsgegners zu seinen im Zugewinnausgleich zu berücksichtigenden Vermögenswerten eine entsprechende Position (Darlehensverbindlichkeiten) im Rahmen seiner Passiva nicht enthalten, obgleich sich dabei jedenfalls bei dem (Trennungs- und) Endvermögen des Antragsgegners um für ihn günstige Umstände handeln würde.

Das Umstandsmoment ist damit erfüllt. Zwar wird ein Fall des § 242 BGB bei einer Nichtgeltendmachung vorhandener Forderungen primär in Betracht zu ziehen sein, soweit dies zu einer Doppelbelastung des Schuldners führt (vgl. auch Büte, Zugewinnausgleich 5. Aufl. [2017] Rdn. 506); dies schließt es jedoch nicht aus, bei Erfüllung des Zeitmoments zu einem Verwirkungstatbestand zu kommen.

b) Zeitmoment in dem vorliegenden Fall

Soweit die Antragstellerin sodann erstmals mit Schriftsatz vom 19. März 2014 Darlehensforderungen geltend gemacht hat, hat das Amtsgericht zu Recht erkannt, daß mit dem Ablauf von einem Jahr und zwei Monaten nach der letzten Auskunfterteilung im Rahmen des Zugewinnausgleichs auch das Zeitmoment der Verwirkung erfüllt ist. Wie bereits ausgeführt, können Treu und Glauben es gebieten, daß der Berechtigte innerhalb einer zumutbaren Zeit Klarheit darüber herbeiführt, ob er ein bestimmtes Recht bzw. Gestaltungsrecht ausübt. Bei der Bestimmung des Zeitmoments ist auch zu berücksichtigen, daß die dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände sich umso schwerer ermitteln lassen, je länger die Entstehung des Anspruchs zurückliegt (vgl. auch BGH FamRZ 2010, 1888 = FuR 2011, 49).

Die Darlehen wurden nach dem Vortrag der Antragstellerin bis Ende 2005 begeben. Spätestens mit der Trennung der Eheleute Ende 2011 begann die vermögensrechtliche Auseinandersetzung. Die Auskünfte zu ihren Vermögenswerten erteilte die Antragstellerin im Januar 2013; bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich nicht auf die Darlehensforderungen berufen bzw. ihr Gestaltungsrecht der Fälligstellung (soweit dies erforderlich war) ausgeübt. Angesichts dieses Verlaufs der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Beteiligten war zu erwarten, daß die Antragstellerin nach der Trennung bzw. spätestens mit Erstellung ihrer vermögensrechtlichen Bilanzen, allerspätestens aber ein Jahr nach deren Erstellung ihre Rechte durchsetzen würde.

An diesen bereits in dem Senatsbeschluß vom 17. Januar 2020 enthaltenen Ausführungen ist auch angesichts des weiteren Vorbringens der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 6. März 2020 festzuhalten. Der Senat hat die entsprechenden Argumente abgewogen, bleibt aber bei seiner bereits in dem Hinweisbeschluß vom 17. Januar 2020 niedergelegten Ansicht, daß auch in dem vorliegenden Fall ein Zeitraum von einem Jahr und zwei Monaten für die Erfüllung des sog. Zeitmoments ausreichend ist. Ebenso wenig steht der Einschätzung, die Nichtgeltendmachung von Ausgleichsforderungen im Rahmen der Zugewinnausgleichsbilanzen könne zu einer Verwirkung führen, entgegen, daß der Bundesgerichtshof in der angeführten Entscheidung vom 12. November 2008 (BGH FamRZ 2009, 193 = FuR 2009, 102) selbst über eine Verwirkung nicht entschieden hat, denn der Bundesgerichtshof hat - wie er ausdrücklich hervorgehoben hat - jedenfalls den Einwand unzulässiger Rechtsausübung in solcher Konstellation für möglich gehalten, aus dem wiederum dann in Verbindung mit § 242 BGB die Möglichkeit einer Verwirkung resultiert.

Ob sich die (Nicht-)Einbuchung entsprechender Forderungen bzw. Verbindlichkeiten in die Ausgleichsbilanzen dagegen tatsächlich auf die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs auswirkt, ist für die Frage einer Verwirkung nicht ausschlaggebend; primär ist dabei vielmehr die Frage berührt, ob nicht darin eine anderweitige Regelung iSd § 426 Abs. 1 BGB zu sehen ist (allgemein dazu Roßmann in Klein, Handbuch Familienvermögensrecht 2. Aufl. [2015] Kap. 2 Rdn. 248), worauf es aber in dem vorliegenden Fall nicht ankommt.

III. Kaufpreiszahlung von 120.000 DM

Hinsichtlich der zunächst auf den Kaufpreis geleisteten Zahlung von insgesamt 120.000 DM geht die Antragstellerin gegen den Antragsgegner im Umfange von 1/6 (= 20.000 DM = 10.225,84 €) als Anteil des Antragsgegners vor. Ein solcher Anspruch steht ihr nicht (mehr) zu.

1. Bestehen einer Gesamtschuld

Soweit die Antragstellerin dies im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs verfolgt, erscheint dies zunächst zweifelhaft, gleich ob sie dies aus § 426 Abs. 1 oder 2 BGB (letzteres in Verbindung mit übergegangenem Recht) verfolgt, denn eine gesamtschuldnerische Haftung für den Kaufpreis folgt jedenfalls ausweislich des vorgelegten notariellen Vertrages nicht zwingend, weshalb auch insoweit von vornherein die lediglich anteilige Haftung für den jeweiligen Kaufpreis gegenüber dem Verkäufer in Betracht kam. Naheliegen dürfte vielmehr insoweit ein Anspruch der Antragstellerin im Zusammenhang mit § 267 BGB, das heißt indem sie (bzw. ihr Vater) eine Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners erfüllt hat, in Verbindung mit einem weiteren Anspruch aus zum Beispiel Auftragsverhältnis (§§ 670, 683 BGB) oder zumindest aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB). Letztendlich kann die Frage offen bleiben, da in jedem Falle für die in Betracht kommende Anspruchsnorm Verjährung eingetreten ist.

2. Verjährung

a) Regelverjährungsfrist von drei Jahren

Zunächst ist festzuhalten, daß für sämtliche dieser Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB greift. Soweit vor dem 1. Januar 2002 ein abweichendes Verjährungsrecht mit möglicherweise längeren Fristen galt, kommt es darauf angesichts des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB nicht an.

Eine von § 195 BGB abweichende Spezialnorm, insbesondere § 196 BGB, ist hier nicht einschlägig. Nach § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung zwar in zehn Jahren; dies zielt erkennbar auf die zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber bestehenden Ansprüche ab. Ansprüche, welche die nach § 196 BGB verjährenden Ansprüche ersetzen oder wirtschaftlich an deren Stelle treten, werden aber davon nicht erfaßt, und verjähren in der Regelverjährungsfrist (vgl. nur Lakkis in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB 8. Aufl. [2017] § 196 Rdn. 11).

b) Beginn der Verjährung

Mit der Zahlung dieses Teilkaufpreises im Jahre 1998 entstanden sogleich entsprechende Ausgleichsansprüche zwischen den Beteiligten, und nicht erst, wie die Antragstellerin im Rahmen der Beschwerdebegründung vertritt, im Zusammenhang mit der Teilungsversteigerung oder einer entsprechenden Fälligstellung. Dies gilt schon deshalb, weil die Kosten des Erwerbs des gemeinschaftlichen Gegenstandes eben keine gemeinschaftsrechtliche Forderung (iSd §§ 748, 755 f BGB) begründen können, wie bereits ausgeführt; nur für solche wäre aber möglicherweise deren Fälligkeit auf den Zeitpunkt der Auseinandersetzung der Gemeinschaft verschoben. Im Übrigen gilt selbst für Ausgleichsansprüche eines Miteigentümers gegen andere ebenfalls, daß diese sogleich entstehen, und dann innerhalb der nach Jahresende beginnenden Regelverjährungsfrist von drei Jahren verjähren (vgl. zum Beispiel OLG Rostock NZM 2010, 905 für Ansprüche aus §§ 670, 683 BGB).

Daran ändert auch nichts, sollte es sich hierbei um Ansprüche aus Gesamtschuldnerausgleich handeln. Der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB zwischen den Ehegatten unterliegt der dreijährigen Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB, und entsteht bereits mit der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses (Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis vgl. BGH NJW-RR 2006, 1718; NJW 2010, 60, 61; MDR 2017, 149; OLG München, Urteil vom 28. September 2017 - 23 U 1788/17 - juris). Für den Beginn der Verjährung ist es nicht erforderlich, daß der Ausgleichsanspruch beziffert werden, bzw. Gegenstand einer Leistungsklage sein kann (BGH MDR 2017, 149). Der Ausgleichsanspruch besteht zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch, und wandelt sich mit der Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um (BGH NJW 2010, 60, 61; MDR 2017, 149; OLG München aaO). Unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch handelt es sich aber um einen einheitlichen Anspruch, der einer einheitlichen Verjährung unterliegt, und der mit der Begründung der Gesamtschuld entstanden ist (BGH MDR 2017, 149 mwN).

Daher waren diese Ansprüche bereits im Jahre 1998 mit Zahlung der insgesamt 120.000 € entstanden, und daher mit Ablauf des Jahres 2001, spätestens aber bei erstmaliger Geltendmachung durch die Antragstellerin im Jahre 2016 verjährt.

3. Verwirkung

Vorsorglich sei darauf hingewiesen, daß selbst für den Fall der Bejahung eines (zudem noch unterstellt unverjährten) Ausgleichsanspruchs dieser nach § 242 BGB aus den gleichen Gründen wie für die geltend gemachten Privatdarlehen verwirkt wäre. Vorliegend gilt dies erst recht angesichts dessen, daß angesichts des gemeinsam gegen den Vater der Antragstellerin geführten Verfahrens auf Gesamtschuldnerausgleich (LG Frankfurt/O. - 12 O 239/04) beiden Beteiligten schon früh bewußt war (oder ihnen bewußt sein mußte), daß zwischen den Gemeinschaftern auch wechselseitige Ansprüche wegen der Zahlungen für die Immobilie bestehen konnten; zudem ist die ausdrückliche Geltendmachung dieser Ansprüche hier sogar erst über drei Jahre nach der letzten Auskunftserteilung (also deutlich später als betreffend der Privatdarlehen) seitens der Antragstellerin im Zugewinnausgleichsverfahren erfolgt.

4. Gemeinschaftsrechtliche Ansprüche

Soweit sich die Antragstellerin in dem Schriftsatz vom 6. März 2020 nunmehr für ihre Ansprüche auf Vorschriften aus dem Recht der Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff BGB, insoweit § 748 bzw. § 756 BGB) stützt, verfängt dies nicht: Wie der Senat bereits ausgeführt hat, zählen Kosten zu der Begründung der Gemeinschaft, also der hier streitgegenständliche Kaufpreis, gerade nicht zu den Lasten oder Kosten iSd § 748 BGB (allgemeine Ansicht, vgl. neben den von dem Senat bereits angeführten Fundstellen noch BGH FamRZ 2010, 1542 = FuR 2010, 646; 2015, 993, 995 = FuR 2015, 535; Sprau in Palandt, BGB 79 Aufl. § 768 Rdn. 2). Die insoweit von der Antragstellerin anderweitig vertretene Auffassung wird - soweit erkennbar - in der Rechtsprechung und Literatur überhaupt nicht vertreten; jedenfalls widerspricht sie der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Nicht einmal die von der Antragstellerin für ihre abweichende Auffassung angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 9. Oktober 1991 (NJW 1992, 114 = EzFamR BGB § 756 Nr. 1) ist insoweit einschlägig, da wertsteigernde Aufwendungen auf ein vorhandenes gemeinschaftliches Grundstück zum Gegenstand hat (Hausbau), und daher eine andere Sachlage abbildet. Damit scheidet auch gleichsam § 756 BGB (Berichtigung einer Teilhaberschuld) aus, da auch diese Norm allein Forderungen erfaßt, die einem Teilhaber aufgrund seiner Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft zustehen, und daher naturgemäß nicht solche, die erst zu dem Entstehen der Gemeinschaft geführt haben (vgl. Sprau, aaO § 756 Rdn. 2 hinsichtlich der erfaßten Forderungen).

IV. Darlehen HypoVereinsbank

Soweit die Antragstellerin nach eigenem Vortrag bis zum Jahre 2006 insgesamt die Darlehen über 100.000 DM bzw. über 60.000 DM durch Zahlungen von (Zins und Tilgung) insgesamt 101.713,51 € (sei es aus eigenem, sei es aus Einkommen/Vermögen des Vaters) zurückgeführt hat, steht ihr kein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Zahlung seines Anteils (1/6) in dem Umfange von insgesamt 16.952,25 € zu.

1. Kein Rückforderungsanspruch in der intakten nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Das Amtsgericht hat zutreffend dazu ausgeführt, daß Ausgleichsansprüche angesichts der zu dem Zahlungszeitpunkt bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig entfallen, so auch hier. Eine Ausgleichspflicht nach Kopfteilen (§ 426 Abs. 1 BGB) wird den tatsächlichen Verhältnissen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht gerecht; durch deren Eigenart ist vielmehr »ein anderes« dahin »bestimmt«, daß die Leistung, die ein Partner im gemeinsamen Interesse erbracht hat, jedenfalls dann, wenn darüber nichts vereinbart worden ist, von dem anderen Teil nicht auszugleichen ist (BGH FamRZ 2013, 1295 = FuR 2013, 581). Dies gilt auch bei einem außergewöhnlichen Geschäft wie der Tilgung eines gemeinschaftlichen Hausdarlehens (BGHZ 183, 242 = FamRZ 2010, 277); erst mit der Trennung der nichtehelichen Lebensgefährten entfallen die Umstände, denen man einen besonderen, von der gesetzlich vorgesehenen Halbteilung abweichenden Verteilungsmaßstab entnehmen kann, so daß erst für ab diesem Zeitpunkt erbrachte Leistungen eine Ausgleichspflicht ausscheidet (OLG Bremen NJW 2016, 1248).

Ob bzw. wie die Einkommensverhältnisse zwischen den Beteiligten ausgestaltet waren, ist ohne Belang (vgl. auch BGH FamRZ 2013, 1295 = FuR 2013, 581); ebenso wenig kommt es darauf an, wer welche Anteile für die Lebensgemeinschaft erbracht hat, denn es soll gerade eine solche vermögensrechtliche Rückabwicklung der intakten Lebensgemeinschaft vermieden werden. Selbst wenn daher ein Partner der Gemeinschaft den weitaus überwiegenden Anteil erbracht hat, scheiden Ausgleichsansprüche aus: Solche kommen nur bei einer anderweitig getroffenen (mindestens konkludenten) Vereinbarung zwischen den nichtehelichen Lebensgefährten in Betracht, die hier nicht erkennbar ist.

Vorsorglich wird noch darauf hingewiesen: Selbst bei einem hier nicht gegebenen Ausgleichsanspruch wäre zu beachten, daß in der Rückforderung der Darlehensraten sowohl Tilgungs- als auch Zinsanteile enthalten sind. Bei den entsprechenden Zinsanteilen ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich de facto um Aufwendungen betreffend des notwendigen Lebensbedarfs der Lebensgemeinschaft handelte. Nach dem Grundsatz, daß innerhalb der Lebensgemeinschaft erbrachte Leistungen grundsätzlich nicht rückabgewickelt werden sollen, können insbesondere innerhalb der Lebensgemeinschaft quasi als Mietzinszahlung fungierenden Zinszahlungen in keinem Falle zurückverlangt werden (vgl. BGH FamRZ 2013, 1295 = FuR 2013, 581; vgl. auch BGH FamRZ 2015, 490 für Schwiegerelternzuwendungen). Insoweit müßte die Antragstellerin zu der Bezifferung ihres Anspruchs zunächst zwischen Zins- und Tilgungsraten im einzelnen differenzieren, um dann überhaupt einen rückzahlungsfähigen Tilgungsanteil bestimmen zu können.

2. Verjährung

Letztendlich kann aber all dies nahezu vollständig dahinstehen: Selbst wenn der Antragstellerin insoweit insgesamt ein Anspruch zustünde, wäre dieser praktisch vollständig verjährt. Wie bei den Teilkaufpreiszahlungen näher ausgeführt, sind die Gesamtschuldnerausgleichsansprüche aus § 426 Abs. 1 BGB sogleich mit dem Abschluß des Darlehensvertrages im Jahre 1998 entstanden; damit ist die Verjährung schon vor der erfolgten Rückzahlung des Darlehens mit Ablauf des Jahres 2001 eingetreten.

Soweit sie sich dagegen auch auf übergegangene Darlehensansprüche (Rückzahlungsanspruch aus § 488 BGB) beruft (§ 426 Abs. 2 BGB), ist zu berücksichtigen, daß auch in diesem Falle die Verjährung für jede gezahlte Rate (bzw. die jeweils erfolgte Sondertilgung) zu bemessen ist, denn mit jeder gezahlten Rate bestand insoweit für die Antragstellerin aus dem übergegangenen Darlehensanspruch der entsprechende Rückforderungsanspruch, der sodann ebenso binnen drei Jahren verjährte. Die im Jahre 1998 geleisteten Darlehensraten verjährten daher spätestens mit Ablauf des Jahres 2001, die im Jahre 1999 geleisteten daher spätestens mit Ablauf des Jahres 2002, usw. Damit sind aber jedenfalls alle bis zum Jahre 2005 entstandenen Ansprüche aus übergeleitetem Recht (deren Verjährung dann gemäß § 199 Abs. 1 BGB spätestens mit Ablauf des Jahres 2005 begann) verjährt, ohne daß es auch hier einer genauen Differenzierung zwischen dem früheren und dem seit dem Jahre 2001 geltenden Verjährungsrecht angesichts des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB (vgl. zuvor) bedarf.

Dies sei anhand der im Jahre 2005 geleisteten Darlehensraten ausgeführt: Ab dem 1. Januar 2006 begann insoweit die Verjährung zu laufen; sodann trat die Hemmung dieser Ansprüche für die Zeit vom 13. Juli 2006 bis einschließlich 7. Januar 2014 (während des Bestehens der Ehe, § 207 Abs. 1 S. 1 BGB) ein, und ab dem 8. Januar 2014 begann sie sodann erneut zu laufen (dabei mag dahinstehen, daß diese Ansprüche, so sie auf Darlehensrückzahlungen des Vaters der Antragstellerin beruhen würden, von der Hemmung nach § 207 BGB bis zu dem Eintritt des Erbfalles gar nicht betroffen wären). Mit dem 26. Juni 2016 waren die übergeleiteten Ansprüche (spätestens) verjährt, wie das Amtsgericht zutreffend berechnet hat. Die rund ein Monat danach erfolgte erstmalige Geltendmachung solcher Ansprüche konnte daher (ganz unabhängig von den weiteren für eine Hemmung notwendigen Voraussetzungen der §§ 203 ff BGB) nicht mehr die bereits abgelaufene Verjährungsfrist in irgendeiner Art und Weise beeinflussen.

Anderes gilt dagegen, soweit noch im Jahre 2006 das Darlehen (wohl im Umfange von 1.774,17 €) zurückgezahlt wurde: Nur insoweit wäre eine Verjährung noch nicht erfolgt, denn (in Abweichung von den Ausführungen des Amtsgerichts) wäre durch Anhängigkeit des Verfahrens im November 2016 bei Zurückwirken der Anfang Januar 2017 und somit noch demnächst erfolgten Zustellung keine Verjährung eingetreten (vgl. § 113 Abs. 1 FamFG iVm §§ 167, 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO iVm § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Soweit der Antragsgegner in dem Schriftsatz vom 11. Februar 2020 hierzu ausführt, und Zahlungen im Jahre 2006 durch die Antragstellerin als falsch bezeichnet, ist dies unerheblich: Der Senat hat in dem vorstehenden Absatz allein den für die Schlüssigkeitsprüfung notwendigen Sachvortrag der Antragstellerin zugrunde gelegt, und kommt in Verbindung mit den nachfolgenden Ausführungen dann zu dem Ergebnis, daß Verwirkung eingetreten ist. Die weitere Frage, ob die Antragstellerin überhaupt ausreichend substantiiert dargelegt hat, bzw. notfalls zu beweisen hätte, daß sie tatsächlich noch im Jahre 2006 das Darlehen zurückgezahlt hat, stellt sich daher nicht mehr.

3. Verwirkung

Selbst für den Fall der Bejahung eines (zudem noch unterstellt unverjährten) Ausgleichsanspruchs ist dieser nach § 242 BGB aber aus den gleichen Gründen wie zuvor dargestellt verwirkt.

V. Ablösung der Hypotheken der Sparkasse

Soweit die Antragstellerin insoweit nach eigenem Vortrag bis zum Jahre 2001 insgesamt 15.734,94 DM = 8.049,75 € (sei es aus eigenem, sei es aus dem Vermögen des Vaters) zwecks Ablösung der entsprechenden Hypotheken gezahlt hat, steht ihr kein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Zahlung seines Anteils (1/6) in dem Umfange von 1.341,62 € zu.

Soweit die Antragstellerin dabei auf Beträge, die ihr ihr Vater zur Verfügung gestellt hat, zurückgegriffen hat, liegt es nahe, daß es sich insoweit um eine sog. Schwiegerelternzuwendung auch im Verhältnis zu dem Antragsgegner handelte. Dann wäre zu beachten, daß insoweit zunächst allein dem Vater eigene Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zustehen würden; diese Ansprüche wären aber während des Bestehens der Ehe noch nicht entstanden, das heißt sie entstehen erst bei der Trennung der Eheleute. Verstirbt aber ein Schwiegerelternteil vor der Trennung der Eheleute (wie dies hier bei dem Vater der Antragstellerin der Fall ist), ist ein Anspruch auf Rückzahlung nicht entstanden, und damit nicht vererblich (Büte in Klein, Handbuch Familienvermögensrecht 2. Aufl. [2015] Kap. 5 Rdn. 36).

Letztendlich kann auch dies dahinstehen, und auf die vorangegangenen Ausführungen betreffend der zurückgeführten Darlehen bei der HypoVereinsbank bzw. der Teilkaufpreiszahlungen Bezug genommen werden. Ein eventueller Ausgleichsanspruch der Antragstellerin - der hier gleichsam allein aus dem Schuldrecht und insoweit insbesondere aus §§ 670, 683 iVm § 267 BGB oder ungerechtfertigter Bereicherung, aus § 426 Abs. 1 BGB oder möglicherweise auch aus § 426 Abs. 2 BGB herrühren würde - wäre verjährt, zumindest aber verwirkt.

VI. Weiteres

Die weiteren Ausführungen der Antragstellerin in dem Schriftsatz 6. März 2020 enthalten keinen neuen Sachvortrag, allein eine anderweite rechtliche Würdigung, die der Senat nochmals abgewogen hat, die aber keine Veranlassung zu einer anderweitigen Rechtsauffassung des Senats als bereits in dem Beschluß vom 17. Januar 2020 geäußert, ergeben.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 113 Abs. 1 FamFG, § 97 Abs. 1 ZPO entsprechend. Der Verfahrenswert der Beschwerde bestimmt sich nach dem hier geltend gemachten Leistungsanspruch.

Veranlassung für eine mündliche Verhandlung besteht nicht. Es ist nicht zu erwarten, daß sich hieraus Abweichungen im Verhältnis zu der ersten Instanz ergeben (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG); es verbleibt daher bei der angekündigten schriftlichen Entscheidung.

Da der Senat von keiner Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweicht, und auch sonstige Gründe gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht erkennbar sind, war entgegen dem Begehren der Antragstellerin die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. Aus dem gleichem Grunde war dem Begehren der Antragstellerin bezüglich einer Rückübertragung auf dem Senat nicht nachzukommen, zumal auch der Antragsgegner einer Rückübertragung ausdrücklich widersprochen hat, und daher die Voraussetzungen des § 526 Abs. 2 ZPO (§ 113 Abs. 1 FamFG) insgesamt nicht vorliegen.

OLG Brandenburg 2020-03-25 - 9 UF 217/19
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Anmerkungen

1. Anfang des Jahres 2013 erteilte die Antragstellerin Auskunft zu ihrem Endvermögen, führte jedoch die in dem jetzigen Verfahren geltend gemachte angebliche Darlehensforderung gegen den Ehemann nicht auf; ebenso wenig erwähnte der Ehemann die Forderungen in seiner Zugewinnbilanz. Erst 14 Monate später machte die Ehefrau die behauptete Forderung im Zugewinnverfahren erstmals geltend, um sie dann im Rahmen des vorliegenden separaten Verfahrens im Jahre 2016 gerichtlich zu verfolgen. Neben einer Vielzahl von anderen Ansprüchen wies das FamG diesen Antrag ab.

2. Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Der Anspruch sei verwirkt. Verwirkung komme in Betracht, sofern durch ein Verhalten des Rechtsinhabers ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage bei der Gegenpartei hervorgerufen wurde, vor allem, falls sich der Schuldner darauf eingerichtet habe, dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird: Die die späte Geltendmachung des Rechts erscheine als eine mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität des Berechtigten. Damit sei kein Unwerturteil über den Rechtsinhaber gefällt; insbesondere sei kein Verschulden erforderlich. Neben dem Umstandsmoment sei ein Zeitmoment erforderlich. Diese Voraussetzungen lägen vor. Grundsätzlich seien im Zugewinnausgleich auch Ansprüche der Eheleute gegeneinander aufzuführen. Sie seien Aktivposten bei dem einen Partner, und folgerichtig Passivposten auf der Gegenseite. Die gesonderte Geltendmachung schuldrechtlicher Ansprüche sei nicht durch einen vermeintlichen Vorrang des ehelichen Güterrechts ausgeschlossen. Die Antragstellerin habe erstmalig nach über einem Jahr ihre Forderung verfolgt; zu diesem Zeitpunkt habe der Ehemann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen müssen. Die Vorschrift der Verwirkung gelte unabhängig von den Verjährungsregeln. Selbst der Umstand, dass zwischen Eheleuten während bestehender Ehe die Verjährung gehemmt sei (§ 207 BGB), ändere hieran nichts.

3. In einer solchen Situation hat der BGH differenziert: Sofern gegenseitige Forderungen in der Bilanz als Aktiva und Passiva aufgenommen worden seien, könne der Zugewinn nicht verfälscht werden, und umgekehrt: Nicht in jedem Fall einer Nichtberücksichtigung müsse eine Doppelbelastung des Schuldners eintreten. Das sei zum Beispiel vorstellbar bei Anfangsvermögen auf beiden Seiten, oder bei fehlendem Zugewinn. Anders sei die Rechtslage bei einer Doppelbelastung: Selbst wenn bezüglich des Zugewinns kein gerichtliches Auskunftsverfahren vorgeschaltet gewesen sei, greife der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung in allen Fällen durch, in denen eine Doppelbelastung die Folge sei. Wegen der Selbstständigkeit der Ansprüche trage der Schuldner die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoss gegen § 242 BGB vorliege. Sofern der Schuldner tatsächlich Schwierigkeiten habe, den hypothetischen Verlauf des Zugewinnausgleichsverfahrens nachzuweisen, könne ihm beweiserleichternd folgender Weg zugestanden werden: Er könne sich auf den Vortrag der Gegenseite im Zugewinnverfahren (ohne die nicht aufgeführte Forderung!) berufen. Substantiiert müsse sodann der Gegner dieses Vorbringen bestreiten, um sich nicht dem Vorwurf der rechtsmissbräuchlichen Verfahrensführung auszusetzen.

4. Vielfach macht es wirtschaftlich kaum Sinn, Forderungen, die bis zu der Rechtshängigkeit zwischen den Eheleuten entstanden sind, separat gerichtlich zu verfolgen. Für den Fall, dass auf beiden Seiten Zugewinn vorhanden ist, laufen derartige Verfahren letztendlich auf ein »Nullsummenspiel« hinaus. Anders ist dies aber dann, falls sich ein Beteiligter aus taktischen Gründen vorab einen Titel verschaffen will, um hieraus sofort die Vollstreckung zu betreiben. Wollen die Beteiligten im Rahmen eines Zugewinnausgleichsverfahrens eine endgültige Bereinigung ihrer Rechtsbeziehungen erreichen, müssen sie darauf achten, dass eine sog. allgemeine Ausgleichsklausel vereinbart wird; auf diese Weise können »böse Überraschungen« durch neuerliche Gerichtsverfahren von vornherein vermieden werden. Eine solche Klausel könnte lauten:

» Damit sind alle wechselseitigen Ansprüche der Beteiligten untereinander, gleich welcher Art, ob bekannt oder unbekannt, abschliessend erledigt. «


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Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; Verwirkung bei fehlender Geltendmachung titulierten Kindesunterhalts.

BGB §§ 242, 1601 ff

1. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen; hinzutreten muß ein Vertrauen begründendes Verhalten des Gläubigers, das dem Schuldner Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde seinen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat.
2. Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, daß er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin auch geltend machen will.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 20. Mai 2020 - 13 WF 84/20

Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Strausberg vom 10.03.2020 (28 F 26/20) wird zurückgewiesen.

Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein Vollstreckungsabwehrverfahren gegen einen gerichtlichen Titel auf dynamisierten Kindesunterhalt aus dem Jahre 2012. Er hat in der Vergangenheit auf den Titel gleichbleibend Unterhalt gezahlt, und ist der Ansicht, die Vollstreckung, die der Antragsgegner nunmehr wegen darüber hinaus aufgelaufener Unterhaltsrückstände zwischen April 2015 und September 2019 betreibt, sei wegen Verwirkung der Rückstände unzulässig. Mit dem angefochtenen Beschluß vom 10. März 2020 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Strausberg Verfahrenskostenhilfe mangels Verwirkung abgelehnt.

Mit seiner Beschwerde leitet der Antragsteller die Verwirkung aus einer unterlassenen Geltendmachung der Ansprüche für mehr als zwölf Monate her. Das Amtsgericht hat das Umstandsmoment unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 31. Januar 2018 (FamRZ 2018, 589 = FuR 2018, 268) verneint, und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II. Die nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 127, 567 ff ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 ZPO). Das Vollstreckungsabwehrbegehren (§ 767 ZPO) ist unbegründet. Der hierzu geltend gemachte Verwirkungseinwand (§ 242 BGB) greift nicht durch.

Es fehlt das für eine Verwirkung zusätzlich zu dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment, wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dem der Senat folgt, müssen zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.

Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden. Dementsprechend kann ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen. Dies gilt nicht nur für eine bloße Untätigkeit des Gläubigers, sondern grundsätzlich auch für die von diesem unterlassene Fortsetzung einer bereits begonnenen Geltendmachung. Auch wenn der Gläubiger davon absieht, sein Recht weiter zu verfolgen, kann dies für den Schuldner nur dann berechtigterweise Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn das Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde diesen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat (vgl. BGH FamRZ 2018, 681 = FuR 2018, 314 Tz. 21; Senat NZFam 2019, 838, jeweils mwN).

Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, daß er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin auch geltend machen will (vgl. Klinkhammer in Staudinger, BGB [2018] Vorbem. zu § 1601 Rdn. 104). Vertrauensbegründende Umstände, wie etwa ein konkretes Verhalten des Gläubigers, das Grund zu der Annahme geben könnte, er werde seinen extra titulierten Unterhaltsanspruch endgültig fallen lassen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe, hat der Antragsteller nicht dargetan. Die von dem Beschwerdeführer herangezogene frühere Rechtsprechung hat Untätigkeit des Gläubigers gleichermaßen für das Vorliegen des Zeit- wie auch für die Erfüllung des Umstandsmoments ausreichen lassen; sie ist überholt.

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, § 127 Abs. 4 ZPO).

Anlaß, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 574 Abs. 2 und 3 ZPO), besteht nicht.

OLG Brandenburg 2020-05-20 - 13 WF 84/20
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Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; Verwirkung; keinen Vertrauenstatbestand bei vorläufiger Unterhaltsbezifferung.

1. Ein Unterhaltsgläubiger ist nicht verpflichtet, sich ihm zustehende Ansprüche durch aktive Maßnahmen, wie beispielsweise deren regelmäßige Geltendmachung oder einen Vorbehalt von Rechten, zu erhalten.
2. Die Formulierung »Aus Ihren eingereichten Einkommensnachweisen ergibt sich vorerst ein monatlich zu zahlender Unterhalt von … €« schafft keinen der Verwirkung zugänglichen Vertrauenstatbestand.

OLG Brandenburg, Beschluß vom 12. Juni 2020 - 9 WF 138/20

Tenor
Die gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Cottbus vom 21.02.2020 (54 F 175/19) gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 24.03.2020 wird zurückgewiesen.

Gründe
I. In dem vorliegenden Verfahren macht das antragstellende Land Brandenburg für die Zeit ab März 2017 übergegangene Unterhaltsansprüche aus einer Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern wegen der Zahlung von Unterhaltsvorschuß geltend. Im Streit ist zwischen den Beteiligten insoweit allein, inwieweit eine (jedenfalls teilweise) Verwirkung dieser übergegangenen Unterhaltsansprüche vorliegt.

II. Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 ZPO entsprechend statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg; sie ist unbegründet.

1. Der Anspruch aus dem übergeleiteten Recht ist allerdings nicht, wie das Amtsgericht - Familiengericht - Cottbus im Ergebnis zu Recht erkannt hat, verwirkt, weshalb es an den Aussichten für eine erfolgreiche Rechtsverteidigung des Antragsgegners fehlt, und ihm daher durch das Amtsgericht zu Recht die begehrte Verfahrenskostenhilfe gemäß § 113 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO entsprechend versagt worden ist. Es fehlt an dem Vorliegen des (für einen Verwirkungstatbestand zwingend notwendigen) Umstandsmoments.

a) Bei dem Rechtsgedanken der Verwirkung (§ 242 BGB) kommt es in erster Linie auf das Verhalten des Berechtigten, nicht des Verpflichteten an. Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden. Zu der Annahme der Verwirkung muß für den Schuldner ein von dem Gläubiger gesetzter besonderer Vertrauenstatbestand vorliegen, der von dem Schuldner konkret darzulegen, und im Bestreitensfalle zu beweisen ist (Viefhues, jurisPR-FamR 7/2018 Anm. 5). Dabei ist das Verhalten des Berechtigten nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen: Maßgeblich ist, ob der Titelschuldner dem Verhalten des Gläubigers bei objektiver Beurteilung entnehmen konnte, daß dieser sein Recht nicht mehr geltend machen würde, ob er sich also darauf einrichten durfte, daß er mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen hat (BGH NJW-RR 2014, 195, 196 = AnwBl 2014, 272).

Der Vertrauenstatbestand kann dabei nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (BGH NJW 2003, 824 = FF 2003, 136; NJW-RR 2014, 195, 196 = AnwBl 2014, 272); auch wenn der Gläubiger davon absieht, sein Recht ganz oder teilweise weiter zu verfolgen, kann dies für den Schuldner nur dann berechtigterweise Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn das Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gebe, er werde den Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe (vgl. bereits BGH FamRZ 1988, 370 = EzFamR BGB § 284 Nr. 5; ferner BGH FamRZ 2018, 589, 592 = FuR 2018, 268; 2018, 681, 685 = FuR 2018, 314). Der Schuldner muß also aufgrund konkreter, von dem Gläubiger gesetzter Verhaltensweisen berechtigterweise davon ausgehen dürfen, es werde nichts mehr kommen (OLG Köln FamRZ 2017, 1833; Viefhues, jurisPR-FamR 7/2018 Anm. 5).

b) Ein solches besonderes Vertrauen ist insbesondere nicht aufgrund des Schreibens des Jugendamtes an den Antragsgegner vom 5. Mai 2017 geschaffen worden. Darin lautet es insbesondere: »Aus Ihren eingereichten Einkommensnachweisen ergibt sich vorerst ein monatlich zu zahlender Unterhalt von 102 € für beide Kinder«. Soweit der Antragsgegner meint, er habe aufgrund dieser Formulierung darauf vertrauen dürfen, daß er über den genannten Betrag von 102 € hinaus nicht mehr in Anspruch genommen werde, trägt dies nicht: Die gewählte Formulierung zeigt deutlich für jeden - auch den nicht juristisch versierten - Beteiligten, daß es sich um eine vorläufige Einschätzung betreffend die Höhe des Unterhalts handelt; erst recht kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, das Land wolle auf weitere - über 102 € hinausgehende - übergegangene Unterhaltsansprüche endgültig verzichten, diese also nie mehr einfordern wollen.

Schon von daher ist das Schreiben vom 5. Mai 2017 nicht geeignet, die hohen Anforderungen, die an die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes zu stellen sind, zu erfüllen. Erst recht folgt dies aus dem Umstand, daß das Jugendamt dann nachfolgend auch ausdrücklich darauf hinweist, daß der Antragsgegner keinen Steuerbescheid vorgelegt habe, und daß dieser bei der nächsten Abforderung einzureichen sei. Dadurch gibt das Jugendamt klar zu erkennen, daß eine abschließende Berechnung der Einkünfte des Antragsgegners jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich war. Dies steht der Annahme eines Vertrauenstatbestandes evident entgegen.

2. Anders als der Antragsgegner meint, bedarf es auch nicht eines Vorbehalts einer Nachforderung. Insoweit irrt er darüber, daß erst einmal ein - hier eben nicht vorliegender - Vertrauenstatbestand geschaffen werden müßte, den sodann ein Vorbehalt von Rechten außer Kraft setzen könnte. In allgemeiner Hinsicht ist ein Gläubiger aber nicht verpflichtet, ihm zustehende Ansprüche durch aktive Maßnahmen wie beispielsweise deren regelmäßige Geltendmachung (vgl. Viefhues, jurisPR-FamR 7/2018 Anm. 5), oder sich einen Vorbehalt von Rechten erhalten zu müssen.

Der von dem Antragsgegner insoweit erhobene Einwand der Verwirkung ist also nicht geeignet, sich seiner gesetzlichen Verpflichtung zu der Zahlung des Mindestunterhalts (§§ 1601 ff, 1612a, 1612b BGB) an seine beiden minderjährigen Kinder (hier: im Wege übergeleiteter Unterhaltsansprüche) zu entziehen.

OLG Brandenburg 2020-06-12 - 9 WF 138/20
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Anmerkungen

1. Die von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung der Verwirkung setzt ein Zeit- (keine allzu strengen Voraussetzungen) und ein Umstandsmoment (strenge Voraussetzungen) voraus. Bei Rückständen, die mehr als ein Jahr zurückliegen, ist das Zeitmoment in aller Regel erfüllt. Bloße Untätigkeit des Unterhaltsgläubiger löst das Umstandsmoment jedoch nicht aus (BGH FamRZ 2018, 589 = FuR 2018, 268 zum Kindesunterhalt). Verwirkung kann eintreten
  • * vor Eintritt der Verjährung
    * während der Hemmung des § 207 BGB
    * bei titulierten Ansprüchen
    * bei übergegangenen Ansprüchen
    * unabhängig von einem vom Unterhaltsberechtigten zu vertretenen Verhalten; es kommt nur auf die objektiven Umstände an
Liegt Verwirkung vor, dann erfaßt sie jedoch nur diejenigen Rückstände, für die das Zeitmoment erfüllt ist, in der Regel also diejenigen Unterhaltsansprüche, die »älter« als ein Jahr sind.

2. Regelmäßige Vollstreckungsversuche eines titulierten Anspruchs zur Verhinderung der Verwirkung sind zwar nicht erforderlich, ebenso wenig Hinweise auf einen erhöhten Zahlbetrag bei dynamischer Titulierung, etwa wegen Alterssprung. dennoch aus Gründen des »sichersten Weges« (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, s. etwa Urteil vom 14. Februar 2019 - NJW 2019, 1151 = VersR 2019, 622 mwN) zu empfehlen.

3. Eine nur als vorläufig kenntlich gemachte Unterhaltsbezifferung schafft keinen Vertrauenstatbestand. Da gemäß § 1613 Abs. 1 BGB Verzug nur in Höhe des konkret bezifferten Unterhaltsbetrages, der jedoch vielfach aufgrund fehlender Daten nicht endgültig beziffert werden kann, weicht die Praxis zur Sicherung von rückständigem Unterhalt auf das Auskunftsverlangen aus.

Wird der Unterhalts allerdings nach vollständiger Erteilung der Auskunft und vollständiger Belegvorlage ohne Vorbehalt beziffert, dann darf diese Bezifferung später nicht rückwirkend) erhöht werden (BGH FamRZ 2013, 109 = FuR 2013, 214 zum Ehegattenunterhalt: Hat der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch bereits beziffert, nachdem er zunächst von dem Unterhaltspflichtigen Auskunft gemäß § 1613 Abs. 1 BGB begehrt hat, so kann er nicht rückwirkend einen höheren Unterhalt verlangen, wenn der Unterhaltspflichtige bei der erstmals erfolgten Bezifferung nicht mit einer Erhöhung zu rechnen brauchte). Sehr fraglich ist, ob in diesen Fällen ein rein routinemäßig erklärter »Erhöhungsvorbehalt« wirkt.


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Leistung nach Treu und Glauben; Änderung des Tatsachenvortrags im Zugewinnausgleichsverfahren und im nachfolgenden Verfahren betreffend Auflösung des nunmehr bestrittenen Miteigentums von Eheleuten.

BGB §§ 242, 741, 823, 1008, 1373, 1390; ZPO § 138

1. Es liegt ein Fall des nach § 242 BGB verbotenen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) vor, wenn im Zugewinnausgleichsverfahren gemeinschaftliches Eigentum behauptet, und in dem nachfolgenden Verfahren betreffend die Auflösung des Miteigentums der Standpunkt vertreten wird, Alleineigentümer zu sein.
2. Wegen der prozessualen Wirkungen des § 138 ZPO muß dasselbe gelten, wenn sich die Änderung des Tatsachenvortrages daraus ergibt, daß in dem einen Verfahren der Vortrag des Gegners nicht ausreichend bestritten, und erst in dem nachfolgenden Verfahren substantiierter gegenteiliger Vortrag gehalten wird.

OLG Frankfurt, Beschluß vom 22. Dezember 2020 - 2 UF 94/20

Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Kassel vom 03.03.2020 (520 F 1905/19) wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 9.414,57 € festgesetzt.

Gründe
I. Die Beteiligten - geschiedene Eheleute - streiten um die Teilhabe der Antragstellerin an einem Wertpapierdepot, welches die Beteiligten gemeinsam eröffnet hatten.

Die im Jahre 2004 geschlossene Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin wurde nach der Trennung der Eheleute im Jahre 2014 auf den am 16. Februar 2016 zugestellten Scheidungsantrag durch Beschluß des Amtsgerichts Kassel vom 4. September 2018 geschieden; hierbei hat das Amtsgericht unter anderem auch über den Zugewinnausgleich entschieden. In dieser Folgesache ist der Antragsgegner verpflichtet worden, an die Antragstellerin 26.018,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtskraft der Ehescheidung zu zahlen. Der Antragsgegner hatte hiergegen Beschwerde eingelegt, weil er seiner Meinung nach nur zu einem Zugewinnausgleich von 9.531,45 € verpflichtet sei. Die Antragstellerin legte damals Anschlußbeschwerde mit dem Ziel der Zahlung eines weiteren Zugewinnausgleichsbetrages von 17.000 € ein. Das Beschwerdeverfahren wurde bei dem Oberlandesgericht Frankfurt unter geführt. Nach der mündlichen Verhandlung nahm der Antragsgegner seine Beschwerde zurück, so daß auch über die Anschlußbeschwerde nicht mehr entschieden wurde.

Neben vielen anderen Details stritten die Beteiligten in dem Zugewinnausgleichsverfahren um die Bewertung des Hausgrundstücks in K., welches durchgehend im Alleineigentum des Antragsgegners stand, und welches der Antragsgegner im Jahre 2014 verkauft hatte.

Gegenstand des damaligen Verfahrens war auch das hier streitgegenständliche Wertpapierdepot bei der B. Bank; dieses Depot hatte am 31. Dezember 2015 einen Wert von 15.348,83 €. Am 16. Februar 2016 betrug der Wert nur noch 13.925,22 €; am 22. November 2016 war der Wert auf 18.829,15 € angestiegen. Dieses Depot hatten die Eheleute im Juli 2013 gemeinsam eröffnet. Den bei der B. Bank eingereichten »Antrag auf Eröffnung eines Einzel-/Gemeinschaftsdepots« hatten beide Eheleute unterzeichnet; beide waren darin als »Depot-/Kontoinhaber« ausgewiesen. Die Verwaltung des Depots übernahm in der Folgezeit allein der Antragsgegner. Unstreitig war es allein der Antragsgegner, der während der Ehe mit dem Depot handelte, zum Teil Aktien wieder verkaufte, oder Geldmittel in Aktien reinvestierte; die Antragstellerin hatte selbst keinen eigenen Online-Zugang. Am 16. Juli 2017 löste der Antragsgegner das Depot und das zugehörige Verrechnungskonto auf; zuvor hatte er den Aktienbestand auf ein neues alleiniges Depot übertragen.

Bei seiner damaligen Auskunft im Zugewinnausgleichsverfahren hatte der Antragsgegner das Bank-Depot vollständig als Bestandteil seines Endvermögens angegeben. Dem war die Antragstellerin bei ihrer Bezifferung des geltend gemachten Zugewinnausgleichs zunächst gefolgt. Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2018 hat sie klargestellt, daß das Konto bei der B. Bank auf beide Eheleute lautete. Deshalb stehe ihr unabhängig vom Zugewinnausgleich ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des Depotwertes zu; dieser solle jedoch nicht Gegenstand des Zugewinnausgleichsverfahrens sein. Der Antragsgegner hat eingewendet, daß der Antragstellerin keinesfalls die Hälfte des Depotwertes zustehe; seiner Behauptung nach stammten sämtliche dort eingezahlten Geldbeträge aus seinem Vermögen.

In dem Verbundbeschluß vom 4. September 2018 hat das Amtsgericht das Bank-Depot jeweils zu 50 % in den jeweiligen Endvermögen beider Eheleute berücksichtigt. Da damals ein Beleg zum Stichtag 16. Februar 2016 fehlte, legte das Amtsgericht den Wert am 31. Dezember 2015 zugrunde (15.348,83 €). Die Hälfte (7.674,42 €) stellte es in beiden Endvermögen ein. In den Gründen führte es aus, daß unstreitig beide Eheleute Inhaber des Bank-Depots waren. Beide seien als Gesamtgläubiger anzusehen, so daß sie auch im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen berechtigt seien, soweit nicht ein anderes bestimmt sei. Letzteres sei nicht der Fall, und ergebe sich auch nicht aus der Behauptung des Antragsgegners, die Wertpapiere mit seinem Geld gekauft zu haben. Denn mit der Einräumung der gemeinsamen Depotinhaberschaft könne auch die Absicht des Antragsgegners verbunden gewesen sein, der Antragstellerin entsprechende Vermögenswerte zuzuwenden.

Mit der damaligen Beschwerde hat der Antragsgegner die Ausführungen des Amtsgerichts zu dem Bank-Depot zunächst nicht angegriffen; vielmehr richtete sich seine Beschwerde gegen die seiner Meinung nach zu niedrige Bewertung seines Hausgrundstückes in seinem Anfangsvermögen. Ferner müsse die Entscheidung des Amtsgerichts in Bezug auf eine Lebensversicherung, den Hausrat und zu der Frage einer illoyalen Vermögensminderung korrigiert werden; auch den Zugewinn der Antragstellerin habe das Amtsgericht nicht korrekt ermittelt.

Die Annahmen des Amtsgerichts zum Bank-Depot wurden jedoch von der Antragstellerin im Rahmen ihrer unselbständigen Anschlußbeschwerde beanstandet. Das Depot sei vollständig im Endvermögen des Antragsgegners zu berücksichtigen, da dieser sich von Anfang an als Alleineigentümer ausgegeben habe. Auch einige andere Positionen seien zu ihren Gunsten zu korrigieren.

Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2019 hat der Antragsgegner die Ausführungen des Amtsgerichts zu dem Bank-Depot zunächst verteidigt. Zu Recht habe das Amtsgericht darauf abgestellt, daß beide Eheleute zum Endstichtag Inhaber des Depots gewesen seien. Nachdem die Antragstellerin daraufhin mit einer Klage auf Auszahlung der Hälfte des Depotwertes gedroht hatte, ließ der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 21. Februar 2019 erklären, daß er der alleinige Depotinhaber sei; dies bekräftigte er in der bei dem Oberlandesgericht am 21. März 2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung. Die Antragstellerin erklärte, daß sie dies unstreitig stelle, allerdings nur für den Fall, daß die Beschwerde aufrecht erhalten bleibe, und der Senat auch über die Anschlußbeschwerde zu entscheiden habe. In der mündlichen Verhandlung hatte der Senat deutlich gemacht, daß sich der Zugewinnausgleichsbetrag zugunsten der Antragstellerin aus mehreren Gründen - unter anderem wegen vollständiger Berücksichtigung des Bank-Depots bei dem Antragsgegner - sehr wahrscheinlich erhöhen werde. Nach der mündlichen Verhandlung nahm der Antragsgegner seine Beschwerde zurück, so daß die damalige erstinstanzliche Entscheidung zum Zugewinn rechtskräftig wurde.

Mit Schreiben vom 15. April 2019 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner unter Fristsetzung bis zum 10. Mai 2019 zu der Zahlung der Hälfte des Depotwertes zu dem Stichtag 22. November 2016 (18.829,15 € : 2 = 9.414,57 €) auf. Der Antragsgegner zahlte nicht, weil er der Meinung war, daß das Bank-Depot ihm allein zugestanden habe.

In dem vorliegenden neuen familiengerichtlichen Verfahren verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel der wertmäßigen Beteiligung an dem Bank-Depot weiter. Hierzu hat sie erstinstanzlich vorgebracht, daß das Depot und die betreffenden Wertpapiere den Eheleuten gemeinsam zugestanden habe. Dies habe nicht nur formale Gründe gehabt; vielmehr habe die Antragstellerin vermögensrechtlich abgesichert werden und an dem ehelichen Vermögen teilhaben sollen. Es habe sich um ein Oder-Depot gehandelt, woran die Eheleute gemäß § 430 BGB im Innenverhältnis zu gleichen Teilen berechtigt seien; daher gelte die Vermutung, daß der Bestand des Kontos hälftig aufzuteilen sei. Etwas anderes habe der Antragsgegner auch im Rahmen der Scheidung, als das Depot hälftig in dem jeweiligen Endvermögen aufgeteilt wurde, nicht vorgetragen. An diesen Vortrag und an der rechtlichen Behandlung des Depots im Zugewinnausgleichsverfahren müsse sich der Antragsgegner nunmehr nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB festhalten lassen, zumal die Antragstellerin im Zugewinnausgleich nicht von dem Depot profitiert habe. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, daß der Antragsgegner stets das gemeinsame Vermögen der Eheleute verwaltet habe, und daß auch ihr Geld teilweise in das Depot geflossen sei. Hierzu habe sie dem Antragsgegner einmal 4.000 € gegeben. Weitere 7.000 €, die der Antragsgegner von ihrer Tochter erhalten habe, habe der Antragsgegner »verzockt«. Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie 9.414,57 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2019 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat behauptet, daß er Alleineigentümer der Wertpapiere des Bank-Depots gewesen sei. Das Bank-Depot sei bereits im Zugewinnausgleichsverfahren berücksichtigt worden, wo der Antragstellerin bereits ein erheblicher Zugewinnausgleichsbetrag zugesprochen worden sei. Wenn der hälftige Depotwert noch einmal von ihm gefordert werde, werde das seiner Meinung nach bestehende Verbot der Doppelberücksichtigung von Vermögenspositionen im Zugewinnausgleich und im Gesamtschuldnerausgleich umgangen. Er trete der Ansicht der Antragstellerin entgegen, daß der Ausgleich des Depots nicht im Wege des Zugewinnausgleichs erfolgt sei. Im Übrigen hat er auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verwiesen, wonach § 430 BGB nur für die Rechte aus dem Depotverwahrungsvertrag von Bedeutung sei, nicht aber für die Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren. Für das Eigentum an den Wertpapieren komme es auf die Umstände des Einzelfalles an.

Diese Umstände führten hier zum Alleineigentum des Antragsgegners, weil er das Depot - was unstreitig ist - allein verwaltete; zudem stamme das Geld auf dem Depot allein aus dem Erlös des Verkaufs seines Hauses im Jahre 2014. Geld der Antragstellerin sei in keiner Weise in dem Depot angelegt worden. Es habe kein gemeinsames Vermögen gegeben. Die Antragstellerin sei damals lediglich aus formalen Gründen Mitinhaberin des Depot-Kontos geworden, damit sie darüber hätte verfügen können, falls dem Antragsgegner etwas zugestoßen wäre. Unabhängig davon sei die Forderung der Antragstellerin der Höhe nach unschlüssig: Es müsse berücksichtigt werden, daß der Depotwert starken Kursschwankungen unterlegen habe. Die Antragstellerin gehe in unzulässiger Weise nach der »Rosinentheorie« vor, indem sie sich den höchsten Kurswert am 22. November 2016 »herauspicke«, statt den tatsächlich zutreffenden Kurswert anzugeben.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Kassel hat dem Antragsgegner aufgegeben, lückenlose Depotauszüge für die Zeit vom 22. November 2016 bis heute bzw. bis zu der Auflösung des Depots vorzulegen. Dieser Auflage ist der Antragsgegner nicht nachgekommen; er hat die Auffassung vertreten, daß die Darlegungs- und Beweislast bei der Antragstellerin liege.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 3. März 2020 hat das Amtsgericht den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung von 9.414,57 € zuzüglich der beantragten Verzugszinsen verpflichtet. Es gelte die Vermutung des § 1006 iVm §§ 741, 742 BGB, wonach mehrere Inhaber des Depots Miteigentümer der verwahrten Wertpapiere zu gleichen Anteilen seien. Hierbei hat sich das Amtsgericht eingehend mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auseinandergesetzt, welcher unter anderem ausgeführt hatte, daß neu erworbene Wertpapiere bei einem Oder-Depot regelmäßig in das Alleineigentum des Anschaffenden fielen (BGH FamRZ 1997, 607 = EzFamR BGB § 742 Nr. 1 = BGHF 10, 785). In dieser Allgemeinheit sei dem Bundesgerichtshof jedoch nicht zu folgen; vielmehr sei vorliegend von der Vermutung des anteiligen Miteigentums auszugehen. Diese Vermutung habe der Antragsgegner nicht widerlegt, was das Amtsgericht im Einzelnen begründet hat.

Gegen den ihm am 20. März 2020 zugestellten Beschluß hat der Antragsgegner am 1. April 2020 Beschwerde eingelegt, und diese am 20. Mai 2020 begründet. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages macht er geltend, daß das Amtsgericht das maßgebliche Urteil des Bundesgerichtshofes vom 25. Februar 1997 (aaO) nicht richtig angewendet, und ihm in unzulässiger Weise die Darlegungs- und Beweislast auferlegt habe. Es stehe dem Amtsgericht nicht zu, von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abzuweichen. Unabhängig davon sei auch aufgrund der Umstände des Einzelfalles davon auszugehen, daß er der Alleineigentümer der betreffenden Wertpapiere gewesen sei. Besonders empört sei er über den aus seiner Sicht unzutreffenden Vorwurf, Vermögen der Tochter der Antragstellerin veruntreut zu haben. Der Antragstellerin sei bereits ein Zugewinnausgleichsbetrag von 26.018,67 € zugesprochen worden; weshalb sie jetzt weitere 9.414,57 € beanspruche, möge sie sich selbst beantworten. Er sei nicht bereit, ihr diesen Betrag zusätzlich zu zahlen. Im Übrigen sei die Forderung nach wie vor der Höhe nach unschlüssig. In diesem Zusammenhang legt er erstmals Belege vor, wonach der Kontostand des Depots am 30. Mai 2017 nur noch 1.108,22 € betragen habe, und am 30. Juni 2017 auf Null Euro abgesunken sei. Damit sei ohnehin nichts mehr auszugleichen. Der Antragsgegner beantragt, den Beschluß des Amtsgerichts vom 3. März 2020 abzuändern, und den Zahlungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens führt sie aus, daß die Darlegungen des Amtsgerichts in keiner Weise zu beanstanden seien. Soweit der Antragsgegner nunmehr unter Vorlage der Kontobelege zum 30. Mai 2017 und vom 30. Juni 2017 einen Wertverlust behaupte, werde ein Wertverlust bestritten; vielmehr sei davon auszugehen, daß der Antragsgegner nach dem 22. November 2016 selbst Verfügungen zur Reduzierung und schließlich zur Auflösung des Depots vorgenommen habe.

Der Senat hat durch Beschluß vom 6. November 2020 darauf hingewiesen, daß beabsichtigt ist, die Beschwerde gemäß §§ 68 Abs. 3 S. 2, 117 Abs. 3 FamFG zurückzuweisen. Innerhalb der bis zum 15. Dezember 2020 gesetzten Stellungnahmefrist haben sich die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten nicht geäußert. Der Antragsgegner hat jedoch persönlich Stellung genommen; das entsprechende Schriftstück des Antragsgegners ist am 15. Dezember 2020 bei dem Senat eingegangen.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet im schriftlichen Verfahren gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG, weil von einer - erneuten - Anhörung der Beteiligten keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind.

Die Beschwerde ist zwar gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 63, 64, 117 Abs. 3 FamFG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht der Antragstellerin einen Zahlungsanspruch in Höhe der Hälfte des Depotwertes zugesprochen, und den Antragsgegner zur Zahlung von 9.414,57 € verpflichtet. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen entsprechenden Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, weil dieser nach dem 26. November 2016 über die in dem gemeinsamen Eigentum der Eheleute stehenden Wertpapiere des Bank-Depots verfügt und ihrem Zugriff entzogen hat, wodurch das Miteigentum der Antragstellerin an den Wertpapieren verletzt wurde, und auf Seiten der Antragstellerin ein Schaden in Höhe von 9.414,57 € entstanden ist.

Dabei kann nach Auffassung des Senats dahinstehen, wie die bis heute maßgebliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1997 (BGH aaO) auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, und ob aus heutiger Sicht Abweichungen von dieser Rechtsprechung angezeigt sind, wie das Amtsgericht mit nachvollziehbarer Argumentation gemeint hat. Richtig ist jedenfalls, daß der Bundesgerichtshof damals klargestellt hat, daß bei einem Oder-Depot zwischen der Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren, und den Rechten aus dem Depotverwahrungsvertrag zu unterscheiden ist. Er hat damals ausgeführt, daß die Inhaber eines Oder-Depots nur in Bezug auf die Rechte aus dem Verwahrungsvertrag, nicht aber in Bezug auf die verwahrten Wertpapiere Gesamtgläubiger sind. Gesamtgläubigerschaft bei Inhaberpapieren gebe es nicht: Bei diesen folge das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier. Maßgebend sei somit die dingliche Berechtigung, also die Eigentumslage; über diese gebe die Errichtung eines Depots als Oder-Depot in der Regel keinen Aufschluß, denn der Depotinhaber müsse nicht der Eigentümer der verwahrten Wertpapiere sein. Überdies diene die Errichtung eines Oder-Depots bei Eheleuten häufig nur dem Zweck, neben dem Eigentümer auch dem dinglich nicht berechtigten anderen Ehegatten Verfügungen über die Wertpapiere zu ermöglichen. Von daher sei § 430 BGB nur für die Rechte aus dem Depotverwahrungsvertrag, nicht für die Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren von Bedeutung. Allerdings solle § 1006 BGB für die Eigentumslage depotverwahrter Wertpapiere eine Vermutung, und § 742 BGB eine schwach ausgeprägte Auslegungsregel für gleiche Anteile der Oder-Depotinhaber aufstellen (BGH aaO).

Ob diese Rechtsprechung heute noch uneingeschränkt richtig ist, und ob dem Bundesgerichtshof auch darin zu folgen ist, daß neu erworbene Papiere regelmäßig in das Alleineigentum des Anschaffenden fallen sollen, kann hier nach Auffassung des Senats dahinstehen. Aus Sicht des Senats kann offen bleiben, wie die Eigentumslage nach dem in dem vorliegenden Verfahren gehaltenen Tatsachenvortrag der Beteiligten zu beurteilen ist, denn Grundlage der rechtskräftigen Zugewinnausgleichsentscheidung des Amtsgerichts Kassel vom 4. September 2018 war, daß die vormaligen Eheleute zu gleichen Anteilen Miteigentümer der Wertpapiere waren. Dies hat das Amtsgericht damals als unstreitig behandelt, nachdem der Antragsgegner den damaligen erstinstanzlichen Vortrag der Antragstellerin nicht bestritten hatte, daß beide Eheleute Kontoinhaber waren, und das Depot folglich beiden Eheleuten gemeinsam zustand.

Hieran ist der Antragsgegner gebunden. Er ist gemäß § 242 BGB nicht berechtigt, in dem vorliegenden neuen Verfahren etwas anderes zu behaupten, und sich auf das Alleineigentum an den Wertpapieren zu berufen. Nach Auffassung des Senats ist vorliegend eine Fallkonstellation des nach § 242 BGB verbotenen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) als anerkannter Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung gegeben. Als typischer Fall einer solchen von Amts wegen zu berücksichtigen Einwendung (Grüneberg in Palandt, BGB 79. Aufl. § 242 Rdn. 21) gilt die hier gegebene Änderung von Tatsachen- und Rechtsbehauptungen (Schubert in MünchKomm, BGB 8. Aufl. § 242 Rdn. 356; Olzen/Looschelders in Staudinger, BGB [2019] § 242 Rdn. 299; Sutschet in Hau/Poseck, BeckOK BGB, [Stand: 01.08.2020] Rdn. 131; Grüneberg, aaO § 242 Rdn. 55 ff). Zwar kann ein Verfahrensbeteiligter im Prozeß grundsätzlich einen in sich widersprüchlichen Sachvortrag halten, oder seinen Vortrag im Rahmen des prozessual Zulässigen ändern; er kann auch seine Rechtsansicht ändern. Allerdings liegt beispielsweise ein anerkannter Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn sich ein Beteiligter im ordentlichen Verfahren auf den Schiedsvertrag beruft, dessen Ungültigkeit er zuvor im Schiedsverfahren erfolgreich geltend gemacht hat, oder wer in einem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte behauptet, der er vorher unter Verweis auf das Schiedsverfahren erfolgreich entgegengetreten war. Der Verfahrensgegner muß sich bei unveränderter Sachlage nicht mal auf die eine, mal auf die andere Verfahrensart verweisen lassen (BGH NJW 1968, 1928; NJW-RR 1987, 1194; Schubert, aaO § 242 Rdn. 358 ff mwN).

Ebenso rechtsmißbräuchlich kann es sein, einen Vertrag als gültig zu behandeln, solange man Vorteile aus ihm zieht, um danach dessen Unwirksamkeit geltend zu machen (vgl. BGH NJW 2007, 1130; NJW-RR 2007, 710). Widersprüchlich kann es sein, wenn ein AGB-Verwender eine Klausel zunächst selbst in einem bestimmten Sinne interpretiert, und sie dann im gegenteiligen Sinne ausgelegt wissen will (BGH NJW 1993, 3264). Dasselbe gilt, wenn der Wechselschuldner zunächst die Einlösung des Wechsels ernsthaft und endgültig verweigert, und später bei der Mahnung aus der unterbliebenen Wechselvorlage Rechte herleiten möchte (BGHZ 30, 315). In diesen Fällen spielt der Vertrauensschutz eine erhebliche Rolle. Nicht der Wechsel der Rechtsanschauung führt zu dem Rechtsmißbrauch, sondern es kommt auf das Vertrauen an, das der zuerst bezogene Standpunkt bei der Gegenseite ausgelöst hat (Schubert, aaO Rdn. 358). Ein widersprüchliches Verhalten liegt auch vor, wenn ein Beteiligter die Vorteile für sich in Anspruch nimmt, ohne die damit korrespondierenden Nachteile tragen zu wollen (Schubert, aaO Rdn. 360; vgl. auch die weiteren Beispielsfälle unter Rdn. 359 ff; sowie bei Sutschet, aaO § 242 Rdn. 132 ff).

Da das Gesetz allerdings die Änderung von Tatsachen- und Rechtsbehauptungen nicht generell mißbilligt, ist es erforderlich, daß das Verhalten des einen Teils einen Vertrauenstatbestand begründet, und der andere Teil im Hinblick hierauf Dispositionen getroffen hat. Bei einem fehlenden Vertrauenstatbestand müssen besondere Umstände gegeben sein, die die Position der Gegenpartei als schutzwürdig erscheinen lassen, etwa wenn die andere Partei bereits erhebliche Vorteile aus ihrem früheren Verhalten gezogen hat, oder wenn ihr Verhalten zu einem unlösbaren Widerspruch führt (BGH NJW 1986, 2104; MDR 1996, 55; Grüneberg, aaO § 242 Rdn. 56, 59; Olzen/Looschelders, aaO § 242 Rdn. 299).

Ein solcher Fall ist nach Auffassung des Senats gegeben, wenn in dem Zugewinnausgleichsverfahren gemeinschaftliches Eigentum behauptet, und in dem nachfolgenden Verfahren betreffend die Auflösung des Miteigentums der Standpunkt vertreten wird, Alleineigentümer zu sein: Sofern ein Zugewinnausgleich stattfindet, ist der Ausgleichsberechtigte nämlich in jedem Fall wertmäßig an einer Vermögensposition zu beteiligen, und zwar unabhängig davon, ob die betreffende Vermögensposition dem Ausgleichspflichtigen alleine zusteht, oder ob hälftige Berechtigung der Eheleute gegeben ist. In dem ersten Fall erfolgt eine Beteiligung im Wege des Zugewinnausgleichs; in dem zweiten Fall kann eine Teilung verlangt werden. Deshalb stellt es eine gemäß § 242 BGB unzulässige Änderung von Tatsachenbehauptungen dar, wenn in den beiden Verfahren unterschiedlicher Vortrag gehalten wird, um das jeweils günstigere Ergebnis zu erzielen, und in beiden Verfahren eine Vermögensbeteiligung des Ausgleichsberechtigten vollständig zu verhindern.

Wegen der prozessualen Wirkungen des § 138 ZPO muß dasselbe gelten, wenn sich (wie hier) die Änderung des Tatsachenvortrages daraus ergibt, daß in dem einen Verfahren der Vortrag des Gegners nicht ausreichend bestritten, und erst in dem nachfolgenden Verfahren substantiierter gegenteiliger Vortrag gehalten wird. Ein solches Prozeßverhalten ist auf Seiten des Antragsgegners vorliegend festzustellen. Der Antragsgegner hat in dem erstinstanzlichen Zugewinnausgleichsverfahren im Ergebnis unstreitig gelassen, daß das Depotvermögen den Eheleuten gemeinsam zustand. Zwar hat er das Bank-Depot in seiner Auskunft vollständig in seinem Endvermögen aufgeführt; die Antragstellerin hat aber im Laufe des Verfahrens wahrheitsgemäß unter Verweis auf die von dem Antragsgegner vorgelegten Belege darauf hingewiesen, daß beide Eheleute Kontoinhaber waren. Der Antragsgegner hat keinen Anlaß gesehen, diesen ihm günstigen Tatsachenvortrag wirksam zu bestreiten; er hat lediglich die Rechtsauffassung vertreten, daß der Antragstellerin hiervon nichts zustehe, weil »es sich ausschließlich um Gelder des Antragsgegners« gehandelt habe.

Dieser in dem gesamten Verfahren wiederholt vorgebrachten Rechtsauffassung, der Antragstellerin überhaupt nichts zu schulden, war jedoch nicht zu folgen. Wie das Amtsgericht damals zutreffend gewürdigt hat, genügte der Tatsachenvortrag des Antragsgegners nicht, um von seinem Alleineigentum an dem Depotvermögen auszugehen. Auch wenn er es selbst nicht vorgetragen hat, so hat der Antragsgegner nicht substantiiert bestritten, daß die betreffenden Wertpapiere zum Endstichtag beiden Eheleuten zustanden. Wegen der Wirkungen des § 138 ZPO macht es keinen Unterschied, ob ein Verfahrensbeteiligter in dem Erstverfahren aktiv einen bestimmten Vortrag hält, oder ob der Vortrag der Gegenseite lediglich nicht wirksam bestritten wird: In beiden Varianten stellt es eine unzulässige Rechtsausübung dar, in dem Nachfolgeprozeß eine Vermögensverteilung zu behaupten, die der unstreitigen Vermögensverteilung in dem Erstverfahren widerspricht.

Aus diesen Gründen widerspricht es § 242 BGB, daß der Antragsgegner in dem vorliegenden Verfahren substantiierten Vortrag dazu hält, daß das Bank-Depot durchgehend in seinem Alleineigentum gestanden haben soll, nachdem er in dem Zugewinnausgleichsverfahren davon profitiert hat, daß dort aufgrund seines unzureichenden Bestreitens eine gemeinsame Berechtigung zugrunde gelegt wurde. Ein Erfolg dieses in dem vorliegenden Verfahren gehaltenen Vortrags hätte zur Folge, daß die Antragstellerin überhaupt nicht an dem Depot beteiligt werden würde. Bei gleichbleibendem Sachverhalt kann dieses Ergebnis aber nicht eintreten. Wie dargelegt wäre die Antragstellerin bei Alleineigentum des Antragsgegners im Wege des Zugewinnausgleichs an den Wertpapieren zu beteiligen gewesen, indem sich ihr Zugewinnausgleichsanspruch um 50% des Depotwertes zum Endstichtag erhöht hätte. Bei gemeinsamem Eigentum der Eheleute erhöht sich der Zugewinnausgleichsanspruch zwar nicht; stattdessen steht der Antragstellerin dann über die Regeln der Auseinandersetzung des Miteigentums unmittelbar die Hälfte des Depotwertes zu. Da der Antragsgegner zugewinnausgleichspflichtig war, ist keine Ausnahme möglich, so daß in jedem Fall - egal wie der Sachverhalt liegt, sofern er nur in beiden Verfahren identisch ist - eine wertmäßige Beteiligung der Antragstellerin an dem Depot zu erfolgen hat.

Dies möchte der Antragsgegner nicht wahrhaben, indem er sich stets darauf berufen hat, der Antragstellerin überhaupt nichts zu schulden. Dieses Ziel läßt sich nur erreichen, indem in dem Zugewinnausgleichsverfahren ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegt wird als in dem Auseinandersetzungsverfahren bezüglich des Miteigentums. Würde der Antragsgegner hiermit durchdringen, würde die Antragstellerin an dem Depot jedoch in keiner Weise wertmäßig beteiligt werden, obwohl das Gesetz dies entweder über den Zugewinnausgleich oder über die Teilung des Gemeinschaftseigentums vorschreibt. Es widerspricht Treu und Glauben, sich in dem vorliegenden Verfahren auf einen anderen Sachverhalt als denjenigen zu berufen, den das Amtsgericht in dem Zugewinnausgleichsverfahren als unstreitig zu behandeln hatte, damit eine wertmäßige Beteiligung der Antragstellerin entgegen der Gesetzeslage vollständig unterbleibt. Sofern der Antragsgegner sich auf das Verbot der Doppelberücksichtigung beruft, verkennt er die Tragweite dieses Verbotes, indem er bei der Vermögensauseinandersetzung der Eheleute letztlich eine doppelte Nichtberücksichtigung des Depots verlangt.

Dabei führt es zu keinem anderen Ergebnis, daß der Antragsgegner in dem Beschwerdeverfahren betreffend den Zugewinnausgleich letztlich denselben Vortrag wie in dem vorliegenden Verfahren gehalten hat. Nachdem er in dem erstinstanzlichen Zugewinnausgleichsverfahren noch keinen ausreichenden Vortrag zu seinem Alleineigentum gehalten hatte, hat er in dem Beschwerdeverfahren sein angebliches Alleineigentum zumindest in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019 substantiiert dargetan. Andererseits hatte er sich gegen die Anschlußbeschwerde der Antragstellerin anfänglich damit verteidigt, daß er sich auf das Miteigentum berufen hat.

Der Senat übersieht ebenfalls nicht, daß sich die Antragstellerin diesem Vorbringen in dem Beschwerdeverfahren letztlich angeschlossen hatte, allerdings nur unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung, daß der Senat über die damaligen Rechtsmittel zu entscheiden hatte. Auch wenn nach dem zuletzt in dem Rechtsmittelverfahren gehaltenen Beteiligtenvortrag von Alleineigentum des Antragsgegners auszugehen war, kommt es hierauf nicht an, denn der Antragsgegner hat seine Beschwerde damals zurückgenommen, so daß der Senat weder über die Beschwerde, noch über die Anschlußbeschwerde zu entscheiden hatte. Rechtsgültigkeit hat damit allein die hierdurch rechtskräftig gewordene Zugewinnausgleichsentscheidung des Amtsgerichts erlangt.

Mit der Rücknahme seiner Beschwerde hat der Antragsgegner auch seinen in dem Beschwerdeverfahren gehaltenen Tatsachenvortrag zurückgenommen, so daß der dem Zugewinnausgleich zugrundeliegende Sachverhalt ausschließlich dem erstinstanzlichen Zugewinnausgleichsverfahren zu entnehmen ist, wonach - wie ausgeführt - von einer gemeinsamen Beteiligung der Eheleute an dem Bank-Depot auszugehen war. Mit der Rücknahme seiner Beschwerde hat der Antragsgegner auch zu erkennen gegeben, daß er die entsprechende Entscheidung des Amtsgerichts akzeptierte, um in den Genuß der ihm hieraus entstehenden Vorteile - nämlich der Nichtberücksichtigung des Depots im Zugewinnausgleich - zu gelangen. Aufgrund der damaligen Erläuterungen des zuständigen Einzelrichters hatte der Antragsgegner nämlich erkannt, daß das Alleineigentum an dem Depot zu einem höheren Zugewinnausgleich und zu einem Erfolg der Anschlußbeschwerde führen würde. Dieses Ergebnis wollte der Antragsgegner vermeiden.

An diesem Prozeßverhalten, mit dem der Antragsgegner zu erkennen gegeben hat, daß die erstinstanzliche Zugewinnausgleichsentscheidung rechtsgültig sein soll, muß sich der Antragsgegner vorliegend festhalten lassen. Sein hiervon abweichender Tatsachenvortrag, daß die Wertpapiere in seinem Alleineigentum stehen, stellt ein nach § 242 BGB verbotenes widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) dar. Die dargestellten zusätzlichen Voraussetzungen dieser von der Antragstellerin erhobenen und ohnehin von Amts wegen zu beachtenden Einwendung sind gegeben, weil die Antragstellerin damals darauf vertraut hat, daß der Antragsgegner die damaligen Feststellungen des Amtsgerichts nicht zu seinen Ungunsten angreifen würde, was er dann auch folgerichtig mit seiner eigenen Beschwerde anfänglich nicht getan, und darüber hinaus sogar die Richtigkeit der amtsgerichtlichen Feststellungen verteidigt hat. Dementsprechend hat die Antragstellerin es unterlassen, ein eigenständiges Rechtsmittel gegen den Verbundbeschluß vom 4. September 2018 einzulegen.

Der Antragsgegner hat auch Vorteile aus der rechtskräftigen Zugewinnausgleichsentscheidung des Amtsgerichts gezogen, indem sich das Bank-Depot in diesem Verfahren nicht ausgewirkt hat. Der Einwand, daß die Antragstellerin bereits einen erheblichen Zugewinnausgleich erhalten habe, und das Depot schon aus diesem Grunde nicht auszugleichen sei, ist rechtlich falsch. Das Gegenteil ist der Fall, weil der Zugewinnausgleich bei einem Alleineigentum an den Wertpapieren noch höher ausgefallen wäre. Da das Depot jeweils zu 50% in den jeweiligen Endvermögen berücksichtigt wurde, haben sich die jeweiligen Anteile gegenseitig nivelliert. Durch die Rücknahme der Beschwerde in dem Zugewinnausgleichsverfahren hat der Antragsgegner das von dem Amtsgericht angenommene gemeinsame Eigentum gerne zu seinen Gunsten gelten lassen, und einen Vorteil hieraus erzielt. Entsprechendes muß er nunmehr gegen sich gelten lassen.

Aus diesen Gründen darf sich der Antragsgegner in dem vorliegenden Verfahren nicht auf das angebliche Alleineigentum an den Wertpapieren berufen; die Beteiligten sind vielmehr entsprechend dem Vorbringen der Antragstellerin als Miteigentümer zu gleichen Anteilen zu behandeln, so daß der Antragsgegner gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz in Höhe des hälftigen Wertes verpflichtet ist, weil er nach dem 22. November 2016 über das Miteigentum der Antragstellerin verfügt, und es ihrem Zugriff entzogen hat. Die Höhe des Schadens bemißt sich nach dem Wert am 22. November 2016 (= 18.829,15 €), und ist nicht auf den geringeren Wert zum Endstichtag (16. Februar 2016) begrenzt, denn nach dem vorliegend anzunehmenden Sachverhalt war die Antragstellerin noch nach dem Endstichtag Miteigentümerin der Wertpapiere, und partizipierte daher an den Wertsteigerungen. Auch die erneute Würdigung des Zugewinnausgleichsverfahrens gebietet keine Beschränkung auf den von dem Amtsgericht angenommenen Wert zum Endstichtag (15.348,83 €), weil sich das vorliegende Verfahren nicht darin erschöpft, den Zugewinnausgleich zu korrigieren.

Ein geringerer Schaden als der von dem Amtsgericht angenommene hälftige Betrag des für den 22. November 2016 belegten Wertpapierwertes (50% von 18.829,15 € = 9.414,57 €) ist nicht anzusetzen; hinreichende Anhaltspunkte für einen börsenbedingten Wertverlust nach dem 22. November 2016 bestehen nicht. Zwar hat der Antragsgegner in dem Beschwerdeverfahren Belege vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß der Kontostand des Depots am 30. Mai 2017 nur noch 1.108,22 € betragen habe, und am 30. Juni 2017 auf Null Euro abgesunken sei; der Antragsgegner hat aber in dem gesamten Verfahren eingeräumt, nach dem 22. November 2016 über die betreffenden Wertpapiere verfügt zu haben, indem er sie auf ein neues eigenes Depot umgeschichtet hat. Deshalb behauptet die Antragstellerin auch in nachvollziehbarer Weise, daß die Kontostände am 30. Mai 2017 und am 30. Juni 2017 lediglich die Depotwerte nach Umschichtung der Wertpapiere belegen, und nicht auf einen börsenbedingten Wertverlust zurückzuführen sind. Solange der Antragsgegner weder die einzelnen Kontobewegungen nach dem 22. November 2016 nachweist, noch konkreten Vortrag dazu hält, an welchem genauen Tag er die Wertpapiere umgeschichtet hat, und welcher Wert an diesem Tage zu verzeichnen war, ist seine Behauptung eines börsenbedingten Wertverlustes als unsubstantiiert zu behandeln.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist nach alledem zurückzuweisen. Der Senat entscheidet im schriftlichen Verfahren gemäß §§ 68 Abs. 3 S. 2, 117 Abs. 3 FamFG, da die mündliche Verhandlung bereits erstinstanzlich durchgeführt wurde, und von einer mündlichen Verhandlung in dem Beschwerdeverfahren keine entscheidungserheblichen neuen Erkenntnisse zu erwarten sind; hierauf hat der Senat mit Beschluß vom 6. November 2020 hingewiesen.

Das am 15. Dezember 2020 bei dem Senat eingegangene Schreiben, welches der Antragsgegner persönlich verfaßt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis: Bereits wegen des Anwaltszwangs (§ 114 Abs. 1 FamFG) ist das Vorbringen des Antragsgegners in diesem Schriftsatz nicht zu berücksichtigen; auch in der Sache enthält der Schriftsatz nichts Neues, was zu einem anderen Ergebnis führen könnte.

Der zuerkannte Zinsanspruch stützt sich auf § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 97 Abs. 1 ZPO.

OLG Frankfurt 2020-12-22 - 2 UF 94/20
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Anmerkungen

1. Die Beteiligten stritten um die Teilhabe der Antragstellerin an einem gemeinsam eröffneten Wertpapierdepot. Ihre Ehe wurde mit Verbundbeschluss vom 04.09.2018 geschieden. Das AmtsG hatte den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin Zugewinnausgleich in Höhe von rund 26.000 € nebst Zinsen zu zahlen.

Der Antragsgegner, der das Depot allein verwaltet hatte, hatte das Depot wie auch das zugehörige Verrechnungskonto noch während der Trennung aufgelöst, nachdem er den Aktienbestand auf ein neues alleiniges Depot übertragen hatte. In dem Zugewinnausgleichsverfahren hatte der Antragsgegner das Depot allein in seinem Endvermögen eingestellt; dem war die Antragstellerin zunächst gefolgt. Später stellte sie klar, dass das Depot auf beide Eheleute lautete, sodass ihr ein hälftiger Ausgleichsanspruch zustehe, welcher aber nicht Gegenstand des Zugewinnausgleichsverfahrens sein solle. Das AmtsG ist von einer unstreitigen Inhaberschaft beider Ehegatten (Gesamtgläubiger) ausgegangen, und hat das Depot jeweils hälftig in Höhe von 7.674,42 € in dem Endvermögen beider Eheleute berücksichtigt. Dies hat der Antragsgegner mit der damaligen Beschwerde nicht angegriffen.

2. Die Antragstellerin hat mit ihrer Anschlussbeschwerde seinerzeit geltend gemacht, das Depot sei vollständig in dem Endvermögen des Antragsgegners zu berücksichtigen, da dieser sich von Anfang an als Alleineigentümer ausgegeben habe. Dem trat der Antragsgegner zunächst entgegen. Nachdem die Antragstellerin mit einer Klage auf Auszahlung der Hälfte des Depotwertes gedroht hatte, berief er sich darauf, alleiniger Inhaber des Depots gewesen zu sein, was er in der mündlichen Verhandlung beim OLG bekräftigte. Die Antragstellerin erklärte, dass sie dies für den Fall unstreitig stelle, dass die Beschwerde aufrecht erhalten bleibe, und auch über die Anschlussbeschwerde entschieden werde. Nach der mündlichen Verhandlung beim OLG nahm der Antragsgegner die Beschwerde zurück. Danach forderte die Antragstellerin den Antragsgegner erfolglos zur Zahlung der Hälfte des Depotwertes zum Stichtag 22.11.2016 (9.414,57 €) auf, und verfolgte ihr Begehren in dem vorliegenden Verfahren weiter. Das AmtsG hat dem Antrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hatte keinen Erfolg.

3. Das FamG habe der Antragstellerin zu Recht Schadensersatz gemäss § 823 Abs. 1 BGB in Höhe der Hälfte des Depotwertes zugesprochen. Der Antragsgegner habe über die im gemeinsamen Eigentum der Eheleute stehenden Wertpapiere des Depots verfügt, und diese dem Zugriff der Antragstellerin entzogen, wodurch deren Miteigentum verletzt, und ihr ein Schaden in Höhe von 9.414,57 € entstanden sei. Dabei könne offen bleiben, wie die tatsächliche Eigentumslage nach dem Tatsachenvortrag der Beteiligten in diesem Verfahren zu beurteilen sei, denn Grundlage der rechtskräftigen Entscheidung zum Zugewinnausgleich sei, dass die vormaligen Eheleute zu gleichen Anteilen Miteigentümer der Wertpapiere gewesen seien; dies habe das AmtsG damals als unstreitig behandelt, nachdem der Antragsgegner den damaligen erstinstanzlichen Vortrag der Antragstellerin, dass beide Eheleute Kontoinhaber gewesen seien, und das Depot folglich beiden Eheleuten gemeinsam zugestanden hätte, nicht bestritten habe.

Hieran sei der Antragsgegner gebunden. Er sei gemäss § 242 BGB nicht berechtigt, in dem vorliegenden Verfahren etwas anderes zu behaupten, und sich auf das Alleineigentum an den Wertpapieren zu berufen. Es liege eine Fallkonstellation des nach § 242 BGB verbotenen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) als anerkannter Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Als typischer Fall einer solchen von Amts wegen zu berücksichtigen Einwendung gelte die hier gegebene Änderung von Tatsachen- und Rechtsbehauptungen. Werde im Zugewinnausgleichsverfahren gemeinschaftliches Eigentum behauptet, und in dem nachfolgenden Verfahren betreffend die Auflösung des Miteigentums der Standpunkt vertreten, Alleineigentümer zu sein, verstosse dies gegen § 242 BGB. Wegen der prozessualen Wirkungen des § 138 ZPO müsse dasselbe gelten, wenn sich die Änderung des Tatsachenvortrags daraus ergebe, dass in dem einen Verfahren der Vortrag des Gegners nicht ausreichend bestritten, und erst in dem nachfolgenden Verfahren substantiierter gegenteiliger Vortrag gehalten werde.

4. Die korrekte juristische Zuordnung eines Vermögenswertes ist eine grundlegende Voraussetzung für eine zutreffende Berechnung des Zugewinns. Wenn der Sachvortrag der Parteien schwankt, dann muss für einwandfreie Klärung gesorgt werden, entweder dadurch, dass die Beteiligten eine vergleichsweise (Zwischen-)Regelung finden (vor Beendigung des Güterstandes möglicherweise nur in der Form des § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB - die Herein- oder Herausnahme von Vermögensgegenständen in die Bilanz kann ja die Zugewinnberechnung beeinflussen), oder es ist durch ein Zwischenfeststellungsbeschluss gemäss § 256 Abs. 2 ZPO die Eigentumssituation zu klären: Erklärungen im Vorverfahren erwachsen nämlich nicht in Rechtskraft.


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