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Rechtsprechung Bundesfinanzhof im Familienrecht und im Erbrecht 2021 (1. Halbjahr) - FD-Platzhalter-rund

Rechtsprechung Bundesfinanzhof
im Familienrecht und im Erbrecht 2021 (1. Halbjahr)


Rechtsprechung Bundesfinanzhof im Familienrecht und im Erbrecht 2021 (1. Halbjahr) - FuR2022logo02
 


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Grunderwerbsteuer; Feststellung eines Grundbesitzwertes; Zeitpunkt des Bestehens ernstlicher Zweifel bei Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten.
BFH, Beschluß vom 12. Januar 2021 - II B 61/19 - FG Berlin-Brandenburg [3 V 3049/19]

Erbrecht; Kraftfahrzeugsteuervergünstigungen für Schwerbehinderte; Antragsrecht der Erben; Feststellungsbescheid über Eigenschaft als Behinderter als Grundlagenbescheid für Kraftfahrzeugsteuerbescheid.
BFH, Urteil vom 10. Februar 2021 - IV R 38/19 - FG Baden-Württemberg [13 K 1012/18]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Haftung der Erben für Anspruch auf Rückforderung von Kindergeld; Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts durch den Bundesfinanzhof.
BFH, Beschluß vom 11. Februar 2021 - VII S 3/21

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Nordteil der Insel Zypern kein Mitgliedstaat iSd § 63 Abs. 1 S. 6 EStG.
BFH, Beschluß vom 18. Februar 2021 - III B 123/20 - FG Münster [1 K 383/20]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Anspruch auf deutsches Kindergeld in den Wohnsitz-Wohnsitz-Fällen bei nur in Deutschland bestehendem Kindergeldanspruch.
BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 2/20 - FG Nürnberg [6 K 508/18]

Verfahrensrecht; Klägerbezeichnung im Zivilprozeß; Verwendung eines Künstlernamens; unzulässige Klage bei Verwendung eines Falschnamens.
BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 5/19 - FG Berlin-Brandenburg [3 K 3168/18]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Kindergeld für in einem anderen EU-Mitgliedstaat im Haushalt des anderen Elternteils lebende Kinder; Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung gemäß § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO.
BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 12/19 - Sächsisches FG [2 K 1580/17]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; einheitliche Erstausbildung iSd § 32 Abs. 4 S. 2 EStG; mehraktige Ausbildung im; öffentlich-rechtlich geordneter Ausbildungsgang; Zäsur.
BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 14/19 - FG Münster [3 K 577/18]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Anspruch auf deutsches Kindergeld in den Wohnsitz-Wohnsitz-Fällen; Bestehen eines Kindergeldanspruchs nur in Deutschland.
BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 27/19 - FG Köln [14 K 2164/17]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; kindergeldrechtliche Berücksichtigung eines Kindes; kein Beginn einer Berufsausbildung wegen einer Erkrankung.
BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 35/19 - FG Düsseldorf [7 K 1093/18]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Anspruch auf Kindergeld im nachrangigen Staat; Anwendbarkeit der Koordinierungsregel des Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO Nr. 883/2004.
BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 60/19 - FG Düsseldorf [15 K 1147/13]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Kindergeld bei Wohnsitz der Eltern in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten; Anwendbarkeit des ausländischen Rechts auf den im Inland wohnenden Elternteil.
BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 71/18 - Hessisches FG [3 K 1574/14]

Verfahrensrecht; Revisionszulassung wegen Fortbildung des Rechts; Divergenz.
BFH, Beschluß vom 19. Februar 2021 - IX B 34/20 - FG München [6 K 2300/17]

Erbschaft- und Schenkungsteuer; Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte.
BFH, Urteil vom 23. Februar 2021 - II R 26/18 - Hessisches FG [9 K 1857/15]

Erbrecht; Familiensteuerrecht; Begriff des Grundstücks beim Erwerb eines Familienheims.
BFH, Urteil vom 23. Februar 2021 - II R 29/19 - FG München [4 K 2568/16]

Erbschaftsteuerrecht; Verschonung von Betriebsvermögen.
BFH, Urteil vom 23. Februar 2021 - II R 34/19 - FG München [4 K 500/17]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; keine Anwendung von § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ohne inländische Einkünfte iSd § 49 EStG.
BFH, Urteil vom 25. Februar 2021 - III R 23/20 - FG Berlin-Brandenburg [7 K 7168/18]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Unzulässigkeit der Übertragung der Zuständigkeit für die Sachaufgabe »Inkasso« von der sachlich und örtlich zuständigen Wohnsitz-Familienkasse auf eine andere Familienkasse oder Behörde durch den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit.
BFH, Urteil vom 25. Februar 2021 - III R 28/20 - Niedersächsisches FG [6 K 138/19]

Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; sachliche Unzuständigkeit des sog. regionalen Inkassoservice in dem Bereich des steuerlichen Kindergeldes.
BFH, Urteil vom 25. Februar 2021 - III R 36/19 - FG Düsseldorf [10 K 3317/18]

Familiensteuerrecht; Einkommensteuer; Auslegung eines Antrages auf »Einzelveranlagung nach § 26a EStG« als Antrag auf getrennte Veranlagung nach § 26a EStG; NATO-Truppenstatut; Nichtwohnsitz-Fiktion.
BFH, Urteil vom 3. März 2021 - I R 35/19 - Hessisches FG [2 K 534/16]


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Grunderwerbsteuer; Feststellung eines Grundbesitzwertes; Zeitpunkt des Bestehens ernstlicher Zweifel bei Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten.
GrEStG § 8; BewG §§ 151, 179, 198; AO § 240; BBauG § 196; FGO § 69

An der Rechtmäßigkeit eines Bescheides zu der Feststellung eines Grundbesitzwertes bestehen bis zu der Vorlage eines Sachverständigengutachtens bei dem Finanzamt zu dem Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes keine ernstlichen Zweifel, selbst wenn bereits vorher schlüssige Erwägungen, die für einen niedrigeren gemeinen Wert sprechen, vorgebracht worden sind.

BFH, Beschluß vom 12. Januar 2021 - II B 61/19 - FG Berlin-Brandenburg [3 V 3049/19]
BFH/NV 2021, 529 = DStRK 2021, 111 = GmbHR 2021, 503 = UVR 2021, 168 = BB 2021, 597 [Ls] = ZEV 2021, 276 [Ls]

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Erbrecht; Kraftfahrzeugsteuervergünstigungen für Schwerbehinderte; Antragsrecht der Erben; Feststellungsbescheid über Eigenschaft als Behinderter als Grundlagenbescheid für Kraftfahrzeugsteuerbescheid.
KraftStG § 3a; KraftStDV § 7; AO §§ 45, 150, 171; SGB IX §§ 69, 152

1. Das Antragsrecht für die Gewährung kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Vergünstigungen für Schwerbehinderte steht nach dem Tode des Berechtigten seinen Erben zu (entgegen Ziff. 8.7 DV-KraftSt).
2. Der Feststellungsbescheid über das Vorliegen einer Behinderung, über den Grad der Behinderung und über das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale ist hinsichtlich dieser Feststellungen Grundlagenbescheid für den Kraftfahrzeugsteuerbescheid über Vergünstigungen für Schwerbehinderte.

BFH, Urteil vom 10. Februar 2021 - IV R 38/19 - FG Baden-Württemberg [13 K 1012/18]
BFHE 272, 160 = BFH/NV 2021, 1037 = HFR 2021, 915 = StE 2021, 379 [Ls] = ZEV 2021, 475 [Ls] = DStRE 2021, 827 [Ls] = StuB 2021, 595 [Ls] = BFH/PR 2021, 341 [Ls]

Hinweise
1. Bei dem schriftlichen Antrag gemäß § 3a Abs. 3 S. 1 KraftStG handelt es sich um eine Steuererklärung im Sinne des § 150 AO (vgl. § 7 Abs. 1 und 4 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung [KraftStDV]). Bei der Pflicht zu der Abgabe einer Steuererklärung und dem Recht zu der Geltendmachung von Begünstigungen im Rahmen einer solchen Erklärung handelt es sich um verfahrensrechtliche Positionen, die mit dem Tode des Erblassers auf seine Erben als Gesamtrechtsnachfolger übergehen, und nicht um die Ausübung höchstpersönlicher Rechte.
2. Dem Antragsrecht der Erben steht weder entgegen, daß nach dem Tode des Erblassers die mit der Steuerbefreiung bezweckte Förderung der Mobilität Schwerbehinderter nicht mehr erreicht werden, noch, daß sich die Steuerbefreiung vermögensrechtlich nicht mehr zugunsten des Erblassers auswirken kann.

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Haftung der Erben für Anspruch auf Rückforderung von Kindergeld; Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts durch den Bundesfinanzhof.
BGB §§ 426, 1967, 2058; EStG § 62; AO § 45; FGO §§ 38, 39

Macht die Familienkasse einen Rückforderungsanspruch auf Kindergeld im Haftungswege gegen die Erben des Kindergeldberechtigten geltend, und haben diese ihren jeweiligen Wohnsitz in unterschiedlichen Finanzgerichtsbezirken, so daß für die Klagen der Erben gegen die Haftungsbescheide gemäß § 38 Abs. 2a FGO unterschiedliche Gerichte zuständig sind, dann kann der Bundesfinanzhof auf Antrag unter entsprechender Anwendung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 FGO ein Gericht als das zuständige Finanzgericht bestimmen.

BFH, Beschluß vom 11. Februar 2021 - VII S 3/21
BFHE 272, 11 = BStBl II 2021, 551 = BFH/NV 2021, 880 = FamRZ 2021, 1162 [Ls] = HFR 2021, 677 [Ls] = BB 2021, 1109 [Ls] = StE 2021, 296 [Ls] = DStRE 2021, 699 [Ls] = BFH/PR 2021, 297 [Ls] = EStB 2021, 338 [Ls]

Hinweise
Stirbt der Kindergeldberechtigte, und werden mehrere Erben im Zuge einer Rückforderung von Kindergeld als Gesamtrechtsnachfolger im Sinne von § 45 AO in Haftung genommen, dann kann die Sonderregelung des § 38 Abs. 2a FGO zu einer nach Ansicht des beschließenden Senats von dem Gesetzgeber nicht beabsichtigten Aufspaltung der Zuständigkeit für den an sich einheitlich zu entscheidenden Rechtsstreit führen.

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Nordteil der Insel Zypern kein Mitgliedstaat iSd § 63 Abs. 1 S. 6 EStG.
EStG §§ 63 64; FGO § 115

1. Die Rechtsfrage, ob es sich bei dem nördlichen Teil der Republik Zypern um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 6 EStG handelt, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig.
2. Faktisch trat nach dem Scheitern des Referendums zu dem Annan-Plan am 24. April 2004 der Nordteil der Insel (Türkische Republik Nordzypern) nicht der Europäischen Union bei. Solange die Republik Zypern Hoheitsakte in Nordzypern und damit auch EU-Recht nicht durchsetzen kann, gilt der nördliche Teil der Insel Zyperns nicht als Mitgliedstaat der Europäischen Union im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 6 EStG.

BFH, Beschluß vom 18. Februar 2021 - III B 123/20 - FG Münster [1 K 383/20]
BFHE 272, 390 = BStBl II 2022, 215 = BFH/NV 2021, 1567 = HFR 2021, 1183 = DStRE 2021, 1243 = IStR 2021, 906 = EStB 2022, 19 = StE 2021, 632 [Ls] = StuB 2021, 828 [Ls] = BFH/PR 2022, 16 [Ls]

Hinweis
Das Bundesverfassungsgericht hat die gegen diese Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 2023 - 2 BvR 1736/21 - n.v.).

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Anspruch auf deutsches Kindergeld in den Wohnsitz-Wohnsitz-Fällen bei nur in Deutschland bestehendem Kindergeldanspruch.
EStG §§ 32, 62, 63; EGV 883/2004 Art. 67, Art. 68; EGV 987/2009 Art. 60

1. Der Anspruch auf Kindergeld in dem nachrangigen Staat ist nicht nach Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO der Europäischen Union Nr. 883/2004 ausgeschlossen, wenn nur ein Anspruch in dem nach-rangigen Staat besteht, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch in dem vorrangigen Staat aber nicht erfüllt werden.
2. Die Koordinierungsregel des Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO Nr. 883/2004 ist nur anwendbar, wenn konkurrierende Ansprüche im Sinne dieser Vorschrift vorliegen.
3. Wird daher in dem vorrangig zuständigen Mitgliedstaat für einzelne Kinder keine dem Kinder-geld vergleichbare Leistung erbracht, weil die nationalen Rechtsvorschriften keinen Anspruch für das Kind vorsehen, dann müssen die allein durch den Wohnort einer berechtigten Person ausgelösten Ansprüche auf Familienleistungen für in einem anderen Mitgliedstaat lebende Kinder erfüllt werden.
4. Die Wohnsitzfiktion des Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 kann bei Personen, die im EU-Ausland wohnen, dazu führen, daß der Anspruch auf deutsches (Differenz-)Kindergeld nicht dem in Deutschland lebenden Elternteil zusteht, sondern dem in dem anderen Mitgliedstaat zusammen mit den Kindern in einem Haushalt lebenden anderen Elternteil (vgl. schon Senatsurteil vom 27. Juli 2017 - III R 17/16 - BFH/NV 2018, 201).

BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 2/20 - FG Nürnberg [6 K 508/18]
BFH/NV 2021, 1105

Hinweis
Diese Entscheidung ist teilweise inhaltsgleich mit dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 18. Februar 2021 (BFHE 272, 60) - Anspruch auf deutsches Kindergeld in den Wohnsitz-Wohnsitz-Fällen, wenn nur in Deutschland ein Kindergeldanspruch besteht.

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Verfahrensrecht; Klägerbezeichnung im Zivilprozeß; Verwendung eines Künstlernamens; unzulässige Klage bei Verwendung eines Falschnamens.
FGO § 65; ZPO § 253

Die Klageerhebung unter Verwendung eines Falschnamens ist unzulässig, da die Identität des Klägers nicht feststeht. Es genügt nicht, daß sich eine Klage, die von einer Person unter einem Falschnamen erhoben worden ist, zweifelsfrei der Person zuordnen läßt, die den Falschnamen benutzt, und daß gerichtliche Schreiben der mit dem Falschnamen bezeichneten Person tatsächlich zugehen.

BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 5/19 - FG Berlin-Brandenburg [3 K 3168/18]
BFHE 272, 15 = BStBl II 2021, 574 = BFH/NV 2021, 1027 = HFR 2021, 795 = DStRK 2021, 182 = DStRE 2021, 881 = FamRZ 2021, 1216 [Ls] = StE 2021, 362 [Ls] = BFH/PR 2021, 337 [Ls]

Hinweis

In finanzgerichtlichen Verfahren ist bei natürlichen Personen im Regelfall neben der Angabe der Adresse auch die des Familiennamens und des Vornamens erforderlich. Die Bezeichnung muß so bestimmt sein, daß jeder Zweifel an der Person des Klägers ausgeschlossen ist.

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Kindergeld für in einem anderen EU-Mitgliedstaat im Haushalt des anderen Elternteils lebende Kinder; Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung gemäß § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO.
EStG §§ 1, 62, 64; EGV 883/2004 Art. 11 ff, Art. 67; EGV 987/2009 Art. 60; GG Art. 3; AO § 176

Erfüllt ein nach § 1 Abs. 3 EStG besteuerter Elternteil die Voraussetzungen für einen inländischen (Differenz-)Kindergeldanspruch, dann steht dieser Anspruch unabhängig davon, ob das deutsche Recht auf diesen Elternteil nach Art. 11 ff der VO Nr. 883/2004 vorrangig oder nachrangig anzuwenden ist, dem in dem anderen Mitgliedstaat wohnenden Elternteil zu, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, unabhängig davon, ob und in welchem Umfange das deutsche (Differenz-)Kindergeld nach dem Unterhaltsrecht des anderen Mitgliedstaates auf den Unterhaltsanspruch des Kindes anzurechnen ist.

BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 12/19 - Sächsisches FG [2 K 1580/17]
BFH/NV 2021, 940 = HFR 2021, 675 = NZFam 2021, 660 = DStRE 2021, 1040 = FamRZ 2021, 1195 [Ls]

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; einheitliche Erstausbildung iSd § 32 Abs. 4 S. 2 EStG; mehraktige Ausbildung im; öffentlich-rechtlich geordneter Ausbildungsgang; Zäsur.
EStG §§ 32, 63

1. Eine einheitliche Erstausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG scheitert nicht daran, daß nur der erste, nicht hingegen der zweite Ausbildungsabschnitt öffentlich-rechtlich geordnet ist.
2. Hat ein Kind eine Ausbildung zum »Sozialversicherungsangestellten« erfolgreich abgeschlossen, und wird es zu dem weiteren Ausbildungsabschnitt »AOK-Betriebswirt« erst zugelassen, wenn es mindestens ein Jahr in dem Beruf gearbeitet und weitere Leistungsnachweise erbracht hat, dann bewirkt die zwischen den Ausbildungsabschnitten durchgeführte Berufstätigkeit eine Zäsur, die den zeitlichen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten ausschließt; die Ausbildungsabschnitte lassen sich daher nicht mehr zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammenfassen.

BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 14/19 - FG Münster [3 K 577/18]
BFH/NV 2021, 936 = HFR 2021, 790 = BB 2021, 1894 = DStZ 2021, 555 = FamRZ 2021, 1195 [Ls] = BB 2021, 1431 [Ls]

Hinweise
1. Vorliegend konnte dahingestellt bleiben, ob die Ausbildung zum »AOK-Betriebswirt« einen öffentlich-rechtlich geordneten Charakter aufweist.
2. Übersicht zu weiteren Entscheidungen des Bundesfinanzhofes zu der Frage des Vorliegens einer mehraktigen Ausbildung (s. auch BFH, Urteil vom 11. Dezember 2018 - BFHE 263, 209):

III R 2/18 (NV) vom 11.12.2018: Abgeschlossene Ausbildung zur Bankkauffrau mit anschließender Vollzeittätigkeit (nicht in einer Bank) und Teilzeit-Studium an einer Fachschule für Wirtschaft (Ziel: Staatlich geprüfte Betriebswirtin), wobei zu den Voraussetzungen für das Studium ein Berufsabschluß und ein Jahr Berufserfahrung gehören.
III R 22/18 (NV) vom 11.12.2018: Vollzeittätigkeit im erlernten Beruf nach abgeschlossener Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließender Ausbildung zum Bankfachwirt, wobei eine Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung zum Bankfachwirt mindestens zwei Jahre Berufspraxis sind.
III R 47/17 (NV) vom 11.12.2018: Abgeschlossene Ausbildung zur Steuerfachangestellten mit anschließender Vollzeittätigkeit im erlernten Beruf und Teilzeit-Studium an einer Fachschule für Wirtschaft (Ziel: Staatlich geprüfte Betriebswirtin), wobei eine Voraussetzung für die Teilnahme an der Abschlußprüfung eine praktische Berufstätigkeit im Ausbildungsberuf von mindestens einem Jahr ist.
III R 32/17 (NV) vom 11.12.2018: Abgeschlossene Berufsausbildung zum Elektroniker (Gesellenprüfung) mit anschließender Vollzeittätigkeit im Ausbildungsbetrieb und Teilnahme an einem zweijährigen Abendlehrgang (Ziel: Industriemeister Elektrotechnik IHK), wobei zu den Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung berufspraktische Erfahrungen von einem Jahr gehören.
III R 32/18 (NV) vom 17.01.2019: Abgeschlossene Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und anschließender Verwaltungslehrgang II
III R 8/18 (NV) vom 17.01.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Steuerfachangestellten und anschließendes Teilzeit-Studium Steuerrecht
III R 35/18 (NV) vom 17.01.2019: Abgeschlossene Ausbildung zur Bankkauffrau und anschließende Ausbildung zur Bankfachwirtin
III R 27/18 (NV) vom 20.02.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließende Ausbildung zum Bachelor of Arts
III R 52/18 (NV) vom 20.02.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und anschließende Ausbildung zum Bachelor of Laws
III R 53/18 (NV) vom 20.02.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließendes Bachelor-Studium im Fachbereich »Business Administration«
III R 42/18 (V) vom 20.02.2019: Abgeschlossene Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und anschließende Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin
III R 44/18 (NV) vom 20.02.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten und anschließende Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt
III R 12/18 (NV) vom 21.03.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließende Ausbildung zum Bankfachwirt
III R 16/18 (NV) vom 21.03.2019: Abgeschlossene Ausbildung zur Bankkauffrau und anschließende Ausbildung zur Bankfachwirtin
III R 17/18 (V) vom 21.03.2019: Abgeschlossene Ausbildung zur Bankkauffrau und anschließende Ausbildung zur Bankfachwirtin
III R 18/18 (NV) vom 21.03.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Industriemechaniker und Meisterausbildung mit dem Abschluß »Geprüfter Industriemeister - Fachrichtung Metall«, anschließend Aufstiegsfortbildung »Geprüfter Technischer Betriebswirt«
III R 40/18 (NV) vom 21.03.2019: Abgeschlossene Banklehre, anschließend Vollzeittätigkeit und Studium »..fachwirt« an einer Akademie
III R 50/18 (NV) vom 21.03.2019: Abgeschlossene Banklehre, anschließend Arbeitstätigkeit und Weiterbildung zum Bankfachwirt mit anschließendem Studium Finance & Management mit Abschlußziel »Bachelor of Arts«
III R 56/18 (NV) vom 21.03.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließende Ausbildung zum Bankbetriebswirt (Bachelor of Arts in Business Administration)
III R 43/17 (NV) vom 10.04.2019: Ausbildung zum Steuerfachangestellten, zum Steuerfachwirt und zum Steuerberater
III R 19/18 (NV) vom 10.04.2019: Abgeschlossene Banklehre, anschließend Vollzeittätigkeit mit späterer Reduzierung auf 80% und Fernstudium »Finance« mit Abschluß »Bachelor of Science«, wobei Voraussetzung für das Studium eine Tätigkeit in der Finanzdienstleistungsbranche oder Aufnahme einer einschlägigen Ausbildung ist
III R 33/18 (NV) vom 10.04.2019: Abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten dann Vollzeittätigkeit und Angestelltenlehrgang II mit Abschlußziel Verwaltungsfachwirt
III R 36/18 (NV) vom 10.04.2019: Abgeschlossene Ausbildung zur Bankkauffrau und anschließend Vollzeittätigkeit und Studium an Studienakademie mit Abschluß »Bankfachwirtin«; Studium setzt Banklehre voraus.
III R 48/18 (NV) vom 10.04.2019: Abgeschlossene Ausbildung zur Bankkauffrau, anschließend Vollzeittätigkeit und Studium; IHK-Prüfung »Geprüfter Bankfachwirt«, dafür sind Voraussetzung eine abgeschlossene Ausbildung und zweijährige Berufspraxis
III R 51/18 (NV) vom 10.04.2019: Abgeschlossene Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten - Fachrichtung Kommunalverwaltung - und anschließende Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin
III R 69/18 (NV) vom 22.05.2019: Abschluß duales Studium im Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik im November 2015; Berufstätigkeit mit wöchentlich 34 Stunden; ab Sommersemester 2016 Studiengang Finance & Accounting (in Teilzeit) zum Erwerb des Master of Science
III R 54/18 (NV) vom 22.05.2019: Realschulabschluß, anschließend abgeschlossene Ausbildung zur Bankkauffrau, anschließend wöchentliche Arbeitszeit im Ausbildungsberuf von über 20 Stunden, Teilzeitstudium an einer Fernuniversität als Akademiestudentin, dann Einschreibung als ordentliche Studierende im Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften - Zweiter Ausbildungsabschnitt nach einer Berufstätigkeit, keine Ausbildungseinheit
III R 14/18 (V) vom 23.10.2019: Umorientierung während einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung: Abschluß der Ausbildung zum Bankkaufmann mit anschließender Vollzeittätigkeit. Anstatt des ursprünglich im Anschluß an die Ausbildung beabsichtigten Studiums an einem Bankkolleg mit dem Ziel des Abschlusses als Bankfachwirt wird ein Onlinestudiengang Betriebswirtschaftslehre aufgenommen.
III R 21/19 (NV) vom 18.12.2019: Fernstudium zum Bankfachwirt sowie anschließend Bankbetriebswirt während der Vollzeittätigkeit als Bankkaufmann (nach Abschluß der Ausbildung hierzu).
III R 72/18 (NV) vom 23.01.2020: Ausbildung zur Industriekauffrau und Studium zum Bachelor of Arts (Business Administration)
III R 62/18 (NV) vom 23.01.2020: Ausbildung zur Bankkauffrau, anschließend Vollzeittätigkeit und berufsbegleitender Lehrgang zur Sparkassenfachwirtin und berufsbegleitendes Studium im Fachbereich Betriebswirtschaftslehre
III R 29/19 (NV) vom 23.01.2020: Ausbildung zum Industriemechaniker, anschließend Vollzeittätigkeit und berufsbegleitendes Studium Maschinenbau Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (Bachelor Engineering)
III R 30/19 (NV) vom 23.01.2020: Ausbildung zum Industriemechaniker, anschließend Vollzeittätigkeit und berufsbegleitendes Studium International Management with Engineering (Bachelor of Arts)
III R 31/19 (NV) vom 17.03.2020: Ausbildung zur Industriekauffrau, anschließend Vollzeittätigkeit und berufsbegleitendes Studium Betriebswirtin VWA (Bachelor of Arts)
III R 32/19 (NV) vom 17.03.2020: Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen, anschließend Vollzeittätigkeit und berufsbegleitendes Studium Betriebswirt VWA (Bachelor of Arts)
III R 10/19 (NV) vom 09.09.2020: Ausbildung zum Bankkaufmann, anschließend Vollzeittätigkeit und berufsbegleitendes Bachelorstudium (Fachbereich »Management und Finance«)
III R 14/19 (NV) vom 18.02.2021: Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten, anschließend Vollzeittätigkeit und Studium zum »AOK-Betriebswirt«

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Anspruch auf deutsches Kindergeld in den Wohnsitz-Wohnsitz-Fällen; Bestehen eines Kindergeldanspruchs nur in Deutschland.
EStG §§ 32, 62, 63; EGV 883/2004 Art. 67, Art. 68

1. Der Anspruch auf Kindergeld in einem nachrangigen Staat ist nicht nach Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO Nr. 883/2004 ausgeschlossen, wenn nur ein Anspruch in dem nachrangigen Staat besteht, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch in dem vorrangigen Staat aber nicht erfüllt werden.
2. Die Koordinierungsregel des Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO Nr. 883/2004 ist nur anwendbar, wenn konkurrierende Ansprüche im Sinne dieser Vorschrift vorliegen.
3. Wird daher in dem vorrangig zuständigen Mitgliedstaat für einzelne Kinder keine dem Kindergeld vergleichbare Leistung erbracht, weil die nationalen Rechtsvorschriften keinen Anspruch für das Kind vorsehen, dann müssen die allein durch den Wohnort einer berechtigten Person ausgelösten Ansprüche auf Familienleistungen für in einem anderen Mitgliedstaat lebende Kinder erfüllt sein.

BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 27/19 - FG Köln [14 K 2164/17]
BFHE 272, 60 = BStBl II 2022, 183 = BFH/NV 2021, 886 = HFR 2021, 670 = IStR 2021, 445 = DStRE 2021, 725 = DStRK 2021, 147 = FamRZ 2021, 1079 [Ls] = StE 2021, 314 [Ls] = StuB 2021, 465 [Ls] = EStB 2021, 292 [Ls] = BFH/PR 2021, 272 [Ls]

Hinweis
Parallelentscheidung: BFH, Urteil vom 18.02.2021 - BFH/NV 2021, 942

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; kindergeldrechtliche Berücksichtigung eines Kindes; kein Beginn einer Berufsausbildung wegen einer Erkrankung.
EStG §§ 32, 62, 63

1. Ein Kind unter 25 Jahren, das wegen einer Erkrankung keine Berufsausbildung beginnen kann, ist nur dann als einen Ausbildungsplatz suchendes Kind nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen, wenn das Ende der Erkrankung absehbar ist. Ist dieses nicht der Fall, dann reicht der Wille des Kindes, sich nach dem Ende der Erkrankung um einen Ausbildungsplatz zu bemühen, nicht aus.
2. In solchen Fällen ist zu prüfen, ob eine Berücksichtigung als behindertes Kind nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG möglich ist.

BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 35/19 - FG Düsseldorf [7 K 1093/18]
BFH/NV 2021, 938 = DStZ 2021, 556 = FamRZ 2021, 1195 [Ls]

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Anspruch auf Kindergeld im nachrangigen Staat; Anwendbarkeit der Koordinierungsregel des Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO Nr. 883/2004.
EStG §§ 32, 62, 63; EGV 883/2004, Art 67, Art 68

1. Der Anspruch auf Kindergeld in dem nachrangigen Staat ist nicht nach Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO Nr. 883/2004 ausgeschlossen, wenn nur ein Anspruch in dem nachrangigen Staat besteht, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch in dem vorrangigen Staat aber nicht erfüllt werden.
2. Die Koordinierungsregel des Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO Nr. 883/2004 ist nur anwendbar, wenn konkurrierende Ansprüche im Sinne dieser Vorschrift vorliegen.
3. Wird daher in dem vorrangig zuständigen Mitgliedstaat für einzelne Kinder keine dem Kindergeld vergleichbare Leistung erbracht, weil die nationalen Rechtsvorschriften keinen Anspruch für das Kind vorsehen, dann müssen die allein durch den Wohnort einer berechtigten Person ausgelösten Ansprüche auf Familienleistungen für in einem anderen Mitgliedstaat lebende Kinder erfüllt werden.

BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 60/19 - FG Düsseldorf [15 K 1147/13]
BFH/NV 2021, 942

Hinweise
1. Diese Entscheidung ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 18. Februar 2021 (BFHE 272, 60) - Anspruch auf deutsches Kindergeld in den Wohnsitz-Wohnsitz-Fällen, wenn nur in Deutschland ein Kindergeldanspruch besteht.
2. »Zu gewähren sind« die Familienleistungen iSv Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 nur dann, wenn der Anspruchsberechtigte die nach den nationalen Vorschriften entsprechenden materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt; es genügt dafür nicht, wenn Familienleistungen überhaupt in zwei Mitgliedstaaten vorgesehen sind.
3. Es mutet zwar das Ergebnis merkwürdig an, wenn Deutschland bei einer nur geringen ausländischen Familienleistung keinen Unterschiedsbetrag leisten muß, wenn der entsprechende Leistungsanspruch allein durch den Wohnort ausgelöst wird, und das Kind in dem anderen Mitgliedstaat wohnt (vgl. Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO Nr. 883/2004), hingegen der inländische Kindergeldanspruch in voller Höhe zu erfüllen ist, wenn in dem vorrangigen Mitgliedstaat überhaupt kein Anspruch besteht; dieses Ergebnis entspricht aber den europarechtlichen Vorgaben.
4. Auch aus dem Erwägungsgrund (35) zu der VO Nr. 883/2004 ergibt sich, daß die Prioritätsregelungen (vgl. Art 68 der VO Nr. 883/2004) geschaffen wurden, um »ungerechtfertigte Doppelleistungen« bei Zusammentreffen von mehreren Ansprüchen zu vermeiden, nicht aber um erworbene Ansprüche ganz auszuschließen, soweit ein solcher nur in einem Mitgliedstaat besteht.

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Kindergeld bei Wohnsitz der Eltern in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten; Anwendbarkeit des ausländischen Rechts auf den im Inland wohnenden Elternteil.
EStG § 62; EGV 883/2004 Art. 11, Art. 68; EGV 987/2009 Art. 60

1. Ein Zusammentreffen von Leistungsansprüchen im Sinne des Art. 68 VO Nr. 883/2004 ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der im Inland lebende Elternteil nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 dem deutschen Recht unterliegt, wenn der andere Elternteil unter die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats fällt, dort aber selbst keinen Familienleistungsanspruch hat.
2. Nach der gemäß Art. 60 Abs. 1 S. 2 VO Nr. 987/2009 anzuwendenden Familienbetrachtung ist nicht nur zu fingieren, daß der im Inland wohnende Elternteil auch in dem Wohnsitz-Mitgliedstaat des anderen Elternteils wohnt, sondern auch, daß er unter die Rechtsvorschriften des betreffenden anderen Mitgliedstaates fällt.
3. Es ist daher auch zu prüfen, ob der im Inland lebende Elternteil die Anspruchsvoraussetzungen in dem anderen Mitgliedstaat erfüllt, und deshalb eine Anspruchskonkurrenz besteht.

BFH, Urteil vom 18. Februar 2021 - III R 71/18 - Hessisches FG [3 K 1574/14]
BFHE 272, 53 = BStBl II 2022, 180 = BFH/NV 2021, 884 = HFR 2021, 673 = IStR 2021, 478 = DStRK 2021, 178 = DStRE 2021, 786 = FamRZ 2021, 1079 [Ls] = BB 2021, 1237 [Ls] = StE 2021, 328 [Ls] = EStB 2021, 293 [Ls] = BFH/PR 2021, 320 [Ls]

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Verfahrensrecht; Revisionszulassung wegen Fortbildung des Rechts; Divergenz.
BGB § 528; EStG §§ 7, 9, 33a; FGO §§ 115, 118

Die Frage, ob und in welchem Umfange bei einem Inhaber eines für das gesamte Grundstück eingeräumten Nießbrauchs die Bemessungsgrundlage für die im Rahmen der Einkünfteerzielung vorzunehmenden Absetzung für Abnutzung [AfA] anzusetzen ist, ist höchstrichterlich geklärt.

BFH, Beschluß vom 19. Februar 2021 - IX B 34/20 - FG München [6 K 2300/17]
BFH/NV 2021, 632

Hinweise
1. Bei einem (hier: für ein Grundstück eingeräumten) Zuwendungsnießbrauch steht dem Nießbrauchsberechtigten keine Befugnis zu der Vornahme von Absetzungen für Abnutzung [AfA] zu, auch wenn der von dem Eigentümer eingesetzte Erlös zu dem Erwerb des Nießbrauchsgegenstandes aus der Veräußerung eines Grundstücks stammt, welches der Eigentümer von dem Nießbrauchsberechtigten (größtenteils) im Wege der Schenkung erhalten hat, sofern die Schenkung nicht unter der zwingenden Vorgabe erfolgt ist, bei der Veräußerung den Erlös für den Erwerb des Nießbrauchsgegenstandes einzusetzen.
2. Rückübertragungsansprüche führen nur dann zu einer berücksichtigungsfähigen Wertminderung (hier: iSd § 33a Abs. 1 S. 4 EStG), wenn diese dinglich gesichert sind.

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Erbschaft- und Schenkungsteuer; Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte.
ErbStG § 13b; EStG § 4h; KStG §§ 8, 8a; GG Art. 3; FGO § 76

1. Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft faktisch beherrscht. Dazu ist eine Einwirkung des Erblassers oder Schenkers mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts auf die zu der Beherrschung führenden Stimmrechte notwendig; ein Einfluß nur auf die kaufmännische oder technische Betriebsführung ohne Möglichkeit der Erlangung einer Stimmenmehrheit reicht nicht aus.
2. Wird ein Grundstück an eine Kapitalgesellschaft verpachtet, ist auch dann von einer steuerschädlichen Nutzungsüberlassung an Dritte auszugehen, wenn Erwerber des Betriebsvermögens der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist.
3. Zwei Betriebe bilden keinen Gleichordnungskonzern, wenn sie durch mehrere Personen beherrscht werden.

BFH, Urteil vom 23. Februar 2021 - II R 26/18 - Hessisches FG [9 K 1857/15]
BFHE 272, 486 = BStBl II 2022, 72 = BFH/NV 2021, 1285 = HFR 2021, 900 = DStR 2021, 1753 = DB 2021, 1926 = DStRK 2021, 236 = ZEV 2021, 591 = BB 2021, 2468 = GmbHR 2021, 1173 = NWB 2021, 2250 = DStZ 2021, 694 = WPg 2021, 1444 = UVR 2021, 331 = FamRZ 2021, 1578 [Ls] = BB 2021, 1814 [Ls] = StE 2021, 490-491 [Ls] = StuB 2021, 633 [Ls] = DStRE 2021, 1016 [Ls] = BFH/PR 2021, 405 [Ls] = AG 2022, 41 [Ls]

Hinweise
1. Die Vorschriften (hier: der § 13b Abs 1 Nr. 2 und § 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 2008 [ErbStG a.F.] sind zwar verfassungswidrig, bedurften jedoch für den Stichtag des Streitfalles keiner erneuten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht.
2. »Dritter« iSd § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 1 ErbStG a.F. ist jede Person, die nicht mit dem Nutzungsüberlassenden identisch ist. Dritte können natürliche Personen - auch Angehörige -, Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften sein.
3. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alt. 1 ErbStG a.F. nimmt mit dem Beherrschungserfordernis das zur ertragsteuerrechtlichen Betriebsaufspaltung begründete Merkmal der personellen Verflechtung auf.
4. Ob mit der Finanzverwaltung davon auszugehen ist, daß die gesamten Voraussetzungen der ertragsteuerrechtlichen Betriebsaufspaltung erfüllt sein müssen (RE 13b.10 Abs. 1 S. 1 bis 4 ErbStR 2011; ebenso weiterhin RE 13b.14 Abs. 1 S. 1 bis 4 ErbStR 2019), konnte in dem Streitfall dahinstehen.
5. Der Vorlagebeschluß des Bundesfinanzhofes vom 14. Oktober 2015 (BFHE 252, 44) an das Bundesverfassungsgericht wegen einer möglichen Verfassungswidrigkeit von § 4h EStG 2002 in der Fassung des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung vom 16. Juli 2009 (BGBl I 2009, 1959) iVm § 8 Abs. 1 und § 8a des Körperschaftsteuergesetzes 2002 in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) stand einer Bezugnahme auf § 4h EStG im Rahmen des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. c ErbStG a.F. nicht entgegen.

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Erbrecht; Familiensteuerrecht; Begriff des Grundstücks beim Erwerb eines Familienheims.
BGB § 121; ErbStG § 12, 13; BewG § 2, 151, 152, 157, 181; AO §§ 171, 173, 175; FGO § 90

Sollte als Grundstück des Familienheimerwerbs die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsgesetzes zu verstehen sein, und erläßt das Belegenheitsfinanzamt einen entsprechenden Feststellungsbescheid, dann ist diese Feststellung bindend, und kann in dem Verfahren gegen den Erbschaftsteuerbescheid nicht erfolgreich angegriffen werden.

BFH, Urteil vom 23. Februar 2021 - II R 29/19 - FG München [4 K 2568/16]
BFHE 272, 497 = BStBl II 2023, 191 = BFH/NV 2021, 1222 = HFR 2021, 1007 = DStR 2021, 1816 = ZEV 2021, 590 = DStRK 2021, 250 = DB 2021, 2329 = ZErb 2021, 478 = EStB 2021, 384 = DStZ 2021, 780 = ZAP EN-Nr. 540/2021 = FamRZ 2021, 1578 [Ls] = BB 2021, 1877 [Ls] = StE 2021, 504 [Ls] = DStRE 2021, 1016 [Ls] = StuB 2021, 713 [Ls] = BFH/PR 2021, 400 [Ls]

Hinweise
1. Die Feststellungsbescheide des Belegenheitsfinanzamtes sind nicht nur hinsichtlich der Werte, sondern auch hinsichtlich des Umfangs der wirtschaftlichen Einheit Grundlagenbescheide für die Erbschaftsteuerbescheide.
2. Es bedurfte vorliegend keiner Entscheidung, ob im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG das Grundstück im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des Bewertungsgesetzes zu verstehen ist.

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Erbschaftsteuerrecht; Verschonung von Betriebsvermögen.
ErbStG §§ 13a, 13b; ErbStRG

1. Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 S. 3 ErbStG in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes kann innerhalb des Zehn-Jahreszeitraumes nur für den ersten Erwerb berücksichtigt werden.
2. Der Abzugsbetrag wird »berücksichtigt«, auch wenn er infolge Abschmelzung 0 € betragen hat.

BFH, Urteil vom 23. Februar 2021 - II R 34/19 - FG München [4 K 500/17]
BFHE 272, 134 = BStBl II 2021, 619 = BFH/NV 2021, 1019 = HFR 2021, 1100 = DB 2021, 1179 = DStR 2021, 1222 = ZEV 2021, 466 = DStRK 2021, 179 = GmbHR 2021, 889 = DStZ 2021, 603 = UVR 2021, 238 = EStB 2021, 339 = BB 2021, 1301 [Ls] = StE 2021, 347 [Ls] = StuB 2021, 510 [Ls] = DStRE 2021, 763 [Ls] = BFH/PR 2021, 334 [Ls]

Hinweis
Ein Antrags- oder Verzichtsrecht des Steuerpflichtigen der Art, daß optional bei einem ersten Erwerb von der Berücksichtigung des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 S. 3 ErbStG in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes [ErbStRG] abgesehen werden könnte, damit kein Verbrauch eintritt, sieht die Vorschrift nicht vor, und kann nicht im Wege der Auslegung begründet werden.

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; keine Anwendung von § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ohne inländische Einkünfte iSd § 49 EStG.
EStG §§ 1, 49, 62, 66; AO §§ 8, 9, 12; EGV 883/2004 Art. 68; OECDMustAbk Art. 6 ff; OECD-MA Art. 6 ff

1. § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ist ohne das Vorliegen inländischer Einkünfte im Sinne des § 49 EStG nicht anzuwenden. Dabei ist das im Kindergeldrecht geltende Monatsprinzip (§ 66 Abs. 2 EStG) zu beachten.
2. Eine Veranlagung des Finanzamtes nach § 1 Abs. 3 EStG bewirkt nicht, dass damit für die Familienkasse und für das Finanzgericht bindend eine inländische Betriebsstätte mit der Folge inländischer Einkünfte gemäß § 49 EStG festgestellt wird.
3. Ein Besteuerungsrecht nach einem Doppelbesteuerungsabkommen führt für Einkünfte, die keine inländischen Einkünfte sind, nicht dazu, dass inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG entstehen.
4. Ein Anspruch auf Kindergeld in dem nachrangigen Staat ist nicht nach Art. 68 Abs. 2 S. 3 der VO (EG) Nr. 883/2004 auch dann ausgeschlossen, wenn nur ein Anspruch in dem nachrangigen Staat besteht, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch in dem vorrangigen Staat aber nicht erfüllt sind. Für diese Fallgestaltung ist eine Anwendung der Prioritätsregelung nach Art. 68 der VO (EG) Nr. 883/2004 generell ausgeschlossen.

BFH, Urteil vom 25. Februar 2021 - III R 23/20 - FG Berlin-Brandenburg [7 K 7168/18]
BFH/NV 2021, 1344 = HFR 2021, 1180

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; Unzulässigkeit der Übertragung der Zuständigkeit für die Sachaufgabe »Inkasso« von der sachlich und örtlich zuständigen Wohnsitz-Familienkasse auf eine andere Familienkasse oder Behörde durch den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit.
FVG § 5; AO §§ 16, 17, 125, 127, 222; FGO §§ 63, 65; GG Art. 19, Art. 20

Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit kann nicht durch einen auf § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 S. 4 FVG gestützten Beschluß die Zuständigkeit für die Sachaufgabe »Inkasso« von der sachlich und örtlich zuständigen Wohnsitz-Familienkasse auf eine andere Familienkasse oder Behörde übertragen.

BFH, Urteil vom 25. Februar 2021 - III R 28/20 - Niedersächsisches FG [6 K 138/19]
BFH/NV 2021, 1100

Hinweise
1. Diese Entscheidung ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 25. Februar 2021 (BFHE 272, 19) - sachliche Unzuständigkeit des sog. regionalen Inkasso-Services in dem Bereich des steuerlichen Kindergeldes.
2. Als Ausgangsbehörde gilt im Rahmen der Auslegung einer Klageschrift die nach außen in Erscheinung getretene Behörde.
3. Zu dem Begriff der sachlichen Zuständigkeit, der gegenständlich den Tätigkeitsbereich einer Behörde, also die Zuordnung einer bestimmten Aufgabe des materiellen Sachrechts an eine Verwaltungseinheit beschreibt.
4. Zu der sog. Verbundbildung bei den Familienkassen.
5. Die in § 17 Abs. 2 S. 3 FVG enthaltene Ermächtigung richtet sich nur an die Landesregierungen, und ist auf Zuständigkeitsübertragungen bei den Landesfinanzbehörden beschränkt. Eine allgemeine Ermächtigung für abweichende Regelungen der sachlichen Zuständigkeit bei sämtlichen Finanzbehörden, insbesondere auch Bundesfinanzbehörden, ergibt sich daraus nicht.
6. Eine Zuständigkeitsübertragung für den Bereich der Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs läßt sich nicht auf Vorschriften des Vierten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IV] stützen.
7. Der Verstoß gegen die Regelungen über die sachliche Zuständigkeit führt nicht zu der Nichtigkeit der betreffenden Verwaltungsakte nach § 125 Abs. 1 AO.

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Familiensteuerrecht; Kindergeldrecht; sachliche Unzuständigkeit des sog. regionalen Inkassoservice in dem Bereich des steuerlichen Kindergeldes.
FVG §§ 5, 17; EStG § 70; AO §§ 16, 17, 125, 127, 222; FGO §§ 63, 65; GG Art. 19, Art. 20

1. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 S. 4 FVG räumt dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit nur die Befugnis ein, innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs die Entscheidung über den Anspruch auf Kindergeld für bestimmte Bezirke oder Gruppen von Berechtigten abweichend von den Vorschriften der Anordnung über die örtliche Zuständigkeit von Finanzbehörden einer anderen Familienkasse zu übertragen.
2. Für die örtliche Zuständigkeit gilt der Grundsatz der Gesamtzuständigkeit; die Zuständigkeit umfaßt also grundsätzlich alle Verwaltungstätigkeiten der Finanzbehörde, die sich aus dem gesamten Besteuerungsverfahren ergeben (Festsetzung, Rechtsbehelfsverfahren, Erhebung und Vollstreckung). Eine abweichende Regelung über die örtliche Zuständigkeit setzt daher eine Übertragung der Gesamtzuständigkeit für bestimmte Bezirke oder Gruppen von Berechtigten voraus.
3. Werden für bestimmte Gruppen von Berechtigten nur einzelne Sachaufgaben von der örtlich und damit gesamtzuständigen Familienkasse auf eine andere Familienkasse oder Behörde übertragen, dann betrifft dies den Gegenstand und Inhalt der der Finanzbehörde zugewiesenen Aufgaben, und damit eine Frage der sachlichen Zuständigkeit.
4. Werden in einem Besteuerungsverfahren von vorneherein unterschiedliche Behörden in dem Ausgangs- und in dem Rechtsbehelfsverfahren tätig, dann ist die dagegen gerichtete Klage nach § 63 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 FGO gegen die Ausgangsbehörde zu richten.

BFH, Urteil vom 25. Februar 2021 - III R 36/19 - FG Düsseldorf [10 K 3317/18]
BFHE 272, 19 = BStBl II 2021, 712 = BFH/NV 2021, 956 = HFR 2021, 797 = DStRK 2021, 194 = DStRE 2021, 922 = StE 2021, 381 [Ls] = EStB 2021, 291 [Ls] = BFH/PR 2021, 338 [Ls]

Hinweise
1. Zu dem Begriff der sachlichen Zuständigkeit, der gegenständlich den Tätigkeitsbereich einer Behörde, also die Zuordnung einer bestimmten Aufgabe des materiellen Sachrechts an eine Verwaltungseinheit beschreibt.
2. Zu der sog. Verbundbildung bei den Familienkassen.
3. Aus § 17 Abs. 2 S. 3 FVG ergibt sich entgegen der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen keine allgemeine Ermächtigung für abweichende Regelungen der sachlichen Zuständigkeit bei sämtlichen Finanzbehörden, insbesondere auch Bundesfinanzbehörden.
4. Eine Zuständigkeitsübertragung für den Bereich der Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs läßt sich nicht auf Vorschriften des Vierten Buches Sozialgesetzbuch stützen.
5. Der Verstoß gegen die Regelungen über die sachliche Zuständigkeit führt nicht zu der Nichtigkeit der betreffenden Verwaltungsakte nach § 125 Abs. 1 AO. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 AO oder § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b AO können Verwaltungsakte aufgehoben oder geändert werden, wenn sie von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden sind. Da die Aufhebbarkeit einen wirksamen Verwaltungsakt voraussetzt, folgt aus den Vorschriften, daß sachlich unzuständiges Handeln grundsätzlich nicht zu der Nichtigkeit führt.
6. Als Ausgangsbehörde gilt im Rahmen der Auslegung einer Klageschrift die nach außen in Erscheinung getretene Behörde.

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Familiensteuerrecht; Einkommensteuer; Auslegung eines Antrages auf »Einzelveranlagung nach § 26a EStG« als Antrag auf getrennte Veranlagung nach § 26a EStG; NATO-Truppenstatut; Nichtwohnsitz-Fiktion.
EStG §§ 1, 25, 26, 26a; AO §§ 8, 360; FGO §§ 40, 68, 96; NATOTrStat Art. X; NATOTrStatZAbk Art. 73

1. Eine Person hält sich für die Anwendung des Art. X Abs. 1 S. 1 NATOTrStat immer dann »nur in dieser Eigenschaft« im Inland auf, wenn nach den gesamten Lebensumständen erkennbar ist, daß sie in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen ist, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangsstaat oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren (sog. Rückkehrwille).
2. Maßgeblich sind die Lebensumstände aus der Sicht des jeweiligen Besteuerungszeitraums, nicht das spätere Verhalten des Betreffenden, das allenfalls als Indiz herangezogen werden kann.
3. Die Beweislast trifft den Steuerpflichtigen. Die Beurteilung, ob in dem konkreten Einzelfall ein Rückkehrwille vorliegt, obliegt dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz (Bestätigung der Rechtsprechung, zum Beispiel Senatsurteil vom 9. November 2005 - BFHE 211, 500, und Senatsbeschluß vom 21. September 2015 - BFH/NV 2016, 28).

BFH, Urteil vom 3. März 2021 - I R 35/19 - Hessisches FG [2 K 534/16]
BFH/NV 2021, 1354 = IStR 2022, 32

Hinweise
1. Eine Hinzuziehung nach § 360 Abs. 1 AO begründet für sich betrachtet noch keine Klagebefugnis iSd § 40 Abs. 2 FGO (BFH, Urteil vom 29. April 2009 - BFHE 225, 4). Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Hinzugezogene materiell beschwert war, da er für die angefochtenen Zusammenveranlagungsbescheide als Gesamtschuldner einzustehen hatte.
2. Ein Antrag auf »Einzelveranlagung nach § 26a EStG« kann unter Umständen als Antrag auf getrennte Veranlagung nach § 26a EStG ausgelegt werden.
3. Ein von Amts wegen zu berücksichtigten Verstoß gegen die sog. Grundordnung des Verfahrens liegt vor, wenn das Finanzgericht das Klagebegehren unterschreitet (hier: Wertung des Klagebegehrens nur als Antrag auf Aufhebung von Änderungsbescheiden, und nicht auch als vollständige Aufhebung der Zusammenveranlagungsbescheide wegen eines Wechsels der Veranlagungsart).

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