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BGB § 1581 - Leistungsfähigkeit - FD-Logo-500

BGB § 1581 - Leistungsfähigkeit




BGB 1581 - Leistungsfähigkeit

Ist der Verpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, so braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.





 



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Nachehelicher Unterhalt; Leistungsfähigkeit; Bewertung des Wohnvorteils einer eigengenutzten Wohnung im Ehegattenunterhalt; Ermessensspielraum des Unterhaltsschuldners bei der Verwertung seines Immobilienvermögens im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit; fiktiver Wohnvorteil bei unterlassener Renovierung.

1. Ein Unterhaltsschuldner, dessen Leistungsfähigkeit auf der Zurechnung des Wohnwertes einer selbstgenutzten Immobilie beruht, kann gehalten sein, den Erlös aus dem Verkauf einer anderen Immobilie zur Renovierung der selbstgenutzten Immobilie zu verwenden.
2. Ein Unterhaltsschuldner mit geringem Einkommen kann gehalten sein, den Erlös aus der Veräusserung einer Immobilie als Vermögen zur Unterhaltsleistung einzusetzen.

OLG Nürnberg, Beschluß vom 16. Juli 2020 - 10 UF 1286/19

Anmerkungen

Der Antragsteller begehrt Abänderung eines Unterhaltstitels aus dem Jahre 2017 über nachehelichen Unterhalt. Das AmtsG hatte auf Seiten des Antragstellers neben Renteneinkünften einen gerichtlich geschätzten Wohnvorteil, und auf Seiten der Antragsgegnerin Erwerbseinkommen berücksichtigt. Nunmehr beziehe die Antragsteller Regelaltersrente, und er selbst besitze keinen Wohnvorteil mehr, da er aus der von ihm bewohnten Immobilie ausgezogen sei, und diese sowie das von seiner Mutter stammende Haus verkauft habe; beide Immobilien seien alt und erheblich renovierungsbedürftig gewesen. Nach der Veräusserung beider Immobilien wohne er nunmehr bei seiner Partnerin, und zahle dort eine Mietbeteiligung. Das AmtsG hat den Antragsteller an der Möglichkeit mietfreien Wohnens und an der Erzielung von Mieteinnahmen festgehalten. Die Beschwerde des Antragstellers erwies sich nur teilweise als begründet.

Das OLG hat dem Unterhaltsschuldner den Wohnvorteil fiktiv angerechnet: Er habe das von ihm zuvor bewohnte Haus nicht verkaufen dürfen, sondern habe den Erlös aus dem Verkauf des anderen Hauses für die notwendige Sanierung einsetzen müssen; der Erlös hätte für die Sanierungskosten und eine erhebliche finanzielle Reserve ausgereicht. Der Verkaufserlös, den er nicht anderweitig angelegt habe, erbringe derzeit keine Zinsen. Daher hätte er durch die Sanierung des von ihm bewohnten Gebäudes seinen unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten genügen müssen, das Geld bestmöglich einzusetzen. Zudem verfüge er aus dem Verkauf beider Häuser über ein Vermögen von mehr als 550.000 €, so dass er gehalten sei, den Unterhalt aus dem Vermögen weiter zu zahlen. Eine solche Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zu Leistungen an den Berechtigten entspreche auch mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie der Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der früheren Ehegatten der Billigkeit.

Hinweise
1. Das mietfreie Wohnen in der im Eigentum befindlichen Wohnung wird als Wohnvorteil auf Unterhaltsschuldnerseite bei der Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB), und bei dem Berechtigten im Rahmen der Bedürftigkeit (§ 1577 BGB) berücksichtigt. Der Wohnvorteil rechnet als wirtschaftliche Nutzung (§ 100 BGB) aus dem Vermögen zu dem Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinne; sein Wert ergibt sich aus ersparten Mietkosten, also dem Betrag, um den der Wohnungseigentümer billiger wohnt als ein Mieter dieser Wohnung.

2. Vermögen ist im Unterhaltsrecht jedenfalls dann von Bedeutung, wenn kein ausreichendes Einkommen vorhanden ist, und zwar sowohl auf Seiten des Unterhaltsgläubigers, als auch auf Seiten des Unterhaltsschuldners: Jeder Bedürftige muss erst einmal sein Vermögen zur Deckung seines Bedarfs einsetzen, bevor er Unterhalt fordert, und jeder Verpflichtete muss Unterhalt aus seinem vorhandenen Vermögen leisten, wenn sein Einkommen nicht reicht. Bei der Verwertung des Vermögens sind unterhaltsrechtliche Verpflichtungen zu beachten. Die »Verteidigungslinie« des Vermögenden ist in beiden Fällen die überzeugende substantiierte Darlegung, dass das vorhandene Vermögen zu eigenen, unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Gründen selbst benötigt wird, und ihm deshalb eine Verwertung nicht zugemutet werden kann, oder dass die Verwertung nicht möglich ist (ausführlich zum Vermögenseinsatz im Unterhaltsrecht s. Viefhues, FuR 2020, 550; 2020, 617; zum Ansatz eines fiktiven Wohnvorteils s. auch BGH FamRZ 2021, 186 = FuR 2021, 91).

3. Unterhaltsgläubiger und/oder Unterhaltsschuldner sind demnach verpflichtet, beabsichtigte Vermögensverfügungen auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen, wobei ihnen allerdings ein gewisser Entscheidungsspielraum verbleiben muss. Ob dieser Spielraum auf so unbillige Weise überschritten wurde, was durch eine Zurechnung fiktiver Einkünfte zu sanktionieren ist, erfordert aus Billigkeitsgründen dann aber auch die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte einer privaten Lebensentscheidung, wie etwa eine neue Partnerschaft.


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Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit; Corona-Soforthilfe und Einkommensrückgang durch Corona.

1. Die sogenannte Corona-Soforthilfe dient als zweckgebundene Leistung der Überbrückung von Liquiditätsengpässen des Betriebes; sie steht deshalb nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung, und kann daher den eheangemessenen Lebensbedarf nicht bestimmen.
2. Bei der Ermittlung des laufenden Unterhalts sind kurzfristige Einkommensrückgänge aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht schon bei der Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs, sondern erst auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.
3. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie waren nicht vorhersehbar; deshalb konnte und mußte der Unterhaltsschuldner keine Vorkehrungen treffen. Es kann von ihm auch nicht verlangt werden, unmittelbar seine selbständige Tätigkeit aufzugeben.
4. Ob und wann mit einem Wiederaufleben der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gerechnet werden kann, ist nicht hinreichend sicher prognostizierbar; die Erfassung künftiger Einkommensverbesserungen ist einem Abänderungsverfahren vorzubehalten.


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