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Entscheidungen OLG Karlsruhe 2023


Erbrecht; Wechselbezüglichkeit testamentarischer Verfügungen; Erfahrungssatz zu der Enterbung von Kindern bei gegenseitiger Erbeinsetzung von Ehegatten bei dem Tode als Erstversterbender; erhebliches Vermögensgefälle.
BGB §§ 133, 2270

1. Für eine Wechselbezüglichkeit von Verfügungen im Sinne des § 2270 BGB kann der Wortlaut eines Testamentes sprechen, wenn in der Urkunde die Rede von dem "gesamten Vermögen“ der Ehegatten ist, das von ihnen ohne eine Unterscheidung nach unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen verteilt wird. Dies läßt nach § 133 BGB den Rückschluß zu, daß die Ehegatten zu dem Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes nach jahrzehntelanger Ehe nicht von getrennten Vermögensmassen ausgegangen sind, sondern die aufgeführten Gegenstände als gemeinsames Vermögen angesehen haben.
2. Es gibt den Erfahrungssatz, daß ein Ehegatte bei der gegenseitigen Erbeinsetzung seine Kinder bei dem Tode als Erstversterbender nur enterbt, weil er darauf vertraut, daß das gemeinsame Vermögen der Ehegatten bei dem Tode des Überlebenden auf die gemeinsamen Kinder übergehen wird.
3. Leistete die Ehefrau des Erblassers ihren Beitrag zu dem gemeinsamen Unterhalt durch die Haushaltsführung sowie die Erziehung und Betreuung der drei gemeinsamen Kinder, kann bei der Frage, ob ein erhebliches Vermögensgefälle vorliegt, nicht mit Erfolg argumentiert werden, das Familieneinkommen (und damit das Vermögen) rühre weit überwiegend von dem allein erwerbstätigen Erblasser her.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 3. Januar 2023 - 14 W 111/22 (Wx)

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Erbrecht; gemeinschaftliches Ehegattentestament in drei getrennten Urkunden; lebzeitige Äußerungen des Letztverstorbenen zeitlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tode des Erstversterbenden; des Auslegung Wortlauts »im Falle unseres gemeinsamen Todes«; gemeinschaftlicher Wille der Erblasser.
BGB §§ 2247, 2265, 2267

1. Bei der Frage, ob es sich bei einem in drei getrennten Urkunden errichteten Testament um ein gemeinschaftliches Ehegattentestament handelt, sind lebzeitige Äußerungen des Letztverstorbenen von besonderem Gewicht, insbesondere dann, wenn diese Äußerungen zeitlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tode des Erstversterbenden gemacht werden, etwa bei der Testamentseröffnung.
2. Der Wortlaut »im Falle unseres gemeinsamen Todes« bedarf der Auslegung: Dieser Wortlaut steht nicht grundsätzlich einer Auslegung entgegen, wonach eine Schlußerbeneinsetzung auch für den Fall eines Versterbens in größerem zeitlichen Abstand erfolgen sollte; maßgeblich ist der anhand der Auslegung zu ermittelnde (gemeinschaftliche) Wille der Erblasser.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 4. Januar 2023 – 14 W 89/22 (Wx)

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Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; Mindestunterhalt; Übergang von Unterhaltsansprüchen; negativer Feststellungsantrag des Unterhaltsschuldners gegen das Jobcenter bei Anmeldung übergegangener Unterhaltsansprüche mit Zusatz zur Insolvenztabelle; sekundäre Darlegungslast hinsichtlich mangelnder Leistungsfähigkeit.
BGB § 1612a; InsO § 302; SGB 2 §§ 6, 33, 44b; ZPO §§ 114, 256

1. Werden zugunsten des Jobcenters gemäß § 33 SGB II übergegangene Unterhaltsansprüche tituliert, und später in dem über das Vermögen des Unterhaltsschuldners eröffneten Insolvenzverfahren mit dem Zusatz nach § 302 Nr. 1 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet, daß der Schuldner den gesetzlichen Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe, kann der Schuldner im Wege des negativen Feststellungantrages geltend machen, daß die Nichtgewährung des Unterhalts nicht auf einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit beruht.
2. a) Passivlegitimiert ist in einem solchen Feststellungsverfahren das Jobcenter, das - im Rahmen der ihm zu der Durchführung der Leistungsgewährung nach § 44b SGB II übertragenen vollständigen Aufgabenwahrnehmung - den im Insolvenzverfahren angemeldeten Unterhaltsanspruch in eigenem Namen geltend gemacht, und für sich hat titulieren lassen.
b) Allein der Umstand, daß Unterhaltsansprüche gemäß § 33 SGB II nicht auf das Jobcenter, sondern auf den jeweiligen Leistungsträger nach §§ 6 ff SGB II übergehen, steht in diesem Fall der Passivlegitimation des Jobcenter nicht entgegen.
3. a) Hinsichtlich seines Vortrags, daß der gesetzliche Unterhalt im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt wurde, kann sich der Gläubiger nicht allein auf die Rechtskraft des Unterhaltstitels und die unterbliebene Unterhaltszahlung berufen, sondern muß Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich die vorsätzliche Pflichtwidrigkeit ergibt.
b) Soweit der Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes tituliert ist, kann sich der Gläubiger dabei hinsichtlich des Unterhaltsbedarfs und der -bedürftigkeit des Kindes auf § 1612a BGB berufen; den Schuldner trifft in diesem Fall die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich seiner (fehlenden) Leistungsfähigkeit.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 4. Januar 2023 - 18 WF 181/22

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Verfahrensrecht; verfahrensrechtliche Durchsetzung der Kindesanhörung.
FamFG §§ 33, 35

Zu der Erzwingung der Anhörung des Kindes durch das Gericht kommt weder die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 33 Abs. 3 FamFG, noch die Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 35 Abs. 1 FamFG in Betracht (Abgrenzung zu OLG Celle FamRZ 2019, 1875 und KG FamRZ, 2019, 1702).

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 11. Januar 2023 - 5 WF 138/22

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Versorgungsausgleich; schweizerische Rentenanwartschaften im Wertausgleich.
VersAusglG § 19; FamFG § 224; FamGKG § 50

Bei der Prüfung, in welchem Ausmaße schweizerische Rentenanrechte des einen Ehegatten bei der AHV/IV einem Ausgleich inländischer Anrechte des anderen Ehegatten nach § 19 Abs. 3 VersAusglG entgegenstehen, kann eine überschlägige Berechnung auf der Grundlage des Auszugs aus dem individuellen Konto und bei Anwendung der aktuellen Rechengrößen vorgenommen werden (Festhaltung OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 754).

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 16. Januar 2023 - 5 UF 58/22

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Erbrecht; rechtliche Stellung des Erben; Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, Fürsorge des Nachlaßgerichts; Sicherung des Nachlasses; Begriff »ungewiß« iSd § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB; Nachlaßpflegschaft bei Erbunwürdigkeitsverfahren; Ermessensspielraum des Nachlaßpflegers.
BGB § 1960

1. Ein Erbe ist auch dann »ungewiß« im Sinne des § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn zwar alle potentiellen Miterben bekannt sind, hinsichtlich eines Miterben aber die Fortsetzung eines gegen ihn bereits eingeleiteten Erbunwürdigkeitsverfahrens bei noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen wegen einer möglichen Fälschung des Testamentes ernsthaft angekündigt ist.
2. Dem Nachlaßpfleger ist bei Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben ein Ermessensspielraum eröffnet. Er bewegt sich innerhalb des ihm zuzubilligenden Ermessensspielraumes, wenn er sich bei der genehmigungsbedürftigen Veräußerung eines zu dem Nachlaß gehörenden Fahrzeugs hinsichtlich der Ermittlung des Verkaufspreises mit der Einholung eines Kurzgutachtens begnügt.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 16. Januar 2023 - 14 W 112/22 (Wx)

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Elterliche Sorge; gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohles; sorgerechtliche Maßnahmen bei Schulverweigerung.
BGB § 1666

1. Bei einer Weigerung der Eltern, das Kind eine Schule besuchen zu lassen, kommt eine Kindeswohlgefährdung in Betracht, auch wenn die Eltern auf andere Weise für eine hinreichende Wissensvermittlung und sonstige Entwicklung des Kindes sorgen.
2. Allein die Möglichkeit von schulrechtlichen Maßnahmen entbindet das Familiengericht nicht von der Pflicht, bei Schulverweigerung eine Kindeswohlgefährdung zu prüfen.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 25. Januar 2023 - 5 UF 188/22

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Ehewohnung und Hausrat; Kostenentscheidung in Ehewohnungssachen.
BGB § 1361b; FamFG §§ § 81, 200

Eine Kostenerstattung ist auch in Ehewohnungssachen nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG nur zurückhaltend anzuordnen, sofern die Wohnungszuweisung nicht auf einer schuldhaften Begehung der in § 1361b Abs. 2 S. 1 BGB genannten Rechtsverletzungen beruht, und insbesondere Belange eines im Haushalt lebenden minderjährigen Kindes für die Zuweisung der Ehewohnung maßgeblich sind.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 1. Februar 2023 - 18 WF 51/21

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Verfahrensrecht; Ablehnung von Richtern und Sachverständigen; Verlust des Ablehnungsrechts trotz Anberaumung eines Fortsetzungstermins.
ZPO §§ 43, 44; FamFG § 113

1. Zu den Voraussetzungen eines Einlassens in eine Verhandlung gemäß § 43 ZPO.
2. Zu dem Schluß der mündlichen Verhandlung, bis zu dem spätestens ein bekannter Ablehnungsgrund geltend zu machen ist, bei Anberaumung eines Fortsetzungstermins.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 1. Februar 2023 - 18 WF 51/21

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