Entscheidungen OLG Düsseldorf 2023
BGB §§ 1626, 1666
1. Voraussetzung für die Anordnung von auf § 1666 BGB gestützter Kinderschutzmaßnahmen ist eine konkrete Gefährdung des Kindeswohles, zu deren Abwendung die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind.
2. Eine Kindeswohlgefährdung besteht bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maße vorhandenen Gefahr, daß bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohles des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
3. Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muß auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt.
4. Einer ziemlichen Sicherheit des Schadenseintritts im Sinne einer höheren Schadenswahrscheinlichkeit bedarf es unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit nicht, soweit es um eine der in § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB exemplarisch normierten Kinderschutzmaßnahmen unterhalb der Schwelle der Sorgerechtsentziehung geht.
5. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muß die anzuordnende Maßnahme zu der Abwehr der Kindeswohlgefährdung effektiv geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Die Erforderlichkeit beinhaltet dabei das Gebot, aus den zur Erreichung des Zweckes gleich geeigneten Mitteln das mildeste, die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen.
6. An die Bestimmtheit eines Gebotes zu der Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen und der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt nach § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB sind nur geringe Anforderungen zu stellen, denn solche Gebote haben typischerweise nicht primär den Zweck, vollstreckt zu werden, sondern zielen auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, indem sie einen stärkeren Eingriff in das Sorgerecht, etwa eine (Teil-)Sorgerechtsentziehung, erübrigen können.
7. Bei Nichtbefolgung der Gebote ist vorrangig nicht deren zwangsweise Durchsetzung in Betracht zu ziehen; vielmehr sind angesichts fehlender Kooperation der Eltern weitergehende Sorgerechtsmaßnahmen zu prüfen. Die Weisung muß inhaltlich aber so bestimmt sein, daß die Eltern eindeutig erkennen können, welches konkrete Verhalten von ihnen verlangt wird.
OLG Düsseldorf, Beschluß vom 4. Januar 2023 - II-1 UF 112/22
Erbrecht; Testamentsvollstreckung; wichtiger Grund zur Entlassung; Überschreiten des Zeitraumes für Erstellung und Übermittlung eines Nachlaßverzeichnisses; vorwerfbare zeitliche Verzögerung; sachliche Fehler im Nachlaßverzeichnis.
BGB §§ 2215, 2227
1. Der Zeitraum, den der Testamentsvollstrecker für die Erstellung und Übermittlung eines Nachlaßverzeichnisses in Anspruch nehmen darf, ohne einen wichtigen Grund zu seiner Entlassung zu setzen, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Falles, und hängt insbesondere von dem Umfang und von der Komplexität des Sachverhalts sowie von den vorhandenen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Nachlaßmasse ab.
a) In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Testamentsvollstrecker von Berufs wegen oder aufgrund früherer vergleichbarer Ämter über Erfahrungen bei der Erstellung eines Nachlaßverzeichnisses verfügt.
b) Von Bedeutung ist überdies, in welchem zeitlichen Umfang von ihm unter Berücksichtigung seiner sonstigen (beruflichen oder anderweitigen) Verpflichtungen eine Tätigkeit zu der Verwaltung des Nachlasses erwartet werden kann.
2. Selbst wenn sich im Einzelfall eine vorwerfbare zeitliche Verzögerung bei der Anfertigung und Überlassung des Nachlaßverzeichnisses ergibt, führt diese nicht ohne weiteres zu der Entlassung des Testamentsvollstreckers; erforderlich ist vielmehr eine schuldhafte und grobe Mißachtung der Pflicht zu der unverzüglichen Vorlage eines Nachlaßverzeichnisses.
3. Ebenso wenig führen sachliche Fehler in dem Nachlaßverzeichnis ohne weiteres zu der Entlassung des Testamentsvollstreckers. Nur dann, wenn die Fehler Ausdruck einer grob nachlässigen oder gar böswillig fehlerhaften Amtsführung sind, stellen sie einen wichtigen Grund zu der Amtsenthebung dar; in allen anderen Fällen begründen sie nur die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers, die vorhandenen Fehler alsbald zu berichtigen.
OLG Düsseldorf, Beschluß vom 24. Januar 2023 - I-3 Wx 105/22
Verfahrensrecht; Grundsatz der Kostenpflicht in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit; Billigkeitsentscheidung in Erbrechtssachen; enges persönliches Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten; zerrüttetes Verwandtschaftsverhältnis.
FamFG § 81
1. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG können neben dem Maß des Obsiegens oder Unterliegens auch die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bestehende familiäre und persönliche Nähe zwischen dem Erblasser und den Verfahrensbeteiligten oder zwischen den Verfahrensbeteiligten untereinander sowie das Interesse am Ausgang des Verfahrens und das Maß der Verfahrensförderung von Bedeutung sein.
2. Im Allgemeinen ist es nur bei einem engen verwandtschaftlichen Verhältnis, wie es zwischen Verwandten gerader Linie besteht, sowie bei einem engen persönlichen Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten angezeigt, maßgeblich wegen dieser Nähebeziehung eine ansonsten in Betracht kommende Kostenerstattungspflicht des unterlegenen Beteiligten abzulehnen.
3. Ein zerrüttetes Verwandtschaftsverhältnis rechtfertigt es nicht, dem obsiegenden Verfahrensbeteiligten eine Kostenerstattung zu versagen.
OLG Düsseldorf, Beschluß vom 31. Januar 2023 - I-3 Wx 25/22
Aktuelles
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