Entscheidungen Bundesgerichtshof 11/2022
BGB §§ 104, 1896; FamFG § 26
Die Frage, ob der Betroffene in dem Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat es von Amts wegen nachzugehen (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 22. Juni 2022 - XII ZB 544/21 - FamRZ 2022, 1556 = FuR 2022, 586).
BGH, Beschluß vom 2. November 2022 - XII ZB 339/22 - LG Trier [6 T 62/22]
FamRZ 2023, 228 = NJW 2023, 365 = FamRB 2023, 109 = MDR 2023, 51 = BtPrax 2023, 23 = Rpfleger 2023, 159 = FGPrax 2023, 31 [Ls] = ErbR 2023, 244 [Ls]
Verfahrensrecht; Revisionsverfahren; Revisionsprüfung des Berufungsurteils unter Offenlassung der Zulässigkeit der Berufung.
ZPO §§ 517, 557
Die Zulässigkeit der Berufung kann offenbleiben, wenn das Revisionsgericht formell rechtskräftig abschließend auf ihre Unbegründetheit erkennen kann, ohne dass schutzwürdige Interessen der Parteien entgegenstehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - VI ZR 82/09 - NJW-RR 2010, 664 Tz. 4).
BGH, Urteil vom 7. November 2022 - VIa ZR 737/21 - OLG Stuttgart [1 U 387/20]
MDR 2023, 51 [214] = VRS 144, 46 = FamRZ 2023, 216 [Ls] = ErbR 2023, 245 [Ls]
Verfahrensrecht; Anzeige des Erlöschens der Prozeßvollmacht des bisherigen Prozeßbevollmächtigten vor Veranlassung der Urteilszustellung im Parteiprozeß.
BGB §§ 167, 168; GG Art. 2, Art. 103; ZPO §§ 83, 87, 172, 574
Zu der Anzeige des Erlöschens der Prozeßvollmacht des bisherigen Prozeßbevollmächtigten vor Veranlassung der Urteilszustellung im Parteiprozeß.
BGH, Beschluß vom 8. November 2022 - VIII ZB 21/22 - LG Frankfurt [2-17 S 33/21]
FamRZ 2023, 296 = MDR 2023, 318
Verfahrensrecht; Vollstreckungsgegenklage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss; Gesamt- oder Teilgläubigerschaft obsiegender Streitgenossen bezüglich eines Kostenerstattungsanspruchs.
BGB §§ 387, 420, 428; ZPO §§ 100, 767
1. Zu der Frage der Gesamt- oder Teilgläubigerschaft obsiegender Streitgenossen bezüglich eines Kostenerstattungsanspruchs (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 - VII ZR 209/84 - BauR 1985, 478).
2. Streitgenossen sind hinsichtlich der auf ihrer Seite insgesamt angefallenen Anwaltskosten als Anteilsgläubiger anzusehen, wenn die Kosten der Gegenseite ohne weitere Differenzierung auferlegt werden.
BGH, Urteil vom 8. November 2022 - VI ZR 379/21 - OLG Dresden [10 U 160/21]
FamRZ 2023, 463 = MDR 2023, 395 = Rpfleger 2023, 250
Notarrecht; Disziplinarverfügung gegen einen Notar wegen Verstoßes gegen seine Amtspflichten; unzulässige Aufspaltung von Angebot und Annahme; Vermeidung des Anscheins der Abhängigkeit und Parteilichkeit des Notars bei Errichtung eines notariellen Testaments.
BNotO §§ 14, 18; BeurkG §§ 3, 6, 7
1. Im Hinblick auf das Anscheinsverbot in § 14 Abs. 3 S. 2 BNotO ist geklärt, dass dem Notar auch außerhalb der spezifischen Tätigkeitsverbote und -beschränkungen auferlegt ist, jegliches Verhalten zu vermeiden, durch das der Anschein der Abhängigkeit oder der Parteilichkeit entstehen könnte.
2. Bei der Frage, ob aus der maßgeblichen Sicht des objektiven, mit den konkreten Gegebenheiten vertrauten Beobachters ein solcher Anschein entstehen kann, sind allerdings die in die gesetzlichen Tätigkeitsverbote und -beschränkungen eingeflossenen gesetzgeberischen Wertungen über die mit der fraglichen Tätigkeit generell verbundenen Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars zu berücksichtigen; darüber hinaus fließen in die aus dem Anscheinsverbot folgenden Verhaltensanforderungen Konkretisierungen durch die jeweiligen Richtlinien der Notarkammern ein.
BGH, Beschluß vom 14. November 2022 - NotSt (Brfg) 1/22 - OLG Celle [Not 6/21]
ZEV 2023, 160
Familienvermögensrecht; Schenkungsrecht; Annahme der Sittenwidrigkeit einer Schenkung.
BGB §§ 138, 166
Ist der Schenker aufgrund einer objektiven oder subjektiven Zwangslage zu der Schenkung veranlaßt worden, dann kann der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht nur solche Personen treffen, die diese Zwangslage herbeigeführt haben; vielmehr kann es ausreichen, wenn der Zuwendungsempfänger sich eine bestehende Zwangslage bewußt zunutze macht.
BGH, Urteil vom 15. November 2022 - X ZR 40/20 - OLG Frankfurt [8 U 65/19]
FamRZ 2023, 395 = NJW 2023, 846 = FF 2023, 161 = FamRB 2023, 113 = VersR 2023, 195 = MDR 2023, 218
Familienvermögensrecht; Ehewohnung; Zulässigkeit der Teilungsversteigerung in der Trennungszeit; Wahrung der schutzwürdigen Belange des teilungsunwilligen Ehegatten.
BGB §§ 242, 749, 753, 1353, 1361b, 1365; ZPO §§ 765a, 771; ZVG § 180
1. Der Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe und der grundsätzlich bis zu der Rechtskraft der Scheidung fortbestehende Charakter der ehelichen Immobilie als Ehewohnung gebieten es nicht, eine Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie in der Trennungszeit ohne eine Abwägung der beiderseitigen Interessen generell als unzulässig anzusehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 14. März 1962 - IV ZR 253/61 - BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244).
2. Die schutzwürdigen Belange des teilungsunwilligen Ehegatten werden durch ein Schrankensystem aus materiell-rechtlichen Einwendungen nach §§ 1365, 1353 Abs. 1 S. 2, 242 BGB, die im Drittwiderspruchsverfahren geltend zu machen sind, und vollstreckungsschützenden Vorschriften im Teilungsversteigerungsverfahren nach § 180 Abs. 2 und 3 ZVG, § 765a ZPO gewahrt.
BGH, Beschluß vom 16. November 2022 - XII ZB 100/22 - OLG Frankfurt [6 UF 135/21]
FamRZ 2023, 352 = FuR 2023, 190 = NJW 2023, 515 = FF 2023, 115 = NZFam 2023, 253 = FamRB 2023, 91 = MDR 2023, 237 = WM 2023, 184 = NZM 2023, 175 = Rpfleger 2023, 243 = FF 2023, 154 [Ls]
Unterbringungsrecht; Anforderungen an gerichtliche Genehmigung einer weiteren Unterbringung in geschlossener Einrichtung.
BGB § 1906
1. Auch bei einer bereits länger andauernden Unterbringung setzt die gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgende (weitere) zivilrechtliche Unterbringung eine - nach wie vor bestehende - ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betroffenen voraus (im Anschluß an BGH, Beschluß vom 14. März 2018 - XII ZB 629/17 - BGHZ 218, 111 = FamRZ 2018, 950 = FuR 2018, 382).
2. Besonderheiten können sich bei einer bereits mehrere Jahre währenden Unterbringung allerdings mit Blick auf die Feststellung der von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorausgesetzten Gefährdung von Leib oder Leben des Betroffenen und die hierfür gebotene Begründungstiefe der gerichtlichen Entscheidung sowie für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung ergeben (im Anschluß an BGH, Beschluß vom 14. März 2018 - XII ZB 629/17 - BGHZ 218, 111 = FamRZ 2018, 950 = FuR 2018, 382).
BGH, Beschluß vom 16. November 2022 - XII ZB 184/22 - LG Paderborn [5 T 69/22]
FamRZ 2023, 310 = NJW 2023, 847 = MDR 2023, 170 = FF 2023, 86 [Ls]
Betreuungsrecht; Verpflichtung des Vorsorgebevollmächtigten zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers.
BGB §§ 167 ff, 1896, 1901
Soweit in einer Vorsorgevollmacht keine anderweitigen Regelungen enthalten sind, berechtigt die Vorsorgevollmacht den Bevollmächtigten nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet aber nicht zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers. Der Vorsorgebevollmächtigte hat nur die notwendigen tatsächlichen Hilfen zu besorgen, nicht jedoch selbst zu leisten.
BGH, Beschluß vom 16. November 2022 - XII ZB 212/22 - LG Münster [5 T 1668/21]
FamRZ 2023, 308 = NJW-RR 2023, 145 = FamRB 2023, 70 = MDR 2023, 303 = ErbR 2023, 207 = BWNotZ 2023, 38 = FF 2023, 86 [Ls]
Verfahrensrecht; Voraussetzungen der Beiordnung eines Notanwalts am Bundesgerichtshof.
FamFG § 10; ZPO § 78b
Die Beiordnung eines Notanwalts für ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Beteiligte erfolglos an mindestens fünf bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte mit der Bitte um Vertretung gewendet hat oder ein zunächst mandatierter Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof das Mandat niedergelegt hat, ohne daß dies der Beteiligte zu vertreten hat.
BGH, Beschluß vom 16. November 2022 - XII ZB 356/22 - LG Ansbach [4 T 631/22]
FamRZ 2023, 460 [Ls]
Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; elektronischer Rechtsverkehr; nachträgliche Darlegung und Glaubhaftmachung der Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes.
ZPO §§ 130d, 520
Ist es dem Rechtsanwalt bereits in dem Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung des Dokumentes darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Falle genügt es nicht, wenn der Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft macht.
BGH, Beschluß vom 17. November 2022 - IX ZB 17/22 - OLG Hamm [I-25 U 70/21]
FuR 2023, 197 = NJW 2023, 456 = AnwBl 2023, 174 = MDR 2023, 185 = WM 2023, 198 = GmbHR 2023, 169 = BB 2023, 469 = Rpfleger 2023, 241 = FamRZ 2023, 367 [Ls] = BB 2023, 66 [Ls] = BRAK-Mitt 2023, 61 [Ls] = MMR 2023, 160 [Ls] = FA 2023, 56 [Ls]
Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; Pflichten eines Rechtsanwalts hinsichtlich der Kontrolle der Rechtsmittelbegründungsfrist bei Ablauf der für diese notierten Vorfrist; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
ZPO §§ 85, 233, 520
Zu den Pflichten eines Rechtsanwalts hinsichtlich der Kontrolle der Rechtsmittelbegründungsfrist bei Ablauf der für diese notierten Vorfrist.
BGH, Beschluß vom 22. November 2022 - VIII ZB 2/22 - OLG Braunschweig [7 U 391/21]
FamRZ 2023, 368 = NJW 2023, 368 = MDR 2023, 453 = GI aktuell 2023, 112 = ErbR 2023, 326 [Ls]
Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; Anforderungen an die zweistufige Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
ZPO §§ 85, 233, 234, 520
Ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten auf der ersten Stufe der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze (hier: fehlerhafte Streichung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender) steht einer Wiedereinsetzung ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung Vorsorge dafür getroffen wurde, daß auf der zweiten Stufe der Ausgangskontrolle bei normalem Verlauf der Dinge die Frist mit Sicherheit gewahrt worden wäre. Versagt diese Kontrolle, ist ein Rückgriff auf ein Anwaltsverschulden auf der ersten Stufe der Ausgangskontrolle ausgeschlossen.
BGH, Beschluß vom 22. November 2022 - XI ZB 13/22 - OLG Köln [13 U 108/21]
FamRZ 2023, 306 = MDR 2023, 315 [345] = WM 2023, 37 = DB 2023, 708 [Ls] = FA 2023, 56 [Ls]
Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Aufhebung eines Beschlusses ohne ausreichende tatsächliche Feststellungen.
ZPO §§ 520, 522, 577
Ein die Berufung nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO verwerfender Beschluß muß jedenfalls die die Verwerfung tragenden Feststellungen enthalten, weil andernfalls dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Entscheidung nicht möglich ist (im Anschluß an BGH, Beschluß vom 8. März 2022 - VIII ZB 96/20 - NJW-RR 2022, 644 Tz. 14; vgl. auch BGH, Beschluß vom 11. Februar 2016 - V ZR 164/15 - juris Tz. 10, 12).
BGH, Beschluß vom 22. November 2022 - VIII ZB 28/21 - LG Heidelberg [5 S 20/21]
NJW-RR 2023, 208 = WuM 2023, 49 = FamRZ 2023, 369 [Ls]
Unterbringungsrecht; Unterbringungssache; Pflicht zur Aushändigung des Sachverständigengutachtens an den Betroffenen vor dem Anhörungstermin; Übermittlung des Gutachtens an den Betroffenen.
FamFG §§ 37, 68, 316, 319; GG Art. 103
1. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache gemäß § 37 Abs. 2 FamFG setzt voraus, daß das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten in seinem vollen Wortlaut dem Betroffenen im Hinblick auf seine Verfahrensfähigkeit (§ 316 FamFG) grundsätzlich rechtzeitig vor dem Anhörungstermin zu überlassen, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zu diesem und den sich hieraus ergebenden Umständen zu äußern (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 24. März 2021 - XII ZB 445/20, FamRZ 2021, 1240 = FuR 2021, 491).
2. Hat das Amtsgericht die Hinausgabe des Sachverständigengutachtens an den Betroffenen verfügt, und ist diese Verfügung ausgeführt, so hat das Amtsgericht grundsätzlich seine Verpflichtung erfüllt, dem Betroffenen das Gutachten im vollen Umfang zu überlassen. Anders verhält es sich aber dann, wenn das Amtsgericht aufgrund weiterer Umstände gleichwohl nicht auf die erfolgreiche Übermittlung des Gutachtens an den Betroffenen vertrauen kann.
BGH, Beschluß vom 23. November 2022 - XII ZB 384/22 - LG Offenburg [1 T 106/22]
FamRZ 2023, 472 = NJW 2023, 991 = FF 2023, 130 [Ls]
Verfahrensrecht; Notwendigkeit der elektronischen Übermittlung einer Beschwerdeschrift im Insolvenzverfahren.
ZPO § 130d; InsO § 4
Ein anwaltlicher Insolvenzverwalter ist jedenfalls dann zu der elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel in dem Insolvenzverfahren einlegt.
BGH, Beschluß vom 24. November 2022 - IX ZB 11/22 - LG Landau (Pfalz) [5 T 3/22]
FuR 2023, 196 = NJW 2023, 525 = MDR 2023, 189 = BRAK-Mitt 2023, 58 = Rpfleger 2023, 248 = DB 2023, 64 = WM 2023, 89 = ZIP 2023, 92 = ZInsO 2023, 139 = ZRI 2023, 59 = ZVI 2023, 65 = NZI 2023, 232 = WuB 2023, 124 = InsbürO 2023, 130 = FamRZ 2023, 300 [Ls] = BB 2023, 66 [Ls] = EWiR 2023, 115 [Ls] = FA 2023, 56 [Ls]
Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; wirksamer Eingang eines über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichten elektronischen Dokuments.
ZPO §§ 85, 130a, 233, 574
1. Ein über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichtes elektronisches Dokument ist erst dann gemäß § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO wirksam bei dem zuständigen Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist.
2. An die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als bei der Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax (hier: Übermittlung der Berufungsbegründung an falschen Empfänger).
BGH, Beschluß vom 30. November 2022 - IV ZB 17/22 - OLG Saarbrücken [5 U 68/21]
FamRZ 2023, 298 = FuR 2023, 196 = NJW-RR 2023, 351 = NZFam 2023, 180 = BRAK-Mitt 2023, 56 = VersR 2023, 200 = MDR 2023, 184 [276] = ZInsO 2023, 138 = K&R 2023, 139 = RuS 2023, 191 = GI aktuell 2023, 49 = InsbürO 2023, 170 = RDi 2023, 141 = DB 2023, 132 [Ls] = BB 2023, 65 [Ls] = WRP 2023, 255 [Ls] = ZIP 2023, 332 [Ls] = MMR 2023, 160 [Ls] = MittdtschPatAnw 2023, 99 [Ls]
Erbrecht; Pflichtteilsrecht; Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines Erbteils.
BGB §§ 2050, 2306, 2314, 2325
Einem Pflichtteilsberechtigten steht auch nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 BGB ein Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 BGB zu.
BGH, Versäumnisurteil vom 30. November 2022 - IV ZR 60/22 - OLG Stuttgart [19 U 28/21]
FamRZ 2023, 312 = FuR 2023, 202 = NJW 2023, 452 = NZFam 2023, 286 = FamRB 2023, 110 = ZErb 2023, 62 = JuS 2023, 365 = MDR 2023, 172 = ZEV 2023, 103 = ZNotP 2023, 90 = DNotI-Report 2023, 14 = RNotZ 2023, 192 [Ls]
Strafrecht; Vergewaltigung und schwerer sexueller Mißbrauch von Kindern; Unfähigkeit zur Bildung eines sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willens aufgrund der altersmäßigen Entwicklung eines Kindes.
StGB §§ 52, 176a, 177, 179; 50. StrÄndG Art. 1
Die Unfähigkeit, einen sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB), kann auch auf der altersmäßigen Entwicklung eines Kindes beruhen. Eine Vergewaltigung unter Ausnutzung dieser Lage steht in Idealkonkurrenz mit schwerem sexuellen Mißbrauch von Kindern. Insoweit stellt sich die Rechtslage seit der Neufassung des § 177 StGB durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 anders dar als bei dem Tatbestand des sexuellen Mißbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 (Abgrenzung von BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 - 3 StR 148/81 - BGHSt 30, 144).
BGH, Urteil vom 30. November 2022 - 3 StR 249/22 - LG Krefeld [24 KLs 7/21]
NJW 2023, 859 = FamRZ 2023, 400 [Ls]
Betreuungsrecht; betreuungsrechtliche Genehmigung einer zivilrechtlichen Unterbringung.
BGB § 1906
Zu den Voraussetzungen der betreuungsgerichtlichen Genehmigung einer zivilrechtlichen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BGB.
BGH, Beschluß vom 30. November 2022 - XII ZB 257/22 - LG Göttingen [5 T 86/22]
FamRZ 2023, 468 = MDR 2023, 367 = FF 2023, 130 [Ls]
Betreuungsrecht; Anspruch eines als Betreuer bestellten Rechtsanwalts für Insolvenzrecht auf Anwaltsvergütung für seine insolvenzrechtliche Unterstützung im Rahmen der Betreuung.
BGB §§ 1835, 1908i; VBVG § 5
1. Der als Betreuer bestellte Rechtsanwalt kann eine Tätigkeit im Rahmen der Betreuung gemäß § 1835 Abs. 3 in Verbindung mit § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Hiervon ist auszugehen, wenn ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nehmen würde (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 14. Mai 2014 - XII ZB 683/11 - FamRZ 2014, 1628).
2. Im Regelfall ist davon auszugehen, daß ein für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellter nicht anwaltlicher Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe für die Vorbereitung eines Eigeninsolvenzantrages des Betreuten keiner anwaltlichen Unterstützung bedarf.
BGH, Beschluß vom 30. November 2022 - XII ZB 311/22 - LG München [13 T 15199/21]
FamRZ 2023, 470 = NJW 2023, 785 = MDR 2023, 255 = Rpfleger 2023, 222 = ZInsO 2023, 374 = NZI 2023, 189 = FF 2023, 131 [Ls] = FGPrax 2023, 32 [Ls]
Aktuelles
Das Bundesministerium der Finanzen hat das >Merkblatt zur Steuerklassenwahl für das Jahr 2022 be...
Düsseldorfer Tabelle 2022
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