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Entscheidungen Bundesgerichtshof im Familienrecht und im Erbrecht 08/2022 - FD-Platzhalter-rund

Entscheidungen Bundesgerichtshof im Familienrecht und
im Erbrecht 08/2022


 



Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Pflichten des Rechtsmittelgerichts; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Erteilung eines Hinweises bei Beweisangeboten.
ZPO §§ 233, 236, 520; GG Art. 2

Zu den Pflichten des Rechtsmittelgerichts, wenn es einer anwaltlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung keinen Glauben schenkt (im Anschluß an BGH WM 2016, 895; NJW-RR 2020, 501; 2020, 818, und FamRZ 2022, 647, jeweils mwN).

BGH, Beschluß vom 2. August 2022 - VIII ZB 3/21 - OLG Karlsruhe [4 U 154/20]
FamRZ 2022, 1717 = NJW 2022, 3232- = MDR 2022, 1364 [1531] = ZIP 2023, 440 = IBR 2022, 603 = FA 2022, 299 [Ls] = ErbR 2022, 1150 [Ls] = EWiR 2022, 763 [Ls]

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Verfahrensrecht; Zwangsvollstreckung; Verbot der Pfändbarkeit eines Pkw bei psychischer Erkrankung des Schuldners.
ZPO § 811

1. Allgemein besteht ein Pfändungsverbot für Hilfs- und Therapiemittel, die zu dem Ausgleich oder zu der Minderung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung benötigt werden; daher sind grundsätzlich auch Sachen geschützt, die der Schuldner aufgrund einer psychischen Erkrankung benötigt.
2. Erforderlich ist aber, daß der Gegenstand selbst das Hilfs- oder Therapiemittel bezüglich der gesundheitlichen Beeinträchtigung ist. Dementsprechend reicht eine von dem Schuldner für nötig erachtete Nutzung seines Fahrzeugs als Beförderungsmittel zu dem Aufsuchen seiner - nicht in seinem Wohnort praktizierenden - ärztlichen Therapeutin für sich genommen nicht aus.
3. Die Unpfändbarkeit des Pkw kann sich aber daraus ergeben, daß ihn der Schuldner benötigt, um damit die aus seiner psychischen Erkrankung herrührenden Nachteile teilweise zu kompensieren, und seine Eingliederung in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern. Dies dürfte dann der Fall sein, wenn der Schuldner insbesondere in den akuten Krankheitsphasen keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen kann, da er sich dann von anderen Menschen bedroht fühlt und aggressiv reagiert.

BGH, Beschluß vom 10. August 2022 - VII ZB 5/22 - LG Erfurt [3 T 310/21]
FamRZ 2022, 1868 = NJW-RR 2022, 1651 = JurBüro 2022, 603 = NZFam 2023, 39 = MDR 2022, 1501 = ZInsO 2022, 2345 = ZVI 2022, 434 = DGVZ 2022, 256 = InsbürO 2022, 482 = NJ 2023, 32 = DAR 2023, 30 = RuP 2023, 59 = NJW 2023, 227 [Ls] = BtPrax 2022, 225 [Ls]

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Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; Verschulden des Prozeßbevollmächtigten bei eigenmächtiger Abänderung von eingetragenen Rechtsmittelfristen durch Mitarbeiter; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
ZPO §§ 85, 233, 520

1. Eine einmal eingetragene Rechtsmittelfrist darf grundsätzlich nicht gelöscht werden, bevor sie erledigt ist. Ein Rechtsanwalt muß daher zur Wahrung seiner Sorgfaltspflichten organisatorische Vorkehrungen dagegen treffen, daß seine Mitarbeiter in dem Fristenkalender eingetragene Rechtsmittelfristen eigenmächtig abändern, insbesondere dann, wenn eine außergewöhnliche Verfahrensgestaltung Anlaß zu der Prüfung gibt, ob die bereits eingetragenen Fristen maßgeblich bleiben oder nicht.
2. Dies gilt regelmäßig aber auch dann, wenn das Büropersonal eingetragene und von dem Rechtsanwalt im Rahmen seiner Überwachungspflicht kontrollierte Rechtsmittelfristen eigenmächtig abändert.
3. Für die Beurteilung, ob ein Organisationsfehler für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist, ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen, und darf kein weiterer Fehler hinzugedacht werden.

BGH, Beschluß vom 10. August 2022 - VII ZB 14/21 - LG Mannheim [1 S 34/20]
FamRZ 2022, 1716 = BauR 2022, 1816

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Versorgungsausgleich; Berücksichtigung eines gerichtlichen Vergleichs mit Abgeltungsklausel hinsichtlich Berufsunfähigkeitsrenten.
BGB §§ 1585b, 1613; FamFG § 26; VersAusglG §§ 6, 20, 27, 28; FamGKG § 50

1. Vereinbaren Ehegatten in einem gerichtlichen Vergleich mit allgemeiner Abgeltungsklausel, daß Berufsunfähigkeitsrenten im Sinne des § 28 VersAusglG vollständig der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt werden, muß das Gericht gemäß § 26 FamFG aufklären, ob der Vergleich auch einen (teilweisen) Ausschluß des Versorgungsausgleichs nach § 6 VersAusglG beinhaltet, oder ob ein (teilweiser) Ausschluß des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG geboten ist (im Anschluß an die Senatsbeschlüsse vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09 - BGHZ 184, 269 = FamRZ 2010, 720 = FuR 2010, 406, und vom 24. August 2016 - XII ZB 84/13 - FamRZ 2016, 2000 = FuR 2017, 25).
2. Für einen Ausgleich eines Anrechts gemäß § 28 VersAusglG genügt es grundsätzlich, wenn der Ausgleichsberechtigte die gesundheitlichen Voraussetzungen einer (teilweisen) Erwerbsminderungsrente in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt.
3. Die Zahlungspflicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten kann unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 VersAusglG in Verbindung mit § 20 Abs. 3 VersAusglG und §§ 1585b Abs. 2, 1613 BGB bereits mit der Rechtskraft der Ehescheidung, und nicht erst mit der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich beginnen.
4. § 50 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 FamGKG, wonach bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20 Prozent des Einkommens zugrunde zu legen ist, findet auf den Ausgleich gemäß § 28 VersAusglG auch dann keine Anwendung, wenn die Entscheidung hierüber nach der Scheidung erfolgt. Bestehen bei einem Versorgungsträger aufgrund verschiedener Verträge mehrere Anrechte, sind diese gebührenrechtlich gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 FamGKG gesondert zu erfassen.

BGH, Beschluß vom 10. August 2022 - XII ZB 83/20 - OLG Hamm [II-13 UF 194/19]
FamRZ 2022, 1761 = FuR 2023, 79 = NJW 2022, 3439 = NZFam 2022, 1028 = FamRB 2022, 476 = MDR 2022, 1348 = NJW-Spezial 2022, 741 = FF 2022, 466 [Ls] = MittBayNot 2023, 54 [Ls] = RNotZ 2023, 191 [Ls]

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Betreuungsrecht; Genehmigungsverfahren für eine Unterbringung des Betreuten; Erforderlichkeit der persönlichen Untersuchung des Betroffenen vor Erstattung des Gutachtens.
FamFG § 321

Der Sachverständige hat den Betroffenen gemäß § 321 Abs. 1 S. 2 FamFG vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen, wobei er vor der Untersuchung des Betroffenen bereits zum Sachverständigen bestellt sein, und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnet haben muß (im Anschluß an die Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - XII ZB 383/10 - FamRZ 2010, 1726 = FuR 2011, 43; vom 8. Juli 2015 - XII ZB 600/14 - FamRZ 2015, 1706 = FuR 2015, 670, und vom 12. Mai 2021 - XII ZB 427/20 - FamRZ 2021, 1312 = FuR 2021, 494).

BGH, Beschluß vom 10. August 2022 - XII ZB 149/22 - LG Mönchengladbach [5 T 41/22]
FamRZ 2022, 1728 = FuR 2022, 581 = NJW-RR 2022, 1445 = MDR 2022, 1430 = ErbR 2022, 1149 [Ls] = BtPrax 2022, 225 [Ls]

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Betreuungsrecht; Kosten und Gebühren; Abrechnungszeitraum für Betreuervergütung nach Betreuerwechsel.
VBVG §§ 4, 5, 9, 15

Nach einem Betreuerwechsel beginnt der Abrechnungszeitraum für die Betreuervergütung des § 9 S. 1 VBVG (ab 1. Januar 2023 § 15 Abs. 1 S. 1 VBVG) mit der Wirksamkeit der Bestellung des neuen Betreuers (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 25. Mai 2011 - XII ZB 440/10 - FamRZ 2011, 1220).

BGH, Beschluß vom 10. August 2022 - XII ZB 471/21 - LG Mühlhausen [1 T 132/21]
FamRZ 2022, 1874 = FuR 2022, 635 = NJW-RR 2022, 1444 = NZFam 2022, 1145 = MDR 2022, 1311 = FGPrax 2022, 216 = JurBüro 2022, 541 [601] = Rpfleger 2022, 679 = BtPrax 2022, 217 = RdLH 2023, 41

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Verfahrensrecht; Zwangsvollstreckung; Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels (über nachehelichen Unterhalt); Feststellung der Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsstaat durch das Beschwerdegericht; Ermittlung des ausländischen Rechts von Amts wegen.
HUÜ Art. 25; FamFG § 113; ZPO § 293

1. Wird gegen die erstinstanzliche Entscheidung über einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels Beschwerde eingelegt, dann hindern die Bestimmungen des HUÜ 2007 das Beschwerdegericht nicht daran, die Vollstreckbarkeit der Entscheidung in dem Ursprungsstaat im Einzelfall auch ohne Beibringung des von Art. 25 Abs. 1 lit. b HUÜ 2007 geforderten formalen Nachweises festzustellen.
2. Nach § 293 ZPO hat der Tatrichter ausländisches Recht, das für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgebend ist, von Amts wegen zu ermitteln. Da ausländische Rechtsnormen Rechtssätze und keine Tatsachen sind, finden insoweit die Grundsätze über die Darlegungs- und Beweislast keine Anwendung (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05 - FamRZ 2008, 586).

BGH, Beschluß vom 24. August 2022 - XII ZB 268/19 - OLG Celle [17 UF 165/18]
BGHZ 234, 270 = FamRZ 2022, 1719 = FuR 2022, 636 = NZFam 2023, 156 = NJW-RR 2022, 1441 = MDR 2022, 1429 [2023, 21] = FamRB 2022, 429 = JAmt 2023, 76 = FF 2022, 468 [Ls] = FA 2022, 299 [Ls] = ErbR 2022, 1151 [Ls]

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Kosten und Gebühren; Kostenfestsetzung; Erstattungsfähigkeit der für die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten anfallenden Kosten bei Hinzuziehung eines weder am Gerichtsort noch am Sitz der Partei ansässigen Hauptbevollmächtigten.
ZPO § 91

Zu der Erstattungsfähigkeit der für die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten anfallenden Kosten bei Hinzuziehung eines weder an dem Gerichtsort noch an dem Sitz der Partei ansässigen Hauptbevollmächtigten (im Anschluß an die Senatsbeschlüsse vom 14. September 2021 - VIII ZB 85/20 - NJW 2021, 3663 Tz. 10 ff, und vom 5. Juli 2022 - VIII ZB 33/21 - juris Tz. 12 ff).

BGH, Beschluß vom 30. August 2022 - VIII ZB 87/20 - OLG München [11 W 1430/20]
FamRZ 2023, 151 = NJW-RR 2023, 205 = JurBüro 2023, 26 = MDR 2023, 63 = Rpfleger 2023, 123 = FA 2022, 351 = ZAP EN-Nr. 744/2022 = ErbR 2023, 172 [Ls]

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Unterbringungsrecht; Anordnung der Unterbringung; strafrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose.
StGB § 63

Die für die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fortdauernden psychischen Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlaßtat(en) zu entwickeln. Die festgestellten Anlaßtaten, aber auch andere dafür herangezogene Taten können die Gefahrenprognose nur dann stützen, wenn der gefährliche Zustand darin seinen Ausdruck findet.

BGH, Beschluß vom 30. August 2022 - 4 StR 267/22 - LG Dresden [15 KLs 382 Js 18759/21]
BtPrax 2022, 215 = StV 2023, 233

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Entscheidungen Bundesgerichtshof im Familienrecht und im Erbrecht 08/2022 - FD-Platzhalter-rund
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