Telefon
0941 / 59 55 00
Telefon

Entscheidungen Bundesgerichtshof 03/2022 - FD-Platzhalter-rund

Entscheidungen Bundesgerichtshof 03/2022


 



Betreuungsrecht; Betreuungssache; Sicherstellung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen bei Bekanntgabe des Gutachtens nur an den Verfahrenspfleger; Erforderlichkeit eines konkreten Bedarfs für die Bestellung eines Betreuers.
BGB § 1896; FamFG §§ 34, 37, 68, 288

1. Sieht das Betreuungsgericht entsprechend § 288 Abs. 1 FamFG von der Bekanntgabe eines Gutachtens an den Betroffenen ab, kann durch die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger allenfalls dann ein notwendiges Mindestmaß rechtlichen Gehörs sichergestellt werden, wenn zusätzlich die Erwartung gerechtfertigt ist, daß der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht. Letzteres setzt in der Regel einen entsprechenden Hinweis des Betreuungsgerichts an den Verfahrenspfleger voraus (im Anschluß an den Senatsbeschluß FamRZ 2021, 385).
2. Die Erforderlichkeit einer Betreuung gemäß § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB kann sich nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit); hinzutreten muß ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Dabei genügt es, wenn ein Handlungsbedarf in dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2021, 1737 = FuR 2021, 614).

BGH, Beschluß vom 2. März 2022 - XII ZB 558/21 - LG Kleve [4 T 146/21]
FamRZ 2022, 891 = FuR 2022, 324 = NJW 2022, 794 = NZFam 2022, 810 = DNotZ 2022, 929 = Seniorenrecht aktuell 2022, 98 = MDR 2022, 785 [Ls] = Rpfleger 2022, 506 [Ls] = FGPrax 2022, 126 [Ls] = BtPrax 2022, 110 [Ls]

Speichern Öffnen xii_zb_558-21.pdf (168,87 kb)
_______________

Verfahrensrecht; Wirksamkeit und Rechtzeitigkeit des Eingangs eines über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereichten elektronischen Dokuments.
ZPO §§ 130a, 520; ERVV §§ 2, 5

1. Zu dem Eingang eines über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichten elektronischen Dokuments (hier: Berufungsbegründung) bei Gericht (§ 130a Abs. 5 ZPO).
2. Gemäß § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich. Hierbei handelt es sich um gerichtsinterne Vorgänge, die für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokumentes nicht von Bedeutung sind. Dementsprechend steht es der Wirksamkeit und Rechtzeitigkeit des Eingangs nicht entgegen, wenn der für die Abholung von Nachrichten eingesetzte Rechner im internen Netzwerk das Dokument nicht von dem Intermediär-Server des Gerichts herunterladen kann, sondern lediglich eine Fehlermeldung erhält.
3. Die Wirksamkeit des Eingangs eines über das besondere elektronische Anwaltspostfach übersandten Dokumentes steht es nicht entgegen, wenn die mangelnde Weiterleitungsfähigkeit der Nachricht dadurch ausgelöst wurde, daß der Dateiname den Umlaut »ü« enthielt: Zwar muß ein eingereichtes elektronisches Dokument nach § 130a Abs. 2 S. 1 ZPO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein; diese Frage bestimmt sich aber allein nach den Regelungen, die der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 130a Abs. 2 S. 2 ZPO getroffen hat.
4. Die danach maßgebliche Regelung in § 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach [ERVV] und die Bekanntmachung zu § 5 dieser Verordnung sehen ein Verbot von Umlauten nicht vor (Fortführung von BGH, Urteil vom 14. Mai 2020 - X ZR 119/18 - GRUR 2020, 980).

BGH, Beschluß vom 8. März 2022 - VI ZB 25/20 - OLG Bamberg [8 U 173/19]
FamRZ 2022, 1044 = NJW 2022, 1820 = VersR 2022, 981 = MDR 2022, 714 = BRAK-Mitt 2022, 234 = BB 2022, 1234 = WM 2022, 989 = DGVZ 2022, 164 = NJW-Spezial 2022, 350 = DVBl 2022, 899 = MMR 2022, 670 = WzS 2022, 217 = IBR 2022, 384 = RDi 2022, 413 = ZAP EN-Nr. 368/2022 = WRP 2022, 1055 [Ls] = AnwBl 2022, 425 [Ls] = ErbR 2022, 754 [Ls] = ZIP 2023, 1160 [Ls]

Speichern Öffnen vi_zb__25-20.pdf (164,20 kb)
_______________

Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; unverschuldetes Scheitern der Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax; Zumutbarkeit eines anderen Übermittlungsweges; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
BGB § 280; ZPO §§ 85, 139, 233, 236, 520

War die von dem Prozeßbevollmächtigten der Partei zulässigerweise gewählte Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes an dem Tag des Fristablaufs aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gescheitert, und hält das mit dem Wiedereinsetzungsgesuch befaßte Gericht einen anderen Übermittlungsweg für zumutbar, womit der Prozeßbevollmächtigte nicht zu rechnen brauchte, dann hat das Gericht vor der Entscheidung hierauf hinzuweisen, und der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Frage der Zumutbarkeit dieses anderen Übermittlungsweges in dem konkreten Fall zu geben.

BGH, Beschluß vom 8. März 2022 - VIII ZB 45/21 - OLG Karlsruhe [19 U 62/21]
NJW-RR 2022, 853 = MDR 2022, 656 = FamRZ 2022, 967 [Ls] = NJW 2022, 2417 [Ls] = ErbR 2022, 658 [Ls] = FA 2022, 154 [Ls] = MittdtschPatAnw 2022, 294 [Ls] = ZAP EN-Nr. 305/2022 [Ls]

Speichern Öffnen viii_zb__45-21.pdf (181,75 kb)
_______________

Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Pflichten eines Rechtsanwalts bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
BGB § 280; ZPO §§ 85, 130a, 233, 520

Bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokumentes gehört es zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.

BGH, Beschluß vom 8. März 2022 - VI ZB 78/21 - OLG Nürnberg [2 U 649/21]
FamRZ 2022, 966 = NJW 2022, 1964 = FamRB 2022, 227 = VersR 2022, 789 = NJW-Spezial 2022, 319 = AnwBl 2022, 368 = MDR 2022, 585 [617] = WM 2023, 190 = IBR 2022, 379 = RDi 2022, 365 [415] = VRR 2022, Nr. 7, 9 = ErbR 2022, 658 [Ls] = FA 2022, 154 [Ls] = MittdtschPatAnw 2022, 294 [Ls] = MMR 2022, 507 [Ls] = ZAP EN-Nr. 490 [Ls]

Speichern Öffnen vi_zb__78-21.pdf (157,21 kb)
_______________

Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Pflichten des Rechtsmittelgerichts bei Zweifeln am rechtzeitigen Eingang einer per Telefax übermittelten Berufungsbegründung.
GG Art. 2, Art. 20, Art. 103; ZPO §§ 520, 522

1. Zu den Pflichten des Rechtsmittelgerichts bei Zweifeln an dem rechtzeitigen Eingang einer per Telefax übermittelten Berufungsbegründung.
2. Die Verwerfung einer Berufung wegen einer nicht rechtzeitig eingegangenen per Telefax übermittelten Berufungsbegründung kann keinen Bestand haben, wenn das Berufungsgericht seiner Pflicht zu der Aufklärung der mit dem Eingang der Berufungsbegründung im Zusammenhang stehenden gerichtsinternen Vorgänge nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist.

BGH, Beschluß vom 8. März 2022 - VIII ZB 96/20 - LG Wiesbaden [1 S 11/18]
FamRZ 2022, 967 = NJW-RR 2022, 644 = MDR 2022, 715 = ErbR 2022, 658 [Ls]

Speichern Öffnen viii_zb__96-20.pdf (192,55 kb)
_______________

Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; Berücksichtigung der von dem Unterhaltspflichtigen auf ein Darlehen zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie zu erbringenden Tilgungsleistungen; Zumutbarkeit einer Tilgungsstreckung bei Gefährdung des Mindestunterhalts.
BGB § 1603

1. Auch bei dem Kindesunterhalt können grundsätzlich bis zu der Höhe des Wohnvorteils neben den Zinszahlungen zusätzlich diejenigen Tilgungsleistungen berücksichtigt werden, die der Unterhaltspflichtige auf ein Darlehen zu der Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie erbringt (Fortführung der Senatsbeschlüsse BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519 = FuR 2017, 258, und FamRZ 2022, 434 = FuR 2022, 210).
2. Überschreitet der Schuldendienst für die Immobilie den dadurch geschaffenen Wohnvorteil nicht, ist aber gleichwohl der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gefährdet, kann dem gesteigert Unterhaltspflichtigen zwar nicht eine vollständige Aussetzung der Tilgung, wohl aber nach den Umständen des Einzelfalles ausnahmsweise eine Tilgungsstreckung zugemutet werden. Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn eine besonders hohe Tilgung vereinbart wurde, oder wenn die Immobilie bereits weitgehend abbezahlt ist.

BGH, Beschluß vom 9. März 2022 - XII ZB 233/21 - OLG Oldenburg [FamRZ 2021, 1705 = FuR 2021, 483]
BGHZ 233, 136 = FamRZ 2022, 781 = FuR 2022, 319 = NJW 2022, 1386 = NZFam 2022, 402 = FamRB 2022, 212 = FF 2022, 239 = MDR 2022, 569 = JAmt 2022, 278 = NZM 2022, 430 = JuS 2022, 778 = NJW-Spezial 2022, 261 = FF 2022, 215 [Ls] = LMK 2022, 804911 [Ls] = ZAP EN-Nr. 281/2022 [Ls] = LMK 2022, 804911 [Ls]

Speichern Öffnen xii_zb_233-21.pdf (181,98 kb)
_______________

Betreuungsrecht; Kosten und Gebühren; Vergütung des Berufsbetreuers; erhöhter Stundensatz nach Absolvierung eines Studiums der Wirtschaftsinformatik.
VBVG § 4

1. Bei der Prüfung, ob ein von der Betreuerin abgeschlossenes Studium der Wirtschaftsinformatik im Rahmen der Vergütung des Berufsbetreuers eine Erhöhung des Stundensatzes auf 44 € rechtfertigt, hat das Gericht die generelle Zielrichtung des Studiums, nämlich die Absolventen zu befähigen, einen spezifischen Beitrag zur breiten und schnellen Anwendung der Informatik in ökonomischen Bereichen zu leisten, daraufhin in den Blick zu nehmen, ob es Parallelen zu betreuungsrelevanten Aufgabenstellungen aufweist.
2. Das Gericht muß ausreichende Feststellungen dazu treffen, daß das von der Betreuerin absolvierte Studium in erheblichen Teilen der Ausbildungszeit betreuungsrelevantes Wissen vermittelt hat, und dies auch dem Kernbereich des Studiums zuzurechnen, und nicht nur an dessen Rand erfolgt ist.
3. Zu der Höhe der Betreuervergütung nach Absolvierung eines Studiums der Wirtschaftsinformatik an der Technischen Hochschule »Carl Schorlemmer«.

BGH, Beschluß vom 9. März 2022 - XII ZB 539/21 - LG Cottbus [7 T 170/18]
FuR 2022, 439 = JurBüro 2022, 322 = MDR 2022, 854

Speichern Öffnen xii_zb_539-21.pdf (154,50 kb)
_______________

Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Rücknahme einer beim Berufungsgericht eingelegten nicht statthaften Nichtzulassungsbeschwerde; Zuständigkeit für die zu treffende Kostenentscheidung.
ZPO §§ 516, 544

Wenn der Beschwerdeführer eine bei dem Berufungsgericht eingelegte, nach § 544 Abs. 2 ZPO nicht statthafte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor der Abgabe der Sache an den Bundesgerichtshof zurückgenommen hat, dann ist für die entsprechend § 516 Abs. 3 ZPO zu treffende Kostenentscheidung das Berufungsgericht zuständig (Bestätigung von BGH NJW 1963, 1263 [Ls]).

BGH, Beschluß vom 15. März 2022 - X ZR 16/22 - LG Düsseldorf [22 S 97/2149]
NJW-RR 2022, 648 = JurBüro 2022, 467 = FamRZ 2022, 877 [Ls] = MDR 2022, 656 [Ls] = ErbR 2022, 659 [Ls] = MittdtschPatAnw 2022, 367 [Ls]

Speichern Öffnen x_zr__16-22.pdf (36,63 kb)
_______________

Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; Bezeichnung von Berufungskläger und Berufungsbeklagtem als notwendiger Inhalt der Berufungsschrift; Erzielung von Klarheit im Wege der Auslegung; Überprüfungspflicht des Rechtsanwalts vor Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
ZPO §§ 85, 233, 519

1. Zu dem notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gehört gemäß § 519 Abs. 2 ZPO die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Aus der Berufungsschrift muß entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen, etwa einer der Berufungsschrift beigefügten Ablichtung des angefochtenen Urteils, bis zu dem Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll.
2. Die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers kann nicht ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung erzielt werden, sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden. Hierbei sind, wie auch im Übrigen bei der Ausdeutung von Prozeßerklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen (Festhalten an BGH, Beschluß vom 24. Februar 2021 - VII ZB 8/21 - BauR 2021, 1008).
3. Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Weisung erteilen, deren Ausführung er nicht mehr persönlich überprüfen muß. Erteilt der Rechtsanwalt allerdings die den Inhalt der Rechtsmittelschrift betreffende Weisung in dem Vorfeld der Erstellung des Schriftsatzes, entbindet ihn diese Anordnung regelmäßig nicht von seiner Pflicht, das ihm in der Folge vorgelegte Arbeitsergebnis vor der Unterzeichnung sorgfältig auf die richtige und vollständige Umsetzung der anwaltlichen Vorgaben zu überprüfen (Festhalten an BGH, Beschluß vom 12. Mai 2016 - IX ZB 75/15 - juris Tz. 8, und Senatsbeschluß vom 29. August 2017 - VI ZB 49/16 - NJW-RR 2018, 56 Tz. 10).

BGH, Beschluß vom 15. März 2022 - VI ZB 20/20 - OLG Stuttgart [1 U 28/20]
NJW-RR 2022, 784 = VersR 2022, 724 = ZIP 2022, 2573 = IBR 2022, 437 [491] = FamRZ 2022, 1046 [Ls] = DB 2022, 1130 [Ls] = RuS 2022, 358 [Ls] = ErbR 2022, 755 [Ls] = MDR 2022, 1111 [Ls]

Speichern Öffnen vi_zb__20-20.pdf (190,43 kb)
_______________

Erbrecht; Nachlaßpflegschaft; Berechtigung des Nachlaßpflegers zur Ausschlagung einer in den Nachlaß des Erblassers gefallenen weiteren Erbschaft.
BGB §§ 1952, 1960

Der Nachlaßpfleger ist nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlaß des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen: Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.

BGH, Beschluß vom 16. März 2022 - IV ZB 27/21 - OLG Saarbrücken [5 W 39/21]
FamRZ 2022, 986 = FuR 2022, 445 = NJW 2022, 1748 = MDR 2022, 646 = FGPrax 2022, 126 = Rpfleger 2022, 395 = ZEV 2022, 341 = NJW-Spezial 2022, 391 = ErbR 2022, 594 = ZErb 2022, 262 = DNotZ 2022, 865 = BWNotZ 2022, 203 = MittBayNot 2022, 460 = NLPrax 2022, 25 = RNotZ 2022, 450 = NotBZ 2022, 387 = ZNotP 2022, 235 = DNotI-Report 2022, 78 = ZAP EN-Nr. 321/2022 = BtPrax 2022, 150 [Ls]

Speichern Öffnen iv_zb__27-21.pdf (166,51 kb)
_______________

Betreuungsrecht; Betreuungssache; Bestellung eines Verfahrenspflegers im Rahmen einer verfahrensleitenden Verfügung.
FamFG § 276

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers im Betreuungsverfahren kann auch im Rahmen einer verfahrensleitenden Verfügung des Gerichts und konkludent erfolgen.

BGH, Beschluß vom 16. März 2022 - XII ZB 154/21 - LG Köln [1 T 75/21]
FamRZ 2022, 981 = FuR 2022, 438 = NJW 2022, 1686 = FamRB 2022, 272 = Rpfleger 2022, 439 = MDR 2022, 976 = ErbR 2022, 753 [Ls] = BtPrax 2022, 150 [Ls] = FGPrax 2022, 169 [Ls]

Speichern Öffnen xii_zb_154-21.pdf (47,90 kb)
_______________

Betreuungsrecht; Kosten und Gebühren; Vergütung des Berufsbetreuers; Berechnung der Vergütung des ausscheidenden Betreuers bei Wechsel während eines laufenden Abrechnungsmonats.
FamFG § 287; VBVG § 5

Bei einem Wechsel des Berufsbetreuers während eines laufenden Abrechnungsmonats berechnet sich die Vergütung des ausscheidenden Betreuers zeitanteilig nach Tagen bis zu der Beendigung der Betreuung. Maßgeblich für die Beendigung ist dabei nicht der Zeitpunkt der Rechtskraft, sondern der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Betreuerwechsel.

BGH, Beschluß vom 16. März 2022 - XII ZB 248/21 - LG Darmstadt [5 T 120/21]
FamRZ 2022, 983 = FuR 2022, 440 = NZFam 2022, 567 = JurBüro 2022, 320 = MDR 2022, 664 = BtPrax 2022, 103 = Rpfleger 2022, 440 = RdLH 2022, 147

Speichern Öffnen xii_zb_248-21.pdf (154,21 kb)
_______________

Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; formunwirksame Berufungseinlegung; Heilung eines Unterschriftsmangels der Berufungsschrift durch Beifügung einer Abschrift mit Beglaubigungsvermerk; Grundsatz der materiellen Subsidiarität bei unterbliebener Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen.
ZPO §§ 85, 130, 233, 234, 236, 519, 522, 574; GG Art. 2, Art. 3, Art. 103

1. Der Mangel der Unterschrift in einem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz kann durch eine gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben werden, auf der der Beglaubigungsvermerk von dem Prozeßbevollmächtigten handschriftlich vollzogen worden ist. Voraussetzung ist freilich, daß bei Ablauf der Berufungsfrist zweifelsfrei feststeht, daß die Unterschrift unter dem Beglaubigungsvermerk der Person zurechenbar ist, die aus der Urschrift als deren Urheber hervorgeht (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 24. November 2009 - VI ZB 36/09 - Schaden-Praxis 2010, 339 Tz. 8 f, und BGH, Beschluß vom 10. April 2018 - VIII ZB 35/17 - JurBüro 2018, 446 Tz. 14 f).
2. Zu dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität bei unterbliebener Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen.

BGH, Beschluß vom 22. März 2022 - VI ZB 27/20 - OLG Frankfurt [14 U 220/19]
NJW-RR 2022, 716 = VersR 2022, 1530 = MDR 2022, 842 = FamRZ 2022, 1042 [Ls] = ErbR 2022, 755 [Ls] = DB 2022, 2088 [Ls] = FA 2022, 240 [Ls] = LMK 2022, 810505 [Ls]

Speichern Öffnen vi_zb__27-20.pdf (166,62 kb)

Hinweise
1. Eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes lag nicht vor, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hatte, wenn einem Schriftsatz des Klägervertreters kein konkludenter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entnehmen ist, weil er keine Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthält, sondern sich auf die Darlegung beschränkt, daß und warum die fehlende Unterschrift unter der Berufungsschrift unter den besonderen Umständen des Falles (hier: Beifügung einer »Abschrift zur Zustellung« mit Beglaubigungsvermerk) unschädlich ist.
2. Die Frage, ob das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der aus dem Gebot des fairen Verfahrens folgenden Fürsorgepflicht gehalten gewesen wäre, den Kläger rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist auf die fehlende Unterschrift hinzuweisen, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob das Berufungsgericht bei einem Verstoß gegen diese Hinweispflicht gehalten gewesen wäre, dem Kläger gemäß § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO auch ohne Antrag von Amts wegen Wiedereinsetzung in der vorigen Stand zu gewähren, denn der Geltendmachung der sich daraus gegebenenfalls ergebenden Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes in dem Rechtsbeschwerdeverfahren stünde jedenfalls der auch insoweit anwendbare (vergleiche Senatsbeschluß vom 14. Dezember 2021 - VI ZB 50/20 - juris Tz. 7 ff) Grundsatz der materiellen Subsidiarität entgegen, denn der Kläger hatte es versäumt, rechtzeitig nach der Mitteilung des Berufungsgerichts, die Berufungsschrift trage nicht die erforderliche Unterschrift, weshalb zu prüfen sei, ob die Berufung unzulässig sei, jedenfalls vorsorglich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen oder etwaige Wiedereinsetzungsgründe darzulegen.
_______________

Unterbringungsrecht; Unterbringungssache; Erforderlichkeit einer erneuten förmlichen Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens im Beschwerdeverfahren.
FamFG §§ 68, 321

In einem Unterbringungsverfahren darf das Beschwerdegericht nicht von einer förmlichen Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme absehen, wenn diese in dem ersten Rechtszug unter Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften durchgeführt worden ist.

BGH, Beschluß vom 23. März 2022 - XII ZB 24/22 - LG Düsseldorf [25 T 185/2195]
FamRZ 2022, 980 = FuR 2022, 437 = NJW-RR 2022, 721 = NZFam 2022, 566 = BtPrax 2022, 142 = ZAP EN-Nr. 320/2022 = MDR 2022, 1111 [Ls]

Speichern Öffnen xii_zb__24-22.pdf (155,96 kb)
_______________

Versorgungsausgleich; Berechnung der Ehezeitanteile nach Statuswechsel zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Unternehmereigenschaft; anteilige Übertragung eines Pfandrechts des ausgleichspflichtigen Ehegatten an den Rechten aus einer Rückdeckungsversicherung.
VersAusglG §§ 5, 11, 39, 40, 41, 42, 45; BetrAVG § 17

1. Zu der Berechnung der nach einem Statuswechsel zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Unternehmereigenschaft jeweils gesondert zu ermittelnden Ehezeitanteile einer einheitlichen Versorgung.
2. Das Pfandrecht des ausgleichspflichtigen Ehegatten an den Rechten aus einer Rückdeckungsversicherung ist anteilig auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten zu übertragen, und zwar im Umfang des zu dem Ehezeitende bestehenden Deckungsgrades an dem Ehezeitanteil, zuzüglich darauf entfallender Zinsen und Überschußanteile (Fortführung Senatsbeschluß FamRZ 2019, 1993 = FuR 2020, 362).

BGH, Beschluß vom 23. März 2022 - XII ZB 337/21 - OLG Karlsruhe [16 UF 145/18]
FamRZ 2022, 945 = FuR 2022, 531 = NJW-RR 2022, 649 = NZFam 2022, 537 = FamRB 2022, 215 = MDR 2022, 705 = WM 2022, 1993 = NJW-Spezial 2022, 325 = BetrAV 2022, 318 = FF 2022, 262 [Ls]

Speichern Öffnen xii_zb_337-21.pdf (180,09 kb)
_______________

Verfahrensrecht; Zwangsvollstreckung; Zwangsvollstreckungsverfahren; Pflicht des Gerichtsvollziehers zur Weitergabe der beim Bundeszentralamt für Steuern eingeholten Auskunft zu Konten Dritter mit Verfügungsberechtigung des Schuldners an den Gläubiger; Inkenntnissetzung des Dritten über das Ergebnis des Ersuchens.
ZPO §§ 802l; GG Art. 2, Art. 14, Art. 19

1. Der Gerichtsvollzieher hat dem Gläubiger gemäß § 802l Abs. 3 S. 1 ZPO die nach § 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO bei dem Bundeszentralamt für Steuern eingeholte Auskunft zu Konten Dritter, über die der Schuldner verfügungsberechtigt ist, in der Weise zu erteilen, daß Name und, soweit in der Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern aufgeführt, Anschrift, Kontonummer und die Bank, bei der das Konto unterhalten wird, sowie der Zeitpunkt der Kontoeröffnung offengelegt werden, soweit diese Daten für die Zwecke der Vollstreckung erforderlich sind.
2. Die in § 802l Abs. 3 S. 1 ZPO geregelte Pflicht, den Schuldner innerhalb von vier Wochen über das Ergebnis des Ersuchens im Sinne von § 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO in Kenntnis zu setzen, ist verfassungskonform entsprechend zugunsten des Dritten anzuwenden.

BGH, Beschluß vom 24. März 2022 - I ZB 55/21 - LG Berlin [51 T 297/21]
NJW-RR 2022, 924 = JurBüro 2022, 380 = MDR 2022, 1051 = DGVZ 2022, 191 = WuB 2022, 400 = WM 2022, 1216 = DZWIR 2022, 545 = KKZ 2023, 19 = FamRZ 2022, 1296 [Ls]

Speichern Öffnen i_zb__55-21.pdf (94,75 kb)
_______________

Unterbringungsrecht; Unterbringungssache; Anordnung oder Genehmigung der Unterbringung eines Betreuten für länger als ein Jahr.
BGB § 1906; FamFG § 329

1. Zu den Voraussetzungen und Begründungsanforderungen, wenn eine Unterbringung für länger als ein Jahr angeordnet oder genehmigt werden soll (Anschluß an Senatsbeschluß BGHZ 218, 111 = FamRZ 2018, 950 = FuR 2018, 382).
2. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist diese Abweichung von dem Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen.
3. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben; dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der »Offensichtlichkeit«, daß die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten.

BGH, Beschluß vom 30. März 2022 - XII ZB 35/22 - LG Würzburg [3 T 1561/21]
FamRZ 2022, 1134 = NZFam 2022, 762 = MDR 2022, 840 = SuP 2022, 399

Speichern Öffnen xii_zb__35-22.pdf (155,57 kb)
_______________

Betreuungsrecht; Unterbringungssache; Anordnung oder Genehmigung einer Unterbringung eines betreuten Betroffenen für länger als ein Jahr.
BGB § 1906; FamFG § 329

1. Zu den Voraussetzungen und Begründungsanforderungen, wenn eine Unterbringung für länger als ein Jahr angeordnet oder genehmigt werden soll (Anschluß an Senatsbeschlüsse BGHZ 218, 111 = FamRZ 2018, 950 = FuR 2018, 382, und FamRZ 2021, 1242 = FuR 2021, 493).
2. Wird über die gemäß § 329 Abs. 1 S. 1 FamFG regelmäßig ein Jahr betragende Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, dann ist diese Abweichung von dem Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen.
3. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben; dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der »Offensichtlichkeit«, daß die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich erkennbar hervortreten.

BGH, Beschluß vom 30. März 2022 - XII ZB 197/21 - LG Dresden [2 T 112/21]
NJW-RR 2022, 1010 = MDR 2022, 898 = BtPrax 2022, 141 = ErbR 2022, 754 [Ls]

Speichern Öffnen xii_zb_197-21.pdf (154,50 kb)
_______________

Verfahrensrecht; Anforderungen an die formgerechte Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht.
ZPO § 130a; ERVV § 4; EUV 910/2014 Art. 3 Art. 25, Art. 26

Die Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht ist nur dann formgerecht, wenn es entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, oder von der verantwortenden Person selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird. Nicht ausreichend ist die Verwendung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur im Zusammenhang mit einer nicht persönlich vorgenommenen Übermittlung (Anschluß an BAGE 171, 28 = FamRZ 2020, 1850).

BGH, Beschluß vom 30. März 2022 - XII ZB 311/21 - OLG Celle [19 UF 66/21]
FamRZ 2022, 1042 = FuR 2022, 541 = NJW 2022, 2415 = NZFam 2022, 707 = FamRB 2022, 358 = MDR 2022, 784 [940] = AnwBl 2022, 552 = FGPrax 2022, 186 = BetrAV 2022, 320 = DGVZ 2022, 162 = RDi 2022, 367 = FF 2022, 333 [Ls] = DB 2022, 1512 [Ls] = MMR 2022, 591 [Ls] = MittdtschPatAnw 2022, 373 [Ls] = ErbR 2022, 755 [Ls] = FA 2022, 215 [Ls] = ZAP EN-Nr. 453/2022 [Ls]

Speichern Öffnen xii_zb_311-21.pdf (171,35 kb)
_______________

Versorgungsausgleich; Umfang der Aufklärungspflicht des Gerichts nach Verzicht eines Ehegatten auf ein noch verfallbares Anrecht.
VersAusglG § 2; FamFG § 26

Zu dem Umfang der Aufklärungspflicht des Gerichts nach Verzicht eines Ehegatten auf ein noch verfallbares Anrecht.

BGH, Beschluß vom 30. März 2022 - XII ZB 421/21 - OLG Hamm [II-12 UF 155/19]
FamRZ 2022, 1099 = FuR 2022, 579 = NJW-RR 2022, 793 = NZFam 2022, 895 = FamRB 2022, 255 = MDR 2022, 975 = NJW-Spezial 2022, 389 = BetrAV 2022, 323 = WM 2022, 1060 = FF 2022, 332 [Ls]

Speichern Öffnen xii_zb_421-21.pdf (151,66 kb)

Entscheidungen Bundesgerichtshof 03/2022 - FD-Platzhalter-rund
Fachanwälte im Familienrecht gesucht

Aktuelles

Merkblatt zur Steuerklassenwahl für das Jahr 2022
Das Bundesministerium der Finanzen hat das >Merkblatt zur Steuerklassenwahl für das Jahr 2022 be...
Düsseldorfer Tabelle 2022
Die »Düsseldorfer Tabelle« wurde zum 01.01.2022 geändert, im Wesentlichen bei den Bedarfssätzen min...
Neuer Artikel