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Rechtsprechung Bundesgerichtshof 07/2021 - FD-Platzhalter-rund

Rechtsprechung Bundesgerichtshof 07/2021


 



Betreuungsrecht; Vergütung des Berufsbetreuers; Zeitpunkt für die Feststellung der Mittellosigkeit des Betreuten; Umfang des zu vergütenden Zeitaufwands; Ermittlung des einzusetzenden Vermögens.
BGB §§ 1836c, 1836d, 1908i; SGB XII § 90; VBVG § 5

1. Vergütungsschuldner des Berufsbetreuers ist bei Mittellosigkeit des Betreuten die Staatskasse und bei vorhandenem verwertbaren Vermögen der Betreute. Für die Feststellung, ob der Betreute mittellos oder vermögend ist, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz abzustellen (im Anschluß an die Senatsbeschlüsse vom 19. August 2015 - XII ZB 314/13 - FamRZ 2015, 1880 = FuR 2015, 715, und vom 6. Februar 2013 - XII ZB 582/12 - FamRZ 2013, 620 = FuR 2013, 278).
2. Für den Umfang des dem Betreuer zu vergütenden Zeitaufwands ist hingegen darauf abzustellen, ob der Betreute in dem Vergütungszeitraum mittellos war (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 6. Februar 2013 - XII ZB 582/12 - FamRZ 2013, 620 = FuR 2013, 278).
3. Bei der Ermittlung des einzusetzenden Vermögens ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, ob den Vermögenswerten Schulden oder Verpflichtungen des Hilfebedürftigen gegenüberstehen (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 6. Februar 2013 - XII ZB 582/12 - FamRZ 2013, 620 = FuR 2013, 278). Daher können auch in dem Vergütungsfestsetzungsverfahren die Voraussetzungen der Mittellosigkeit des Betroffenen nicht dadurch herbeigeführt werden, daß die festzusetzende Vergütung vorab als Verbindlichkeit von seinem Vermögen abgezogen wird.

BGH, Beschluß vom 7. Juli 2021 - XII ZB 106/18 - LG Koblenz [2 T 71/18]
FamRZ 2021, 1743 = JurBüro 2021, 544 = MDR 2021, 1420 = ZFSH/SGB 2021, 625 = BtPrax 2021, 229 = ZfF 2021, 278 = FGPrax 2021, 271 = ZAP EN-Nr. 548/2021 [Ls] = ErbR 2021, 988 [Ls]

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Notarrecht; Notarbeschwerdesache; Umfang der Verpflichtung des Notars zur Auskunftserteilung und zur Erteilung von Abschriften gegenüber einem Urkundsbeteiligten oder seinem Rechtsnachfolger.
BeurkG § 51; BNotO § 18

§ 51 BeurkG verpflichtet den Notar weder dazu, einem Urkundsbeteiligten oder seinem Rechtsnachfolger Auskunft darüber zu erteilen, ob er oder sein Rechtsvorgänger überhaupt an der Errichtung von Niederschriften beteiligt waren, die in dem Notariat errichtet wurden oder verwahrt werden, noch dazu, ihnen alle Niederschriften zu benennen, an denen diese beteiligt waren. Der Notar ist auch nicht verpflichtet, einem pauschalen Antrag auf Erteilung von Abschriften aller Niederschriften zu entsprechen, die Erklärungen des Urkundsbeteiligten oder seines Rechtsvorgängers enthalten.

BGH, Beschluß vom 8. Juli 2021 - V ZB 42/19 - LG Passau [2 T 131/18]
FamRZ 2021, 2010 = NJW 2021, 2975 = MDR 2021, 1422 = ZInsO 2021, 2246 = FGPrax 2021, 235 = ZfIR 2021, 535 = ZEV 2021, 714 = GI aktuell 2021, 164 = RNotZ 2021, 614 = DNotZ 2022, 38 = ZNotP 2022, 33 [120] = InsbürO 2022, 89 = ZEV 2021, 628 = NotBZ 2021, 457 = notar 2022, 27 = ErbR 2021, 1081 [Ls]

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Verfahrensrecht; Zuständigkeit der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofes für die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses bei Anfechtung eines im Wiederaufnahmeverfahren ergangenen Urteils mit der Nichtzulassungsbeschwerde; separate Erteilung des Rechtskraftzeugnisses.
ZPO §§ 544, 578 ff, 706

1. Die Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofes ist als Geschäftsstelle des Gerichts des höheren Rechtszuges nicht nur dann für die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses zuständig, wenn gegen ein Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist, sondern auch dann, wenn die Wiederaufnahme des durch dieses Berufungsurteil geschlossenen Verfahrens betrieben, und das in dem Wiederaufnahmeverfahren ergangene Urteil wiederum mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten wird.
2. Das Rechtskraftzeugnis muß nicht auf einer Ausfertigung der Entscheidung vermerkt werden, deren Rechtskraft bescheinigt werden soll; es kann auch separat erteilt werden.

BGH, Beschluß vom 8. Juli 2021 - I ZR 196/15 - Kammergericht [5 U 60/11]
NJW-RR 2021, 1653 = MittdtschPatAnw 2021, 468 [Ls] = WRP 2021, 1506 [Ls] = MDR 2021, 1285 [Ls] = FamRZ 2021, 1813 [Ls] = ErbR 2021, 1082 [Ls]

Hinweis
Der Senat hat die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluß vom 8. Juli 2021 auf Kosten der Beklagten mit Beschluß vom 9. Dezember 2021 (I ZR 196/15 - juris) zurückgewiesen.
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Verfahrensrecht; Rechtsmittel; zweites Versäumnisurteil in der Berufungsinstanz bei begründeten Zweifeln an der Prozeßfähigkeit einer Partei.
BGB § 104; ZPO §§ 51, 335, 345, 514, 565

Bei der Prozeßfähigkeit handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, die von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu klären ist. Bestehen begründete Zweifel an der Prozeßfähigkeit einer Partei, bzw. sind die zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft, darf deshalb ein gegen sie gerichtetes Versäumnisurteil nicht ergehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 73/85 - NJW-RR 1986, 157).

BGH, Urteil vom 8. Juli 2021 - III ZR 344/20 - OLG Karlsruhe [17 U 166/15]
NJW-RR 2021, 1648 = NZFam 2021, 798 = MDR 2021, 1081 [1318] = WM 2021, 1563 = NJ 2021, 457 = DGVZ 2021, 219 = FamRZ 2021, 1552 [Ls] = NJW 2022, 73 [Ls] = ErbR 2021, 908 [Ls] = MittdtschPatAnw 2021, 422 [Ls]

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Grundstücksübertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung unter Geschwistern; Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Zerrüttung der Beziehung.
BGB §§ 242, 313

Bei einem Übertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung unter Geschwistern ist die dauerhafte, von gegenseitigem Vertrauen der Parteien getragene Beziehung im Zweifel Geschäftsgrundlage des Vertrages. Ist das Verhältnis zwischen dem Übertragenden und dem Übernehmenden heillos zerrüttet, führt dies - vorbehaltlich vertraglicher Vereinbarungen - zu dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der Übertragende kann die Rechte aus § 313 BGB geltend machen, es sei denn, die Zerrüttung ist eindeutig ihm allein anzulasten.

BGH, Urteil vom 9. Juli 2021 - V ZR 30/20 - OLG Hamm [I-22 U 97/17]
FamRZ 2021, 1846 = NJW-RR 2021, 1382 = NZFam 2021, 938 = FamRB 2021, 503 = MDR 2021, 1526 = ErbR 2021, 1038 = WuM 2021, 607 = BBB 2021, Nr. 12, 60 = ZEV 2021, 771 = RdL 2021, 437 = NotBZ 2022, 137 = ZNotP 2022, 18 = MittBayNot 2022, 132 = JuS 2022, 71 = RNotZ 2021, 617 [Ls] = ZfIR 2021, 553 [Ls]

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Erbrecht; Kommanditistenhaftung; Haftung der Erben für Verbindlichkeiten einer Kommanditgesellschaft.
BGB §§ 1967, 2058; HGB §§ 128, 161, 171, 172, 173

1. Bei einem Versterben des Kommanditisten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft erstreckt sich die gesamtschuldnerische erbrechtliche Haftung seiner Erben gemäß §§ 1967, 2058 BGB, §§ 171 f HGB grundsätzlich nur auf die zum Zeitpunkt des Erbfalls begründeten Verbindlichkeiten, soweit auch der Erblasser dafür haftete.
2. Die gesellschaftsrechtliche Haftung der Erben nach §§ 173, 171, 172, 161 Abs. 2, 128 HGB, die sich sowohl auf vor als auch auf nach dem Erbfall begründete Verbindlichkeiten erstreckt, ist aufgrund der erbrechtlichen Sonderrechtsnachfolge, bei der die Erben jeweils eigenständige Geschäftanteile in dem Umfang ihrer Erbquoten erwerben, entsprechend ihrer Erbquote anteilig beschränkt.

BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - II ZR 92/20 - OLG Hamm [I-8 U 125/19]
ZEV 2021, 792 [Ls]

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Betreuungsrecht; Betreuungssache; Voraussetzung für die Durchführung von Ermittlungen; Einholung eines Sachverständigengutachtens.
BGB § 1896; FamFG §§ 26, 280

1. Die Durchführung von (weiteren) Ermittlungen in einem Betreuungsverfahren setzt hinreichende Anhaltspunkte dafür voraus, daß die Errichtung einer Betreuung oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Betracht kommt (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 6. September 2017 - XII ZB 180/17 - FamRZ 2017, 1962 = FuR 2017, 689).
2. § 280 Abs. 1 FamFG verpflichtet das Gericht nur dann zu der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn das Verfahren mit einer Betreuerbestellung oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts endet. Wird davon abgesehen, dann ist die Einholung eines Gutachtens nach § 280 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht zwingend erforderlich (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 18. März 2015 - XII ZB 370/14 - FamRZ 2015, 844 = FuR 2015, 408).

BGH, Beschluß vom 14. Juli 2021 - XII ZB 135/21 - LG Duisburg [12 T 181/20]
FamRZ 2021, 1738 = FuR 2021, 610 = NJW-RR 2021, 1299 = NZFam 2021, 990 = MDR 2021, 1284 = BtPrax 2021, 228 = Seniorenrecht aktuell 2021, 206 = ErbR 2021, 989 [Ls] = Rpfleger 2021, 695 [Ls]

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Heimrecht; Pflegeheimvertrag; Vorrang des Leistungserbringungsrechts nach dem SGB XI vor vertraglichen Vereinbarungen bei mittelbarer Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch eine private Pflegeversicherung; Wirksamkeit der Vereinbarung einer Platz- oder Reservierungsgebühr für die Zeit vor der Aufnahme in das Pflegeheim bis zum tatsächlichen Einzugstermin.
SGB XI §§ 23, 28, 87a, § 110; WBVG § 15

1. Der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 WBVG umfaßt nicht nur Verbraucher, die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung im Sinne des § 28 SGB XI unmittelbar beziehen, sondern auch Verbraucher, die Leistungen einer privaten Pflegepflichtversicherung im Sinne von § 23 in Verbindung mit § 110 SGB XI erhalten, und damit mittelbar Leistungen auf der Basis des Vierten Kapitels des Elften Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen.
2. Es ist mit § 15 Abs. 1 S. 1 WBVG in Verbindung mit § 87a Abs. 1 S. 1 SGB XI unvereinbar, eine Platz- oder Reservierungsgebühr auf der Basis des vertraglichen Leistungsentgelts - gegebenenfalls vermindert um pauschalierte ersparte Aufwendungen - für die Zeit vor der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim bis zu dem tatsächlichen Einzugstermin vertraglich festzulegen. Eine solche Vereinbarung ist gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 WBVG, § 87a Abs. 1 S. 4 SGB XI unwirksam (Fortführung des Senatsurteils vom 4. Oktober 2018 - III ZR 292/17 - BGHZ 219, 373).

BGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - III ZR 225/20 - LG Köln [13 S 148/19]
NJW 2021, 3597 = NZM 2021, 816 = VersR 2022, 173 = Sozialrecht aktuell 2021, 300 = ZfF 2022, 18 = PflR 2022, 38 = MDR 2021, 1117 = WuM 2021, 568 = ArztR 2021, 200 = Seniorenrecht aktuell 2021, 165 = NJW-Spezial 2021, 610 = GesR 2021, 772 = RdLH 2022, 46 = G+G 2021, Nr. 10, 38 = BtPrax 2021, 197 [Ls] = ASR 2021, 188 [Ls] = LMK 2021, 812282 [Ls]

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Verfahrensrecht; Scheidungsverbund; Eintritt des aus Scheidungs- und Folgesache bestehenden Verbundes kraft Gesetzes; unzulässige Teilentscheidung.
BGB §§ 1378, 1384; FamFG §§ 137, 140, 142

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG tritt der aus Scheidungs- und Folgesache bestehende Verbund kraft Gesetzes ein, ohne daß die Ehegatten hierüber disponieren können. Der Antrag, eine Folgesache entgegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 S. 1 FamFG in einem isolierten Verfahren zu führen, ist daher für die Entstehung des Verbundes unbeachtlich (Fortführung des Senatsurteils vom 9. Januar 1991 - FamRZ 1991, 687 = EzFamR ZPO § 628 Nr. 2 = BGHF 7, 689).

BGH, Beschluß vom 21. Juli 2021 - XII ZB 21/21 - OLG Karlsruhe [18 UF 85/20]
FamRZ 2021, 1521 = FuR 2021, 617 = NJW 2021, 3119 = NZFam 2021, 823 = FamRB 2021, 405 = MDR 2021, 1150 = NJW-Spezial 2021, 612

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Prozeßkostenhilfe; Darlegung und Glaubhaftmachung der Einkünfte bei für eine bescheidene Lebensführung nicht ausreichenden finanziellen Mitteln.
ZPO §§ 114, 118

1. Beantragt eine Person Prozeßkostenhilfe, die nach ihren Angaben nur einen äußerst geringfügigen Geldbetrag (hier: aus einer Rente) bezieht, muß sie darlegen und glaubhaft machen, wie sie ihren Lebensunterhalt finanziert.
2. Reichen die von dem Antragsteller beziffert angegebenen Einkünfte auch für einen noch so bescheidenen Lebensunterhalt nicht aus, dann ist die Vermutung gerechtfertigt, daß bestimmte Einkünfte nicht angegeben wurden.
3. Diese Vermutung muß der Antragsteller ausräumen; andernfalls ist sein Begehren nach staatlicher Prozeßfinanzierung rechtsmißbräuchlich.

BGH, Beschluß vom 27. Juli 2021 - XI ZA 1/21 - OLG Köln [13 U 82/14]
FamRZ 2021, 1722

Hinweis
Der Senat hat die sofortige Beschwerde und die Anhörungsrüge der Beklagten vom 16. August 2021 sowie die Gegenvorstellung der Beklagten vom 27. August 2021 gegen den Beschluß vom 27. Juli 2021 mit Beschluß vom 7. September 2021 - XI ZA 1/21 - zurückgewiesen.

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