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Entscheidungen Bundesgerichtshof 05/2022 - FD-Platzhalter-rund

Entscheidungen Bundesgerichtshof 05/2022


 



Verfahrensrecht; Beweisverfahren, isolierte Anfechtbarkeit eines Beweisbeschlusses; Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde bei Grundrechtsverletzung.
ZPO §§ 355, 358, 567

1. Ein Beweisbeschluß ist grundsätzlich nicht isoliert anfechtbar (Fortführung von BGH NJW-RR 2009, 995).
2. Ausnahmsweise ist eine sofortige Beschwerde statthaft, wenn bereits der Beweisbeschluß eine Verletzung von Grundrechten einer Partei zur Folge hätte, die sich in dem weiteren Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben ließe (Fortführung von BGH NJW-RR 2009, 995).

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - VII ZB 46/21 - OLG München [13 W 753/21]
BGHZ 233, 258 = FamRZ 2022, 1546 = NJW 2022, 2622 = MDR 2022, 1044 [1204] = ZfBR 2022, 653 = ZInsO 2022, 2195 = ZIP 2022, 2202 = BauR 2022, 1689 = NJ 2022, 509 = WM 2023, 481 = JR 2023, 182 = IBR 2022, 550 = AnwBl 2023, 51 [Ls] = MittdtschPatAnw 2022, 469 [Ls] = ErbR 2022, 1149 [Ls] = EWiR 2022, 668 [Ls]

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Betreuungsrecht; Bestellung eines Betreuers; erneute Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren bei nicht mehr bestehendem Einverständnis mit der Anordnung einer Betreuung.
BGB § 1896; FamFG §§ 68, 278

Ist das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen davon ausgegangen, daß dieser der Einrichtung einer Betreuung zustimmt, und hat es sich deshalb nicht die Frage vorgelegt, ob eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen angeordnet werden kann, dann hat das Beschwerdegericht den Betroffenen erneut anzuhören, wenn dieser mit seiner Beschwerde gegen den Betreuungsbeschluß zu erkennen gegeben hat, daß er mit der Betreuung tatsächlich nicht oder nicht mehr einverstanden ist (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2019, 1736 = FuR 2019, 665).

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 50/22 - LG München II [6 T 4627/21]
FamRZ 2022, 1224 = FuR 2022, 483 = NJW-RR 2022, 1009 = MDR 2022, 973 = BtPrax 2022, 143= ErbR 2022, 862 [Ls] = Rpfleger 2022, 566 [Ls]

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Betreuungsrecht; Bestellung eines Betreuers; Voraussetzungen einer Nichtberücksichtigung des Wunsches des Betroffenen bei der Betreuerauswahl.
BGB § 1897; FamFG §§ 68, 278

Der Wille oder Wunsch des Betroffenen kann bei der Betreuerauswahl nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohle zuwiderläuft. Dies setzt voraus, daß sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muß die konkrete Gefahr bestehen, daß der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (Anschluß an den Senatsbeschluß FamRZ 2021, 1822 = FuR 2021, 667).

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 118/21 - LG Bremen [5 T 19/21]
FamRZ 2022, 1559 = FuR 2022, 539 = NJW-RR 2022, 10820 = MDR 2022, 963 = BtPrax 2022, 183 = RdLH 2023, 47 = Rpfleger 2022, 566 [Ls] = ErbR 2022, 956 [Ls] = FGPrax 2022, 215 [Ls] = Rpfleger 2023, 89 [Ls]

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Versorgungsausgleich; Anforderungen an den Abänderungsantrag des überlebenden, insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten; Prüfung der Auswirkung der Abänderung zugunsten des überlebenden Ehegatten.
VersAusglG §§ 31, 51; FamFG § 225

1. Für den Einstieg in das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG muß sich der überlebende, insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte grundsätzlich auf eine wesentliche und ihn begünstigende Wertänderung berufen; er kann seinen Abänderungsantrag in Bezug auf die wesentliche Wertänderung von Anrechten demgegenüber nicht allein auf solche Umstände stützen, die für ihn an sich nachteilig sind, im Ergebnis der Totalrevision aber wegen der erstrebten Anwendung von § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG zu einem Wegfall des Versorgungsausgleichs insgesamt führen sollen (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2020, 743 = FuR 2020, 582).
2. Die Prüfung, ob sich die Abänderung zugunsten des überlebenden Ehegatten auswirkt, ist anhand einer Gesamtbetrachtung des Ausgleichsergebnisses vorzunehmen, das sich hypothetisch im Falle einer Totalrevision unter Lebenden ergeben hätte (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2022, 258 = FuR 2022, 216).

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 122/21 - OLG Frankfurt [FamRZ 2021, 1362]
FamRZ 2022, 1177 = FuR 2022, 578 = NJW-RR 2022, 1156 = NZFam 2022, 685 = FamRB 2022, 298 = FF 2022, 315 = MDR 2022, 897 = BetrAV 2022, 404 = ZAP EN-Nr. 384/2022

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Verfahrenskostenhilfe; Überprüfungsverfahren; Erhöhung des Vermögensfreibetrages für einen verheirateten Antragsteller.
ZPO § 115; SGB XII § 90

Der dem Antragsteller von Verfahrens- bzw. Prozeßkostenhilfe nach § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, § 1 S. 1 Nr. 1 DV zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zustehende Vermögensfreibetrag gilt nur für ihn selbst, und erhöht sich nicht, weil er verheiratet ist.

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 384/21 - LG München II [6 T 2268/21]
FamRZ 2022, 1217 = FuR 2022, 485 = NJW-RR 2022, 1010 = NZFam 2022, 758 = MDR 2022, 973 = FamRB 2022, 445 = JurBüro 2022, 377 = Rpfleger 2022, 586 = NJ 2022, 462 = FF 2022, 334 [Ls] = BtPrax 2022, 150 [Ls] = ErbR 2022, 864 [Ls]

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Versorgungsausgleich; Abänderungsverfahren nach dem Tode eines Ehegatten bei Verbesserung der Versorgungslage im Falle einer hypothetischen Totalrevision unter Lebenden.
VersAusglG §§ 31, 51, 52; FamFG §§ 225, 226

Durch eine im Zuge der hypothetischen Totalrevision unter Lebenden eintretende Wartezeiterfüllung wird eine Verbesserung der Versorgungslage jedenfalls dann nicht bewirkt, wenn sich das anschließend bestehende gesetzliche Rentenanrecht allein aus dem Versorgungsausgleich speist, und nicht eine etwa schon vorher bestehende Anwartschaft, die die Wartezeit nicht erfüllte, durch den Versorgungsausgleich zusätzlich werthaltig würde (Fortführung von Senatsbeschluß vom 17. November 2021 - XII ZB 375/21 - FamRZ 2022, 258 = FuR 2022, 216).

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 572/21 - OLG Karlsruhe [2 UF 108/21]
FuR 2022, 529 = NZFam 2022, 942

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Betreuungsrecht; Betreuungssache; Teilnahme des Verfahrenspflegers an einem Anhörungstermin während der Corona-Pandemie.
BGB §§ 1896, 1897; FamFG § 278; Art. 103

1. Hört das Landgericht nur den Betroffenen an, und ist sein Verfahrenspfleger damit einverstanden, ist das verfahrensfehlerfrei.
2. Der rechtzeitig von dem Termin unterrichtete Verfahrenspfleger kann selbst entscheiden, ob er an dem Termin teilnimmt.

BGH, Beschluß vom 11. Mai 2022 - XII ZB 129/21 - LG Oldenburg [8 T 225/20]
FamRZ 2022, 1225 = FuR 2022, 484 = NJW 2022, 2335 = MDR 2022, 908 = BtPrax 2022, 138 = FGPrax 2022, 169 = Rpfleger 2022, 565 [Ls] = ErbR 2022, 863 [Ls]

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Verfahrensrecht; Zwangsvollstreckung; Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels; Beschwerde mit der Begründung der Unzuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges; Exequaturverfahren.
FamFG §§ 65, 69; AUG §§ 2, 45, 58; HUVÜ

1. Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (§ 65 Abs. 4 FamFG, Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2021, 1908 = FuR 2022, 54).
2. Dies gilt auch im Exequaturverfahren, wenn das Beschwerdegericht in der Sache selbst entscheidet.

BGH, Beschluß vom 11. Mai 2022 - XII ZB 423/21 - OLG Stuttgart [17 UF 142/21]
FamRZ 2022, 1218 = FuR 2022, 485 = NJW-RR 2022, 1083 = FF 2022, 312 = NZFam 2022, 973 = FamRB 2022, 385 = MDR 2022, 908 = FGPrax 2022, 188 = JAmt 2022, 505 = ErbR 2022, 864 [Ls]

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Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; anwendbares Recht für nachehelichen Unterhalt; engere Verbindung der Ehe deutscher Staatsangehöriger zum Recht eines anderen Staates; befristete Aufenthalte der Ehegatten in verschiedenen Ländern.
EGV 4/2009 Art. 15; HUP Art. 3, Art. 5, Art. 8

1. Ob für eine engere Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP Anhaltspunkte von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als in der Regel maßgeblicher Anknüpfungspunkt zurücktritt, ist eine Frage der bei der vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Einzelfallumstände.
2. Zu der engeren Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP bei aufgrund beruflicher Verhältnisse eines Ehegatten (»Expatriate«) jeweils befristeten Aufenthalten in verschiedenen Ländern.
3. Reiht sich der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten in einem anderen Staat in eine - durch die beruflichen Verhältnisse des Ehemannes bedingte - regelmäßige Abfolge jeweils befristeter Aufenthalte in verschiedenen Ländern ein, so kann das Recht des letzten gemeinsamen Aufenthalts nur dann zur Anwendung kommen, wenn die im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallabwägung zu berücksichtigenden weiteren Tatsachen für eine im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 1 HUP engere Verbindung gerade zu dem Ort des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes der Ehegatten sprechen.

BGH, Beschluß vom 11. Mai 2022 - XII ZB 543/20 - OLG Karlsruhe [FamRZ 2021, 1030]
BGHZ 233, 299 = FamRZ 2022, 1278 = FuR 2022, 492 = NJW 2022, 2403 = NZFam 2022, 759 = FamRB 2022, 344 = MDR 2022, 1164 = MittBayNot 2023, 184= NJW-Spezial 2022, 484 = ZAP EN-Nr. 435/2022 = FF 2022, 334 [Ls] = ErbR 2022, 863 [Ls] = RNotZ 2022, 566 [Ls]

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Bürgerliches Recht; Anspruch der Betreiberin einer Praxis für Ergotherapie auf Zahlung einer Ausfallpauschale für kurzfristig abgesagte Termine zur Behandlung minderjähriger Kinder; Behandlungsvertrag zwischen den Eltern und dem Behandelnden; Vergütungsanspruch bei Annahmeverzug; Vereinbarung eines Behandlungstermins als kalendermäßige Bestimmung; rechtliche Unmöglichkeit der Leistungsbewirkung bei Nichtbeachtung von Bestimmungen einer Coronaschutzverordnung.
BGB §§ 296, 297, 328, 615, 630a, 630b; CoronaVV NW 1 § 7

1. Wird ein minderjähriges Kind von seinen Eltern in einer Arztpraxis - oder wie hier in einer Praxis für Ergotherapie - zur medizinischen Behandlung vorgestellt, dann kommt der Behandlungsvertrag in der Regel zwischen den Eltern und dem Behandelnden als Vertrag zugunsten des Kindes zustande (§§ 630a, 328 BGB). Dies gilt - jedenfalls bei kleinen Kindern - auch dann, wenn diese in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert sind.
2. Die Vorschrift des § 615 BGB ist gemäß § 630b BGB auf Behandlungsverträge im Sinne des § 630a BGB anwendbar. Ein etwaiger Vergütungsanspruch gemäß § 615 S. 1 BGB richtet sich auch gegen gesetzlich krankenversicherte Patienten.
3. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Vereinbarung eines Behandlungstermins eine kalendermäßige Bestimmung im Sinne des § 296 S. 1 BGB darstellt, verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise; vielmehr sind sämtliche Umstände des jeweiligen Falles, insbesondere die Interessenlage der Parteien und die Organisation der Terminvergabe durch den Behandelnden sowie deren Erkennbarkeit für die Patienten, zu berücksichtigen.
4. Zu der rechtlichen Unmöglichkeit der Leistungsbewirkung bei Nichtbeachtung von Bestimmungen einer Coronaschutzverordnung (hier: Land Nordrhein-Westfalen).

BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 - III ZR 78/21 - LG Kleve [6 S 139/20]
FamRZ 2022, 1192 = FuR 2022, 493 = NJW 2022, 2269 = NZFam 2022, 955 = FamRB 2022, 454 = ArztR 2022, 272 = MedR 2023, 45 = DÄ 2022, A 2092 = ZAP EN-Nr. 434/2022 = MDR 2022, 877 = GesR 2022, 445

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Unerlaubte Handlungen; Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemannes durch eine Berichterstattung über den Tod der Ehefrau; unmittelbare oder mittelbare Beeinträchtigung eines nahen Angehörigen; Bangen um das Leben eines nahen Angehörigen.
BGB §§ 823, 1004; GG Art. 1, Art. 2, Art. 5

1. Zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemannes durch eine Berichterstattung über die Umstände des Todes der Ehefrau.
2. Gegen rechtsverletzende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht kann nur der unmittelbar Verletzte, nicht auch derjenige vorgehen, der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen nur mittelbar belastet wird, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren sind. Es hängt von den Umständen einer Berichterstattung über den Tod einer Person im Einzelfall ab, ob sie das Persönlichkeitsrecht eines nahen Angehörigen unmittelbar oder nur mittelbar beeinträchtigt.
3. Eine von dem Recht auf Achtung der Privatsphäre umfasste Situation großer emotionaler Belastung kann auch die des Bangens um das Leben eines nahen Angehörigen sein.

BGH, Urteil vom 17. Mai 2022 - VI ZR 141/21 - Kammergericht [10 U 1058/20]
NJW 2022, 3496 = VersR 2022, 1446 = GRUR 2022, 1366 = AfP 2022, 429 = ZUM-RD 2022, 613 = GesR 2022, 558 = FamRZ 2022, 1404 [Ls] = ErbR 2022, 956 [Ls] = LMK 2022, 816859 [Ls]


Hinweis
Der Senat hat die Anhörungsrüge der Beklagten gegen das vorstehende Senatsurteil vom 17. Mai 2022 mit Beschluß vom 8. August 2022 auf ihre Kosten zurückgewiesen.
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Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; Ausgleich der kostenfreien Zurverfügungstellung von Wohnraum im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern; Vereinbarung der Eltern über die Abdeckung der Wohnkosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen; Haftungsquote für den anteiligen Mehrbedarf.
BGB §§ 362, 1602, 1606, 1610, 1612, 1613

1. Das mietfreie Wohnen beeinflußt nicht die Höhe des Kindesunterhalts. Die kostenfreie Zurverfügungstellung von Wohnraum wird vorrangig in dem unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern ausgeglichen. Ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich kann auch darin bestehen, daß der Betreuungselternteil keinen Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend machen kann, weil nach der Zurechnung des vollen Wohnwertes keine auszugleichende Einkommensdifferenz zwischen den Eltern mehr besteht.
2. Die Eltern können eine - nach den Umständen des Einzelfalles gegebenenfalls auch konkludente - Vereinbarung darüber treffen, daß die Wohnungskosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen abgedeckt werden. Für die Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs (§ 362 BGB) aufgrund einer solchen Vereinbarung trifft den Barunterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast.
3. Bevor die Haftungsquote für den anteiligen Mehrbedarf bestimmt wird, ist von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldes und abzüglich des von dem Kindesvater geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In der verbleibenden Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergeldes, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2021, 1965 = FuR 2022, 39).

BGH, Beschluß vom 18. Mai 2022 - XII ZB 325/20 - OLG Frankfurt [FamRZ 2021, 191 = FuR 2021, 37]
BGHZ 233, 309 = FamRZ 2022, 1366 = FuR 2022, 527 = NJW 2022, 2470 = NZFam 2022, 833 = FamRB 2022, 342 = MDR 2022, 1028 = FF 2022, 356 = NJW-Spezial 2022, 518 = JuS 2022, 973 = NZM 2022, 718 = JAmt 2022, 549 = ZAP EN-Nr. 520/2022 = ErbR 2022, 956 [Ls] = LMK 2022, 810510 [Ls]

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Notarrecht; Notarkostenprüfungsverfahren; Zulässigkeit des Einwands eines Schadensersatzanspruchs wegen einer Amtspflichtverletzung.
BNotO § 19; GNotKG § 127

1. In dem Verfahren nach § 127 GNotKG kann der Kostenschuldner dem Kostenanspruch des Notars keinen Schadensersatzanspruch wegen einer Amtspflichtverletzung (§ 19 BNotO) entgegenhalten.
2. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn der Anspruch unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist (Aufgabe von BGH, Urteile vom 30. Januar 1961 - III ZR 215/59 - DNotZ 1961, 430; vom 22. November 1966 - VI ZR 39/65 - DNotZ 1967, 323, 325, und vom 22. Oktober 1987 - IX ZR 175/86 - DNotZ 1988, 379).

BGH, Beschluß vom 23. Mai 2022 - V ZB 9/21 - Kammergericht [9 W 1093/20]
BGHZ 233, 325 = MDR 2022, 1055 [1077] = JurBüro 2022, 424 = FGPrax 2022, 232 = NotBZ 2022, 351 = ErbR 2022, 915 = RNotZ 2022, 511 = FamRZ 2022, 1642 [Ls] = ZfIR 2022, 423 [Ls]

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Haftung des Rechtsanwalts; Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; Organisationswesen; Fristenkontrolle; Versäumung der Berufungsfrist; anwaltliche Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA.
ZPO §§ 85, 130a, 233, 234, 517

1. Für die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA gilt nichts wesentlich anderes als bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax.
2. Den Versandvorgang zu überprüfen, ist unerläßlich. Dazu gehört insbesondere die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO erteilt worden ist.
3. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, daß der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muß dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.
4. Es fällt deshalb in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO nach Abschluß des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren.
5. Die Kontrolle des Signaturvorgangs (§ 130a Abs. 3 S. 1 ZPO) allein reicht für eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht aus.
6. Ist bei der Übermittlung einer Berufungsschrift via beA nur die Signatur und nicht auch der Inhalt der Berufungsschrift übermittelt worden, gereicht die daraus folgende Versäumung der Berufungsfrist dem Rechtsanwalt zum Verschulden.

BGH, Beschluß vom 24. Mai 2022 - XI ZB 18/21 - OLG Braunschweig [11 U 147/21]
FamRZ 2022, 1715 = NJW-RR 2022, 1069 = HFR 2022, 1085 = MDR 2022, 1202 = ZAP EN-Nr. 475/2022 = BRAK-Mitt 2022, 234 [Ls] = AnwBl 2022, 489 [Ls]

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Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts beim Bundesgerichtshof.
ZPO § 78b; FamFG § 10

1. Hat eine Partei zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt mandatiert, kommt in dem Falle der späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat. Das hat die Partei gegebenenfalls darzulegen
2. Die Bestellung eines Notanwalts kann nicht allein deshalb verlangt werden, weil ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof nicht willens war, eine Revisions- oder Beschwerdebegründung nach den Vorstellungen oder gar Vorgaben der Partei zu fertigen, oder weil er das Rechtsmittel für unzulässig oder unbegründet hält, denn es liefe dem Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen die des - auf das Revisionsrecht spezialisierten - Rechtsanwalts durchzusetzen.

BGH, Beschluß vom 25. Mai 2022 - IV ZR 48/22 - OLG Stuttgart [19 U 45/21]
NJW-Spezial 2022, 424

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Verfahrensrecht; Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung der Brüssel-IIa-Verordnung im Hinblick auf Ehescheidungen; Beginn der maßgeblichen Wartefrist für den deutschen Ehemann einer polnischen Ehefrau zur Anrufung eines deutschen Familiengerichts nach seiner Rückkehr nach Deutschland.
EGV 2201/2003 Art. 3; AEUV Art. 267

Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die in Art. 3 Abs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich Brüssel IIa-VO vorgesehene Wartefrist von einem Jahr (sechs Monaten) für den Antragsteller erst mit der Begründung seines gewöhnlichen Aufenthaltes in dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts zu laufen beginnt, oder ob es genügt, wenn bei Beginn der maßgeblichen Wartefrist zunächst nur ein schlichter Aufenthalt des Antragstellers in dem Staat des angerufenen Gerichts besteht, und sich sein Aufenthalt erst danach in dem Zeitraum bis zu der Antragstellung zu einem gewöhnlichen Aufenthalt verfestigt.

BGH, Vorlagebeschluß vom 25. Mai 2022 - XII ZB 404/20 - OLG Hamm [I-11 UF 187/18]
BGHZ 234, 212 = FamRZ 2022, 1308 = FuR 2022, 490 = 1313 = NZFam 2022, 827 = FamRB 2022, 381 = NJW-Spezial 2022, 517 = MDR 2022, 1043 = ErbR 2022, 907 = FF 2022, 334 [Ls] = NJW 2022, 2360 [Ls] = LMK 2022, 815424 [Ls]

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Entscheidungen Bundesgerichtshof 05/2022 - FD-Platzhalter-rund
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