Entscheidungen OLG Stuttgart 02/1980
ZPO §§ 610, 623, 633
1. Ein Verfahrensverbund wird auch bei hilfsweise gestelltem Scheidungsantrag, insbesondere wegen des Vorrangs der Aufhebungsklage erst dann in Betracht kommen, wenn nach sachlicher Behandlung der Aufhebungsklage im Falle ihrer voraussichtlichen Erfolglosigkeit in die sachliche Behandlung des Scheidungsantrages eingetreten wird.
2. Mit Ehenichtigkeitsklagen, Ehefeststellungsklagen und Eheaufhebungsklagen findet kein Verfahrens- und Entscheidungsverbund im Sinne von § 623 ZPO statt.
OLG Stuttgart, Beschluß vom 4. Februar 1980 - 17 WF 361/79
FamRZ 1981, 579


Ersetzung der Einwilligung der Mutter auf Antrag des Kindes bei Notwendigkeit der Ehelicherklärung aus schwerwiegenden Gründen zum Wohle des Kindes durch das Vormundschaftsgericht; Frage der »berechtigten Interessen« der Ehefrau und Familie nach dem Tode des Ehemannes.
BGB § 1727; GG Art. 6
§ 1727 Abs. 2 S. 1 BGB ist keine Ermessensvorschrift. Liegen die Voraussetzungen dieser Norm vor, und steht § 1727 Abs. 2 S. 2 BGB nicht entgegen, so ist die Einwilligung der Ehefrau des Vaters zu ersetzen.
OLG Stuttgart, Beschluß vom 7. Februar 1980 - 8 W 542/79
FamRZ 1980, 491 = MDR 1980, 495 = Justiz 1980, 279 = DAVorm 1980, 556 [Ls]


Kosten und Gebühren; Gebühren des Rechtsanwalts bei Rechtsanwaltswechsel nach Mahnverfahren.
ZPO §§ 91, 689, 696
1. Hat ein Kläger, der durch einen Rechtsanwalt an seinem Wohnsitz einen Mahnbescheid erwirkt hat, nach Erhebung eines Widerspruchs und Abgabe des Rechtsstreits an das Landgericht, bei dem nur der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, einen bei diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung in dem streitigen Verfahren beauftragt, dann liegt grundsätzlich ein notwendiger Rechtsanwaltswechsel im Sinne von § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO vor. In einem solchen Fall ist die Mahngebühr grundsätzlich erstattungsfähig (Senatsbeschluß NJW 1978, 767).
2. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn der Beklagte, ohne anwaltlich vertreten zu sein, in der vorprozessualen Korrespondenz die Begründetheit des Anspruchs bestritten, oder ihn in sonstiger Weise strittig gestellt hat. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Beklagte aufgrund einer nachfolgenden sachkundigen Beratung durch einen Rechtsanwalt die Sach- und Rechtslage anders beurteilt, und demgemäß von der Einlegung eines Widerspruchs absieht, muß andererseits in Anbetracht dieser Sachlage der Kläger nicht mit größter Wahrscheinlichkeit mit einem streitigen Verfahren rechnen.
OLG Stuttgart, Beschluß vom 13. Februar 1980 - 8 W 548/79
Justiz 1980, 199 = MDR 1980, 501 [Ls]


Unterbringungsrecht; wichtiger Grund für eine Abgabe der Vormundschaft durch das Vormundschaftsgericht; Unterbringung des Mündels in einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Weise für voraussichtlich längere Zeit in einer Anstalt.
BGB §§ 1631b, 1800; FGG §§ 46, 64a ff
Ein wichtiger Grund für eine Abgabe der Vormundschaft durch das Vormundschaftsgericht ist gegeben, wenn der Mündel in einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Weise voraussichtlich für längere Zeit in einer Anstalt untergebracht ist, die außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs des Vormundschaftsgerichts liegt, darüber hinaus außergewöhnlich weit von diesem entfernt ist, und keine sonstigen, aus der Vormundschaft folgenden Interessen der Abgabe entgegenstehen.
OLG Stuttgart, Beschluß vom 25. Februar 1980 - 8 AR 3/80
FamRZ 1980, 504 = Justiz 1980, 201 = BWNotZ 1980, 94


Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; keine Bindung des Kindes an eine einseitig von dem Unterhaltsschuldner errichtete vollstreckbare Urkunde über einen von ihm einseitig bestimmten Teil des Unterhaltsanspruchs; Bemessung des Kindesunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle; geänderte Einstufung in die Einkommensgruppe der Tabelle aufgrund besonderer Umstände des Falles (hier: Verbindlichkeiten des unterhaltspflichtigen Vaters); Ausgleich des Zählkindvorteils.
BGB §§ 1603, 1606, 1610; RegUntVO § 4; ZPO § 323
1. Die Errichtung einer vollstreckbaren Urkunde über einen einseitig von dem Unterhaltspflichtigen bestimmten Teil des Unterhaltsanspruchs bindet den Unterhaltsberechtigten nicht im Sinne von § 323 ZPO; sie macht dessen Klage auf einen Mehrbetrag nicht zur Abänderungsklage.
2. Im Rahmen der Bemessung des angemessenen Kindesunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle können die besonderen Umstände des Falles - insbesondere Verbindlichkeiten des unterhaltspflichtigen Vaters - durch geänderte Einstufung in die Einkommensgruppe der Tabelle berücksichtigt werden.
3. Zum Ausgleich des Zählkindvorteils werden die für mehrere eheliche Kinder gezahlten Kindergelder auf sämtliche Kinder gleichmäßig aufgeteilt (Abweichung von dem Senatsbeschluß DAVorm 1978, 752).
OLG Stuttgart, Urteil vom 26. Februar 1980 - 17 UF 251/79
FamRZ 1980, 919 = Justiz 1980, 476 [Ls] = DAVorm 1980, 978 [Ls]


Verfahrensrecht; Zuständigkeit der Gerichte; Bindungswirkung einer Verweisung an das Familiengericht.
ZPO §§ 36, 281; GVG §§ 23a, 23b
Verweist das Landgericht eine Nicht-Familiensache an das Familiengericht, dann ist das Amtsgericht als Familiengericht an die Verweisung gebunden.
OLG Stuttgart, Beschluß vom 28. Februar 1980 - 17 AR 4/80
FamRZ 1980, 607 = Justiz 1980, 357


Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen einstweilige Anordnungen; neuerliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
BGB §§ 1671, 1672, 1751; ZPO §§ 620, 620b, 620c, 628
1. Auch wenn in einem Anordnungsverfahren einmal eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, reicht das nicht für die Anfechtbarkeit späterer einstweiliger Anordnungen aus: Die Aufhebung, Abänderung oder Ersetzung einer aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenen (rechtskräftigen) einstweiligen Anordnung durch eine neuerliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist durchaus möglich.
2. Dieses Verfahren eröffnet jedoch - zunächst - nur den Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 620b Abs. 2 ZPO, nicht die sofortige Beschwerde nach § 620c ZPO.
OLG Stuttgart, Beschluß vom 29. Februar 1980 - 18 WF 61/80
DAVorm 1980, 430


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