Entscheidungen OLG Hamm 01/1980
BGB §§ 741 ff, 1378; HausrVO §§ 3 ff, 8; GVG § 23b
1. Haben die Ehegatten bei der Anmietung einer Ehewohnung eine Mietkaution an den Vermieter gezahlt, und einigen sie sich im Zusammenhang mit der Scheidung dahin, daß einer von ihnen die Wohnung übernimmt, dann ist für die Klage des weichenden Ehegatten gegen den anderen auf Erstattung eines Anteils an dem Kautionsbetrag nicht das Familiengericht zuständig, sondern die allgemeinen Zivilprozeßabteilung. Es liegt insbesondere keine Streitigkeit aus dem ehelichen Güterrecht vor, auch dann nicht, wenn der aufgrund der Kautionszahlung entstandene Vermögenswert bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung - die selbst nicht Gegenstand des Verfahrens ist - mit zu berücksichtigen ist.
2. Im Rahmen der Wohnungszuweisung nach §§ 3 ff HausrVO kann der Hausratsrichter - entsprechend § 8 Abs. 3 HausrVO - auch eine Ausgleichszahlung anordnen. Einigen sich jedoch die Ehegatten außergerichtlich über die Wohnungsübernahme durch einen von ihnen, dann kommt eine isolierte Ausgleichsanordnung durch den Hausratsrichter nicht in Betracht.
OLG Hamm, Beschluß vom 2. Januar 1980 - 2 UF (Sbd) 39/79
FamRZ 1980, 469 = FRES 5, 322


Ehescheidung; Abgrenzung von Familiensachen; »Ehesache« iSd § 606 Abs. 1 ZPO: Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe; Tod eines der beteiligten »Ehegatten«; keine Möglichkeit der Geltendmachung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe durch Dritte.
ZPO §§ 256, 606, 638; GVG § 23b
1. Die Feststellung, daß eine Ehe besteht oder nicht besteht, kann nicht Gegenstand eines den gewöhnlichen Regeln des Parteiprozesses unterliegenden Rechtsstreits sein; es handelt sich vielmehr um eine »Ehesache« im Sinne des § 606 Abs. 1 ZPO, über die nur das Familiengericht in dem besonderen Verfahren des Eheprozesses zu befinden hat.
2. Außer den »Eheleuten« hat kein »Dritter« die Möglichkeit, Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe selbständig zum Gegenstand eines Rechtsstreits zu machen, auch nicht nach dem Tode eines der beteiligten »Ehegatten«.
OLG Hamm, Urteil vom 7. Januar 1980 - 8 U 196/79
FamRZ 1980, 706


Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Ermittlung des anrechenbaren Einkommens des Unterhaltsschuldners; Berücksichtigung einer durch Realsplitting eintretenden Steuerersparnis; Unterhaltspflicht bei einer »Ehe von kurzer Dauer«; Zugehörigkeit eines Briefmarkenalbums zum Hausrat.
BGB §§ 1569, 1572, 1578, 1579; EStG § 10; HausrVO § 1
1. Bei dem anrechenbaren Einkommen des Unterhaltsschuldners ist auch eine durch das Realsplitting eintretende Steuerersparnis zu berücksichtigen.
2. Zu der Berechnung des anrechenbaren Einkommens bei Berücksichtigung des steuerlichen Realsplittings nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
3. Zu der Unterhaltspflicht bei einer »Ehe von kurzer Dauer«
4. Ein Briefmarkenalbum gehört in der Regel nicht zum Hausrat.
OLG Hamm, Urteil vom 8. Januar 1980 - 2 UF 344/79
FamRZ 1980, 683 = FRES 5, 338


Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; Ehegattenunterhalt bei Zweitehe des Unterhaltsschuldners.
BGB §§ 1361, 1569; EheG §§ 58, 59
Zu der Berechnung von Unterhaltsansprüchen mehrerer gleichrangiger Ehegatten für den Fall, daß der zweite Ehegatte ein eigenes Einkommen erzielt (zu Nr. 43 der Leitlinien der Familiensenate des OLG Hamm).
OLG Hamm, Urteil vom 8. Januar 1980 - 2 UF 524/79
FRES 5, 334


Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Überleitung von Unterhaltsansprüchen auf das Sozialamt; Verurteilung nur unter der Bedingung der weiteren ununterbrochenen Leistung von Sozialhilfe an den Unterhaltsberechtigten; Unwirksamkeit eines zwischen den Ehegatten vereinbarten Unterhaltsverzichts gegenüber dem Träger der Sozialhilfe; Behandlung des Kinderzuschusses zur Rente; Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners bei Unterhaltspflichten gegenüber zwei Ehegatten.
EheG §§ 58, 59, 72; BGB §§ 1361, 1585c, 1601 ff; BSHG § 90; ZPO § 258
1. Verlangt das Sozialamt, das den Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten auf sich gemäß § 90 BSHG übergeleitet hat, Leistung für die Zukunft, so kann die Verurteilung nur unter der Bedingung der weiteren ununterbrochenen Leistung von Sozialhilfe an den Unterhaltsberechtigten erfolgen.
2. Ein zwischen den Ehegatten vereinbarter Unterhaltsverzicht ist dem Träger der Sozialhilfe gegenüber unwirksam, wenn das Sozialamt den Unterhaltsanspruch gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten bereits vorher auf sich übergeleitet, und seitdem laufend Sozialhilfe geleistet hat.
3. Der Kinderzuschuß zu der Rente ist in Höhe des fiktiven Kindergeldes wie Kindergeld zu behandeln, in Höhe des Restbetrages grundsätzlich als Teil des Einkommens (Hammer Leitlinien Ziff. 14.). Errechnet sich jedoch für das Kind ein Unterhalt, der niedriger ist als dieser Restbetrag, dann kann es (zu Lasten des Ehegatten des Unterhaltsschuldners) angemessen sein, dem Kind den gesamten Restbetrag als Unterhalt zuzubilligen.
4. Ist der unterhaltspflichtige Ehegatte auch dem neuen Ehegatten gegenüber zum Unterhalt verpflichtet, und vermindert sich dadurch der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten, dann entspricht es in der Regel nicht der Billigkeit, dem Unterhaltsschuldner entsprechend den Hammer Leitlinien Ziffer 33. S. 2 einen über den notwendigen Selbstbehalt hinausgehenden Selbstbehalt zuzubilligen.
OLG Hamm, Urteil vom 11. Januar 1980 - 2 UF 259/79
FamRZ 1980, 890 = DAVorm 1980, 217 = FRES 5, 362


Elterliche Sorge; Bedeutung einer Trennungsvereinbarung der Eltern in Verfahren nach § 1672 BGB.
BGB §§ 1671, 1672; FGG § 19
1. Zu der Bedeutung einer Trennungsvereinbarung der Eltern in Verfahren nach § 1672 BGB.
2. Die Prüfung und Entscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts beschränkt sich auf den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Gegenüber der Regelung der elterlichen Sorge ist die Regelung des Umgangsrechts ein anderer Verfahrensgegenstand, der nicht in der Beschwerdeinstanz neu in das Verfahren eingeführt werden darf.
OLG Hamm, Beschluß vom 14. Januar 1980 - 3 UF 215/79
FamRZ 1980, 488


Verfahrensrecht; einstweilige Anordnungen; Außerkrafttreten einer Unterhaltsanordnung.
ZPO § 620f
Im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gegen eine einstweilige Anordnung kann eine anderweitige Regelung im Sinne des § 620f ZPO nicht herbeigeführt werden.
OLG Hamm, Beschluß vom 14. Januar 1980 - 5 WF 535/79
FamRZ 1980, 277


Ehescheidung; Klage auf Feststellung des Rechts zum Getrenntleben; Voraussetzung des schutzwürdigen Interesses.
BGB § 1353; ZPO §§ 256, 620
Eine Klage auf Feststellung des Rechts zum Getrenntleben setzt ein schutzwürdiges Interesse eines Ehegatten gegenüber dem anderen voraus.
OLG Hamm, Beschluß vom 15. Januar 1980 - 1 WF 580/79


Elterliche Sorge; Kriterien zur Prüfung der besseren Erziehungseignung.
BGB § 1671
Bei der Prüfung, welcher Elternteil besser zu der Erziehung des Kindes geeignet ist, kommt es weniger auf die Vorbildung und Ausbildung an, als auf die innere Bereitschaft, das Kind zu sich zu nehmen, und die Verantwortung für die Erziehung und Versorgung zu tragen.
OLG Hamm, Beschluß vom 17. Januar 1980 - 3 UF 75/79
FamRZ 1980, 484


Unterhaltsrecht; Zwangsvollstreckung; Sicherung künftiger titulierter Unterhaltsansprüche.
ZPO §§ 916 ff
Unterhaltsansprüche für die Zukunft können auch dann durch Arrest gesichert werden, wenn bereits ein vollstreckbarer Titel vorliegt.
OLG Hamm, Beschluß vom 18. Januar 1980 - 2 UF 30/80
FamRZ 1980, 391 = FRES 5, 391


Versorgungsausgleich; Ausgleich einer Zusatzversorgung (hier: Ruhegeld des »Essener Verbandes«).
BGB § 1587a; BarwertVO § 1
Das Ruhegeld des »Essener Verbandes« ist nicht volldynamisch im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 2 BarwertVO.
OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 1980 - 4 UF 135/79


Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; verschuldete Verminderung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners durch Aufgabe eines gesicherten Arbeitsplatzes trotz Minderung der Erwerbsfähigkeit.
BGB §§ 1569, 1572, 1581
Ein Unterhaltsverpflichteter darf im Verhältnis zu den Unterhaltsberechtigten seinen gesicherten Arbeitsplatz (hier: seit 32 Jahren) trotz einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit (hier: 30% wegen Sehbehinderung) nicht von sich aus aufgeben und sich einem anderen Beruf zuwenden, falls er in dem neuen Beruf wesentlich weniger verdient.
OLG Hamm, Urteil vom 23. Januar 1980 - 5 UF 512/79


Unterhalt des getrennt lebenden Ehegatten; keine Identität zwischen dem Anspruch auf Wirtschaftsgeld und dem Anspruch auf Trennungsunterhalt; Vollstreckungsgegenklage.
BGB §§ 1360, 1360a, 1361; ZPO §§ 323, 767
1. Der Anspruch auf Zahlung eines Wirtschaftsgeldes aus §§ 1360, 1360a BGB entfällt bei Getrenntleben der Ehegatten.
2. Der prozessuale Rechtsbehelf, gegen ein Urteil auf Zahlung von Wirtschaftsgeld mit Rücksicht auf die inzwischen eingetretene Trennung anzugehen, dürfte allein die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) sein.
3. Auch wenn der berechtigte Ehegatte nunmehr einen Unterhaltsanspruch aus § 1361 BGB hat, dürfte eine - sei es auch nur teilweise - Aufrechterhaltung eines Urteils aufgrund der §§ 1360, 1360a BGB unter dem Gesichtspunkt der Identität der Ansprüche nicht in Betracht kommen, weil die Ansprüche aus §§ 1360, 1360a BGB einerseits, und aus § 1361 BGB andererseits, mögen auch beide ihre Grundlage in der Ehe haben, nach Inhalt und Umfang zu stark voneinander abweichen.
OLG Hamm, Beschluß vom 24. Januar 1980 - 2 UF 556/79
FamRZ 1980, 249 = FRES 5, 424


Armenrecht; Begriff der »Armut« nach § 114 ZPO; Sparguthaben als »Notgroschen«.
ZPO § 114
Angesichts eines Einkommens des Antragsgegners von 1.500 DM monatlich und der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin und zwei minderjährigen Kindern sowie angesichts der mit dem erstrebten Auszug verbundenen zusätzlichen Kosten kann der Antragstellerin nicht zugemutet werden, auf das als »Notgroschen« zurückgelegte Sparguthaben von 3.500 DM zurückzugreifen, um die Prozeßkosten zu bezahlen.
OLG Hamm, Beschluß vom 25. Januar 1980 - 2 WF 10/80


Verfahrensrecht; Kostenentscheidung bei unzulässiger Anschlußberufung.
ZPO §§ 522, 515
1. Ist eine Berufung von vornherein unzulässig, weil es an einer Beschwer fehlt, so ist auch die Anschlußberufung unzulässig.
2. Wird eine solche Berufung zurückgenommen, trägt der Anschlußberufungskläger die Kosten der Anschlußberufung, da die Anschließung nicht gemäß § 522 ZPO durch Rücknahme ihre Wirksamkeit verloren hat, sondern weil sie von Anfang an unzulässig war.
OLG Hamm, Beschluß vom 28. Januar 1980 - 3 UF 380/79


Elterliche Sorge; Übertragung auf den Vater bei weitgehender Betreuung des Kindes von seiner Großmutter väterlicherseits.
BGB § 1671
Ist das Kind nach der Trennung der Eltern bei seinem Vater weitgehend von der Großmutter väterlicherseits betreut worden, so können die infolgedessen gewachsenen Bindungen an diese es gebieten, die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, selbst wenn die emotionalen Beziehungen des Kindes zu diesem nicht so stark sind wie zu seiner Mutter.
OLG Hamm, Urteil vom 29. Januar 1980 - 1 UF 250/79
FamRZ 1980, 485


Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Zulässigkeit der Berufungserweiterung nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist (hier: Erweiterung der gemäß Berufungsbegründungsschrift und Berufungsantrag auf den Scheidungsausspruch beschränkten Berufung auf die Regelung zum Versorgungsausgleich).
ZPO § 519
Eine nachträgliche Erweiterung des Rechtsmittels oder des Rechtsmittelantrages ist zulässig, soweit sich der Rechtsmittelträger mit seinem erweiterten Antrag im Rahmen der Rechtsmittelbegründung hält (hier: Erweiterung der gemäß Berufungsbegründungsschrift und Berufungsantrag auf den Scheidungsausspruch beschränkten Berufung auf die Regelung zum Versorgungsausgleich).
OLG Hamm, Urteil vom 29. Januar 1980 - 2 UF 269/79
FRES 6, 2


Verfahrensrecht; Kostenentscheidung bei Erledigung eines Teils des Verbundverfahrens.
BGB § 1587e; ZPO § 93a
Über die von dem Verbund erfaßten Familiensachen ist in einer einheitlichen Kostenentscheidung zu befinden; es darf daher keine gesonderte Entscheidung über die Kosten des Auskunftsverfahrens im Versorgungsausgleich ergehen.
OLG Hamm, Beschluß vom 29. Januar 1980 - 2 UF 649/79


Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Rechtskraft eines oberlandesgerichtlichen Urteils über eine vermögensrechtliche Folgesache.
ZPO §§ 621d, 705
Die Rechtskraft einer oberlandesgerichtlichen Entscheidung über eine vermögensrechtliche Folgesache tritt nicht mit der Verkündung der Entscheidung, sondern erst nach fruchtlosem Ablauf der Rechtsmittelfrist von einem Monat ein (anders OLG Hamm DAVorm 1978, 280).
OLG Hamm, Beschluß vom 30. Januar 1980 - 5 UF 398/79
FamRZ 1980, 472 = NJW 1980, 713 = MDR 1980, 408


Ehewohnung und Hausrat; einstweilige Zuweisung der Ehewohnung vor Einleitung einer Ehesache.
BGB § 1361a; HausrVO § 18a; ZPO §§ 621, 940, 940a
1. Vor der Einleitung einer Ehesache besteht keine familiengerichtliche Regelungsbefugnis bezüglich der Ehewohnung.
2. In dringenden Fällen kann das Prozeßgericht gemäß § 940 ZPO eine einstweilige Verfügung zu der Regelung der Benutzung der Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens vor der Einleitung einer Ehesache erlassen.
3. § 940a ZPO steht einer solchen einstweiligen Verfügung nicht entgegen (im Anschluß an OLG Hamm FamRZ 1979, 805; gegen OLG Frankfurt FamRZ 1978, 191).
4. Hat das Familiengericht entgegen dem vorstehendem Leitsatz 1. entschieden, so ist die Beschwerde an das Landgericht zu richten; die Sache ist eventuell dorthin zu verweisen.
OLG Hamm, Beschluß vom 30. Januar 1980 - 6 WF 599/79
FamRZ 1980, 999 = MDR 1980, 856


Aktuelles
Das Bundesministerium der Finanzen hat das >Merkblatt zur Steuerklassenwahl für das Jahr 2022 be...
Düsseldorfer Tabelle 2022
Die »Düsseldorfer Tabelle« wurde zum 01.01.2022 geändert, im Wesentlichen bei den Bedarfssätzen min...
Neuer Artikel