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BVerfG, Kammerbeschluß vom 13.10.2021 - 1 BvR 1750/21 - FD-Logo-500

BVerfG, Kammerbeschluß vom 13.10.2021 - 1 BvR 1750/21



Verfahrensrecht; Verwerfung eines Widerspruchs gegen eine einstweilige Anordnung (§ 32 Abs. 3 BVerfGG) im Verfassungsbeschwerdeverfahren (hier: Verfassungsbeschwerde gegen eine in einem das Sorgerecht betreffenden familiengerichtlichen Verfahren vom Beschwerdegericht erlassene einstweilige Anordnung).

BVerfGG § 32

1. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 32 Abs. 3 S. 3 BVerfGG) setzt einen zulässigen Widerspruch voraus. Fehlt dem Widerspruchsführer die Berechtigung dazu, ist auch die Kammer befugt, den Widerspruch zu verwerfen. Die Zuständigkeit des Senats, in solchen Konstellationen entscheiden zu können, bleibt davon unberührt.
2. Widerspruchsberechtigt im Sinne des § 32 Abs 3 BVerfGG ist lediglich, wer an dem verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligt ist. Der Begünstigte des einer Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Ausgangsverfahrens ist zwar äußerungsberechtigt (§ 94 Abs. 3 BVerfGG), jedoch nicht an dem Verfahren beteiligt; mithin fehlt ihm die Befugnis zum Widerspruch.

BVerfG, Kammerbeschluß vom 13. Oktober 2021 - 1 BvR 1750/21 - OLG Rostock [10 UF 68/20]

Tenor
Der Widerspruch wird verworfen.

Gründe
1
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen eine in einem das Sorgerecht für ihren Sohn betreffenden familiengerichtlichen Verfahren von dem Oberlandesgericht Rostock als Beschwerdegericht erlassene einstweilige Anordnung. Mit Beschluß vom 6. September 2021 hat die Kammer die Wirksamkeit der angegriffenen Entscheidung vom 28. Juni 2021 durch eine einstweilige Anordnung vorläufig ausgesetzt. Hiergegen hat der Widerspruchsführer - der Vater des betroffenen Kindes - mit Schriftsatz vom 16. September 2021 Widerspruch eingelegt.
2
II. Der Widerspruch gegen die von der Kammer erlassene einstweilige Anordnung ist zu verwerfen, weil er unzulässig ist.
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1. Die Verwerfung des Widerspruchs kann auf der Grundlage von § 93d Abs. 2 S. 1 iVm § 32 Abs. 3 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung durch die Kammer erfolgen.
4
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 32 Abs. 3 S. 3 BVerfGG) einen zulässigen Widerspruch voraus (vgl. BVerfGE 99, 49 <50>, ständige Rechtsprechung). Fehlt dem Widerspruchsführer die Berechtigung dazu, ist auch die Kammer befugt, den Widerspruch zu verwerfen (vgl. BVerfGE 99, 49 <50 f>; s. auch BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. Januar 2017 - 1 BvQ 4/17 - juris Tz. 2, und vom 26. Februar 2018 - 1 BvQ 72/17 u.a. - juris Tz. 2). Die Zuständigkeit des Senats, in solchen Konstellationen entscheiden zu können, bleibt davon unberührt (vgl. BVerfGE 139, 378 <380> Tz. 5).
5
2. Die Voraussetzungen für eine Verwerfung durch die Kammer liegen vor. Der Widerspruch ist unzulässig, weil dem Widerspruchsführer die Widerspruchsberechtigung fehlt.
6
Widerspruchsberechtigt ist lediglich, wer an dem verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligt ist. Der Begünstigte des einer Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Ausgangsverfahrens ist zwar äußerungsberechtigt (§ 94 Abs. 3 BVerfGG); ihm fehlt aber als einem nicht an dem Verfahren Beteiligten die Befugnis zum Widerspruch (vgl. BVerfGE 89, 119 <120>; 99, 49 <50>; 139, 378 <380> Tz. 6, ständige Rechtsprechung). Eine Beteiligtenstellung können in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren außer dem Beschwerdeführer selbst, der allerdings nach § 32 Abs. 3 S. 2 BVerfGG nicht widerspruchsberechtigt ist, lediglich die in § 94 Abs. 1, 2 und 4 BVerfGG genannten Verfassungsorgane erlangen, § 94 Abs. 5 BVerfGG (vgl. BVerfGE 99, 49 <50>; 139, 378 <380> Tz. 6 mwN).
7
III. Die Begründung des Widerspruchs gibt keinen Anlaß, die einstweilige Anordnung von Amts wegen abzuändern oder vorläufig außer Vollzug zu setzen. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin ist weiterhin offensichtlich begründet, weil eine hinreichend zuverlässige Grundlage für die Entscheidung des Oberlandesgerichts, das Kind entgegen dem Rat der Sachverständigen in dem Haushalt des Widerspruchsführers zu belassen, nach wie vor nicht erkennbar ist. Auf den Vortrag des Widerspruchsführers und die von ihm vorgelegten Unterlagen stützt das Oberlandesgericht die angegriffene Entscheidung nicht.
8
Diese sind im Übrigen auch nicht geeignet, die Verwertbarkeit der Gutachten derart in Zweifel zu ziehen, daß eine Auseinandersetzung des Oberlandesgerichts hiermit entbehrlich sein könnte. Mit wesentlichen Teilen des Vortrags hat sich die Kammer bereits in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen die vorangegangene Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts auseinandergesetzt (vgl. BVerfG, Beschluß der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2021 - 1 BvR 1839/20 - FamRZ 2021, 1201 Tz. 28 ff). Soweit der Widerspruchsführer nunmehr bestreitet, die von der Kammer dem Gutachten entnommenen Aussagen gegenüber dem Sachverständigen geäußert zu haben, substantiiert er dieses Bestreiten nicht. Aus den vorgelegten Stellungnahmen anderer Personen über ihre Aussagen gegenüber dem Sachverständigen wird nicht ersichtlich, daß der Sachverständige die Angaben dieser Personen in dem Gutachten objektiv falsch wiedergegeben hat.

Hinweis
Zu dem Erlaß der mit vorliegend beschiedenem Widerspruch angegriffenen einstweiligen Anordnung s. BVerfG, Kammerbeschluß vom 06.09.2021 (1 BvR 1750/21 - FF 2021, 443).


BVerfG, Kammerbeschluß vom 13.10.2021 - 1 BvR 1750/21
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