Entscheidungen Bundesgerichtshof 02/2023
BGB § 1835; FamFG § 277; RVG § 8
1. Der Anspruch des anwaltlichen Verfahrenspflegers auf Rechtsanwaltsvergütung als Aufwendungsersatz für seine anwaltsspezifischen Dienste erlischt nach § 1835 Abs. 1 S. 3 BGB a.F., wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht wird (im Anschluß an den Senatsbeschluß FamRZ 2012, 1377 = FuR 2012, 548).
2. Die Ausschlußfrist zu der Geltendmachung dieses Aufwendungsersatzes beginnt mit der Fälligkeit der Rechtsanwaltsvergütung nach § 8 RVG.
BGH, Beschluß vom 1. Februar 2023 - XII ZB 104/22 - LG Wiesbaden [4 T 27/22 - juris]


Unterbringungsrecht; Anforderungen an die Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens.
GG Art. 103; FamFG §§ 62, 319, 321
1. Zu den Anforderungen an die Bekanntgabe eines Sachverständigengutachtens in Unterbringungsverfahren.
2. Sieht das Gericht von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines Gutachtens an den anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen ab, weil zu besorgen ist, daß die Bekanntgabe die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden werde, dann muß ein Verfahrenspfleger bestellt und ihm das Gutachten übergeben werden, wenn und soweit die Erwartung gerechtfertigt ist, daß der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht.
BGH, Beschluß vom 1. Februar 2023 - XII ZB 130/22 - LG Kleve [4 T 19/22]


Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Wert des Beschwerdegegenstandes bei Verpflichtung zur Auskunfterteilung und/oder Belegvorlagepflicht.
FamFG § 113; ZPO § 3
1. Die Bemessung der Beschwer durch das Beschwerdegericht kann in Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (im Anschluß an den Senatsbeschluß FamRZ 2021, 770 = FuR 2021, 378).
2. Hat die Auskunftsverpflichtung oder die Belegvorlagepflicht, gegen die sich der Rechtsmittelführer zur Wehr setzt, keinen vollstreckbaren Inhalt, dann erhöht sich die Beschwer um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten.
BGH, Beschluß vom 1. Februar 2023 - XII ZB 472/22 - OLG Brandenburg [15 UF 96/22 - juris]


Verfahrensrecht; Rechtsmittel; wiederholter Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ohne Einwilligung des Gegners.
ZPO §§ 233, 520
Nach § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO kann auch einem wiederholten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ohne Einwilligung des Gegners stattgegeben werden, solange dadurch die in dieser Vorschrift genannte Monatsfrist insgesamt nicht überschritten wird.
BGH, Beschluß vom 7. Februar 2023 - VIII ZB 55/21 - LG Nürnberg-Fürth [7 S 2786/21]


Erbrecht; Zulässigkeit eines Erbscheinsantrages bei Nichtangabe der gesetzlich geforderten Beweismittel ohne Verschulden.
BGB §§ 2356, 2358; FamFG § 26
1. Ein Erbscheinsantrag ist nicht unzulässig, wenn der Antragsteller von dem Gesetz geforderte Beweismittel ohne Verschulden nicht angibt. Stattdessen setzt die Pflicht des Nachlaßgerichts zu der Amtsermittlung gemäß § 2358 BGB a.F., § 26 FamFG ein.
2. Dem Nachlaßgericht ist es grundsätzlich möglich, das Verschulden des Antragstellers zu beurteilen. Dieser hat substantiiert darzulegen, warum er zu der Angabe der Beweismittel nicht in der Lage ist. Hierbei kann zu berücksichtigen sein, wie nahe der Antragsteller dem Erblasser stand.
3. Insbesondere ein Gläubiger des Erblassers wird regelmäßig weniger Kenntnisse und einen schlechteren Zugang zu bestimmten Beweismitteln haben.
BGH, Beschluß vom 8. Februar 2023 - IV ZB 16/22 - OLG Frankfurt [20 W 264/20 - juris]


Unterbringungsrecht; durch Zeitablauf erledigte Unterbringungsmaßnahme; Feststellung der Rechtswidrigkeit der Erstentscheidung und Beschwerdeentscheidung; Notwendigkeit ordnungsgemäßer Verfahrensrüge nach § 74 Abs. 3 S. 3 FamFG.
FamFG §§ 62, 74
Beantragt der Betroffene nach einer durch Zeitablauf erledigten Unterbringungsmaßnahme im Rechtsbeschwerdeverfahren - neben der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschwerdeentscheidung - auch die Feststellung, durch den Beschluß des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt worden zu sein, erfolgt dessen Überprüfung systemgerecht nach den Verfahrensregeln über die Rechtsbeschwerde, so daß Verfahrensmängel der amtsgerichtlichen Entscheidung grundsätzlich nur auf eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge nach § 74 Abs. 3 S. 3 FamFG zu überprüfen sind.
BGH, Beschluß vom 15. Februar 2023 - XII ZB 341/22 - LG Oldenburg [8 T 342/22]


Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Beschwerdewert bei eigener Forderung gegen Erbmasse; Bemessung des Beschwerdewertes in der Rechtsmittelinstanz; wirtschaftliches Interesse des Rechtsmittelklägers; Antrag auf Feststellung eines alleinigen Erbes durch letztwillige Verfügung von Todes.
ZPO § 511; GNotKG § 40
1. Der Beschwerdewert bemißt sich grundsätzlich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers; dabei sind von dem Wert eines Nachlasses grundsätzlich alle unbestrittenen Verbindlichkeiten abzuziehen.
2. Begehrt der Kläger mit der Erbfeststellungsklage die Feststellung, Alleinerbe zu sein, dann hat eine Forderung, die er selbst gegen den Nachlaß geltend macht, wirtschaftlich auf seine begehrte Alleinerbenstellung keinen Einfluß, weshalb diese Forderung bei der Bemessung des Wertes der Klage unberücksichtigt bleibt.
BGH, Beschluß vom 22. Februar 2023 - IV ZB 13/22 - OLG Rostock [3 U 105/18]


Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Verurteilung zur Auskunft bei Stufenklage; Wert des Beschwerdegegenstandes; Interesse des Rechtsmittelführers; Aufwand an Zeit und Kosten für die Erteilung der geschuldeten Auskunft; Aufwand für die Erstellung eines Nachlaßverzeichnisses.
ZPO § 544; JVEG § 20
1. Wird bei einer Stufenklage eine Verurteilung zur Auskunft ausgesprochen, so ist für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen.
2. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert.
3. Bei entsprechender Anwendung des Stundensatzes für die Entschädigung bezüglich der Zeitversäumnis nach § 20 JVEG in Höhe von 4 € bleibt der Aufwand für die Erstellung eines Nachlaßverzeichnisses unter 500 €.
4. Maßgeblich für die Bewertung der Beschwer ist aber der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht.
BGH, Beschluß vom 22. Februar 2023 - IV ZR 320/22 - OLG Frankfurt [10 U 241/21]


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