Entscheidungen Bundesgerichtshof 06/2022
VersAusglG § 55; FamFG § 225
Der Einstieg in eine Abänderung nach § 225 Abs. 4 FamFG ist nur dann eröffnet, wenn durch sie für eine bereits bestehende Anwartschaft eine Wartezeit erfüllt wird. Das ist nicht der Fall, wenn sich das nach der Abänderung bestehende gesetzliche Anrecht allein aus dem Versorgungsausgleich speist.
BGH, Beschluß vom 1. Juni 2022 - XII ZB 54/22 - OLG Köln [II-27 UF 64/20]
Betreuungsrecht; Betreuungssache: Erforderlichkeit einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren.
FamFG §§ 68, 278
Wird in einem Betreuungsverfahren die erforderliche persönliche Anhörung des Betroffenen vom Amtsgericht erst im Abhilfeverfahren nachgeholt, kann das Beschwerdegericht nicht von der auch im zweitinstanzlichen Verfahren grundsätzlich gebotenen persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2022, 1133).
BGH, Beschluß vom 15. Juni 2022 - XII ZB 13/22 - LG Darmstadt [5 T 238/21]
Betreuungsrecht; Bestellung eines Betreuers trotz Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht; Ungeeignetheit des Bevollmächtigten mangels Befähigung oder wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit; Begründung einer konkreten Gefahr für das Wohl des Betroffenen.
BGB § 1896
Steht die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht fest, kann gleichwohl eine Betreuung erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, daß die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte mangels Befähigung oder wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint (Anschluß an Senatsbeschlüsse FamRZ 2021, 1654, und FamRZ 2021, 1236 = FuR 2021, 495).
BGH, Beschluß vom 15. Juni 2022 - XII ZB 85/22 - LG Aurich [7 T 293/21]
Betreuungsrecht; wiederholte Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren.
FamFG §§ 68, 278
Das Beschwerdegericht ist in einer Betreuungssache verpflichtet, die Anhörung des Betroffenen zu wiederholen, wenn die Anhörung in erster Instanz verfahrensfehlerhaft nur vor der Erstattung des der Betreuungsanordnung zugrunde liegenden Sachverständigengutachtens durchgeführt worden ist (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2021, 385).
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2022 - XII ZB 200/21 - LG Koblenz [2 T 647/20]
Betreuungsrecht; Ablehnung einer betreuungsgerichtlichen Unterbringungsgenehmigung; Zulässigkeit der Beschwerde des Betroffenen.
BGB § 1906; FamFG § 59
Der Betroffene ist auch in dem Falle der Ablehnung einer betreuungsgerichtlichen Unterbringungsgenehmigung in seinen Rechten beeinträchtigt, so daß der Betreuer in seinem Namen eine zulässige Beschwerde einlegen kann (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2022, 726 = FuR 2022, 268).
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2022 - XII ZB 376/21 - LG Berlin [83 T 216/21]
Betreuungsrecht; Kosten und Gebühren; keine Vergütung des Umgangspflegers; auf einer betreuungsgerichtlichen Umgangsregelung beruhende Tätigkeit.
BGB §§ 1632, 1908i; FamFG § 168
Ein Umgangsbegleiter kann in dem Vergütungsfestsetzungsverfahren auch dann nicht Vergütung und Aufwendungsersatz verlangen, wenn seine Tätigkeit auf einer betreuungsgerichtlichen Umgangsregelung beruht (Fortführung Senatsbeschluß FamRZ 2019, 199 = FuR 2019, 162).
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2022 - XII ZB 442/20 - LG Landshut [64 T 2602/20]
Betreuungsrecht; Erforderlichkeit einer Betreuung bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht; weitere Sachaufklärung des Gerichts bei Widersprüchen zwischen gerichtlichem und privatem Gutachten; Erforderlichkeit eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge.
BGB §§ 104, 1896, 1897, 1903; FamFG § 26
1. Zu der Erforderlichkeit einer Betreuung bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht.
2. Erhebt ein Verfahrensbeteiligter Einwendungen gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen, dann hat der Tatrichter diese zu berücksichtigen. Wird in einem Betreuungsverfahren ein Privatgutachten vorgelegt, dann ist das Gericht verpflichtet, sich mit diesem zu befassen, und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich aus dem Privatgutachten ein Widerspruch zu dem Gerichtsgutachten ergeben kann; insbesondere hat er zu begründen, warum er einem von ihnen den Vorzug gibt (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2020, 1300).
3. Zu der Erforderlichkeit eines Einwilligungsvorbehalts in dem Bereich der Vermögenssorge.
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2022 - XII ZB 544/21 - LG Hannover [4 T 55/21]
Versorgungsausgleich; Beginn der Zahlungspflicht einer Hinterbliebenenversorgung.
VersAusglG §§ 25, 30
Bestimmungen in einer Versorgungsordnung, welche den Zugang zur Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung von der Vorlage einer rechtskräftigen familiengerichtlichen Entscheidung abhängig machen, und die Fälligkeit der Teilhabeansprüche auf den Ablauf des Monats herausschieben, der dem Monat folgt, in dem der Versorgungsträger von der Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung Kenntnis erlangt (Übergangszeit gemäß § 30 Abs. 2 VersAusglG), sind insoweit unwirksam, als sie dem ausgleichsberechtigten Ehegatten auch in solchen Fällen entgegengehalten werden sollen, in denen der verstorbene ausgleichspflichtige Ehegatte keine versorgungsberechtigte Witwe oder keinen versorgungsberechtigten Witwer hinterlassen hat, und der Versorgungsträger des Schutzes von § 30 VersAusglG nicht bedarf.
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2022 - XII ZB 584/18 - OLG Frankfurt [3 UF 123/18 - juris]
Erbrecht; Pflichtteilsanspruch; Anwendung deutschen Pflichteil-Erbrechts trotz Rechtswahl des englischen Rechts durch den britischen Erblasser; Verstoß gegen den deutschen ordre public bei Rechtswahl des englischen Erbrechts.
BGB § 2314; EUV 650/2012 Art. 22, Art. 35; AdG Art. 12 § 2; GG Art. 6, Art. 14
Die Anwendung des gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gewählten englischen Erbrechts verstößt jedenfalls dann gegen den deutschen ordre public im Sinne von Art. 35 EuErbVO, wenn sie dazu führt, daß bei einem Sachverhalt mit hinreichend starkem Inlandsbezug kein bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch eines Kindes besteht.
BGH, Urteil vom 29. Juni 2022 - IV ZR 110/21 - OLG Köln [FamRZ 2021, 1492]
Personenstandsrecht; Personenstandsverfahren; Eintragung des Vatersnamens nach russischem Recht; Erstreckung der Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB auf den Vatersnamen russischen Rechts.
EGBGB Art. 10
Zu der Erstreckung der Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB auf den Vatersnamen russischen Rechts (Fortführung Senatsbeschluß FamRZ 2022, 421).
BGH, Beschluß vom 29. Juni 2022 - XII ZB 153/21 - OLG Hamburg [FamRZ 2021, 1952]
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