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Entscheidungen Bundesgerichtshof 05/2022 - FD-Platzhalter-rund

Entscheidungen Bundesgerichtshof 05/2022



Betreuungsrecht; Bestellung eines Betreuers; erneute Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren bei nicht mehr bestehendem Einverständnis mit der Anordnung einer Betreuung.
BGB § 1896; FamFG §§ 68, 278

Ist das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen davon ausgegangen, daß dieser der Einrichtung einer Betreuung zustimmt, und hat es sich deshalb nicht die Frage vorgelegt, ob eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen angeordnet werden kann, dann hat das Beschwerdegericht den Betroffenen erneut anzuhören, wenn dieser mit seiner Beschwerde gegen den Betreuungsbeschluß zu erkennen gegeben hat, daß er mit der Betreuung tatsächlich nicht oder nicht mehr einverstanden ist (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2019, 1736 = FuR 2019, 665).

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 50/22 - LG München II [6 T 4627/21]
FamRZ 2022, 1224

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Betreuungsrecht; Bestellung eines Betreuers; Voraussetzungen einer Nichtberücksichtigung des Wunsches des Betroffenen bei der Betreuerauswahl.
BGB § 1897; FamFG §§ 68, 278

Der Wille oder Wunsch des Betroffenen kann bei der Betreuerauswahl nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohle zuwiderläuft. Dies setzt voraus, daß sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muß die konkrete Gefahr bestehen, daß der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2021, 1822 = FuR 2021, 667).

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 118/21 - LG Bremen [5 T 19/21]

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Versorgungsausgleich; Anforderungen an den Abänderungsantrag des überlebenden, insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten; Prüfung der Auswirkung der Abänderung zugunsten des überlebenden Ehegatten.
VersAusglG §§ 31, 51; FamFG § 225

1. Für den Einstieg in das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG muß sich der überlebende, insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte grundsätzlich auf eine wesentliche und ihn begünstigende Wertänderung berufen; er kann seinen Abänderungsantrag in Bezug auf die wesentliche Wertänderung von Anrechten demgegenüber nicht allein auf solche Umstände stützen, die für ihn an sich nachteilig sind, im Ergebnis der Totalrevision aber wegen der erstrebten Anwendung von § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG zu einem Wegfall des Versorgungsausgleichs insgesamt führen sollen (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2020, 743 = FuR 2020, 582).
2. Die Prüfung, ob sich die Abänderung zugunsten des überlebenden Ehegatten auswirkt, ist anhand einer Gesamtbetrachtung des Ausgleichsergebnisses vorzunehmen, das sich hypothetisch im Falle einer Totalrevision unter Lebenden ergeben hätte (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2022, 258 = FuR 2022, 216).

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 122/21 - OLG Frankfurt [FamRZ 2021, 1362]
FamRZ 2022, 1177 = NZFam 2022, 685 = FamRB 2022, 298 = FF 2022, 315 = MDR 2022, 897 = BetrAV 2022, 404

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Verfahrenskostenhilfe; Überprüfungsverfahren; Erhöhung des Vermögensfreibetrages für einen verheirateten Antragsteller.
ZPO § 115; SGB XII § 90

Der dem Antragsteller von Verfahrens- bzw. Prozeßkostenhilfe nach § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, § 1 S. 1 Nr. 1 DV zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zustehende Vermögensfreibetrag gilt nur für ihn selbst, und erhöht sich nicht, weil er verheiratet ist.

BGH, Beschluß vom 4. Mai 2022 - XII ZB 384/21 - LG München II [6 T 2268/21]
FamRZ 2022, 1217 = FF 2022, 334 [Ls]

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Betreuungsrecht; Betreuungssache; Teilnahme des Verfahrenspflegers an einem Anhörungstermin während der Corona-Pandemie.
BGB §§ 1896, 1897; FamFG § 278; Art. 103

1. Hört das Landgericht nur den Betroffenen an, und ist sein Verfahrenspfleger damit einverstanden, ist das verfahrensfehlerfrei.
2. Der rechtzeitig von dem Termin unterrichtete Verfahrenspfleger kann selbst entscheiden, ob er an dem Termin teilnimmt.

BGH, Beschluß vom 11. Mai 2022 - XII ZB 129/21 - LG Oldenburg [8 T 225/20]
FamRZ 2022, 1225 = NJW 2022, 2335 = MDR 2022, 908

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Verfahrensrecht; Zwangsvollstreckung; Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels; Beschwerde mit der Begründung der Unzuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges; Exequaturverfahren.
FamFG §§ 65, 69; AUG §§ 2, 45, 58; HUVÜ

1. Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (§ 65 Abs. 4 FamFG, Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2021, 1908 = FuR 2022, 54).
2. Dies gilt auch im Exequaturverfahren, wenn das Beschwerdegericht in der Sache selbst entscheidet.

BGH, Beschluß vom 11. Mai 2022 - XII ZB 423/21 - OLG Stuttgart [17 UF 142/21]
FamRZ 2022, 1218 = FF 2022, 312 = MDR 2022, 908

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Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; anwendbares Recht für nachehelichen Unterhalt; engere Verbindung der Ehe deutscher Staatsangehöriger zum Recht eines anderen Staates; befristete Aufenthalte der Ehegatten in verschiedenen Ländern.
EGV 4/2009 Art. 15; HUP Art. 3, Art. 5, Art. 8

1. Ob für eine engere Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP Anhaltspunkte von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als in der Regel maßgeblicher Anknüpfungspunkt zurücktritt, ist eine Frage der bei der vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Einzelfallumstände.
2. Zu der engeren Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP bei aufgrund beruflicher Verhältnisse eines Ehegatten (»Expatriate«) jeweils befristeten Aufenthalten in verschiedenen Ländern.
3. Reiht sich der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten in einem anderen Staat in eine - durch die beruflichen Verhältnisse des Ehemannes bedingte - regelmäßige Abfolge jeweils befristeter Aufenthalte in verschiedenen Ländern ein, so kann das Recht des letzten gemeinsamen Aufenthalts nur dann zur Anwendung kommen, wenn die im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallabwägung zu berücksichtigenden weiteren Tatsachen für eine im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 1 HUP engere Verbindung gerade zu dem Ort des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes der Ehegatten sprechen.

BGH, Beschluß vom 11. Mai 2022 - XII ZB 543/20 - OLG Karlsruhe [FamRZ 2021, 1030]
NJW 2022, 2403 = FF 2022, 334 [Ls]

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Bürgerliches Recht; Anspruch der Betreiberin einer Praxis für Ergotherapie auf Zahlung einer Ausfallpauschale für kurzfristig abgesagte Termine zur Behandlung minderjähriger Kinder; Behandlungsvertrag zwischen den Eltern und dem Behandelnden; Vergütungsanspruch bei Annahmeverzug; Vereinbarung eines Behandlungstermins als kalendermäßige Bestimmung; rechtliche Unmöglichkeit der Leistungsbewirkung bei Nichtbeachtung von Bestimmungen einer Coronaschutzverordnung.
BGB §§ 296, 297, 328, 615, 630a, 630b; CoronaVV NW 1 § 7

1. Wird ein minderjähriges Kind von seinen Eltern in einer Arztpraxis - oder wie hier in einer Praxis für Ergotherapie - zur medizinischen Behandlung vorgestellt, dann kommt der Behandlungsvertrag in der Regel zwischen den Eltern und dem Behandelnden als Vertrag zugunsten des Kindes zustande (§§ 630a, 328 BGB). Dies gilt - jedenfalls bei kleinen Kindern - auch dann, wenn diese in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert sind.
2. Die Vorschrift des § 615 BGB ist gemäß § 630b BGB auf Behandlungsverträge im Sinne des § 630a BGB anwendbar. Ein etwaiger Vergütungsanspruch gemäß § 615 S. 1 BGB richtet sich auch gegen gesetzlich krankenversicherte Patienten.
3. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Vereinbarung eines Behandlungstermins eine kalendermäßige Bestimmung im Sinne des § 296 S. 1 BGB darstellt, verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise; vielmehr sind sämtliche Umstände des jeweiligen Falles, insbesondere die Interessenlage der Parteien und die Organisation der Terminvergabe durch den Behandelnden sowie deren Erkennbarkeit für die Patienten, zu berücksichtigen.
4. Zu der rechtlichen Unmöglichkeit der Leistungsbewirkung bei Nichtbeachtung von Bestimmungen einer Coronaschutzverordnung (hier: Land Nordrhein-Westfalen).

BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 - III ZR 78/21 - LG Kleve [6 S 139/20]
FamRZ 2022, 1192 = NJW 2022, 2269 = MDR 2022, 877 = GesR 2022, 445

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Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; Ausgleich der kostenfreien Zurverfügungstellung von Wohnraum im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern; Vereinbarung der Eltern über die Abdeckung der Wohnkosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen; Haftungsquote für den anteiligen Mehrbedarf.
BGB §§ 362, 1602, 1606, 1610, 1612, 1613

1. Das mietfreie Wohnen beeinflußt nicht die Höhe des Kindesunterhalts. Die kostenfreie Zurverfügungstellung von Wohnraum wird vorrangig in dem unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern ausgeglichen. Ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich kann auch darin bestehen, daß der Betreuungselternteil keinen Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend machen kann, weil nach der Zurechnung des vollen Wohnwertes keine auszugleichende Einkommensdifferenz zwischen den Eltern mehr besteht.
2. Die Eltern können eine - nach den Umständen des Einzelfalles gegebenenfalls auch konkludente - Vereinbarung darüber treffen, daß die Wohnungskosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen abgedeckt werden. Für die Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs (§ 362 BGB) aufgrund einer solchen Vereinbarung trifft den Barunterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast.
3. Bevor die Haftungsquote für den anteiligen Mehrbedarf bestimmt wird, ist von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldes und abzüglich des von dem Kindesvater geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In der verbleibenden Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergeldes, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen (Anschluß an Senatsbeschluß FamRZ 2021, 1965 = FuR 2022, 39).

BGH, Beschluß vom 18. Mai 2022 - XII ZB 325/20 - OLG Frankfurt [FamRZ 2021, 191 = FuR 2021, 37]
LMK 2022, 810510 [Ls]

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Verfahrensrecht; Rechtsmittel; Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts beim Bundesgerichtshof.
ZPO § 78b; FamFG § 10

1. Hat eine Partei zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt mandatiert, kommt in dem Falle der späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat. Das hat die Partei gegebenenfalls darzulegen
2. Die Bestellung eines Notanwalts kann nicht allein deshalb verlangt werden, weil ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof nicht willens war, eine Revisions- oder Beschwerdebegründung nach den Vorstellungen oder gar Vorgaben der Partei zu fertigen, oder weil er das Rechtsmittel für unzulässig oder unbegründet hält, denn es liefe dem Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen die des - auf das Revisionsrecht spezialisierten - Rechtsanwalts durchzusetzen.

BGH, Beschluß vom 25. Mai 2022 - IV ZR 48/22 - OLG Stuttgart [19 U 45/21]

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Verfahrensrecht; Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung der Brüssel-IIa-Verordnung im Hinblick auf Ehescheidungen; Beginn der maßgeblichen Wartefrist für den deutschen Ehemann einer polnischen Ehefrau zur Anrufung eines deutschen Familiengerichts nach seiner Rückkehr nach Deutschland.
EGV 2201/2003 Art. 3; AEUV Art. 267

Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die in Art. 3 Abs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich Brüssel IIa-VO vorgesehene Wartefrist von einem Jahr (sechs Monaten) für den Antragsteller erst mit der Begründung seines gewöhnlichen Aufenthaltes in dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts zu laufen beginnt, oder ob es genügt, wenn bei Beginn der maßgeblichen Wartefrist zunächst nur ein schlichter Aufenthalt des Antragstellers in dem Staat des angerufenen Gerichts besteht, und sich sein Aufenthalt erst danach in dem Zeitraum bis zu der Antragstellung zu einem gewöhnlichen Aufenthalt verfestigt.

BGH, Vorlagebeschluß vom 25. Mai 2022 - XII ZB 404/20 - OLG Hamm [I-11 UF 187/18]
NJW 2022, 2360 [Ls] = FF 2022, 334 [Ls]

Entscheidungen Bundesgerichtshof 05/2022 - FD-Platzhalter-rund
Fachanwälte im Familienrecht gesucht

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