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BGH, Beschluß vom 17.03.2021 - XII ZB 221/19 - FD-Logo-500

BGH, Beschluß vom 17.03.2021
XII ZB 221/19



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Unterhaltsabänderung; Anpassung des nachehelichen Unterhalts an veränderte Verhältnisse; Neubewertung eines Ehevertrages im Rahmen der Ausübungskontrolle; wesentliche Veränderungen der der Ausgangsentscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse.

BGB §§ 138, 242, 1572, 1573; FamFG §§ 113, 238

1. Die Unterhaltsabänderung nach § 238 FamFG besteht in einer unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an veränderte Verhältnisse (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 15. Juli 2015 - FamRZ 2015, 1694 = FuR 2015, 671).
2. Auch wenn für die erstmalige Bewertung eines möglichen Rechtsmißbrauchs im Rahmen der Ausübungskontrolle eines Ehevertrages nach § 242 BGB der Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe maßgeblich ist, kann sich durch die weitere Entwicklung ergeben, daß ein späteres Berufen seitens des von dem Ehevertrag begünstigten Ehegatten auf eine entsprechende Regelung im Sinne von § 242 BGB nicht mehr rechtsmißbräuchlich ist. Dies kann grundsätzlich im Rahmen einer Unterhaltsabänderung nach § 238 FamFG berücksichtigt werden.
3. Allerdings müssen die Voraussetzungen des § 238 FamFG erfüllt sein, um eine abweichende Bewertung der Ausübungskontrolle aus der abzuändernden Entscheidung zu erreichen. Es müssen mithin Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

BGH, Beschluß vom 17. März 2021 - XII ZB 221/19 - Kammergericht [FamRZ 2019, 1785 - Ls]

Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 13. Zivilsenats des Kammergerichts vom 12.04.2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil entschieden wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen.

Gründe
1
A. Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines Urteils zum nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab April 2014.
2
Sie heirateten im Jahre 1978. Aus der Ehe gingen zwei in den Jahren 1982 und 1983 geborene Kinder hervor. Die Beteiligten schlossen am 3. Februar 1981 einen notariellen Ehevertrag, mit dem sie für den Fall der Trennung oder Scheidung wechselseitig auf jegliche Unterhaltsansprüche verzichteten, und die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausschlossen. Nach ihrer Trennung im Mai 2006 schlossen sie am 14. Juni 2006 einen weiteren notariellen Ehevertrag; in diesem erklärten sie in den Vorbemerkungen, daß die von ihnen in der notariellen Urkunde vom 3. Februar 1981 getroffenen Vereinbarungen aufrecht erhalten bleiben sollten, und auch gegenwärtig ihrem ausdrücklichen Willen entsprächen. Ferner vereinbarten die Beteiligten Gütertrennung, regelten den Zugewinnausgleich, und nahmen eine Vermögensaufteilung vor.
3
Die Ehe der Beteiligten wurde mit Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 16. Dezember 2009, rechtskräftig seit dem 7. April 2010, geschieden. Der Antragsteller [im folgenden: Ehemann] wurde in der Folgesache Ehegattenunterhalt verurteilt, an die Antragsgegnerin [im folgenden: Ehefrau] nach Rechtskraft der Scheidung zunächst monatlich 622 € Elementarunterhalt und 157 € Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Nach einer durch das Amtsgericht über einen Zeitraum von vier Jahren vorgenommenen stufenweisen Herabsetzung war der Ehemann ab dem 1. Januar 2014 noch verpflichtet, einen monatlichen Ehegattenunterhalt von 102 € Elementarunterhalt sowie 26 € Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Der Versorgungsausgleich ist auf die Beschwerden der Beteiligten durch das Oberlandesgericht Brandenburg mit Beschluß vom 30. Juni 2016 dahingehend rechtskräftig geregelt worden, daß ein Teilausgleich der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften in Höhe des ehebedingten Nachteils vorzunehmen sei.
4
Die im März 1956 geborene Ehefrau verfügt über keine Berufsausbildung. Sie war zu dem Zeitpunkt der Heirat als Verwaltungsangestellte im öffentlichen Dienst in Vollzeit erwerbstätig. Nach der Geburt des 1982 geborenen Sohnes kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis. Seit 1992 war sie halbschichtig wieder im öffentlichen Dienst erwerbstätig, und stockte ihre Tätigkeit im Jahre 1999 auf eine Vollzeittätigkeit auf. Nach diversen Operationen stellte sie zum 1. Oktober 2013 einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, dem entsprochen wurde. Die Ehefrau bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Bund in dem hier noch streitigen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die sich nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs für den Zeitraum seit September 2016 erhöht hat. Sie bezieht weiter eine Betriebsrente wegen voller Erwerbsminderung von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder [VBL].
5
Der im Jahre 1955 geborene Ehemann bezieht Einkünfte als Angestellter; er begehrt eine Herabsetzung seiner Verpflichtung zu der Zahlung von Ehegattenunterhalt auf »Null« für die Zeit ab August 2014, da infolge des Rentenbezugs durch die Ehefrau eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten sei. Im Rahmen einer Abänderung seien aufgrund des neuen Unterhaltstatbestands auch die Wirksamkeit der Eheverträge und deren Anwendbarkeit auf den nachehelichen Unterhalt neu zu überprüfen.
6
Das Amtsgericht - Familiengericht - Tempelhof-Kreuzberg hat den Abänderungsantrag des Ehemannes mit Beschluß vom 16. Mai 2017 (158 F 58/17) zurückgewiesen. Auf den Widerantrag der Ehefrau, mit dem sie für die Zeit ab April 2014 aufgrund ihrer Erwerbsunfähigkeit erhöhte Unterhaltszahlungen begehrt, hat es das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg dahin abgeändert, daß es den Ehemann verpflichtet hat, an die Ehefrau für den Zeitraum von April 2014 bis Juni 2015 einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 524 €, und für den Zeitraum von Juli 2015 bis August 2016 einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 421 €, jeweils als Elementarunterhalt nebst Zinsen, zu zahlen; im übrigen hat es den Widerantrag zurückgewiesen. Das Kammergericht hat auf die Beschwerde des Antragstellers und unter Zurückweisung der Anschlußbeschwerde der Antragsgegnerin die Entscheidung des Amtsgerichts teilweise dahin abgeändert, daß es den Ehemann zu der Zahlung eines monatlichen Unterhalts für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2014 in Höhe von 213 € zuzüglich 26 € Altersvorsorgeunterhalt, vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2015 von 217 € zuzüglich 26 € Altersvorsorgeunterhalt für den Monat Juli 2014, vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 von 221 €, und vom 1. Juli 2016 bis zum 31. August 2016 von 230 € nebst Zinsen verpflichtet hat. Ferner hat das Kammergericht festgestellt, daß der Ehemann ab 1. September 2016 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet. Hiergegen wendet sich der Ehemann mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er für die Zeit von April bis Juli 2014 die vollständige Abweisung des Widerantrages, und bereits für die Zeit ab August 2014 den vollständigen Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung erreichen will.
7
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht, soweit der Ehemann die Entscheidung angefochten hat.
8
I. Das Kammergericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
9
Der Abänderungswiderantrag der Ehefrau sei für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 31. August 2016 teilweise, der Abänderungsantrag des Ehemannes für die Zeit ab dem 1. August 2014 hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung von Altersvorsorgeunterhalt, und ab dem 1. September 2016 umfänglich begründet.
10
Dem Unterhaltsanspruch der Ehefrau stehe nicht entgegen, daß die Beteiligten in der notariellen Vereinbarung vom 3. Februar 1981 auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet hätten. Das Gericht sei an die rechtskräftige Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg gebunden, wonach die Vereinbarung zwar wirksam sei, der Ausschluß des nachehelichen Unterhalts der Ausübungskontrolle aber nicht standhalte. Dabei habe das Amtsgericht in der abzuändernden Entscheidung auch den Ehevertrag vom 14. Juni 2006 mit einbezogen und entschieden, daß diesem auch hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts kein eigenständiger Regelungscharakter zukomme, und der nacheheliche Unterhalt auch nicht durch die darin vereinbarte Ausgleichszahlung von 25.000 € (teilweise) wirksam abgefunden worden sei. Es sei deshalb auch nicht möglich, dessen Wirksamkeit zu prüfen. Daher sei auch für den sich nunmehr ergebenden Anschlußunterhalt gemäß § 1572 Nr. 4 BGB nicht erneut zu prüfen, ob dieser Anspruch dem Grunde nach gegeben sei.
11
Der Unterhalt wegen Krankheit sei lediglich an die Stelle des in dem Vorverfahren zugesprochenen Aufstockungsunterhalts gemäß § 1573 BGB getreten. Dies eröffne auch im Rahmen der Ausübungskontrolle keine vollständige, von der Erstentscheidung losgelöste Prüfung; in dem Abänderungsverfahren sei lediglich die Folge der Ausübungskontrolle, nämlich die Vertragsanpassung an die veränderten Umstände, anzugleichen. Dies bedeute konkret, daß Gegenstand des Verfahrens nur sei, ob der nacheheliche Unterhalt in dieser Höhe, und möglicherweise hinsichtlich dieses Zeitraumes abzuändern sei.
12
Der ehebedingte Nachteil von 102 € monatlich sei grundsätzlich auch in dem Abänderungsverfahren zugrunde zu legen. Soweit die Ehefrau mittlerweile allerdings eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe, fehle ein Bezug zur Ehe. Grundlage der Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg, der Ehefrau 8,5463 Entgeltpunkte zum Ende der Ehezeit zu übertragen, sei gewesen, daß der notariell vereinbarte Ausschluß vom 3. Februar 1981 für wirksam erachtet worden sei, aber der Ehevertrag auch hinsichtlich des Versorgungsausgleichs einer Ausübungskontrolle nicht standhalte. Das Gericht sei an die Bewertung des Oberlandesgerichts Brandenburg in dem rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahren zum Versorgungsausgleich gebunden, die auch auf die Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente Einfluß habe.
13
Hingegen sei dem Amtsgericht nicht darin zu folgen, daß für den Zeitraum bis zum 1. September 2016 ein Unterhaltsanspruch in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlich erzielten Rente der Ehefrau und ihrem fiktiven Nettoeinkommen bestehe, denn die Ehefrau hätte auch ohne Ehe eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen. Sie habe vom 1. August 2014 bis zum 31. August 2016 nur über Einkünfte aus ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung verfügt, die auf ausschließlich von ihr aufgrund Erwerbstätigkeit oder Kindererziehungszeiten erworbenen Anrechten beruht habe. Weil sich aus den Vorsorgeleistungen für das Alter auch der Anspruch auf Versorgung wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI berechne, habe die Ehefrau bis zu der Durchführung des Versorgungsausgleichs am 1. September 2016 weiterhin ehebedingte Nachteile gehabt, denn ohne Ehe hätte sie nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Brandenburg weitere Anrechte von 8,5463 Entgeltpunkte erworben, und ihre Erwerbsunfähigkeitsrente wäre daher auch um diese Entgeltpunkte höher gewesen. Unter Berücksichtigung der von der Ehefrau zu leistenden Versicherungsbeiträge (Kranken- und Pflegeversicherung) ergebe sich für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. August 2016 folgende monatliche Differenz zwischen der fiktiven Rente wegen voller Erwerbsminderung zuzüglich weiterer 8,5463 Entgeltpunkte, und der tatsächlich erhaltenen Rente wegen voller Erwerbsminderung: Vom 1. August 2014 bis zum 30. Juni 2015 219,44 €, vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 223,30 €, und vom 1. Juli 2016 bis zum 31. August 2016 232,78 €.
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Der ehebedingte Nachteil in der Altersvorsorge sei allerdings um ehebedingte Vorteile zu reduzieren, denn nach der Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg habe die Ehefrau nicht nur einen Ausgleich für ehebedingte Nachteile erhalten, sondern in dem Zeitraum ab Rechtskraft der Scheidung bis Dezember 2013 habe sie einen weitaus höheren Elementarunterhalt als die von dem Amtsgericht rechnerisch als Nachteil ermittelten 102 €, und damit auch einen weitaus höheren Altersvorsorgeunterhalt als denjenigen, der sich unmittelbar von den als Nachteil ermittelten 102 € an Elementarunterhalt ableite, erhalten. Der überzahlte Altersvorsorgeunterhalt hätte bei Einzahlung in die Rentenversicherung zu einem zusätzlichen Erwerb von 0,1064 Entgeltpunkten geführt. Bis zu der Umsetzung des Versorgungsausgleichs zum 1. September 2016 sei der Ehefrau jedoch ein Nachteil durch die Gestaltung der Ehe geblieben, der im Wege der Ausübungskontrolle auszugleichen sei.
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Die Ehefrau habe allerdings ab dem 1. August 2014 bis zum 31. August 2016 nur noch einen Anspruch auf Elementarunterhalt, und nicht auf einen weiteren Altersvorsorgeunterhalt. Die ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages zunächst entstandene Versorgungslücke aufgrund des ehebedingten geringeren Einkommens gegenüber einem Einkommen ohne Ehe habe nur so lange bestanden, wie auch die Ehefrau berufstätig gewesen wäre. Mithin habe die Ehefrau ab Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente keinen Anspruch mehr auf einen Altersvorsorgeunterhalt gehabt.
16
Der Ehemann schulde der Ehefrau mithin für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 31. August 2016 nur noch einen Unterhalt von insgesamt 6.355 € (213 € × 3 Monate; 217 € × 12 Monate; 221 € × 12 Monate und 230 € × 2 Monate) zuzüglich monatlich 26 € Altersvorsorgeunterhalt für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 31. Juli 2014.
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II. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Zu Unrecht hat sich das Kammergericht mit Blick auf die abzuändernde Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg an einer erneuten Ausübungskontrolle hinsichtlich des Ehevertrages vom 3. Februar 1981 gemäß § 242 BGB gehindert gesehen.
18
1. Nach § 238 Abs. 1 FamFG kann jeder Teil die Abänderung einer in der Hauptsache ergangenen Endentscheidung des Gerichts beantragen, die eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthält. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Gemäß § 238 Abs. 2 FamFG kann der Antrag nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluß der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind, und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war (Senatsbeschlüsse vom 15. Juli 2015 - XII ZB 369/14 - FamRZ 2015, 1694 = FuR 2015, 671 Tz. 14, und BGHZ 218, 213 = FamRZ 2018, 914 = FuR 2018, 383 Tz. 10).
19
Ist das Abänderungsverfahren eröffnet, so ermöglicht es weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts, noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits in der Erstentscheidung eine Bewertung erfahren haben. Darüber hinaus bleiben in dem Abänderungsverfahren auch solche in dem Ausgangsverfahren schon entscheidungserheblichen Umstände unberücksichtigt, die seinerzeit von den Beteiligten nicht vorgetragen oder von dem Gericht übersehen wurden, denn auch eine Korrektur von Fehlern der rechtskräftigen Entscheidung ist in dem Abänderungsverfahren nicht zulässig; einer Fehlerkorrektur steht vielmehr die Rechtskraft der Vorentscheidung entgegen, deren Durchbrechung nur insoweit gerechtfertigt ist, als sich die maßgeblichen Verhältnisse nachträglich verändert haben (Senatsbeschlüsse vom 15. Juli 2015 - XII ZB 369/14 - FamRZ 2015, 1694 = FuR 2015, 671 Tz. 19 mwN, und BGHZ 218, 213 = FamRZ 2018, 914 = FuR 2018, 383 Tz. 12).
20
Die Abänderungsentscheidung besteht dementsprechend in einer unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an veränderte Verhältnisse (§ 238 Abs. 4 FamFG). Für das Ausmaß der Abänderung kommt es darauf an, welche Umstände für die Bemessung der Unterhaltsrente seinerzeit maßgebend waren, und welches Gewicht ihnen dabei zugekommen ist. Auf dieser durch Auslegung zu ermittelnden Grundlage hat der Richter im Abänderungsverfahren unter Berücksichtigung der neuen Verhältnisse festzustellen, welche Veränderungen in diesen Umständen eingetreten sind, und welche Auswirkungen sich daraus für die Höhe des Unterhalts ergeben (Senatsbeschluß vom 15. Juli 2015 - XII ZB 369/14 - FamRZ 2015, 1694 = FuR 2015, 671 Tz. 20 mwN).
21
2. Auf dieser Grundlage hat das Kammergericht die Voraussetzungen für eine zulässige Abänderung nach § 238 FamFG zutreffend bejaht.
22
Die zugrunde liegenden Tatsachen haben sich wesentlich geändert. Dem Ausgangsurteil lag der Antrag auf Zahlung nachehelichen Aufstockungsunterhalts zugrunde. Demgegenüber macht die Ehefrau nunmehr einen Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit nach § 1572 Nr. 4 BGB geltend. Das beruht auf ihrer erst später eingetretenen Erwerbsunfähigkeit, weshalb sie statt ihres früheren Erwerbseinkommens nunmehr eine Erwerbsminderungsrente bezieht.
23
3. Hinsichtlich der Begründetheit des Abänderungsantrages kann dem Kammergericht allerdings nur teilweise gefolgt werden.
24
a) Zutreffend hat es sich allerdings im Rahmen des § 238 FamFG an die Bewertungen des Ausgangsurteils des Amtsgerichts Oranienburg vom 16. Dezember 2009 bezüglich der Sittenwidrigkeit des Ehevertrages vom 3. Februar 1981 und zu der Bedeutung des weiteren Ehevertrages vom 14. Juni 2006 gebunden gesehen.
25
aa) Die Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung darf nicht weitergehen, als es aus Gründen der Anpassung an die veränderten Verhältnisse notwendig ist. Damit unterliegt die Abänderung einer Begrenzung, die sich durch das Merkmal der »Anpassung« an die veränderten Umstände treffend ausdrücken läßt. Die Vorschrift soll weder eine Möglichkeit zu der neuerlichen Bewertung des alten Sachverhalts, noch einen Weg eröffnen, diesen bei Gelegenheit einer - gerechtfertigter Weise erfolgenden - Abänderung abweichend zu beurteilen. Erst recht kann sie nicht die Gelegenheit bieten, gegen den Grund des Anspruchs Einwendungen zu erheben, oder diesen sonst neu zur Nachprüfung zu stellen (BGH Urteil vom 16. Mai 1979 - IV ZR 57/78 - FamRZ 1979, 694, 695 = BGHF 1, 493 mwN, und Senatsbeschluß BGHZ 218, 213 = FamRZ 2018, 914 = FuR 2018, 383 Tz. 12 ff).
26
bb) Gemessen hieran dürfen die in der Vergangenheit liegenden Grundlagen der Ausgangsentscheidung nicht auf etwaige Fehler hin überprüft werden, obgleich vieles dafür spricht, daß der zweite Ehevertrag aus dem Jahr 2006 die Regelungen des ersten Ehevertrages nach der Geburt der beiden Kinder, der Trennung der Ehegatten, und auf der Grundlage der neueren Senatsrechtsprechung zu der Wirksamkeit von Eheverträgen - konstitutiv - bestätigen sollte (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 27. Mai 2020 - XII ZB 447/19 - FamRZ 2020, 1347 Tz. 40 f).
27
b) Soweit sich das Kammergericht indes auch an die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB des Ehevertrages vom 3. Februar 1981 gebunden gesehen hat, hat es verkannt, daß diese einer Neubewertung im Rahmen der Abänderung nach § 238 FamFG zugänglich ist.
28
aa) Mit der Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmißbrauchskontrolle (§ 242 BGB) sollen allein ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Sind solche Nachteile nicht vorhanden oder bereits vollständig kompensiert, dient die richterliche Ausübungskontrolle nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren, und ihn dadurch besser zu stellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit nicht gegeben. Maßgeblich ist insoweit, ob sich in dem Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluß der Scheidungsfolge eine evident einseitige unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die beiden Eheleute von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrunde liegenden Lebensplanung grundlegend abweicht, und dadurch bei dem belasteten Ehegatten ehebedingte Nachteile entstanden sind, die durch den Ehevertrag nicht angemessen kompensiert werden (Senatsbeschluß vom 20. Juni 2018 - XII ZB 84/17 - FamRZ 2018, 1415 Tz. 20, 31 mwN).
29
Auch wenn für die erstmalige Bewertung eines solchen möglichen Rechtsmißbrauchs der Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe maßgeblich ist, kann sich für einen künftig geschuldeten Unterhalt durch die weitere Entwicklung ergeben, daß ein späteres Berufen seitens des von dem Ehevertrag begünstigten Ehegatten auf eine entsprechende Regelung iSv § 242 BGB nicht mehr rechtsmißbräuchlich ist. Gleiches gilt bei der Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage, wenn sich die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die Ehegatten von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrunde liegenden Lebensplanung grundlegend unterscheidet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 = FuR 2013, 463 Tz. 19, und vom 20. Juni 2018 - XII ZB 84/17 - FamRZ 2018, 1415 Tz. 20). Gründe hierfür können beispielsweise - wie in dem Falle des § 1578b BGB - die Dauer der erbrachten Unterhaltszahlungen sein, daß der von dem Vertrag benachteiligte Ehegatte auf den Unterhalt wegen anderweitiger Vermögenszuwendungen nicht mehr angewiesen ist, und daß der verbleibende Unterhaltsbetrag als vergleichsweise gering erscheint. Ferner können auch andere Umstände in die Abwägung mit einbezogen werden, wie etwa eine neue Partnerschaft des Unterhaltsberechtigten, oder auch die nicht zweckentsprechende Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts. Ebenso kann Anlaß für eine Neubewertung im Rahmen der Ausübungskontrolle sein, daß sich der Unterhaltsberechtigte (wie hier) nunmehr auf einen anderen Unterhaltstatbestand beruft.
30
Allerdings müssen die Voraussetzungen des § 238 FamFG erfüllt sein, um die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB bzw. eine entsprechende Vertragsanpassung nach § 313 BGB nunmehr anders zu beurteilen, als dies in der abzuändernden Entscheidung mit Bewilligung eines Unterhalts in Höhe der ehebedingten Nachteile geschehen ist, das heißt, es müssen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 15. Juli 2015 - XII ZB 369/14 - FamRZ 2015, 1694 = FuR 2015, 671 Tz. 14 ff).
31
bb) Gemessen hieran hätte das Kammergericht - hätte es sich nicht an die frühere Bewertung des Ehevertrages vom 3. Februar 1981 in dem Scheidungsverbundverfahren gebunden gesehen - prüfen müssen, ob der vereinbarte Unterhaltsverzicht nach wie vor wegen einer evident einseitigen, unzumutbaren Lastenverteilung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) einer Ausübungskontrolle nicht standhält.
32
Anhaltspunkte dafür, einen Rechtsmißbrauch seitens des Ehemannes, soweit er sich auf den Unterhaltsausschluß beruft, nunmehr zu verneinen, könnten hier vorliegen. Der Ehemann zahlt bereits seit 2009 Ehegattenunterhalt; dabei erhielt die Ehefrau nach dem Verbundurteil vom 16. Dezember 2009 zunächst sogar einen höheren Unterhalt, als ihr nach der Rechtsprechung des Senats zugestanden hätte. Geschuldet war nur der ehebedingte Nachteil, und nicht ein über den angemessenen Lebensbedarf (vgl. insoweit Senatsurteile vom 18. Februar 2015 - XII ZR 80/13 - FamRZ 2015, 824 = FuR 2015, 352 Tz. 26 ff) hinausgehender Unterhalt. Auch wenn diese Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist, und den Senat somit bindet, kann der Umfang des von dem Antragsteller geleisteten Unterhalts im Rahmen der Ausübungskontrolle berücksichtigt werden. Hinzu kommt, daß sich der Elementarunterhalt seit April 2014 auf einen relativ geringen Betrag zwischen 213 € und 230 € beläuft. Zudem hat die Ehefrau einen neuen Partner. Auch wenn die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Nr. 2 BGB nach den Feststellungen des Kammergerichts zunächst nicht erfüllt waren, kann das Vorliegen einer neuen Partnerschaft im Rahmen der Ausübungskontrolle eine andere Bewertung erfahren. Ebenso kann im Rahmen der Prüfung des § 242 BGB berücksichtigt werden, daß die Ehefrau den Altersvorsorgeunterhalt dem Kammergericht zufolge nicht verwendungsgemäß angelegt hat. Ferner erhielt die Ehefrau nach den Feststellungen des Kammergerichts von der Deutschen Rentenversicherung Bund für den Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Mai 2014 eine Rentennachzahlung von 5.816,06 €, und von der VBL für den Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 30. September 2014 eine solche in Höhe von 2.320,17 €, insgesamt also einen Betrag, der die Höhe des von dem Kammergericht noch zugesprochenen Unterhalts von 6.355 € sogar übersteigt. Schließlich stützt sich die Ehefrau nunmehr auf einen anderen Unterhaltstatbestand, nämlich Unterhalt wegen - einer als solcher nicht ehebedingten - Krankheit.
33
4. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil das Kammergericht noch weitere Feststellungen zu treffen, und diese zu würdigen haben wird; deshalb ist der angefochtene Beschluß aufzuheben, und ist die Sache an das Kammergericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 S. 2 FamFG).

BGH, Beschluß vom 17.03.2021 - XII ZB 221/19
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