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Rechtsprechung Bundesfinanzhof im Familienrecht und im Erbrecht 2022/2023 - FD-Platzhalter-rund

Rechtsprechung Bundesfinanzhof
im Familienrecht und im Erbrecht 2022/2023


Rechtsprechung Bundesfinanzhof im Familienrecht und im Erbrecht 2022/2023 - FuR2022logo02
 


Familiensteuerrecht; Kindergeld vor Abschluß des Asylverfahrens.
EStG § 62; EGRL 109/2003 Art. 3; EGRL 50/2009 Art. 3; EURL 98/2011 Art. 3; GG Art. 3; VEA; FlüAbk

1. Die Regelungen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2014 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1d des Vorläufigen Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11.12.1953 [VEA] und Art. 2 S. 1 des Zusatzprotokolls begründen während des laufenden Asylverfahrens keinen Kindergeldanspruch einer später als subsidiär schutzberechtigt anerkannten Person.
2. Weder der verfassungsrechtlich verbürgte Gleichbehandlungsgrundsatz noch das Unionsrecht erfordern es, Personen, denen später subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, hinsichtlich der Kindergeldberechtigung während des laufenden Asylverfahrens Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gleichzustellen.
3. Kindergeld gehört nicht zu den Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 29 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie 2011).

BFH, Beschluß vom 11. Mai 2022 - III R 19/20 - Finanzgericht Baden-Württemberg [3 K 1614/17 - juris]

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BFH/NV 2022, 1306 = HFR 2023, 54 = DStRE 2023, 210 = FamRZ 2022, 1850 [Ls] = FA 2022, 340 [Ls]
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Familiensteuerrecht; Kindergeld; Erlaß der Kindergeldrückforderung bei Nichtanzeige des Haushaltswechsels des Kindes.
EStG § 68; AO §§ 47, 169, 227; FGO §§ 101, 102, 126

Unterläßt es der zunächst kindergeldberechtigte Elternteil, der Familienkasse rechtzeitig mitzuteilen, daß er das Kind nicht mehr in seinem Haushalt aufgenommen hat, dann ist die gegen ihn gerichtete Kindergeldrückforderung nicht zwingend bereits deshalb in vollem Umfange zu erlassen, weil das Kindergeld gemäß einer notariellen Unterhaltsvereinbarung an den dann vorrangig kindergeldberechtigten Elternteil weitergeleitet worden ist, wenn dessen Anspruch möglicherweise wegen fehlender Antragstellung bereits festsetzungsverjährt ist.

BFH, Urteil vom 19. Mai 2022 - III R 16/20 - Finanzgericht Düsseldorf [PStR 2020, 219]

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BFH/NV 2022, 1160 = NZFam 2022, 954 = FamRZ 2022, 1687 [Ls] = FA 2022, 276 [Ls]

Hinweise

1. Lehnt die Familienkasse den Antrag des Kindesvaters auf Erlaß einer auf dem Wechsel der Haushaltszugehörigkeit des Kindes beruhenden Kindergeldrückforderung ab, ohne sich mit dem Umstand auseinanderzusetzen, daß das Kindergeld an die Kindesmutter weitergeleitet wurde, dann ist die Ermessensentscheidung der Familienkasse fehlerhaft.
2. Hat die Familienkasse unterlassene Ermessenserwägungen nicht wirksam nachgeholt, und liegen die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, dann ist in dem Revisionsverfahren das Urteil, mit dem das Finanzgericht zu Unrecht der Klage auf Erstattung des von dem Kindesvater zurückgezahlten Kindergeldes stattgegeben hat, hinsichtlich der Erlaßentscheidung nur insoweit aufrechtzuerhalten, als der Ablehnungsbescheid aufgehoben wurde.
3. Die Sache ist nicht an das Finanzgericht zurückzuverweisen; vielmehr hat die Familienkasse erneut über den Erlaßantrag des Kindesvaters zu entscheiden.

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Familiensteuerrecht; unentgeltliche Überlassung einer Wohnung an nicht nach § 32 EStG berücksichtigungsfähige Kinder; privates Veräußerungsgeschäft.
EStG §§ 10e, 23, 32, 63; EigZulG § 4

Eine Wohnung, die der Steuerpflichtige unentgeltlich an (leibliche) Kinder überläßt, die in dem maßgeblichen Zeitraum des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 3 Alt. 2 EStG nicht (mehr) nach § 32 EStG berücksichtigungsfähig sind, wird nicht »zu eigenen Wohnzwecken« genutzt.

BFH, Urteil vom 24. Mai 2022 - IX R 28/21 - Niedersächsisches Finanzgericht [EFG 2022, 670]

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BFH/NV 2023, 20 = DStR 2022, 2430 = DStRK 2023, 6 = HFR 2023, 146 = DStZ 2023, 9 = EStB 2023, 61 = FamRZ 2022, 1927 [Ls] = BB 2022, 2646 [Ls] = StuB 2022, 945 [Ls] = DStRE 2022, 1529 [Ls]

Hinweise

1. Der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ist auch dann nicht erfüllt, wenn die Wohnung im Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung von drei leiblichen Kindern der Steuerpflichtigen bewohnt wird, von denen ein Kind nach § 32 EStG berücksichtigungsfähig ist. Die Mitbenutzung durch die zwei Kinder, die nicht (mehr) nach § 32 EStG berücksichtigungsfähig sind, ist schädlich.
2. Für eine zeitanteilige Steuerbefreiung (»pro rata temporis«) für die Jahre, in denen eine Berechtigung zu dem Bezug kindbezogener Leistungen hinsichtlich aller drei Kinder vorgelegen hat, besteht keine Rechtsgrundlage.

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Familiensteuerrecht; Kindergeld; Erlöschen der Kindergeldansprüche infolge von Sozialleistungen und Erstattungsansprüchen des Jobcenters.
EStG §§ 31, 62 ff, 74; SGB II § 19; SGB X §§ 45, 102 ff, 104, 107, 111; AO §§ 37, 47, 218

1. Mußte das Jobcenter wegen unterlassener oder verzögerter Kindergeldzahlungen an den Kindergeldberechtigten höhere Leistungen erbringen, dann kann es gemäß § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 104 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die Familienkasse haben, und können die Kindergeldansprüche des Berechtigten gemäß § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 107 SGB X als erfüllt gelten, und gemäß § 47 AO erloschen sein.
2. Dies gilt nicht, wenn die Familienkasse das Kindergeld für den jeweiligen Monat in dem jeweiligen Monat ausgezahlt hat, oder wenn die Familienkasse bereits selbst geleistet hat, bevor sie von der Leistung des Jobcenters Kenntnis erlangt hat.
3. Die Familienkasse hat von der Leistung des Jobcenters Kenntnis erlangt, sobald die Information, ab wann das Jobcenter Leistungen erbringt, und es deshalb »Erstattung« gemäß §§ 102 ff SGB X begehrt, in ihren Geschäftsgang gelangt ist; die Kenntnis des Sachbearbeiters ist nicht erforderlich.
4. Die Unkenntnis des Jobcenters von der Festsetzung und Zahlung des Kindergeldes ist unerheblich; § 107 SGB X in Verbindung mit § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X stellt allein auf die rechtzeitige Erfüllung der Leistungsverpflichtung durch die Familienkasse ab.

BFH, Urteil vom 2. Juni 2022 - III R 9/21 - Finanzgericht Baden-Württemberg [2 K 1817/17 - juris]

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BFHE 277, 294 = BStBl II 2022, 840 = BFH/NV 2022, 1399 = NJW 2022, 3309 = DStRK 2022, 328 = DStRE 2022, 1489 = ZFSH/SGB 2023, 25 = HFR 2023, 56 = DStZ 2022, 896 = FamRZ 2022, 1850 [Ls] = StE 2022, 679 [Ls] = EStB 2022, 460 [Ls] = FA 2022, 340 [Ls] = rv 2023, 30 [Ls] = BFH/PR 2023, 109 [Ls]

Hinweise

1. Teilweise Parallelentscheidung: BFH BFH/NV 2022, 1310.
2. Eine rechtzeitige Erfüllung iSd § 74 Abs. 2 EStG iVm § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X durch die Familienkasse liegt vor, wenn sie das Kindergeld in dem jeweiligen Monat für den jeweiligen Monat zahlt. Nicht erforderlich ist es, daß die Familienkasse die nur durch eine Verwaltungsanweisung geregelten, nach Kindergeldendziffern gestaffelten kassenmäßigen Auszahlungstermine einhält (vgl. BSGE 81, 30).
3. Soweit der erkennende Senat entschieden hat, es reiche für eine Kenntniserlangung aus, daß die Umstände, die für die Entscheidung über den Erstattungsanspruch maßgeblich seien, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt wurden, so daß es dem erstattungsverpflichteten Leistungsträger ohne weitere Nachforschungen möglich sei, zu entscheiden, welche Teile der von ihm zu erbringenden Leistung zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs einzubehalten, und welche an den Kindergeldberechtigten auszuzahlen seien (vgl. BFHE 273, 41 Tz. 18), heißt dies nicht, daß diese Anforderungen stets zwingend erfüllt sein müssen.

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Familiensteuerrecht; Abzug von Unterhaltsaufwendungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG; Anrechnung eigener Einkünfte der unterhaltenen Person.
EStG §§ 2, 33a; BAföG § 11

1. Anrechenbare Einkünfte im Sinne des § 33a Abs. 1 S. 5 EStG sind die nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG.
2. Negative Einkünfte der unterhaltenen Person mindern die gemäß § 33a Abs. 1 S. 5 EStG anrechenbaren Ausbildungshilfen (hier: BAföG-Zuschüsse) nicht.

BFH, Urteil vom 8. Juni 2022 - VI R 45/20 - Finanzgericht Rheinland-Pfalz [EFG 2021, 768]

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BFHE 277, 309 = BStBl II 2023, 23 = BFH/NV 2022, 1348 = NJW 2022, 3174 = NZFam 2023, 190 = ZAP EN-Nr. 730/2022 = DStR 2022, 2097 = DStRK 2022, 284 = FR 2022, 1084 = HFR 2022, 1124 = FamRZ 2022, 1773 [Ls] = StE 2022, 642 [Ls] = StuB 2022, 795 [Ls] = BFH/PR 2023, 14 [Ls] = EStB 2022, 459 [Ls]

Hinweis

Nach dem von dem Finanzgericht § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellten Sachverhalt bestanden in dem Streitfall (auch) keine Anhaltspunkte dafür, die erhaltenen BAföG-Zuschüsse ausnahmsweise nicht nach § 33a Abs. 1 S. 5 EStG anzurechnen (vgl. hierzu BFHE 198, 493; 214, 124).

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Familiensteuerrecht; Unterhaltsanspruch von Mutter und Vater aus Anlaß der Geburt; Unterhaltsleistungen an die ehemalige Lebensgefährtin und Mutter eines gemeinsamen Kindes; begrenztes Realsplitting.
BGB § 1615l; EStG § 10; GG Art. 3, Art. 6; FGO § 115

Auch nach der Reform des Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 und nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 (BVerfGE 133, 377) zu dem Splittingtarif bei eingetragenen Lebenspartnerschaften ist eine Ausweitung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG auf Unterhaltsleistungen an ehemalige Lebensgefährten und Eltern eines gemeinsamen Kindes verfassungsrechtlich nicht geboten.

BFH, Beschluß vom 9. Juni 2022 - X B 15/21 - Finanzgericht München [12 K 3231/17]

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BFH/NV 2022, 1174 = DStRK 2022, 254 = HFR 2022, 1116 = FamRZ 2022, 1660 [Ls] = StuB 2022, 755 [Ls]
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Familiensteuerrecht; Unterhalt des Ehegatten; begrenztes Realsplitting; Überlassung einer Wohnung an den dauerhaft getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten; entgeltliches Rechtsverhältnis; unentgeltliche Nutzungsüberlassung als Naturalunterhalt; Ansatz ortsüblicher Miete trotz unterhaltsrechtlicher Vereinbarung eines betragsmäßig geringeren Wohnvorteils.
BGB § 1361; EStG § 10; BewG § 15; AO § 175; FGO § 118

1. Die auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruhende Überlassung einer Wohnung an den dauerhaft getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG.
2. Dagegen handelt es sich bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung um Naturalunterhalt, der in sinngemäßer Anwendung von § 15 Abs. 2 BewG in Höhe der ortsüblichen Miete als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG berücksichtigt werden kann (im Anschluß an BFHE 192, 75).
3. Die ortsübliche Miete ist auch dann anzusetzen, wenn die Parteien unterhaltsrechtlich einen betragsmäßig geringeren Wohnvorteil vereinbart haben.

BFH, Urteil vom 29. Juni 2022 - X R 33/20 - Niedersächsisches Finanzgericht [DStRE 2021, 716]

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BFHE 277, 371 = BStBl II 2023, 237 = BFH/NV 2023, 176 = FamRZ 2023, 271 = NJW 2023, 108 = DStR 2022, 2600 = HFR 2023, 127 = FR 2023, 226 = DStZ 2023, 67 = BB 2022, 2902 [Ls] = StE 2022, 788 [Ls] = StuB 2023, 52 [Ls] = DStRE 2023, 57 [Ls] = BFH/PR 2023, 70 [Ls] = EStB 2023, 56 [Ls]
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Familiensteuerrecht; Kindergeld; Erlöschen von Kindergeldansprüchen infolge von erhöhten Leistungen des Jobcenters; Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids des Jobcenters.
EStG §§ 31, 62 ff, 74; SGB II § 19; SGB X § 102 ff, 104, 107; FGO §§ 60, 118, 136, 139; AO §§ 37, 47

1. Das Jobcenter hat keinen Erstattungsanspruch gemäß § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X, wenn die Familienkasse das Kindergeld in dem jeweiligen Monat für den jeweiligen Monat fristgerecht ausgezahlt hat, und zwar auch dann, wenn das Jobcenter wegen Nichtanrechnung des Kindergelds erhöhte Leistungen erbracht hat.
2. Die Kindergeldansprüche des Berechtigten gelten dann nicht gemäß § 74 Abs. 2 EStG iVm § 107 SGB X als erfüllt und gemäß § 47 AO als erloschen, da § 107 SGB X an das Bestehen eines Erstattungsanspruchs gemäß §§ 102 ff SGB X anknüpft.
3. Ob das Jobcenter von der Festsetzung und Zahlung des Kindergeldes wußte oder sie hätte verhindern können, ist von Rechts wegen unerheblich; § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X, an den § 107 SGB X anknüpft, stellt allein auf die rechtzeitige Erfüllung der Leistungsverpflichtung ab.

BFH, Urteil vom 14. Juli 2022 - III R 40/20 - Finanzgericht Baden-Württemberg [EFG 2021, 614]

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BFH/NV 2022, 1310 = EStB 2022, 416 = DStZ 2022, 897 = FA 2022, 340 [Ls]

Hinweise

1. Teilweise inhaltsgleich mit BFHE 277, 294.
2. Rechtzeitige Erfüllung iSd § 74 Abs. 2 EStG iVm § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X durch die Familien-kasse liegt vor, wenn sie das Kindergeld in dem jeweiligen Monat für den jeweiligen Monat zahlt; nicht erforderlich ist es, daß die Familienkasse die nur durch eine Verwaltungsanweisung geregelten, nach Kindergeldendziffern gestaffelten kassenmäßigen Auszahlungstermine einhält (vgl. BSGE 81, 30).

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Familiensteuerrecht; Kindergeld; Erlöschen von Kindergeldansprüchen infolge von Leistungen des Jobcenters; Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids des Jobcenters; rechtzeitige Zahlung durch die Familienkasse.
EStG §§ § 31, 62, 66, 74; SGB II §§ 11, 19; SGB X §§ 45 ff, 102 ff, 104, 107, 111; AO §§ 37, 47, 218

1. Kindergeldansprüche gelten gemäß § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 107 SGB X als erfüllt und damit gemäß § 47 AO als erloschen, soweit das Jobcenter wegen unterlassener oder verzögerter Kindergeldzahlungen einen Erstattungsanspruch gegen die Familienkasse hat.
2. Die Frage, ob die Familienkasse geleistet hat, bevor sie von der Leistung des Jobcenters Kenntnis hatte, stellt sich nur in Nachzahlungsfällen, nicht aber, wenn die Familienkasse rechtzeitig leistet.

BFH, Urteil vom 22. September 2022 - III R 38/20 - Hessisches Finanzgericht [5 K 140/16 - juris]

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BFH/NV 2023, 35 = FamRZ 2023, 127 [Ls] = FA 2023, 32 [Ls]

Hinweise

1. Aufgrund der in § 11 Abs. 1 S. 5 SGB II angeordneten Berücksichtigung des Kindergeldes als Kindeseinkommen ist die durch das Jobcenter geleistete Grundsicherung im Form von ALG II grundsätzlich nachrangig.
2. Eine rechtzeitige Erfüllung iSd § 74 Abs. 2 EStG iVm § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X durch die Familienkasse liegt vor, wenn sie das Kindergeld in dem jeweiligen Monat für den jeweiligen Monat auszahlt; die Einhaltung der durch Verwaltungsanweisung geregelten, nach Kindergeldendziffern gestaffelte kassenmäßige Auszahlung ist nicht erforderlich (vgl. auch BSGE 81, 30 Tz. 16 mwN).
3. Die Aussagen zu der ausreichenden Kenntniserlangung in dem Falle des § 74 Abs. 2 EStG iVm § 104 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB X (s. BFHE 273, 41 Tz. 18) bedeuten nicht, daß diese Anforderungen stets zwingend erfüllt sein müssen.

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Familiensteuerrecht; Besteuerung eines von öffentlicher und privater Hand gemeinsam finanzierten Promotionsstipendiums; wiederkehrende Bezüge.
EStG §§ 2, 3, 12, 22 § 2 § 12; KStG § 10

1. Leistungen aus einem Stipendium, die keiner gegenüber den sonstigen Einkünften im Sinne von § 22 EStG vorrangigen Einkunftsart zuzuordnen sind, sind als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 S. 1 Hs. 1 bzw. S. 3b EStG steuerbar, wenn der Stipendiat für die Gewährung der Leistungen eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat (im Anschluß an Senatsurteil BFHE 269, 556).
2. Die Anwendung von § 22 Nr. 1 S. 2 Hs. 1 EStG setzt nicht die Feststellung voraus, daß der Stipendiengeber in dem konkreten Einzelfall keine steuerliche Entlastung hinsichtlich der Zahlungen an den Stipendiaten erfahren hat.
3. Ein von öffentlicher und privater Hand gemeinsam finanziertes Stipendium ist jedenfalls insoweit nicht gemäß § 3 Nr. 44 EStG steuerbefreit, als es unmittelbar von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, das nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllt, gezahlt wird.

BFH, Urteil vom 28. September 2022 - X R 21/20 - Finanzgericht Nürnberg [EFG 2021, 25]

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BFH/NV 2023, 417 = DStRK 2023, 75 = NWB 2023, 591 = DStZ 2023, 239 = BB 2023, 405 = StE 2023, 121 [Ls] = StuB 2023, 273 [Ls]
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Familiensteuerrecht; Vorsteuerabzug und private Verwendung im Rahmen eines Ehegatten-Vorschaltmodells; zwischen Ehegatten abgeschlossener Leasingvertrag; Scheingeschäft.
UStG §§ 2, 3, 13, 15; BGB § 117; EStG § 12; EGRL 112/2006 Art. 9, Art. 168, Art. 176; AO §§ 41, 42

1. Der Erwerb eines Pkw zur langfristigen Überlassung an den freiberuflich tätigen Ehegatten kann eine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit begründen.
2. Der Vorsteuerabzug des Vermieters eines Pkw ist nicht systemwidrig und daher auch nicht mißbräuchlich. Dies gilt bei einer Vermietung unter Ehegatten jedenfalls für die Vermietung von Pkw, die nicht dem unmittelbaren Familienbedarf dienen.
3. Einer Besteuerung der privaten Verwendung des vermieteten Pkw durch den Vermieter-Ehegatten steht eine vertraglich geregelte Vollvermietung an den anderen Ehegatten nicht entgegen.

BFH, Urteil vom 29. September 2022 - V R 29/20 - Finanzgericht Baden-Württemberg [9 K 2621/18]

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BFH/NV 2023, 348 = DStR 2023, 33 = BB 2023, 163 = DB 2023, 367 = DStRK 2023, 68 = UR 2023, 243 = HFR 2023, 268 = MwStR 2023, 268 = NWB 2023, 165 = DStZ 2023, 151 = AuA 2023, 50 = UVR 2023, 100 = FamRZ 2023, 328 [Ls] = BB 2023, 85 [Ls] = StE 2023, 41 [Ls] = DStRE 2023, 120 [Ls] = StuB 2023, 150 [Ls] = BFH/PR 2023, 112 [Ls]

Hinweise

1. Wird der zwischen den Ehegatten geschlossene Kfz-Leasingvertrag hinsichtlich seiner Hauptpflichten und damit im Wesentlichen so wie vereinbart tatsächlich durchgeführt, dann liegt kein Scheingeschäft iSd § 41 Abs. 2 S. 1 AO vor.
2. Der Erwerb eines Pkw zu der langfristigen Überlassung an den freiberuflich tätigen Ehegatten kann selbst dann eine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit begründen, wenn der zwischen den Ehegatten abgeschlossene Leasingvertrag hinsichtlich einer Nebenklausel (hier: betreffend die Kostentragung für Wartungsarbeiten an dem Pkw) nicht vollständig durchgeführt wird.
3. Eine zivilrechtliche Vertragsübernahme mit der Folge eines umsatzsteuerrechtlich anzuerkennenden Wechsels in der Person des Leistungsempfängers ist jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt der Leistungserbringung und damit der Steuerentstehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 UStG anzuerkennen (vgl. BFHE 268, 351 Tz. 39).
4. Der erkennende Senat konnte offen lassen, ob die Einschränkung des Vorsteuerabzugs durch § 15 Abs. 1a UStG iVm § 12 Nr. 1 EStG gegen Art. 176 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG verstößt (vgl. FG München EFG 2006, 1018).

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Familiensteuerrecht; Kindergeldanspruch für volljähriges behindertes Kind; Pflegegeld; Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten des behinderten Kindes.
EStG §§ 32, 63; BGB §§ 1360, 1360a, 1569 ff, 1609, 1612b

1. Das für ein behindertes Kind gezahlte Pflegegeld ist bei den dem Kind zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln als Bezug zu berücksichtigen.
2. Bei der Prüfung, ob dem behinderten Kind gegenüber seinem Ehegatten ein Unterhaltsanspruch zusteht, mindern die von dem Ehegatten auf sein Einkommen geleisteten Steuern (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer) und Sozialversicherungsbeiträge das diesem zu der Unterhaltsleistung zur Verfügung stehende Einkommen.
3. Der von dem Ehegatten des behinderten Kindes an ein (gemeinsames oder nicht gemeinsames) minderjähriges Kind geleistete Unterhalt mindert die diesem für den Ehegattenunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel.

BFH, Urteil vom 20. Oktober 2022 - III R 13/21 - Finanzgericht Nürnberg [4 K 392/19]

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NJW 2023, 941 = StE 2023, 168 [Ls] = StuB 2023, 315 [Ls]

Hinweise

1. Diese Rechtsprechung gilt auch für andere Sozialleistungen, die gezahlt werden, um einen besonderen Bedarf abzudecken.
2. Andererseits sind bei der Prüfung der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt Einkünfte und Bezüge des behinderten Kindes - für das Kindergeld begehrt wird - nicht wegen Unterhaltsverpflichtungen des Kindes gegenüber seinem eigenen Kind, also dem Enkel der Eltern des behinderten Kindes, zu kürzen.
3. Der Senat neigt dazu, in Anlehnung an die Zivilrechtslage (§ 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB), und weil das Kindergeld auch der Deckung des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs dient, von dem für den Barunterhalt erforderlichen Betrag lediglich das halbe Kindergeld abzuziehen (in dem Streitfall konnte dahingestellt bleiben, ob nicht sogar eine Kürzung um das volle Kindergeld vorzunehmen ist, da bereits bei hälftiger Berücksichtigung kein Anspruch auf Kindergeld seitens der Eltern des behinderten Kindes gegeben war).

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